Bundesrecht - tagaktuell konsolidiert - alle Fassungen seit 2006
Vorschriftensuche
 

§ 12 - Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und -Organisationsverordnung (WpDVerOV)

V. v. 17.10.2017 BGBl. I S. 3566 (Nr. 69); zuletzt geändert durch Artikel 1 V. v. 30.09.2022 BGBl. I S. 1603
Geltung ab 03.01.2018; FNA: 4110-4-21 Börsenvorschriften
|

§ 12 Produktfreigabeverfahren für Vertriebsunternehmen



(1) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen hat bei der Auswahl derjenigen Finanzinstrumente, die von diesem oder anderen Wertpapierdienstleistungsunternehmen begeben werden, und der Dienstleistungen, die es Kunden anzubieten oder zu empfehlen beabsichtigt, die Anforderungen der Absätze 2 bis 12 sowie des § 80 Absatz 12 und 13 und des § 81 Absatz 4 des Wertpapierhandelsgesetzes so zu erfüllen, wie es angesichts der Art des Finanzinstruments, der Wertpapierdienstleistung und des Zielmarkts des Produkts angemessen und verhältnismäßig ist.

(2) 1Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das ein Finanzinstrument anbietet oder empfiehlt, das von einem Unternehmen konzipiert wird, das nicht von der Richtlinie 2014/65/EU erfasst wird, hat sicherzustellen, dass § 80 Absatz 9 bis 11 des Wertpapierhandelsgesetzes und die Absätze 3, 4 und 6 bis 12 beachtet werden. 2Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen hat geeignete Vorkehrungen zu treffen, die sicherstellen, dass es von dem Konzepteur des Finanzinstruments ausreichende Informationen über das Finanzinstrument zur Erfüllung der Anforderungen des § 80 Absatz 9 bis 11 des Wertpapierhandelsgesetzes und der Absätze 3, 4 und 6 bis 12 erhält.

(3) 1Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das Finanzinstrumente vertreibt, die von einem anderen Unternehmen konzipiert worden sind, hat den Zielmarkt für jedes vertriebene Finanzinstrument im Hinblick auf seine Kunden zu bestimmen und hat dabei den Zielmarkt des Konzepteurs zu berücksichtigen. 2Hat der Konzepteur für ein Finanzinstrument keinen Zielmarkt bestimmt, so hat ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das dieses Finanzinstrument zu vertreiben beabsichtigt, den Zielmarkt eigenständig zu bestimmen.

(4) 1Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das Finanzinstrumente vertreibt, die von einem anderen Unternehmen konzipiert worden sind, muss über angemessene Produktfreigabevorkehrungen verfügen, um sicherzustellen, dass

1.
die Produkte und Dienstleistungen, die das Wertpapierdienstleistungsunternehmen anzubieten oder zu empfehlen beabsichtigt, mit den Bedürfnissen, Merkmalen und Zielen, einschließlich etwaiger nachhaltigkeitsbezogener Ziele, des bestimmten Zielmarkts vereinbar sind und

2.
die beabsichtigte Vertriebsstrategie dem bestimmten Zielmarkt entspricht.

2Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen hat die Umstände und Bedürfnisse der von ihm ausgewählten Kunden angemessen zu ermitteln und zu bewerten, um sicherzustellen, dass die Kundeninteressen nicht auf Grund von wirtschaftlichem oder finanziellem Druck beeinträchtigt werden. 3Dabei hat das Wertpapierdienstleistungsunternehmen auch sämtliche Kundengruppen zu ermitteln, mit deren Bedürfnissen, Merkmalen und Zielen das Produkt oder die Dienstleistung nicht vereinbar ist. 4Für nachhaltigkeitsbezogene Ziele gilt Satz 3 nicht im Falle der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsfaktoren.

(5) 1Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das Finanzinstrumente vertreibt, die von einem anderen Unternehmen konzipiert worden sind, das der Richtlinie 2014/65/EU unterliegt, hat diejenigen Informationen über die Finanzinstrumente, die es zu empfehlen oder zu verkaufen beabsichtigt, bei dem Konzepteur des jeweiligen Finanzinstruments einzuholen, die sicherstellen, dass die Produkte entsprechend den Bedürfnissen, Merkmalen und Zielen des bestimmten Zielmarkts vertrieben werden. 2Der Konzepteur hat dem Vertriebsunternehmen die in Satz 1 genannten Informationen auf Verlangen zur Verfügung zu stellen.

(6) 1Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen hat zudem alle zumutbaren Schritte einzuleiten, um von Konzepteuren, die der Richtlinie 2014/65/EU nicht unterfallen, alle Informationen zu erhalten, die nötig sind, um sicherzustellen, dass die Produkte entsprechend den Bedürfnissen, Merkmalen und Zielen des Zielmarkts vertrieben werden. 2Dies gilt auch dann, wenn die erforderlichen Informationen nicht öffentlich verfügbar sind. 3Das vertreibende Wertpapierdienstleistungsunternehmen hat in diesem Fall alle zumutbaren Schritte einzuleiten, um die erforderlichen Informationen von dem Konzepteur oder seinem Vertreter zu erhalten. 4Öffentlich zugängliche Informationen sind hierfür ausreichend, wenn sie klar, zuverlässig und im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben und den regulatorischen Anforderungen erstellt worden sind, etwa wenn sie den Offenlegungsanforderungen entsprechen, die festgelegt sind in der

1.
Verordnung (EU) 2017/1129 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/71/EG (ABl. L 168 vom 30.6.2017, S. 12) und

2.
Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (ABl. L 390 vom 31.12.2004, S. 38), die zuletzt durch die Richtlinie 2013/50/EU (ABl. L 294 vom 6.11.2013, S. 13) geändert worden ist.

5Die vorstehenden Pflichten gelten sowohl für Produkte, die auf dem Primärmarkt als auch für solche, die auf dem Sekundärmarkt vertrieben werden sollen und stehen unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit. 6Das Ausmaß der Pflichten hängt insbesondere von dem Grad der öffentlich verfügbaren Informationen und der Komplexität des betreffenden Produkts ab.

(7) Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen hat die vom Konzepteur erhaltenen Informationen und seine eigenen Informationen in Bezug auf seinen Kundenstamm zu verwenden, um den Zielmarkt und die Vertriebsstrategie zu bestimmen.

(8) Vertreibt das Wertpapierdienstleistungsunternehmen die von ihm konzipierten Finanzinstrumente selbst, ist nur eine Zielmarktbestimmung erforderlich.

(9) 1Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen hat die von ihm angebotenen oder empfohlenen Finanzinstrumente und die von ihm erbrachten Dienstleistungen regelmäßig zu überprüfen und dabei alle Ereignisse zu berücksichtigen, die die potenziellen Risiken für den bestimmten Zielmarkt wesentlich beeinflussen könnten. 2Es hat zumindest zu bewerten, ob das Produkt oder die Dienstleistung den Bedürfnissen, Merkmalen und Zielen, einschließlich etwaiger nachhaltigkeitsbezogener Ziele, des bestimmten Zielmarkts weiterhin entspricht und ob die beabsichtigte Vertriebsstrategie nach wie vor geeignet ist. 3Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen hat darüber hinaus den Zielmarkt erneut zu prüfen und bei Bedarf seine Produktfreigabevorkehrungen zu aktualisieren, wenn es davon Kenntnis erlangt, dass der Zielmarkt für ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Dienstleistung fehlerhaft bestimmt worden ist oder das Produkt oder die Dienstleistung den Gegebenheiten des bestimmten Zielmarkts nicht mehr gerecht wird, insbesondere wenn das Produkt auf Grund von Marktveränderungen seine Liquidität verliert oder besonders starken Preisschwankungen ausgesetzt ist.

(10) § 11 Absatz 5 gilt entsprechend für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die von anderen Unternehmen konzipierte Finanzinstrumente vertreiben.

(11) Vertriebsunternehmen müssen den Konzepteuren auf deren Anfrage Informationen über den Vertrieb und, sofern angebracht, Informationen zu den in Absatz 9 genannten Überprüfungen durch die Vertriebsunternehmen übermitteln.

(12) 1Sind mehrere Wertpapierdienstleistungsunternehmen in den Vertrieb eines Produkts oder einer Dienstleistung eingeschaltet, trägt das Wertpapierdienstleistungsunternehmen mit direkter Kundenbeziehung (Endvertreiber) die Letztverantwortung bei der Erfüllung der Produktfreigabepflichten gemäß § 80 Absatz 9 bis 11 des Wertpapierhandelsgesetzes und gemäß den Absätzen 1 bis 12. 2Die zwischengeschalteten Wertpapierdienstleistungsunternehmen sind jedoch verpflichtet,

1.
sicherzustellen, dass relevante Produktinformationen von dem Konzepteur an den Endvertreiber innerhalb der Vertriebskette weitergegeben werden,

2.
dem Konzepteur Informationen über die Produktverkäufe zur Verfügung zu stellen, soweit dieser die Informationen benötigt, um seine eigenen Produktfreigabepflichten zu erfüllen, und

3.
die jeweiligen Produktfreigabepflichten der Konzepteure in Bezug auf die von den zwischengeschalteten Wertpapierdienstleistungsunternehmen erbrachten Dienstleistungen zu erfüllen.





 

Frühere Fassungen von § 12 WpDVerOV

Die nachfolgende Aufstellung zeigt alle Änderungen dieser Vorschrift. Über die Links aktuell und vorher können Sie jeweils alte Fassung (a.F.) und neue Fassung (n.F.) vergleichen. Beim Änderungsgesetz finden Sie dessen Volltext sowie die Begründung des Gesetzgebers.

vergleichen mitmWv (verkündet)neue Fassung durch
aktuell vorher 22.11.2022Artikel 1 Verordnung zur Umsetzung der Delegierten Richtlinie (EU) 2021/1269
vom 30.09.2022 BGBl. I S. 1603
aktuell vorher 21.07.2019Artikel 8 Gesetz zur weiteren Ausführung der EU-Prospektverordnung und zur Änderung von Finanzmarktgesetzen
vom 08.07.2019 BGBl. I S. 1002
aktuellvor 21.07.2019Urfassung

Bitte beachten Sie, dass rückwirkende Änderungen - soweit vorhanden - nach dem Verkündungsdatum des Änderungstitels (Datum in Klammern) und nicht nach dem Datum des Inkrafttretens in diese Liste einsortiert sind.



 

Zitierungen von § 12 WpDVerOV

Sie sehen die Vorschriften, die auf § 12 WpDVerOV verweisen. Die Liste ist unterteilt nach Zitaten in WpDVerOV selbst, Ermächtigungsgrundlagen, anderen geltenden Titeln, Änderungsvorschriften und in aufgehobenen Titeln.
 
interne Verweise

§ 13 WpDVerOV Strukturierte Einlagen
... §§ 11 und 12 dieser Verordnung gelten entsprechend für den Verkauf von und die Beratung zu strukturierten ...
 
Zitat in folgenden Normen

Wertpapierdienstleistungs-Prüfungsverordnung (WpDPV)
V. v. 17.01.2018 BGBl. I S. 140; zuletzt geändert durch Artikel 6 G. v. 12.12.2019 BGBl. I S. 2637
§ 2 WpDPV Fehler, Mangel, sonstige Erkenntnisse
... Absatz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes, 4. die Pflichten nach den §§ 10 bis 12 der Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und Organisationsverordnung, *) 5. die ...
§ 11 WpDPV Verhaltenspflichten, Organisationspflichten und Aufzeichnungspflichten
... nach § 64 des Wertpapierhandelsgesetzes und die Einhaltung der §§ 11 und 12 der Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und Organisationsverordnung *) und der Artikel 27, 44, ...
 
Zitate in Änderungsvorschriften

Gesetz zur weiteren Ausführung der EU-Prospektverordnung und zur Änderung von Finanzmarktgesetzen
G. v. 08.07.2019 BGBl. I S. 1002
Artikel 8 2. EUProspVOAnpG Folgeänderungen
... 3. Die Nummern 3 bis 8 werden die Nummern 2 bis 7. (7) § 12 Absatz 6 Satz 4 der Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und -Organisationsverordnung vom 17. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3566), die zuletzt durch Artikel 13 Absatz 2 des Gesetzes vom 10. ...

Verordnung zur Umsetzung der Delegierten Richtlinie (EU) 2021/1269
V. v. 30.09.2022 BGBl. I S. 1603
Artikel 1 RL-EU/2021/1269-UV Änderung der Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und -Organisationsverordnung
... etwaiger nachhaltigkeitsbezogener Ziele," eingefügt. 2. § 12 wird wie folgt geändert: a) Absatz 4 wird wie folgt geändert:  ...