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Unterabschnitt 6 - Seearbeitsgesetz (SeeArbG)

Artikel 1 G. v. 20.04.2013 BGBl. I S. 868, 2014 I 605; zuletzt geändert durch Artikel 3 G. v. 14.03.2023 BGBl. 2023 I Nr. 73
Geltung ab 01.08.2013, abweichend siehe § 154, Ermächtigungen ab 25.04.2013; FNA: 9513-38 Schiffsbesatzung
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Abschnitt 3 Beschäftigungsbedingungen

Unterabschnitt 6 Kündigung und Beendigung des Heuerverhältnisses

§ 65 Kündigungsrecht



(1) Das Heuerverhältnis kann durch den Reeder und durch das Besatzungsmitglied gekündigt werden.

(2) Die Beendigung des Heuerverhältnisses durch Kündigung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Die elektronische Form ist ausgeschlossen.

(3) Die ordentliche Kündigung gegenüber einem Kapitän oder einem Schiffsoffizier kann nur vom Reeder ausgesprochen werden.

(4) Für die Kündigung des Heuerverhältnisses gelten die allgemeinen Vorschriften über die Kündigung von Arbeitsverhältnissen, soweit in diesem Unterabschnitt nichts anderes bestimmt ist.


§ 66 Kündigungsfristen



(1) Das Heuerverhältnis kann während der ersten drei Monate mit einer Frist von einer Woche gekündigt werden. Dauert die erste Reise länger als drei Monate, so kann die Kündigung während der ersten sechs Monate noch in den auf die Beendigung der Reise folgenden drei Tagen mit Wochenfrist ausgesprochen werden. Nach Ablauf der in den Sätzen 1 und 2 bezeichneten Zeiten beträgt die Kündigungsfrist vier Wochen zum 15. Tag oder zum Ende eines Kalendermonats. Die Kündigungsfrist erhöht sich auf zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats, wenn das Heuerverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen zwei Jahre bestanden hat. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für den Kapitän; für ihn gelten von Beginn des Heuerverhältnisses an die Fristen nach Satz 3.

(2) Abweichend von Absatz 1 kann das Heuerverhältnis des Besatzungsmitglieds auf einem Fischereifahrzeug mit einer Bruttoraumzahl von bis zu 1.300 mit einer Frist von 48 Stunden gekündigt werden. Dies gilt nicht für den Kapitän.

(3) Für eine Kündigung durch den Reeder beträgt die Kündigungsfrist, wenn das Heuerverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen

1.
acht Jahre bestanden hat, drei Monate zum Ende eines Kalendermonats,

2.
zehn Jahre bestanden hat, vier Monate zum Ende eines Kalendermonats,

3.
zwölf Jahre bestanden hat, fünf Monate zum Ende eines Kalendermonats,

4.
15 Jahre bestanden hat, sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats,

5.
20 Jahre bestanden hat, sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats.

(4) § 622 Absatz 3 bis 6 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist entsprechend anzuwenden.

(5) Soweit nichts anderes vereinbart wird, setzt sich das Heuerverhältnis über den Ablauf der Kündigungsfrist bis zur Ankunft des Schiffes in einem Hafen fort, in dem die Heimschaffung des Besatzungsmitglieds und seine Ablösung durch eine Ersatzperson sicher und mit allgemein zugänglichen Verkehrsmitteln möglich ist.


§ 67 Außerordentliche Kündigung durch den Reeder



(1) Der Reeder kann das Heuerverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist nach § 626 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kündigen. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn das Besatzungsmitglied

1.
für den übernommenen Dienst aus Gründen, die schon vor der Begründung des Heuerverhältnisses bestanden, ungeeignet ist, es sei denn, dass dem Reeder diese Gründe zu diesem Zeitpunkt bekannt waren oder den Umständen nach bekannt sein mussten,

2.
eine ansteckende Krankheit verschweigt, durch die es andere gefährdet, oder nicht angibt, dass es Dauerausscheider von Erregern des Typhus oder des Paratyphus ist,

3.
seine Pflichten aus dem Heuerverhältnis beharrlich oder in besonders grober Weise verletzt,

4.
eine Straftat begeht, die sein weiteres Verbleiben an Bord unzumutbar macht,

5.
durch eine von ihm begangene Straftat arbeitsunfähig wird.

(2) Der Kapitän ist verpflichtet, die außerordentliche Kündigung und deren Grund unverzüglich in das Seetagebuch einzutragen und dem Besatzungsmitglied eine von ihm unterzeichnete Abschrift der Eintragung auszuhändigen.

(3) Wird die außerordentliche Kündigung auf See ausgesprochen oder bleibt das Besatzungsmitglied nach einer außerordentlichen Kündigung an Bord, so hat es den Verpflegungssatz zu entrichten, der dem Abgeltungsbetrag für nicht gewährte Verpflegung während des Urlaubs (§ 61 Absatz 1 Satz 2) entspricht.


§ 68 Außerordentliche Kündigung durch das Besatzungsmitglied



(1) Das Besatzungsmitglied kann das Heuerverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist nach § 626 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kündigen. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn

1.
sich der Reeder oder der Kapitän ihm gegenüber einer schweren Pflichtverletzung schuldig macht,

2.
der Kapitän es in erheblicher Weise in der Ehre verletzt, es misshandelt oder seine Misshandlung durch andere Personen duldet,

3.
das Schiff die Flagge wechselt,

4.
der Vorschrift des § 58 Absatz 1 Satz 2 und 3 zuwider Urlaub nicht gewährt wird,

5.
das Schiff einen verseuchten Hafen anlaufen soll oder einen Hafen bei Ausbruch einer Seuche nicht unverzüglich verlässt und sich daraus schwere gesundheitliche Gefahren für das Besatzungsmitglied ergeben können,

6.
das Schiff ein Gebiet befahren soll, in dem es besonderen Gefahren durch bewaffnete Auseinandersetzungen ausgesetzt ist, oder wenn das Schiff ein solches Gebiet nicht unverzüglich verlässt,

7.
das Schiff nicht seetüchtig ist,

8.
die Aufenthaltsräume für die Besatzung gesundheitsschädlich sind,

9.
die für die Schiffsbesatzung mitgenommenen Verpflegungsvorräte oder das Trinkwasser ungenügend oder verdorben sind oder

10.
das Schiff unzureichend besetzt ist.

Im Falle des Satzes 2 Nummer 7 bis 10 ist das Besatzungsmitglied zur außerordentlichen Kündigung jedoch nur berechtigt, wenn der Verstoß in angemessener Frist auf Beschwerde hin nicht beseitigt wird. Das Kündigungsrecht nach Satz 2 Nummer 5 oder 6 entfällt, wenn dem Besatzungsmitglied die Gründe, die zur Kündigung berechtigen, vor Antritt der Reise bekannt waren oder den Umständen nach bekannt sein mussten.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 hat das Besatzungsmitglied ab dem Zeitpunkt der Kündigung Anspruch auf Zahlung der Heuer für einen Monat. Schadensersatzansprüche auf Grund anderer Vorschriften bleiben unberührt.


§ 69 Außerordentliche Kündigung durch das Besatzungsmitglied wegen dringender Familienangelegenheit



Das Besatzungsmitglied kann das Heuerverhältnis ohne Einhaltung einer Frist kündigen, wenn dies wegen einer dringenden Familienangelegenheit oder wegen eines anderen dringenden persönlichen Grundes erforderlich ist. Dringende Familienangelegenheiten sind insbesondere

1.
Niederkunft der Ehefrau oder der Lebenspartnerin,

2.
Tod der Ehefrau oder des Ehemanns, eines Kindes, eines Elternteiles oder des Lebenspartners,

3.
schwere Erkrankung der Ehefrau oder des Ehemanns, eines Kindes, eines Elternteiles oder des Lebenspartners.


§ 70 Entschädigung bei Arbeitslosigkeit wegen Schiffsverlustes oder Schiffbruchs



Kündigt der Reeder das Heuerverhältnis wegen Schiffsverlustes oder Schiffbruchs, hat das Besatzungsmitglied über das Ende des Heuerverhältnisses hinaus, längstens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach dem Zugang der Kündigung, Anspruch auf Zahlung der Heuer für jeden Tag der Arbeitslosigkeit. Auf den Heueranspruch muss sich das Besatzungsmitglied anrechnen lassen, was es

1.
an Leistungen der Arbeitslosenversicherung zu beanspruchen hat oder

2.
durch anderweitige Arbeit verdient oder zu verdienen böswillig unterlassen hat.


§ 71 Beendigung des Heuerverhältnisses bei vermutetem Verlust von Schiff und Besatzung



(1) Ist der Verbleib eines Schiffes und seiner Besatzung nicht feststellbar und ist den Umständen nach anzunehmen, dass das Schiff verlorengegangen ist, so gilt das Heuerverhältnis des Besatzungsmitglieds als beendet, wenn seit der letzten amtlich festgestellten Nachricht über das Schiff ein Monat verstrichen ist.

(2) Wird später der Aufenthalt überlebender Besatzungsmitglieder festgestellt, so sind auf diese Besatzungsmitglieder die §§ 73, 75 und 76 über Heimschaffung und Fortzahlung der Heuer anzuwenden.


§ 71a Verlängerung des Heuerverhältnisses während Gefangenschaft



Befindet sich das Besatzungsmitglied bei Beendigung des Heuerverhältnisses in Gefangenschaft infolge seeräuberischer Handlung oder bewaffneter Raubüberfälle auf Schiffe, verlängert sich das Heuerverhältnis bis zum Zeitpunkt der Freilassung oder des Todes des Besatzungsmitglieds.




§ 72 Zurücklassung



(1) Unbeschadet der Vorschrift des § 101 darf das Besatzungsmitglied ohne Einwilligung der Berufsgenossenschaft nicht an einem Ort im Ausland zurückgelassen werden. Eine Zurücklassung liegt vor, wenn das Besatzungsmitglied auf Veranlassung des Kapitäns das Schiff verlassen muss.

(2) Ist im Falle der Zurücklassung eine Hilfsbedürftigkeit des Besatzungsmitglieds zu befürchten, so kann die Berufsgenossenschaft ihre Einwilligung von der Leistung eines Betrages abhängig machen, der den Unterhalt des Besatzungsmitglieds in den auf die Zurücklassung folgenden drei Monaten gewährleistet.

(3) Die Zurücklassung eines jugendlichen Besatzungsmitglieds bedarf auch der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters.