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Abschnitt 2 - Notfallsanitätergesetz (NotSanG)

Artikel 1 G. v. 22.05.2013 BGBl. I S. 1348 (Nr. 25); zuletzt geändert durch Artikel 7c G. v. 19.07.2023 BGBl. 2023 I Nr. 197
Geltung ab 01.01.2014, § 11 ab 28.05.2013; FNA: 2124-24 Hebammen und Heilhilfsberufe
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Abschnitt 2 Ausbildung

§ 4 Ausbildungsziel



(1) 1Die Ausbildung zur Notfallsanitäterin oder zum Notfallsanitäter soll entsprechend dem allgemein anerkannten Stand rettungsdienstlicher, medizinischer und weiterer bezugswissenschaftlicher Erkenntnisse fachliche, personale, soziale und methodische Kompetenzen zur eigenverantwortlichen Durchführung und teamorientierten Mitwirkung insbesondere bei der notfallmedizinischen Versorgung und dem Transport von Patientinnen und Patienten vermitteln. 2Dabei sind die unterschiedlichen situativen Einsatzbedingungen zu berücksichtigen. 3Die Ausbildung soll die Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter außerdem in die Lage versetzen, die Lebenssituation und die jeweilige Lebensphase der Erkrankten und Verletzten und sonstigen Beteiligten sowie deren Selbständigkeit und Selbstbestimmung in ihr Handeln mit einzubeziehen.

(2) Die Ausbildung nach Absatz 1 soll insbesondere dazu befähigen,

1.
die folgenden Aufgaben eigenverantwortlich auszuführen:

a)
Feststellen und Erfassen der Lage am Einsatzort und unverzügliche Einleitung notwendiger allgemeiner Maßnahmen zur Gefahrenabwehr,

b)
Beurteilen des Gesundheitszustandes von erkrankten und verletzten Personen, insbesondere Erkennen einer vitalen Bedrohung, Entscheiden über die Notwendigkeit, eine Notärztin oder einen Notarzt, weiteres Personal, weitere Rettungsmittel oder sonstige ärztliche Hilfe nachzufordern, sowie Umsetzen der erforderlichen Maßnahmen,

c)
Durchführen medizinischer Maßnahmen der Erstversorgung bei Patientinnen und Patienten im Notfalleinsatz und dabei Anwenden von in der Ausbildung erlernten und beherrschten, auch invasiven oder medikamentösen Maßnahmen, um einer Verschlechterung der Situation der Patientinnen und Patienten bis zum Eintreffen der Notärztin oder des Notarztes oder dem Beginn einer weiteren ärztlichen Versorgung vorzubeugen, wenn ein lebensgefährlicher Zustand vorliegt oder wesentliche Folgeschäden zu erwarten sind,

d)
angemessenes Umgehen mit Menschen in Notfall- und Krisensituationen,

e)
Herstellen und Sichern der Transportfähigkeit der Patientinnen und Patienten im Notfalleinsatz,

f)
Auswählen des geeigneten Transportzielortes sowie Überwachen des medizinischen Zustandes der Patientinnen und Patienten und seiner Entwicklung während des Transports,

g)
sachgerechtes Übergeben der Patientinnen und Patienten in die ärztliche Weiterbehandlung einschließlich Beschreiben und Dokumentieren ihres medizinischen Zustandes und seiner Entwicklung,

h)
Kommunizieren mit am Einsatz beteiligten oder zu beteiligenden Personen, Institutionen oder Behörden,

i)
Durchführen von qualitätssichernden und organisatorischen Maßnahmen im Rettungsdienst sowie Dokumentieren der angewendeten notfallmedizinischen und einsatztaktischen Maßnahmen und

j)
Sicherstellen der Einsatz- und Betriebsfähigkeit der Rettungsmittel einschließlich Beachten sowie Einhalten der Hygienevorschriften und rechtlichen Arbeits- und Unfallschutzvorschriften,

2.
die folgenden Aufgaben im Rahmen der Mitwirkung auszuführen:

a)
Assistieren bei der ärztlichen Notfall- und Akutversorgung von Patientinnen und Patienten im Notfalleinsatz,

b)
eigenständiges Durchführen ärztlich veranlasster Maßnahmen bei Patientinnen und Patienten im Notfalleinsatz und

c)
eigenständiges Durchführen von heilkundlichen Maßnahmen, die vom Ärztlichen Leiter Rettungsdienst oder entsprechend verantwortlichen Ärztinnen oder Ärzten bei bestimmten notfallmedizinischen Zustandsbildern und -situationen standardmäßig vorgegeben, überprüft und verantwortet werden,

3.
mit anderen Berufsgruppen und Menschen am Einsatzort, beim Transport und bei der Übergabe unter angemessener Berücksichtigung der Gesamtlage vom individual-medizinischen Einzelfall bis zum Großschadens- und Katastrophenfall patientenorientiert zusammenzuarbeiten.




§ 5 Dauer und Struktur der Ausbildung



(1) 1Die Ausbildung für Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter dauert unabhängig vom Zeitpunkt der staatlichen Prüfung in Vollzeitform drei Jahre, in Teilzeitform höchstens fünf Jahre. 2Sie besteht aus theoretischem und praktischem Unterricht und einer praktischen Ausbildung. 3Die Ausbildung schließt mit einer staatlichen Prüfung ab.

(2) 1Der theoretische und praktische Unterricht wird in staatlich anerkannten Schulen durchgeführt. 2In den Ländern, in denen die Ausbildung nach diesem Gesetz dem Schulrecht unterliegt, wird die Genehmigung zur Durchführung der Ausbildung den Schulen nach dem Schulrecht der Länder und nach Maßgabe von § 6 erteilt. 3Die praktische Ausbildung wird an einer genehmigten Lehrrettungswache und an geeigneten Krankenhäusern durchgeführt.

(3) 1Die Gesamtverantwortung für die Organisation und Koordination des theoretischen und praktischen Unterrichts und der praktischen Ausbildung entsprechend dem Ausbildungsziel trägt die Schule. 2Die Schule unterstützt die praktische Ausbildung durch Praxisbegleitung. 3Die Praxisanleitung ist durch die Einrichtungen nach Absatz 2 Satz 3 sicherzustellen.


§ 6 Staatliche Anerkennung von Schulen; Genehmigung von Lehrrettungswachen



(1) Die staatliche Anerkennung der Schulen nach § 5 Absatz 2 Satz 1 und die Genehmigung von Lehrrettungswachen nach § 5 Absatz 2 Satz 3 erfolgt durch die zuständige Behörde.

(2) 1Schulen werden anerkannt, wenn sie folgende Mindestanforderungen erfüllen:

1.
hauptberufliche Leitung der Schule durch eine entsprechend qualifizierte Fachkraft mit einer abgeschlossenen Hochschulausbildung,

2.
Nachweis einer im Verhältnis zur Zahl der Ausbildungsplätze ausreichenden Zahl fachlich und pädagogisch qualifizierter Lehrkräfte mit entsprechender, abgeschlossener Hochschulausbildung für die Durchführung des theoretischen und praktischen Unterrichts,

3.
Vorhandensein der für die Ausbildung erforderlichen Räume und Einrichtungen sowie ausreichender Lehr- und Lernmittel,

4.
Sicherstellung der Durchführung der praktischen Ausbildung nach der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter durch Vereinbarungen mit Lehrrettungswachen, die von der zuständigen Behörde für die Durchführung von Teilen der praktischen Ausbildung genehmigt worden sind, und mit Krankenhäusern, die von der zuständigen Behörde als geeignet beurteilt werden.

2Über Satz 1 hinausgehende landesrechtliche Regelungen bleiben unberührt. 3Die Länder können durch Landesrecht das Nähere zu den Mindestanforderungen nach Satz 1 bestimmen.

(3) Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung Regelungen zur Beschränkung der Hochschulausbildung nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und 2 auf bestimmte Hochschularten und Studiengänge treffen.


§ 7 Ausbildung an der Hochschule im Rahmen von Modellvorhaben



(1) 1Zur Erprobung von Ausbildungsangeboten, die der Weiterentwicklung des Berufs des Notfallsanitäters im akademischen Bereich unter Berücksichtigung der berufsfeldspezifischen Anforderungen sowie moderner berufspädagogischer Erkenntnisse dienen sollen, können die Länder den Unterricht abweichend von § 5 Absatz 2 Satz 1 an Hochschulen stattfinden lassen. 2Abweichungen von der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter sind jedoch nur zulässig, soweit sie den theoretischen und praktischen Unterricht in § 1 Absatz 1 Satz 1 sowie die Anlage 1 der Verordnung betreffen. 3Im Übrigen gilt die Verordnung unverändert mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Schule die Hochschule tritt.

(2) 1Durch die Erprobung von Ausbildungsangeboten nach Absatz 1 darf das Erreichen des Ausbildungsziels nicht gefährdet werden. 2Die Vereinbarkeit der Ausbildung mit der Richtlinie 2005/36/EG ist zu gewährleisten.

(3) Ziele, Dauer, Art und allgemeine Vorgaben zur Ausgestaltung der Modellvorhaben sowie die Bedingungen für die Teilnahme sind jeweils von den Ländern festzulegen.

(4) 1Die Länder stellen jeweils eine wissenschaftliche Begleitung und Auswertung der Modellvorhaben im Hinblick auf die Erreichung der Ziele sicher. 2Diese erfolgt auf der Grundlage von Richtlinien über die wissenschaftliche Begleitung und Auswertung von Modellvorhaben nach § 4 Absatz 6 Satz 3 des Ergotherapeutengesetzes, § 6 Absatz 4 Satz 3 des Hebammengesetzes, § 4 Absatz 6 Satz 3 des Logopädengesetzes und § 9 Absatz 3 Satz 3 des Masseur- und Physiotherapeutengesetzes vom 16. November 2009, die das Bundesministerium für Gesundheit im Bundesanzeiger vom 27. November 2009 (BAnz. S. 4052) bekannt gemacht hat.

(5) Die Länder übermitteln dem Bundesministerium für Gesundheit die Ergebnisse der Auswertung.


§ 8 Voraussetzungen für den Zugang zur Ausbildung



Voraussetzung für den Zugang zu einer Ausbildung nach diesem Gesetz ist,

1.
die gesundheitliche Eignung zur Ausübung des Berufs und

2.
im Fall einer Ausbildung

a)
an einer staatlichen Schule (§ 5 Absatz 2 Satz 1)

aa)
der mittlere Schulabschluss oder eine andere gleichwertige, abgeschlossene Schulbildung oder

bb)
eine nach einem Hauptschulabschluss oder einer gleichwertigen Schulbildung erfolgreich abgeschlossene Berufsausbildung von mindestens zweijähriger Dauer,

b)
im Rahmen eines Modellvorhabens an einer Hochschule (§ 7) der Nachweis der Hochschulzugangsberechtigung.


§ 9 Anrechnung gleichwertiger Ausbildungen



1Die zuständige Behörde kann auf Antrag eine andere erfolgreich abgeschlossene Ausbildung oder erfolgreich abgeschlossene Teile einer Ausbildung im Umfang ihrer Gleichwertigkeit auf die Dauer einer Ausbildung nach § 5 Absatz 1 Satz 1 oder § 7 anrechnen. 2Das Erreichen des Ausbildungsziels darf durch die Anrechnung nicht gefährdet werden.


§ 10 Anrechnung von Fehlzeiten



(1) Auf die Dauer einer Ausbildung nach § 5 Absatz 1 Satz 1 werden angerechnet:

1.
Urlaub, einschließlich Bildungsurlaub, oder Ferien,

2.
Unterbrechungen wegen Krankheit oder aus anderen, von der Schülerin oder dem Schüler nicht zu vertretenden Gründen

a)
bis zu 10 Prozent des theoretischen und praktischen Unterrichts sowie

b)
bis zu 10 Prozent der Stunden der praktischen Ausbildung

nach Maßgabe der nach § 11 erlassenen Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter und

3.
Unterbrechungen wegen Schwangerschaft bei Schülerinnen; die Unterbrechung der Ausbildung darf einschließlich der Fehlzeiten nach Nummer 2 eine Gesamtdauer von 14 Wochen nicht überschreiten.

(2) Die zuständige Behörde kann auf Antrag auch über Absatz 1 hinausgehende Fehlzeiten berücksichtigen, wenn eine besondere Härte vorliegt und das Erreichen des Ausbildungsziels durch die Anrechnung nicht gefährdet wird.

(3) Freistellungsansprüche nach dem Betriebsverfassungsgesetz, dem Bundespersonalvertretungsgesetz oder den Landespersonalvertretungsgesetzen bleiben unberührt.

(4) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend für Ausbildungen nach § 7.


§ 11 Verordnungsermächtigung



(1) Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, im Benehmen mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates in einer Ausbildungs- und Prüfungsverordnung nach Maßgabe des § 4 die Mindestanforderungen an die Ausbildung für Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter nach § 5 und die weitere Ausbildung nach § 32 Absatz 2, das Nähere über die staatliche Prüfung und Ergänzungsprüfung sowie das Nähere über die Urkunden für die Erlaubnis nach § 1 Absatz 1 zu regeln.

(2) In der Rechtsverordnung nach Absatz 1 ist für Inhaberinnen und Inhaber von Ausbildungsnachweisen, die eine Erlaubnis nach § 2 Absatz 1 in Verbindung mit § 2 Absatz 3, 4, 4a oder Absatz 5 beantragen, Folgendes zu regeln:

1.
das Verfahren bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 2 Absatz 1 Nummer 2 und 3, insbesondere die Vorlage der von der antragstellenden Person vorzulegenden Nachweise und die Ermittlung durch die zuständige Behörde entsprechend Artikel 50 Absatz 1 bis 3a in Verbindung mit Anhang VII der Richtlinie 2005/36/EG,

2.
die Pflicht von Inhaberinnen und Inhabern von Ausbildungsnachweisen, nach Maßgabe des Artikels 52 Absatz 1 der Richtlinie 2005/36/EG die Berufsbezeichnung des Aufnahmemitgliedstaats zu führen und deren etwaige Abkürzung zu verwenden,

3.
die Fristen für die Erteilung der Erlaubnis,

4.
das Verfahren über die Voraussetzungen zur Dienstleistungserbringung gemäß § 1 Absatz 2 in Verbindung mit den §§ 22 bis 24,

5.
die Regelungen zur Durchführung und zum Inhalt der Anpassungsmaßnahmen nach § 2 Absatz 3 Satz 7 und Absatz 4 Satz 5,

6.
das Verfahren bei der Ausstellung eines Europäischen Berufsausweises.

(3) 1Abweichungen durch Landesrecht von den Regelungen des Verwaltungsverfahrens in der auf der Grundlage der Absätze 1 und 2 erlassenen Rechtsverordnung sind ausgeschlossen. 2Abweichend von Satz 1 können die Länder Abweichungen von den durch Rechtsverordnung im Fall des § 81a des Aufenthaltsgesetzes erlassenen Fristenregelungen vorsehen.