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Abschnitt 2 - Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG)

Artikel 1 G. v. 19.02.2016 BGBl. I S. 254, 1039 (Nr. 9); zuletzt geändert durch Artikel 16 G. v. 08.10.2023 BGBl. 2023 I Nr. 272
Geltung ab 01.04.2016, abweichend siehe Artikel 24 VSBGEG; FNA: 302-8 Entlastung der Gerichte, Rechtspfleger
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Abschnitt 2 Private Verbraucherschlichtungsstellen

§ 3 Träger der Verbraucherschlichtungsstelle



1Träger der Verbraucherschlichtungsstelle muss ein eingetragener Verein sein. 2Für den Betrieb der Verbraucherschlichtungsstelle muss ein vom Haushalt des Trägers getrennter, zweckgebundener und ausreichender Haushalt zur Verfügung stehen, wenn der Träger

1.
Unternehmerinteressen oder Verbraucherinteressen wahrnimmt oder

2.
ausschließlich oder überwiegend wie folgt finanziert wird:

a)
von einem eingetragenen Verein, der Unternehmerinteressen wahrnimmt (Unternehmerverband), oder

b)
von einem eingetragenen Verein, der Verbraucherinteressen wahrnimmt (Verbraucherverband), oder

c)
von einem Unternehmer oder mehreren Unternehmern.




§ 4 Zuständigkeit von Verbraucherschlichtungsstellen



(1) Die Verbraucherschlichtungsstelle führt auf Antrag eines Verbrauchers Verfahren zur außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten aus einem Verbrauchervertrag nach § 310 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder über das Bestehen eines solchen Vertragsverhältnisses durch; arbeitsvertragliche Streitigkeiten sind ausgenommen.

(1a) Die Verbraucherschlichtungsstelle kann ihre Zuständigkeit beschränken

1.
auf bestimmte Wirtschaftsbereiche,

2.
auf bestimmte Vertragstypen,

3.
auf bestimmte Unternehmer oder

4.
auf Unternehmer, deren Niederlassung sich in einem bestimmten Land befindet.

(2) 1Hat die Verbraucherschlichtungsstelle keine einschränkende Zuständigkeitsregelung getroffen, führt sie die Bezeichnung „Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle" und ist für Anträge nach Absatz 1 zuständig, mit Ausnahme von

1.
Streitigkeiten aus Verträgen über

a)
nichtwirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse,

b)
Gesundheitsdienstleistungen,

c)
Weiter- und Hochschulbildung durch staatliche Einrichtungen,

2.
Streitigkeiten, für deren Beilegung Verbraucherschlichtungsstellen nach anderen Rechtsvorschriften anerkannt, beauftragt oder eingerichtet werden.

2Die Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle kann ihre Zuständigkeit auf in einem Land niedergelassene Unternehmer beschränken; in diesem Fall führt sie die Bezeichnung „Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle" mit einem Zusatz, der das Land angibt, für das sie zuständig ist. 3Eine solche Zuständigkeitsbeschränkung kann sich auch auf mehrere Länder beziehen und muss dann dementsprechend angegeben werden.

(3) Die Verbraucherschlichtungsstelle kann ihre Tätigkeit auf die Beilegung sonstiger zivilrechtlicher Streitigkeiten, an denen Verbraucher oder Unternehmer als Antragsteller oder Antragsgegner beteiligt sind, erstrecken; arbeitsvertragliche Streitigkeiten sind ausgenommen.

(4) Die Verbraucherschlichtungsstelle kann ihre Zuständigkeit ausschließen für Verbraucher, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben, oder für Unternehmer, die nicht im Inland niedergelassen sind.




§ 5 Verfahrensordnung



(1) 1Die Verbraucherschlichtungsstelle muss eine Verfahrensordnung haben. 2Die Verfahrensordnung bestimmt das Konfliktbeilegungsverfahren und regelt die Einzelheiten seiner Durchführung.

(2) Die Verbraucherschlichtungsstelle darf keine Konfliktbeilegungsverfahren durchführen, die dem Verbraucher eine verbindliche Lösung auferlegen oder die das Recht des Verbrauchers ausschließen, die Gerichte anzurufen.


§ 6 Streitmittler



(1) 1Die Verbraucherschlichtungsstelle ist mit mindestens einer Person zu besetzen, die mit der außergerichtlichen Streitbeilegung betraut und für die unparteiische und faire Verfahrensführung verantwortlich ist (Streitmittler). 2Ist nur ein Streitmittler bestellt, muss er einen Vertreter haben; auf den Vertreter des Streitmittlers sind Satz 1, die Absätze 2 und 3 sowie die §§ 7 bis 9 entsprechend anzuwenden.

(2) 1Der Streitmittler muss über die Rechtskenntnisse, insbesondere im Verbraucherrecht, das Fachwissen und die Fähigkeiten verfügen, die für die Beilegung von Streitigkeiten in der Zuständigkeit der Verbraucherschlichtungsstelle erforderlich sind. 2Der Streitmittler muss die Befähigung zum Richteramt besitzen oder zertifizierter Mediator sein.

(3) 1Der Streitmittler darf in den letzten drei Jahren vor seiner Bestellung nicht tätig gewesen sein

1.
für einen Unternehmer, der sich zur Teilnahme an Streitbeilegungsverfahren der Verbraucherschlichtungsstelle verpflichtet hat oder auf Grund von Rechtsvorschriften zur Teilnahme verpflichtet ist,

2.
für ein mit einem Unternehmer nach Nummer 1 verbundenes Unternehmen,

3.
für einen Verband, dem ein Unternehmer nach Nummer 1 angehört und der Unternehmerinteressen in dem Wirtschaftsbereich wahrnimmt, für den die Verbraucherschlichtungsstelle zuständig ist,

4.
für einen Verband, der Verbraucherinteressen in dem Wirtschaftsbereich wahrnimmt, für den die Verbraucherschlichtungsstelle zuständig ist.

2Die Tätigkeit als Streitmittler für einen Verband nach Satz 1 Nummer 3 oder 4 steht einer erneuten Bestellung als Streitmittler nicht entgegen.


§ 7 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Streitmittlers



(1) 1Der Streitmittler ist unabhängig und an Weisungen nicht gebunden. 2Er muss Gewähr für eine unparteiische Streitbeilegung bieten.

(2) 1Der Streitmittler darf nicht nur von einem Unternehmer oder von nur mit einem Unternehmer verbundenen Unternehmen vergütet oder beschäftigt werden. 2Die Vergütung des Streitmittlers darf nicht mit dem Ergebnis von Streitbeilegungsverfahren in Zusammenhang stehen.

(3) Der Streitmittler ist verpflichtet, Umstände, die seine Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit beeinträchtigen können, dem Träger der Verbraucherschlichtungsstelle unverzüglich offenzulegen.

(4) 1Der Streitmittler hat den Parteien alle Umstände offenzulegen, die seine Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit beeinträchtigen können. 2Der Streitmittler darf bei Vorliegen solcher Umstände nur dann tätig werden, wenn die Parteien seiner Tätigkeit als Streitmittler ausdrücklich zustimmen.

(5) 1Ist die Aufgabe des Streitmittlers einem Gremium übertragen worden, dem sowohl Vertreter von Verbraucherinteressen als auch von Unternehmerinteressen angehören, so müssen beide Seiten in gleicher Anzahl vertreten sein. 2§ 6 Absatz 3 ist auf Mitglieder des Gremiums, die Unternehmerinteressen oder Verbraucherinteressen vertreten, nicht anzuwenden.


§ 8 Amtsdauer und Abberufung des Streitmittlers



(1) 1Der Streitmittler muss für eine angemessene Dauer bestellt werden. 2Die Amtsdauer soll drei Jahre nicht unterschreiten. 3Wiederbestellung ist zulässig.

(2) Der Streitmittler kann nur abberufen werden, wenn

1.
Tatsachen vorliegen, die eine unabhängige und unparteiische Ausübung der Tätigkeit als Streitmittler nicht mehr erwarten lassen,

2.
er nicht nur vorübergehend an der Ausübung der Tätigkeit als Streitmittler gehindert ist oder

3.
ein anderer wichtiger Grund vorliegt.


§ 9 Beteiligung von Verbraucherverbänden und Unternehmerverbänden



(1) 1Die Festlegung und die Änderung der Zuständigkeit der Verbraucherschlichtungsstelle, die Aufstellung und Änderung der Verfahrensordnung sowie die Bestellung und Abberufung eines Streitmittlers bedürfen der Beteiligung eines Verbraucherverbands, wenn der Träger der Verbraucherschlichtungsstelle

1.
ein Unternehmerverband ist oder

2.
ausschließlich oder überwiegend finanziert wird

a)
von einem Unternehmerverband oder

b)
von einem Unternehmer oder mehreren Unternehmern.

2Der Verbraucherverband muss eine Stelle nach § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Unterlassungsklagengesetzes sein und sich für die Vertretung von Verbraucherinteressen im Zuständigkeitsbereich der Verbraucherschlichtungsstelle fachlich eignen. 3Die Beteiligung ist in den Regeln über die Organisation der Verbraucherschlichtungsstelle vorzusehen.

(2) 1Ist der Träger der Verbraucherschlichtungsstelle ein Verbraucherverband oder wird der Träger der Verbraucherschlichtungsstelle von einem Verbraucherverband ausschließlich oder überwiegend finanziert, ist Absatz 1 Satz 1 und 3 mit der Maßgabe anzuwenden, dass an Stelle des Verbraucherverbands ein Unternehmerverband tritt. 2Der Unternehmerverband muss sich für die Vertretung von Unternehmerinteressen im Zuständigkeitsbereich der Verbraucherschlichtungsstelle fachlich eignen.




§ 10 Informationspflichten der Verbraucherschlichtungsstelle



(1) Die Verbraucherschlichtungsstelle unterhält eine Webseite, auf der die Verfahrensordnung und klare und verständliche Informationen zur Erreichbarkeit und zur Zuständigkeit der Verbraucherschlichtungsstelle sowie zu den Streitmittlern, zur Anerkennung als Verbraucherschlichtungsstelle sowie zum Ablauf und zu den Kosten des Streitbeilegungsverfahrens veröffentlicht sind.

(2) Auf Anfrage werden die Informationen nach Absatz 1 in Textform übermittelt.