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Unterabschnitt 1 - Verwertungsgesellschaftengesetz (VGG)

Artikel 1 G. v. 24.05.2016 BGBl. I S. 1190 (Nr. 24); zuletzt geändert durch Artikel 2 G. v. 31.05.2021 BGBl. I S. 1204
Geltung ab 01.06.2016; FNA: 440-18 Urheberrechtliche Vorschriften
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Teil 5 Schiedsstelle und gerichtliche Geltendmachung

Abschnitt 1 Schiedsstelle

Unterabschnitt 1 Allgemeine Verfahrensvorschriften

§ 92 Zuständigkeit für Streitfälle nach dem Urheberrechtsgesetz und für Gesamtverträge



(1) Die Schiedsstelle (§ 124) kann von jedem Beteiligten bei einem Streitfall angerufen werden, an dem eine Verwertungsgesellschaft beteiligt ist und der eine der folgenden Angelegenheiten betrifft:

1.
die Nutzung von Werken oder Leistungen, die nach dem Urheberrechtsgesetz geschützt sind,

2.
die Vergütungspflicht für Geräte und Speichermedien nach § 54 des Urheberrechtsgesetzes oder die Betreibervergütung nach § 54c des Urheberrechtsgesetzes,

3.
den Abschluss oder die Änderung eines Gesamtvertrags.

(2) Die Schiedsstelle kann von jedem Beteiligten auch bei einem Streitfall angerufen werden, an dem ein Sendeunternehmen und ein Weitersendedienst beteiligt sind, wenn der Streit die Verpflichtung zum Abschluss eines Vertrages über die Weitersendung betrifft (§ 87 Absatz 5 des Urheberrechtsgesetzes).




§ 93 Zuständigkeit für empirische Untersuchungen



Verwertungsgesellschaften können die Schiedsstelle anrufen, um eine selbständige empirische Untersuchung zur Ermittlung der nach § 54a Absatz 1 des Urheberrechtsgesetzes maßgeblichen Nutzung durchführen zu lassen.


§ 94 Zuständigkeit für Streitfälle über die gebietsübergreifende Vergabe von Online-Rechten an Musikwerken



Die Schiedsstelle kann von jedem Beteiligten angerufen werden in Streitfällen zwischen einer im Inland ansässigen Verwertungsgesellschaft, die gebietsübergreifend Online-Rechte an Musikwerken vergibt, und Anbietern von Online-Diensten, Rechtsinhabern oder anderen Verwertungsgesellschaften, soweit Rechte und Pflichten der Beteiligten nach Teil 3 oder nach § 34 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2, § 36, § 39 oder § 43 betroffen sind.


§ 95 Allgemeine Verfahrensregeln



(1) 1Soweit dieses Gesetz keine abweichenden Regelungen enthält, bestimmt die Schiedsstelle das Verfahren nach billigem Ermessen. 2Sie wirkt jederzeit auf eine sachgerechte Beschleunigung des Verfahrens hin.

(2) 1Die Beteiligten sind gleichzubehandeln. 2Jedem Beteiligten ist rechtliches Gehör zu gewähren.


§ 96 Berechnung von Fristen



Auf die Berechnung der Fristen dieses Abschnitts ist § 222 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden.


§ 97 Verfahrenseinleitender Antrag



(1) 1Die Schiedsstelle wird durch schriftlichen Antrag angerufen. 2Er muss zumindest den Namen und die Anschrift des Antragsgegners sowie eine Darstellung des Sachverhalts enthalten. 3Er soll in zwei Exemplaren eingereicht werden.

(2) Die Schiedsstelle stellt dem Antragsgegner den Antrag mit der Aufforderung zu, sich innerhalb eines Monats schriftlich zu äußern.


§ 98 Zurücknahme des Antrags



(1) Der Antragsteller kann den Antrag zurücknehmen, ohne Einwilligung des Antragsgegners in Verfahren mit mündlicher Verhandlung jedoch nur bis zu deren Beginn.

(2) Wird der Antrag zurückgenommen, so trägt der Antragsteller die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Antragsgegners.


§ 99 Schriftliches Verfahren und mündliche Verhandlung



(1) Das Verfahren wird vorbehaltlich des Absatzes 2 schriftlich durchgeführt.

(2) Die Schiedsstelle beraumt eine mündliche Verhandlung an, wenn einer der Beteiligten dies beantragt und die anderen Beteiligten zustimmen, oder wenn sie dies zur Aufklärung des Sachverhalts oder zur gütlichen Beilegung des Streitfalls für zweckmäßig hält.


§ 100 Verfahren bei mündlicher Verhandlung


§ 100 wird in 1 Vorschrift zitiert

(1) 1Zu der mündlichen Verhandlung sind die Beteiligten zu laden. 2Die Ladungsfrist beträgt mindestens zwei Wochen.

(2) 1Die mündliche Verhandlung vor der Schiedsstelle ist nicht öffentlich. 2Beauftragte des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, der Aufsichtsbehörde und des Bundeskartellamts sind zur Teilnahme befugt.

(3) Die Schiedsstelle kann Bevollmächtigten oder Beiständen, die nicht Rechtsanwälte sind, den weiteren Vortrag untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Über die Verhandlung ist eine Niederschrift zu fertigen, die vom Vorsitzenden und vom Schriftführer zu unterzeichnen ist.


§ 101 Nichterscheinen in der mündlichen Verhandlung


§ 101 wird in 1 Vorschrift zitiert

(1) 1Erscheint der Antragsteller nicht zur mündlichen Verhandlung, so gilt der Antrag als zurückgenommen. 2War der Antragsteller ohne sein Verschulden verhindert, zur mündlichen Verhandlung zu erscheinen, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. 3Über den Antrag entscheidet die Schiedsstelle, ihre Entscheidung ist unanfechtbar. 4Im Übrigen sind die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entsprechend anzuwenden.

(2) Erscheint der Antragsgegner nicht zur mündlichen Verhandlung, so kann die Schiedsstelle einen Einigungsvorschlag nach Lage der Akten unterbreiten.

(3) Unentschuldigt nicht erschienene Beteiligte tragen die durch ihr Nichterscheinen verursachten Kosten.

(4) Die Beteiligten sind in der Ladung zur mündlichen Verhandlung auf die Folgen ihres Nichterscheinens hinzuweisen.


§ 102 Gütliche Streitbeilegung; Vergleich


§ 102 wird in 1 Vorschrift zitiert

(1) Die Schiedsstelle wirkt auf eine gütliche Beilegung des Streitfalls hin.

(2) 1Kommt ein Vergleich zustande, so muss er in einem besonderen Schriftstück niedergelegt und unter Angabe des Tages seines Zustandekommens von dem Vorsitzenden und den Beteiligten unterschrieben werden. 2Aus einem vor der Schiedsstelle geschlossenen Vergleich findet die Zwangsvollstreckung statt; § 797a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.

(3) 1Der Vorsitzende kann die Beteiligten mit ihrem Einverständnis zu einem Vergleichsversuch ohne Zuziehung der Beisitzer laden. 2Er ist dazu verpflichtet, wenn beide Beteiligte dies beantragen.


§ 103 Aussetzung des Verfahrens



(1) Die Schiedsstelle kann ein Verfahren aussetzen, wenn zu erwarten ist, dass ein anderes bei ihr anhängiges Verfahren von Bedeutung für den Ausgang des Verfahrens sein wird.

(2) Während der Aussetzung ist die Frist zur Unterbreitung eines Einigungsvorschlags nach § 105 Absatz 1 gehemmt.


§ 104 Aufklärung des Sachverhalts



(1) 1Die Schiedsstelle kann erforderliche Beweise in geeigneter Form erheben. 2Sie ist an Beweisanträge nicht gebunden.

(2) Sie kann die Ladung von Zeugen und den Beweis durch Sachverständige von der Zahlung eines hinreichenden Vorschusses zur Deckung der Auslagen abhängig machen.

(3) Den Beteiligten ist Gelegenheit zu geben, sich zu den Ermittlungs- und Beweisergebnissen zu äußern.

(4) Die §§ 1050 und 1062 Absatz 4 der Zivilprozessordnung sind entsprechend anzuwenden.


§ 105 Einigungsvorschlag der Schiedsstelle; Widerspruch



(1) 1Die Schiedsstelle unterbreitet den Beteiligten innerhalb eines Jahres nach Zustellung des Antrags einen Einigungsvorschlag. 2Die Frist kann mit Zustimmung aller Beteiligten um jeweils ein halbes Jahr verlängert werden.

(2) 1Der Einigungsvorschlag ist zu begründen und von sämtlichen für den Streitfall zuständigen Mitgliedern der Schiedsstelle zu unterschreiben. 2In dem Einigungsvorschlag ist auf die Möglichkeit des Widerspruchs und auf die Folgen bei Versäumung der Widerspruchsfrist hinzuweisen. 3Der Einigungsvorschlag ist den Beteiligten zuzustellen. 4Zugleich ist der Aufsichtsbehörde eine Abschrift des Einigungsvorschlags zu übermitteln.

(3) 1Der Einigungsvorschlag gilt als angenommen und eine dem Inhalt des Vorschlags entsprechende Vereinbarung als zustande gekommen, wenn nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Vorschlags ein schriftlicher Widerspruch bei der Schiedsstelle eingeht. 2Betrifft der Streitfall die Einräumung oder Übertragung von Nutzungsrechten der Weitersendung, so beträgt die Frist drei Monate.

(4) 1War einer der Beteiligten ohne sein Verschulden gehindert, den Widerspruch rechtzeitig einzulegen, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. 2Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet die Schiedsstelle. 3Gegen die ablehnende Entscheidung der Schiedsstelle ist die sofortige Beschwerde an das für den Sitz des Antragstellers zuständige Landgericht möglich. 4Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die sofortige Beschwerde sind entsprechend anzuwenden.

(5) 1Aus dem angenommenen Einigungsvorschlag findet die Zwangsvollstreckung statt. 2§ 797a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.