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Abschnitt 5 - Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG)

neugefasst durch B. v. 27.06.1994 BGBl. I S. 1537; zuletzt geändert durch Artikel 6 G. v. 19.12.2022 BGBl. I S. 2632
Geltung ab 01.07.1983; FNA: 319-87 Zwischenstaatliche Rechtshilfe
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Neunter Teil Vollstreckungshilfeverkehr mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union

Abschnitt 5 Überwachung von Maßnahmen zur Vermeidung von Untersuchungshaft *)

*) Hinweis der Redaktion



Abschnitt 5 mit den neuen §§ 90o bis 90z wurden durch Artikel 1 Nr. 2 G. v. 16. Juli 2015 (BGBl. I S. 1197) „Nach § 90n" angefügt. Zu diesem Zeitpunkt hatte das IRG keinen § 90n und ein diesbezügliches Änderungsgesetz mit eventuell späterem Inkrafttreten wurde vorher nicht verkündet. Die Einfügung des neuen Abschnitt 5 war somit formal nicht durchführbar.




§ 90o Grundsatz



(1) Nach diesem Abschnitt richtet sich die Vollstreckungshilfe für und die Vollstreckungsabgabe an einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nach Maßgabe des Rahmenbeschlusses 2009/829/JI des Rates vom 23. Oktober 2009 über die Anwendung - zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union - des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Entscheidungen über Überwachungsmaßnahmen als Alternative zur Untersuchungshaft (ABl. L 294 vom 11.11.2009, S. 20) (Rahmenbeschluss Überwachungsanordnung).

(2) 1Soweit dieser Abschnitt keine besonderen Regelungen enthält, sind die allgemeinen Bestimmungen des Ersten und Siebenten Teils dieses Gesetzes anzuwenden. 2§ 53 gilt entsprechend.

(3) Dieser Abschnitt geht den in § 1 Absatz 3 genannten völkerrechtlichen Vereinbarungen vor, soweit er abschließende Regelungen enthält.




§ 90p Voraussetzungen der Zulässigkeit



(1) 1Auflagen und Weisungen, die ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union nach Maßgabe seines innerstaatlichen Rechts und Verfahrens gegen eine natürliche Person zur Vermeidung der Untersuchungshaft verhängt hat (Maßnahmen), können in der Bundesrepublik Deutschland überwacht werden. 2Die Überwachung ist nur zulässig, wenn

1.
auch nach deutschem Recht, ungeachtet etwaiger Verfahrenshindernisse und gegebenenfalls bei sinngemäßer Umstellung des Sachverhaltes, wegen der der Entscheidung zugrunde liegenden Tat eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung verhängt werden könnte,

2.
die zu überwachende Person sich, nach Unterrichtung über die Maßnahmen, mit einer Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland oder einem Verbleib dort einverstanden erklärt,

3.
die zu überwachende Person

a)
die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder in der Bundesrepublik Deutschland rechtmäßig ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder

b)
beabsichtigt, umgehend ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland zu begründen, und die Voraussetzungen für die Einreise in das Bundesgebiet und den Aufenthalt darin erfüllt und

4.
eine oder mehrere der folgenden Maßnahmen überwacht werden soll beziehungsweise sollen:

a)
die Verpflichtung, einer bestimmten Behörde jeden Wohnsitzwechsel mitzuteilen,

b)
die Verpflichtung, bestimmte Orte, Plätze oder festgelegte Gebiete in der Bundesrepublik Deutschland oder im anderen Mitgliedstaat nicht zu betreten,

c)
die Verpflichtung, sich, gegebenenfalls zu einer bestimmten Zeit, an einem bestimmten Ort aufzuhalten,

d)
eine Verpflichtung, mit der das Verlassen der Bundesrepublik Deutschland eingeschränkt wird,

e)
die Verpflichtung, sich zu bestimmten Zeiten bei einer bestimmten Behörde zu melden,

f)
die Verpflichtung, den Kontakt mit bestimmten Personen zu meiden,

g)
die Verpflichtung, sich bestimmter Aktivitäten, die mit der zur Last gelegten Straftat im Zusammenhang stehen, zu enthalten,

h)
die Verpflichtung, einen bestimmten angemessenen Geldbetrag zu hinterlegen oder eine andere Sicherheitsleistung zu erbringen, entweder in festgelegten Raten oder als Gesamtbetrag,

i)
die Verpflichtung, den Kontakt mit bestimmten Gegenständen, die mit der zur Last gelegten Straftat im Zusammenhang stehen, zu meiden.

(2) Abweichend von Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 ist die Überwachung von Maßnahmen in Steuer-, Zoll- und Währungsangelegenheiten auch zulässig, wenn das deutsche Recht keine gleichartigen Steuer-, Zoll- und Währungsbestimmungen enthält wie das Recht des anderen Mitgliedstaates.

(3) Die Überwachung einer Maßnahme ist unzulässig, wenn

1.
die zu überwachende Person im Zeitpunkt der Tat nach § 19 des Strafgesetzbuchs schuldunfähig oder nach § 3 des Jugendgerichtsgesetzes strafrechtlich nicht verantwortlich war,

2.
die zu überwachende Person

a)
wegen derselben Tat, die der Entscheidung zugrunde liegt, bereits von einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem gegen sie die Entscheidung ergangen ist, rechtskräftig abgeurteilt worden ist und

b)
im Falle der Verurteilung zu einer Sanktion diese bereits vollstreckt worden ist, gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsstaates nicht mehr vollstreckt werden kann oder

3.
bei Straftaten, für die auch die deutsche Gerichtsbarkeit begründet ist, die Strafverfolgung nach deutschem Recht verjährt wäre.




§ 90q Unterlagen



(1) Die Überwachung einer Maßnahme nach Maßgabe des Rahmenbeschlusses Überwachungsanordnung ist nur zulässig, wenn durch den anderen Mitgliedstaat das Original oder eine beglaubigte Abschrift der vollstreckbaren Entscheidung über Maßnahmen zusammen mit einer vollständig ausgefüllten Bescheinigung übermittelt wurde, für die das in Anhang I des Rahmenbeschlusses Überwachungsanordnung wiedergegebene Formblatt in der jeweils gültigen Fassung zu verwenden ist.

(2) Ist die Bescheinigung nach Absatz 1 unvollständig, ergeben sich jedoch die erforderlichen Angaben aus der Entscheidung oder aus anderen beigefügten Unterlagen, so kann die zuständige Behörde auf die Vorlage einer vervollständigten Bescheinigung verzichten.




§ 90r Bewilligungshindernisse



Die Bewilligung einer nach den §§ 90p und 90q zulässigen Überwachung der Maßnahmen kann nur abgelehnt werden, wenn

1.
die Bescheinigung (§ 90q Absatz 1) unvollständig ist oder offensichtlich nicht der Entscheidung entspricht und der andere Mitgliedstaat diese Angaben nicht vollständig oder berichtigt nachgereicht hat,

2.
es im Falle eines Verstoßes gegen eine Maßnahme abgelehnt werden müsste, die zu überwachende Person auszuliefern,

3.
im Falle einer Person, die ihren rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat, ein Verfahren zur Beendigung des Aufenthaltes durchgeführt wird oder

4.
im Falle des § 90p Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 Buchstabe b die Überwachung der zu überwachenden Person im Einzelfall in einem anderen Mitgliedstaat besser gewährleistet werden kann.




§ 90s Vorläufige Bewilligungsentscheidung



(1) Die nach § 51 zuständige Staatsanwaltschaft entscheidet darüber, ob die Übernahme der Überwachung bewilligt wird.

(2) Die Staatsanwaltschaft gibt der zu überwachenden Person Gelegenheit, sich zu äußern, falls deren Stellungnahme noch nicht vorliegt.

(3) 1Entscheidet die Staatsanwaltschaft, die Bewilligungshindernisse nach § 90r nicht geltend zu machen, begründet sie diese Entscheidung in dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die Zulässigkeit der Überwachungsübernahme. 2Die zuständige Behörde des anderen Mitgliedstaates ist bereits vor Stellung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung durch die Staatsanwaltschaft zu unterrichten über

1.
die Gründe, warum es im Falle eines Verstoßes gegen eine Maßnahme abgelehnt werden müsste, die zu überwachende Person auszuliefern, und

2.
die Nichtgeltendmachung des Bewilligungshindernisses.

(4) 1Bewilligt die Staatsanwaltschaft die Übernahme der Überwachung nicht, begründet sie diese Entscheidung. 2Die Staatsanwaltschaft stellt der zu überwachenden Person die Entscheidung zu. 3Die zu überwachende Person kann binnen zwei Wochen nach Zustellung der ablehnenden Bewilligungsentscheidung einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen. 4Die §§ 297 bis 300 und 302 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 der Strafprozessordnung über Rechtsmittel und die §§ 42 bis 47 der Strafprozessordnung über Fristen und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gelten entsprechend.




§ 90t Gerichtliches Verfahren



(1) 1Das Amtsgericht entscheidet auf Antrag der Staatsanwaltschaft nach § 90s Absatz 3 Satz 1 oder auf Antrag der zu überwachenden Person nach § 90s Absatz 4 Satz 3. 2§ 51 gilt entsprechend. 3Die Staatsanwaltschaft bereitet die Entscheidung vor.

(2) 1Für die gerichtliche Vorbereitung der Entscheidung gilt § 52 Absatz 1 mit der Maßgabe entsprechend, dass der zuständigen Behörde im anderen Mitgliedstaat auch Gelegenheit gegeben worden sein muss, ergänzende Unterlagen beizubringen, wenn die übermittelten Unterlagen nicht ausreichen, um beurteilen zu können, ob die Staatsanwaltschaft ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat. 2Das Gericht kann für die Beibringung der Unterlagen eine Frist setzen.

(3) 1§ 30 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass das Gericht auch Beweis darüber erheben kann, ob die Staatsanwaltschaft ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat. 2§ 30 Absatz 2 Satz 4, Absatz 3 sowie § 31 Absatz 1 und 4 gelten entsprechend. 3Befindet sich die verurteilte Person im Geltungsbereich dieses Gesetzes, so gelten auch § 30 Absatz 2 Satz 1 sowie § 31 Absatz 2 und 3 entsprechend.




§ 90u Gerichtliche Zulässigkeitsentscheidung



(1) 1Über die Anträge auf gerichtliche Entscheidung nach § 90s Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 3 entscheidet das Amtsgericht durch Beschluss. 2In der Beschlussformel sind bei einer stattgebenden Entscheidung die zu überwachenden Maßnahmen genau zu bestimmen.

(2) 1Sind die Vorschriften über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung durch die zu überwachende Person nach § 90s Absatz 4 Satz 3 nicht beachtet worden, so verwirft das Gericht den Antrag als unzulässig. 2Der Beschluss ist unanfechtbar.

(3) Das Gericht ordnet die Überwachung der Maßnahmen an, wenn diese zulässig ist und

1.
die Staatsanwaltschaft ihr Ermessen, Bewilligungshindernisse nach § 90r nicht geltend zu machen, fehlerfrei ausgeübt hat oder

2.
die Staatsanwaltschaft ihr Ermessen, Bewilligungshindernisse nach § 90r geltend zu machen, fehlerhaft ausgeübt hat und eine andere Ermessensentscheidung nicht gerechtfertigt ist; kommt jedoch eine andere Ermessensentscheidung in Betracht, hebt das Gericht die Entscheidung der Staatsanwaltschaft auf und reicht ihr die Akten zur erneuten Ermessensausübung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zurück.

(4) 1Das Gericht wandelt die der zu überwachenden Person auferlegten Maßnahmen um, wenn

1.
die Voraussetzungen für die Maßnahmen nach dem im Geltungsbereich dieses Gesetzes geltenden Recht nicht erfüllt sind oder

2.
die auferlegten Überwachungsmaßnahmen nicht hinreichend bestimmt sind.

2Die umgewandelten Maßnahmen müssen so weit wie möglich den vom Anordnungsstaat verhängten Maßnahmen entsprechen. 3Sie dürfen nicht schwerwiegender sein als die vom Anordnungsstaat verhängten Maßnahmen. 4Über die Umwandlung nach diesem Absatz ist die zuständige Behörde des anderen Mitgliedstaates unverzüglich zu informieren.

(5) 1Gegen den Beschluss des Amtsgerichts können die Staatsanwaltschaft und die zu überwachende Person sofortige Beschwerde einlegen. 2Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt. 3§ 42 ist entsprechend anwendbar.




§ 90v Bewilligung nach gerichtlicher Entscheidung



(1) 1Die Staatsanwaltschaft darf die Übernahme der Überwachung nur bewilligen, wenn diese durch die gerichtliche Entscheidung für zulässig erklärt worden ist. 2Die Staatsanwaltschaft bewilligt die Überwachung nach Maßgabe der vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidung. 3Diese Bewilligungsentscheidung ist unanfechtbar.

(2) 1Über die Bewilligung soll innerhalb von 20 Werktagen nach Eingang der in § 90q bezeichneten Unterlagen bei der Staatsanwaltschaft entschieden werden. 2Wurde gegen die Entscheidung des Gerichts gemäß § 90u Absatz 5 sofortige Beschwerde eingelegt, verlängert sich die Frist zur Bewilligung um weitere 20 Werktage.

(3) Ist es der Staatsanwaltschaft aufgrund außergewöhnlicher Umstände nicht möglich, die Fristen nach Absatz 2 einzuhalten, so unterrichtet sie unverzüglich die zuständige Behörde des Anordnungsstaates und gibt dabei die Gründe für die Verzögerung und die Zeit an, die voraussichtlich für eine Entscheidung benötigt wird.




§ 90w Durchführung der Überwachung



(1) 1Das für die Entscheidung nach § 90u zuständige Gericht überwacht die Maßnahmen unverzüglich nach Bewilligung der Überwachungsübernahme während des Zeitraums, den die zuständige Behörde des anderen Mitgliedstaates angegeben hat. 2Das Gericht kann die Überwachung ganz oder zum Teil an das Gericht abgeben, in dessen Bezirk die zu überwachende Person ihren Wohnsitz oder in Ermangelung eines Wohnsitzes ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. 3Die Abgabe ist bindend.

(2) 1Soweit das Gesetz die Anhörung oder Mitwirkung der Staatsanwaltschaft vorsieht, ist diejenige Staatsanwaltschaft zuständig, die die gerichtliche Zulässigkeitsentscheidung vorbereitet hat. 2Ihre Zuständigkeit bleibt von einer Abgabe nach Absatz 1 Satz 2 unberührt.

(3) Das Gericht unterrichtet die zuständige Behörde des anderen Mitgliedstaates unverzüglich über

1.
jeden Wohnsitzwechsel der zu überwachenden Person,

2.
die Tatsache, dass der Aufenthaltsort der zu überwachenden Person im Bundesgebiet nicht mehr zu ermitteln ist, und

3.
jeden Verstoß gegen eine Maßnahme sowie über Erkenntnisse, die eine weitere Entscheidung im Zusammenhang mit einer Entscheidung über Maßnahmen nach sich ziehen könnten; hierzu ist das in Anhang II des Rahmenbeschlusses Überwachungsanordnung wiedergegebene Formblatt in der jeweils gültigen Fassung zu verwenden.

(4) 1Das Gericht sieht von der Überwachung der Maßnahmen ab, wenn

1.
die zuständige Behörde des anderen Mitgliedstaates die Bescheinigung zurücknimmt oder auf andere geeignete Weise mitteilt, dass die Überwachung der Maßnahmen zu beenden ist,

2.
der Aufenthaltsort der zu überwachenden Person im Bundesgebiet nicht mehr zu ermitteln ist,

3.
die zu überwachende Person nicht mehr über einen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland verfügt oder

4.
die zuständige Behörde des anderen Mitgliedstaates die Maßnahmen so geändert hat, dass nunmehr keine Maßnahme im Sinne des § 90p Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 vorliegt.

2Die Entscheidung nach Satz 1 ergeht durch Beschluss.

(5) 1Das Gericht kann von der Überwachung der Maßnahme absehen, wenn die zuständige Behörde des anderen Mitgliedstaates keine weitere Entscheidung im Zusammenhang mit einer Entscheidung über Maßnahmen getroffen hat, obwohl das Gericht

1.
mehrfach die zuständige Behörde des anderen Mitgliedstaates bezüglich derselben Person gemäß Absatz 3 Nummer 3 unterrichtet hat und

2.
eine angemessene Frist zum Erlass einer weiteren Entscheidung im Zusammenhang mit einer Entscheidung über Maßnahmen gesetzt hat.

2Die Entscheidung nach Satz 1 ergeht durch Beschluss.

(6) Hat das Gericht beschlossen, die Überwachung der Maßnahmen gemäß Absatz 5 einzustellen, unterrichtet es die zuständige Behörde des anderen Mitgliedstaates hiervon schriftlich mit Gründen.




§ 90x Erneuerte und geänderte Maßnahmen



1Die Vorschriften der §§ 90o bis 90w gelten auch für die Übernahme und Überwachung erneuerter oder geänderter Maßnahmen mit der Maßgabe, dass bei solchen Entscheidungen keine erneute Prüfung gemäß § 90p Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 und 3, Absatz 3 sowie den §§ 90r und 77 Absatz 2 stattfindet. 2Bei Entscheidungen über erneuerte Maßnahmen findet zusätzlich keine erneute Prüfung gemäß § 90p Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 statt.




§ 90y Abgabe der Überwachung



(1) 1Das gemäß § 126 der Strafprozessordnung zuständige Gericht kann von einem deutschen Gericht erlassene Überwachungsmaßnahmen zur Vermeidung von Untersuchungshaft zur Überwachung nach Maßgabe des Rahmenbeschlusses Überwachungsanordnung an einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union übertragen. 2Die Übertragung ist nur zulässig, wenn die zu überwachende Person

1.
in diesem Mitgliedstaat ihren rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt hat und

2.
sich mit einer Rückkehr in diesen Mitgliedstaat einverstanden erklärt hat, nachdem sie über die betreffenden Maßnahmen unterrichtet wurde, oder

3.
sich bereits in diesem Mitgliedstaat aufhält.

3Das Gericht gibt der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Stellungnahme.

(2) Abweichend von Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 und 2 kann das Gericht die Überwachung von Maßnahmen an einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als denjenigen übertragen, in dem die zu überwachende Person ihren rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern die zu überwachende Person einen entsprechenden Antrag gestellt hat.

(3) Das Gericht unterrichtet die zuständige Behörde des anderen Mitgliedstaates unverzüglich über

1.
jede weitere Entscheidung im Zusammenhang mit einer Entscheidung über Maßnahmen sowie

2.
einen gegen eine Entscheidung über Maßnahmen eingelegten Rechtsbehelf.

(4) Das Gericht kann die zuständige Behörde des anderen Mitgliedstaates um Verlängerung der Überwachung der Maßnahmen ersuchen, wenn

1.
die zuständige Behörde des anderen Mitgliedstaates für die Zulässigkeit der Überwachung von Maßnahmen einen bestimmten Zeitraum angegeben hat,

2.
der Zeitraum nach Nummer 1 abgelaufen ist und

3.
es die Überwachung der Maßnahmen weiterhin für erforderlich hält.

(5) In einem Ersuchen nach Absatz 4 sind anzugeben:

1.
die Gründe für die Verlängerung,

2.
die voraussichtlichen Folgen für die zu überwachende Person, sofern die Maßnahmen nicht verlängert werden würden, und

3.
der voraussichtliche Zeitraum der Verlängerung.




§ 90z Rücknahme der Überwachungsabgabe



(1) 1Das Gericht hat die Bescheinigung zur Abgabe der Überwachung zurückzunehmen, wenn die Voraussetzungen für den Haftbefehl entfallen sind. 2Es kann die Bescheinigung zurücknehmen, wenn

1.
die zuständige Behörde des anderen Mitgliedstaates mitgeteilt hat, dass sie die Maßnahmen entsprechend dem dort geltenden Recht angepasst hat,

2.
die zuständige Behörde des anderen Mitgliedstaates mitgeteilt hat, dass sie die Maßnahmen nur während eines begrenzten Zeitraums überwachen kann, oder

3.
die zuständige Behörde des anderen Mitgliedstaates mitgeteilt hat, dass sie es im Falle eines Verstoßes gegen die Maßnahmen ablehnen müsste, die zu überwachende Person auszuliefern.

3In den Fällen von Satz 2 hat die Rücknahme vor Beginn der Überwachung im anderen Mitgliedstaat und spätestens zehn Tage nach Eingang der Informationen bei dem zuständigen Gericht zu erfolgen.

(2) Das Gericht ist für die Überwachung der Maßnahmen wieder zuständig, wenn

1.
die zuständige Behörde des anderen Mitgliedstaates mitteilt, dass die zu überwachende Person ihren rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt in einen anderen Staat als den avisierten Vollstreckungsstaat verlegt hat,

2.
das Gericht die Maßnahmen geändert und die zuständige Behörde des anderen Mitgliedstaates es abgelehnt hat, die geänderten Maßnahmen zu überwachen,

3.
der maximale Überwachungszeitraum, während dessen die Maßnahmen im anderen Mitgliedstaat überwacht werden dürfen, abgelaufen ist,

4.
die zuständige Behörde des anderen Mitgliedstaates beschlossen hat, die Überwachung der Maßnahmen nach Maßgabe des Artikels 23 des Rahmenbeschlusses Überwachungsanordnung einzustellen, und das Gericht hiervon unterrichtet hat.