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Abschnitt 1 - Bundeskriminalamtgesetz (BKAG)


Abschnitt 1 Zentrale Einrichtungen zur Zusammenarbeit in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten, Aufgaben des Bundeskriminalamtes

§ 1 Zentrale Einrichtungen zur Zusammenarbeit in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten



(1) Der Bund unterhält ein Bundeskriminalamt zur Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten.

(2) Die Länder unterhalten für ihr Gebiet zentrale Dienststellen der Kriminalpolizei (Landeskriminalämter) zur Sicherung der Zusammenarbeit des Bundes und der Länder. Mehrere Länder können ein gemeinsames Landeskriminalamt unterhalten.

(3) Die Verfolgung sowie die Verhütung von Straftaten und die Aufgaben der sonstigen Gefahrenabwehr bleiben Sache der Länder, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist.


§ 2 Zentralstelle



(1) Das Bundeskriminalamt unterstützt als Zentralstelle für das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen und für die Kriminalpolizei die Polizeien des Bundes und der Länder bei der Verhütung und Verfolgung von Straftaten mit länderübergreifender, internationaler oder erheblicher Bedeutung.

(2) Das Bundeskriminalamt hat zur Wahrnehmung dieser Aufgabe

1.
alle hierfür erforderlichen Informationen zu sammeln und auszuwerten,

2.
die Strafverfolgungsbehörden des Bundes und der Länder unverzüglich über die sie betreffenden Informationen und die in Erfahrung gebrachten Zusammenhänge von Straftaten zu unterrichten.

(3) Das Bundeskriminalamt unterhält als Zentralstelle ein polizeiliches Informationssystem nach Maßgabe dieses Gesetzes.

(4) Das Bundeskriminalamt unterhält als Zentralstelle zur Unterstützung der Polizeien des Bundes und der Länder bei der Verhütung und Verfolgung von Straftaten und der Gefahrenabwehr zentrale Einrichtungen und Sammlungen, insbesondere

1.
zentrale erkennungsdienstliche Einrichtungen und Sammlungen sowie

2.
zentrale Einrichtungen für die Fahndung nach Personen und Sachen.

(5) Das Bundeskriminalamt kann die Länder auf Ersuchen bei deren Datenverarbeitung unterstützen. Die Verarbeitung und Nutzung der Daten erfolgt nach den Weisungen der Länder und gemäß deren Vorschriften über die Datenverarbeitung im Auftrag.

(6) Das Bundeskriminalamt hat als Zentralstelle ferner zur Unterstützung der Polizeien des Bundes und der Länder bei der Verhütung und Verfolgung von Straftaten

1.
die erforderlichen Einrichtungen für alle Bereiche kriminaltechnischer Untersuchungen und für kriminaltechnische Forschung zu unterhalten und die Zusammenarbeit der Polizei auf diesen Gebieten zu koordinieren,

2.
kriminalpolizeiliche Analysen und Statistiken einschließlich der Kriminalstatistik zu erstellen und hierfür die Entwicklung der Kriminalität zu beobachten,

3.
polizeiliche Methoden und Arbeitsweisen der Kriminalitätsbekämpfung zu erforschen und zu entwickeln,

4.
Aus- und Fortbildungsveranstaltungen auf kriminalpolizeilichen Spezialgebieten durchzuführen.

(7) Das Bundeskriminalamt erstattet erkennungsdienstliche und kriminaltechnische Gutachten für Strafverfahren auf Anforderungen von Polizeidienststellen, Staatsanwaltschaften und Gerichten.


§ 3 Internationale Zusammenarbeit



(1) Das Bundeskriminalamt ist Nationales Zentralbüro der Bundesrepublik Deutschland für die Internationale Kriminalpolizeiliche Organisation.

(1a) Das Bundeskriminalamt ist die zentrale nationale Stelle für den Informationsaustausch gemäß Artikel 39 Abs. 3 und Artikel 46 Abs. 2 des Schengener Durchführungsübereinkommens, für den Betrieb des nationalen Teils des Schengener Informationssystems und das SIRENE-Büro für den Austausch von Zusatzinformationen. Ausschreibungen im Schengener Informationssystem erfolgen im polizeilichen Informationssystem nach § 11.

(2) Der zur Verhütung oder Verfolgung von Straftaten erforderliche Dienstverkehr der Polizeien des Bundes und der Länder mit den Polizei- und Justizbehörden sowie sonstigen insoweit zuständigen öffentlichen Stellen anderer Staaten obliegt dem Bundeskriminalamt. Besondere bundesgesetzliche Vorschriften, insbesondere die Vorschriften über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen sowie abweichende Regelungen durch Vereinbarungen des Bundesministeriums des Innern mit den zuständigen obersten Landesbehörden oder durch Vereinbarungen der zuständigen obersten Landesbehörden mit den zuständigen ausländischen Stellen im Rahmen der vom Bund abgeschlossenen Abkommen und die internationale Zusammenarbeit der Zollbehörden bleiben unberührt.

(3) Absatz 2 Satz 1 gilt nicht für den Dienstverkehr mit den zuständigen Behörden der Nachbarstaaten und der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, soweit dieser sich auf Kriminalität von regionaler Bedeutung im Grenzgebiet bezieht oder soweit Gefahr im Verzug ist. Die übermittelnden Polizeien unterrichten das Bundeskriminalamt unverzüglich über den Dienstverkehr nach Satz 1. Bei abgrenzbaren Fallgestaltungen im Rahmen regionaler Schwerpunktmaßnahmen können die Polizeien abweichend von Absatz 2 Satz 1 im Einvernehmen mit dem Bundeskriminalamt den erforderlichen Dienstverkehr mit den zuständigen Behörden anderer Staaten führen.




§ 4 Strafverfolgung



(1) 1Das Bundeskriminalamt nimmt die polizeilichen Aufgaben auf dem Gebiet der Strafverfolgung wahr

1.
in Fällen des international organisierten ungesetzlichen Handels mit Waffen, Munition, Sprengstoffen, Betäubungsmitteln oder Arzneimitteln und der international organisierten Herstellung oder Verbreitung von Falschgeld, die eine Sachaufklärung im Ausland erfordern, sowie damit im Zusammenhang begangener Straftaten einschließlich der international organisierten Geldwäsche,

2.
in Fällen von Straftaten, die sich gegen das Leben (§§ 211, 212 des Strafgesetzbuches) oder die Freiheit (§§ 234, 234a, 239, 239b des Strafgesetzbuches) des Bundespräsidenten, von Mitgliedern der Bundesregierung, des Bundestages und des Bundesverfassungsgerichts oder der Gäste der Verfassungsorgane des Bundes aus anderen Staaten oder der Leiter und Mitglieder der bei der Bundesrepublik Deutschland beglaubigten diplomatischen Vertretungen richten, wenn anzunehmen ist, daß der Täter aus politischen Motiven gehandelt hat und die Tat bundes- oder außenpolitische Belange berührt,

3.
in den Fällen international organisierter Straftaten

a)
nach § 129a, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, des Strafgesetzbuches,

b)
nach den §§ 105 und 106 des Strafgesetzbuches zum Nachteil des Bundespräsidenten, eines Verfassungsorgans des Bundes oder des Mitgliedes eines Verfassungsorgans des Bundes und damit im Zusammenhang stehender Straftaten,

4.
in den Fällen der in § 129a Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Strafgesetzbuches genannten Straftaten und damit im Zusammenhang stehender Straftaten, soweit es sich um eine Auslandstat handelt und ein Gerichtsstand noch nicht feststeht,

5.
in den Fällen von Straftaten nach den §§ 202a, 202b, 202c, 263a, 303a und 303b des Strafgesetzbuches, soweit tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Tat sich gegen

a)
die innere oder äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder

b)
Behörden oder Einrichtungen des Bundes oder sicherheitsempfindliche Stellen von lebenswichtigen Einrichtungen, bei deren Ausfall oder Zerstörung eine erhebliche Bedrohung für die Gesundheit oder das Leben von Menschen zu befürchten ist oder die für das Funktionieren des Gemeinwesens unverzichtbar sind,

richtet.

2Die Staatsanwaltschaft kann im Benehmen mit dem Bundeskriminalamt die Ermittlungen einer anderen sonst zuständigen Polizeibehörde übertragen. 3Die Wahrnehmung der Aufgaben nach Satz 1 Nr. 2 und 3 Buchstabe b bedarf der Zustimmung des Bundesministeriums des Innern; bei Gefahr im Verzuge kann das Bundeskriminalamt vor Erteilung der Zustimmung tätig werden.

(2) 1Das Bundeskriminalamt nimmt darüber hinaus die polizeilichen Aufgaben auf dem Gebiet der Strafverfolgung wahr, wenn

1.
eine zuständige Landesbehörde darum ersucht oder

2.
der Bundesminister des Innern es nach Unterrichtung der obersten Landesbehörde aus schwerwiegenden Gründen anordnet oder

3.
der Generalbundesanwalt darum ersucht oder einen Auftrag erteilt.

2Satz 1 Nr. 1 und 3 gilt entsprechend für die Fahndung nach Verurteilten zum Zwecke der Vollstreckung.

(3) 1Die für die Strafrechtspflege und die Polizei zuständigen obersten Landesbehörden sind unverzüglich zu benachrichtigen, wenn das Bundeskriminalamt polizeiliche Aufgaben auf dem Gebiet der Strafverfolgung wahrnimmt; außerdem sind unverzüglich zu benachrichtigen die zuständigen Landeskriminalämter, der Generalbundesanwalt in den Fällen, in denen er für die Führung der Ermittlungen zuständig ist, und in den übrigen Fällen die Generalstaatsanwälte, in deren Bezirken ein Gerichtsstand begründet ist. 2Die Verpflichtung anderer Polizeibehörden zur Durchführung der notwendigen unaufschiebbaren Maßnahmen sowie die Befugnisse der Staatsanwaltschaft nach § 161 der Strafprozeßordnung bleiben unberührt.

(4) 1In den Fällen der Absätze 1 und 2 kann das Bundeskriminalamt den zuständigen Landeskriminalämtern (§ 1 Abs. 2) Weisungen für die Zusammenarbeit geben. 2Die oberste Landesbehörde ist unverzüglich zu benachrichtigen.




§ 4a Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus



(1) Das Bundeskriminalamt kann die Aufgabe der Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus in Fällen wahrnehmen, in denen

1.
eine länderübergreifende Gefahr vorliegt,

2.
die Zuständigkeit einer Landespolizeibehörde nicht erkennbar ist oder

3.
die oberste Landesbehörde um eine Übernahme ersucht.

Es kann in diesen Fällen auch Straftaten verhüten, die in § 129a Abs. 1 und 2 des Strafgesetzbuchs bezeichnet und dazu bestimmt sind, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen können.

(2) Die Befugnisse der Länder und anderer Polizeibehörden des Bundes bleiben unberührt. Die zuständigen obersten Landesbehörden und, soweit zuständig, anderen Polizeibehörden des Bundes sind unverzüglich zu benachrichtigen, wenn das Bundeskriminalamt die Aufgabe nach Absatz 1 wahrnimmt. Die Aufgabenwahrnehmung erfolgt in gegenseitigem Benehmen. Stellt das Bundeskriminalamt bei der Aufgabenwahrnehmung nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 die Zuständigkeit einer Landespolizeibehörde fest, so gibt es diese Aufgabe an diese Polizeibehörde ab, wenn nicht ein Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 oder 3 vorliegt.




§ 5 Schutz von Mitgliedern der Verfassungsorgane und der Leitung des Bundeskriminalamtes



(1) Unbeschadet der Rechte des Präsidenten des Deutschen Bundestages und der Zuständigkeit der Bundespolizei und der Polizeien der Länder obliegt dem Bundeskriminalamt

1.
der erforderliche Personenschutz

a)
für die Mitglieder der Verfassungsorgane des Bundes,

b)
in besonders festzulegenden Fällen der Gäste dieser Verfassungsorgane aus anderen Staaten und

c)
für die Leitung des Bundeskriminalamtes;

in den Fällen der Buchstaben a und c kann der erforderliche Schutz insbesondere auch über die Amtsdauer hinaus erstreckt werden und Familienangehörige einbeziehen;

2.
der innere Schutz der Dienst- und der Wohnsitze sowie der jeweiligen Aufenthaltsräume des Bundespräsidenten, der Mitglieder der Bundesregierung und in besonders festzulegenden Fällen ihrer Gäste aus anderen Staaten.

(2) Sollen Beamte des Bundeskriminalamtes und der Polizei eines Landes in den Fällen des Absatzes 1 zugleich eingesetzt werden, so entscheidet darüber das Bundesministerium des Innern im Einvernehmen mit der obersten Landesbehörde.




§ 6 Zeugenschutz



(1) In den Fällen des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 und Nr. 5 und Abs. 2 Satz 1 obliegt dem Bundeskriminalamt der Schutz von Personen, deren Aussage zur Erforschung der Wahrheit von Bedeutung ist oder war. Gleiches gilt für deren Angehörige und sonstige ihnen nahestehende Personen. Das Bundeskriminalamt unterrichtet die zuständigen Landeskriminalämter unverzüglich von der Übernahme des Zeugenschutzes.

(2) In Einzelfällen können Zeugenschutzmaßnahmen im Einvernehmen zwischen dem Bundeskriminalamt und einem Landeskriminalamt durch Polizeibeamte dieses Landes durchgeführt werden. Die Verpflichtung anderer Polizeibehörden, die zur Abwehr von Gefahren erforderlichen unaufschiebbaren Maßnahmen zu treffen, bleibt unberührt.