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Achtung: Titel komplett oder überwiegend mit Ablauf des 14.12.2010 aufgehoben

Gesetz über Straffreiheit (Straffreiheitsgesetz 1968 - StrFrhG 1968 k.a.Abk.)

G. v. 09.07.1968 BGBl. I S. 773; aufgehoben durch Artikel 50 G. v. 08.12.2010 BGBl. I S. 1864
Geltung ab 13.07.1968; FNA: 450-12-1 Strafgesetzbuch und zugehörige Gesetze
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§ 1 Anwendungsbereich



Wegen Straftaten nach Vorschriften, die durch das Achte Strafrechtsänderungsgesetz aufgehoben oder ersetzt werden, wird nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Straffreiheit gewährt, soweit die Taten vor dem 1. Juli 1968 begangen worden sind. Die Straffreiheit erfaßt rechtskräftig verhängte Strafen, soweit sie noch nicht vollstreckt sind, sowie zu erwartende Strafen.


§ 2 Voraussetzungen der Straffreiheit



(1) Straffreiheit wird für Freiheitsstrafen und Geldstrafen gewährt wegen Straftaten

1.
nach den §§ 84, 89 bis 93, 95 bis 97, 100b, 100d Abs. 2 und 3, §§ 100f, 129 und 129a des Strafgesetzbuches in allen vor dem 1. August 1968 geltenden Fassungen, im Falle des § 129 jedoch nur, sofern die Tat nicht auch nach dieser Vorschrift in der Fassung des Achten Strafrechtsänderungsgesetzes strafbar wäre,

2.
nach § 128, allein oder in Verbindung mit § 94 des Strafgesetzbuches, sofern die Tat nicht auch nach § 47 Abs. 1 Nr. 7 des Ausländergesetzes in der Fassung des Achten Strafrechtsänderungsgesetzes strafbar wäre,

3.
nach § 100e des Strafgesetzbuches, wenn eine Freiheitsstrafe, einschließlich einer etwaigen Ersatzfreiheitsstrafe, sechs Monate nicht übersteigt, und

4.
nach den §§ 42, 47 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht vom 12. März 1951 (Bundesgesetzbl. I S. 243) sowie nach § 20 des Vereinsgesetzes vom 5. August 1964 (Bundesgesetzbl. I S. 593).

(2) Für Freiheitsstrafen und Geldstrafen, die unter Strafschärfung nach § 94 des Strafgesetzbuches verhängt worden sind, wird Strafermäßigung gewährt (§ 3 Abs. 2). Bei Straftaten nach § 128 in Verbindung mit § 94 des Strafgesetzbuches geht Absatz 1 Nr. 2 vor.


§ 3 Auswirkungen der Straffreiheit



(1) Strafen, die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes rechtskräftig verhängt sind, werden erlassen, soweit sie noch nicht vollstreckt sind. Anhängige Verfahren werden eingestellt, neue nicht eingeleitet.

(2) Bei Strafermäßigung (§ 2 Abs. 2 Satz 1) wird die Strafe angemessen herabgesetzt.


§ 4 Weitere Erstreckung der Straffreiheit



(1) Die Straffreiheit erstreckt sich auf Nebenstrafen, soweit sie noch nicht vollstreckt sind, auf Untersagung der Berufsausübung, gesetzliche Nebenfolgen sowie auf rückständige Bußen und Kosten, auch wenn die Strafe bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits vollstreckt war. Sie erstreckt sich auch auf Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel nach dem Jugendgerichtsgesetz.

(2) Die Straffreiheit erstreckt sich nicht auf andere Maßregeln der Sicherung und Besserung sowie, mit Ausnahme empfangenen Tatentgelts, auf Einziehung und Unbrauchbarmachung. Sie können im selbständigen Verfahren angeordnet werden. Sind Maßregeln der Sicherung und Besserung zu verhängen, so gilt § 429b Abs. 1 und 2 der Strafprozeßordnung sinngemäß; in den anderen Fällen richtet sich das Verfahren nach den Vorschriften des Vierten Abschnitts des Sechsten Buches der Strafprozeßordnung.


§ 5 Zusammentreffen mehrerer Gesetzesverletzungen



(1) Sind durch eine und dieselbe Handlung Gesetzesverletzungen, für die Straffreiheit gewährt wird, und andere Gesetzesverletzungen begangen, so erstreckt sich auf die anderen die Straffreiheit nicht.

(2) Ist eine rechtskräftig verhängte Strafe dem Gesetz entnommen, für dessen Verletzung Straffreiheit gewährt wird, so wird die auf die anderen Gesetzesverletzungen entfallende Strafe festgesetzt. Ist die Strafe dem anderen Gesetz entnommen, so wird sie angemessen ermäßigt, wenn anzunehmen ist, daß das Gericht wegen der Gesetzesverletzungen, für die Straffreiheit gewährt wird, auf eine höhere Strafe erkannt hat.


§ 6 Zusammentreffen mehrerer Straftaten



(1) Enthält eine Gesamtstrafe Einzelstrafen wegen Straftaten, für die Straffreiheit gewährt wird, und andere Einzelstrafen, so ist die Strafe neu festzusetzen.

(2) Trifft eine Straftat nach § 100e des Strafgesetzbuches mit anderen selbständigen strafbaren Handlungen zusammen, so kommt es für die Straffreiheit auf die Höhe der Einzelstrafe nach § 100e an. Bei mehreren selbständigen Handlungen nach § 100e des Strafgesetzbuches kommt es auf die Höhe der Gesamtstrafe für diese Handlungen und, soweit eine Gesamtstrafe nicht zu bilden ist, auf die Summe der Freiheitsstrafen oder Ersatzfreiheitsstrafen an.


§ 7 Einstellung des Verfahrens



(1) Über die Einstellung entscheidet die Staatsanwaltschaft, solange das Verfahren nicht gerichtlich anhängig ist. Auf Antrag eines Beteiligten entscheidet das Gericht, das für das Hauptverfahren zuständig wäre; gegen den Beschluß ist sofortige Beschwerde zulässig.

(2) Wird ein gerichtlich anhängiges Strafverfahren vor der Eröffnung des Hauptverfahrens auf Grund dieses Gesetzes durch Beschluß eingestellt, so steht der Staatsanwaltschaft die sofortige Beschwerde zu. Der Beschluß, der die Anwendbarkeit dieses Gesetzes verneint, ist nicht anfechtbar.

(3) § 304 Abs. 4 der Strafprozeßordnung ist anzuwenden.

(4) Ist ein Strafverfahren durch einen nicht mehr anfechtbaren Gerichtsbeschluß auf Grund dieses Gesetzes eingestellt worden, so kann wegen der Tat nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel Anklage erhoben werden.


§ 8 Entscheidung bei rechtskräftigen Strafen



(1) Bei rechtskräftig verhängten Strafen entscheidet bei Zweifeln über den Eintritt und den Umfang der Straffreiheit auf Antrag eines Beteiligten das Gericht.

(2) Das Gericht entscheidet auf Antrag auch über eine Herabsetzung und eine Festsetzung der Strafe nach § 3 Abs. 2, §§ 5 und 6.

(3) Für das Verfahren gelten die §§ 458, 462, 462a der Strafprozeßordnung; § 304 Abs. 4 der Strafprozeßordnung ist anzuwenden.


§ 9 Begehren des Freispruchs



(1) Wird ein gerichtlich anhängiges Verfahren außerhalb der Hauptverhandlung auf Grund dieses Gesetzes eingestellt, so kann der Beschuldigte, der seine Unschuld geltend macht, die Fortsetzung des Verfahrens beantragen. Zieht das Gericht in der Hauptverhandlung die Einstellung eines solchen Verfahrens in Erwägung, so ist dem Angeklagten Gelegenheit zur Stellung des Antrages zu geben. Das Gericht kann die Hauptverhandlung aussetzen.

(2) Der Antrag kann nur binnen zweier Wochen nach der Bekanntgabe des Einstellungsbeschlusses, in der Hauptverhandlung nur bis zur Beendigung der Schlußvorträge gestellt werden. Für die Antragsbefugnis und die Zurücknahme des Antrages gelten die §§ 297 bis 299, 302, 303 der Strafprozeßordnung entsprechend. Gegen den Beschluß, der den Antrag ablehnt, ist sofortige Beschwerde zulässig; § 304 Abs. 4 der Strafprozeßordnung ist anzuwenden.

(3) Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, so ist das Verfahren nach den allgemeinen Verfahrensvorschriften fortzusetzen. Wäre der Angeklagte ohne dieses Gesetz freizusprechen, so wird er freigesprochen.

(4) Wird das fortgesetzte Verfahren auf Grund dieses Gesetzes eingestellt, so hat der Angeklagte die durch die Fortsetzung des Verfahrens entstandenen Kosten wie ein Verurteilter zu tragen.


§ 10 Notwendige Auslagen



(1) Nimmt die Staatsanwaltschaft die öffentliche Klage zurück und stellt sie das Verfahren nach diesem Gesetz ein, so kann das Gericht, bei dem die öffentliche Klage erhoben war, auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Angeschuldigten dessen notwendige Auslagen ganz oder teilweise der Staatskasse auferlegen. Dies gilt entsprechend, wenn die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellt, nachdem sie dem Beschuldigten und seinem Verteidiger den Abschluß der Ermittlungen mitgeteilt hat (§ 169a Abs. 2 der Strafprozeßordnung). Die Entscheidung trifft das Gericht, das für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständig gewesen wäre.

(2) Das Gericht kann ebenso entscheiden, wenn es nach erhobener öffentlicher Klage das Verfahren nach diesem Gesetz einstellt.

(3) Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig; § 304 Abs. 4 der Strafprozeßordnung ist anzuwenden.


§ 11 Land Berlin



Dieses Gesetz gilt nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 des Dritten Überleitungsgesetzes vom 4. Januar 1952 (Bundesgesetzbl. I S. 1) auch im Land Berlin.


§ 12 Inkrafttreten



Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft, § 10 am 1. Oktober 1968.