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2. - Wehrdisziplinarordnung (WDO)


Zweiter Teil Ahndung von Dienstvergehen durch Disziplinarmaßnahmen

Dritter Abschnitt Das gerichtliche Disziplinarverfahren

2. Wehrdienstgerichte

§ 68 Bestimmung der Wehrdienstgerichte



Dienstgerichte für gerichtliche Disziplinarverfahren gegen Soldaten und für Verfahren über Beschwerden von Soldaten (Wehrdienstgerichte) sind die Truppendienstgerichte (§§ 69 bis 79) und das Bundesverwaltungsgericht (§ 80).


a) Truppendienstgerichte

§ 69 Errichtung



(1) Das Bundesministerium der Verteidigung errichtet durch Rechtsverordnung die Truppendienstgerichte und bestimmt deren Sitz und Dienstbereich nach den sachlichen Bedürfnissen der Rechtspflege in der Bundeswehr und in Anlehnung an ihre Gliederung.

(2) Bei den Truppendienstgerichten werden Kammern gebildet (Truppendienstkammern). Das Bundesministerium der Verteidigung kann durch Rechtsverordnung Truppendienstkammern bilden, die ihren Sitz außerhalb des Sitzes des Truppendienstgerichts haben, wenn dies den sachlichen Bedürfnissen der Rechtspflege in der Bundeswehr entspricht und wegen der räumlichen Entfernung der Truppenteile oder Dienststellen zum Sitz des Gerichts zweckmäßig ist; es kann dabei auch den Dienstbereich der auswärtigen Truppendienstkammern bestimmen.

(3) Wird infolge einer Veränderung in der Gliederung der Bundeswehr oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege die Gerichtsorganisation geändert, kann das Bundesministerium der Verteidigung durch Rechtsverordnung bestimmen, dass schwebende Verfahren auf ein anderes Truppendienstgericht oder eine andere Truppendienstkammer übergehen, wenn dies zur sachdienlichen Förderung der Verfahren zweckmäßig ist.

(4) Die Truppendienstgerichte gehören zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung.

(5) Bei jedem Truppendienstgericht wird eine Hauptgeschäftsstelle, bei jeder Truppendienstkammer eine Geschäftsstelle eingerichtet. Die Hauptgeschäftsstelle des Truppendienstgerichts nimmt zugleich die Aufgaben der Geschäftsstelle einer Truppendienstkammer am Sitz des Gerichts wahr.


§ 70 Zuständigkeit



(1) Zuständig ist das Truppendienstgericht, das für den Befehlsbereich errichtet ist, zu dem der Truppenteil oder die Dienststelle des Soldaten bei Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens gehört.

(2) Für frühere Soldaten ist das Truppendienstgericht zuständig, dem der Wehrbereich zugeteilt ist, in dem sich die zuständige Wehrersatzbehörde oder, soweit der frühere Soldat nicht mehr der Wehrüberwachung unterliegt, sein Wohnsitz befindet. Hat der frühere Soldat keinen Wohnsitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes, ist das für den Sitz des Bundesministeriums der Verteidigung zuständige Truppendienstgericht zuständig.

(3) Fehlt ein Gerichtsstand, ist er zweifelhaft oder streitig oder bestehen bei zusammenhängenden Dienstvergehen mehrerer Soldaten unterschiedliche Gerichtsstände, bestimmt auf Antrag eines Truppendienstgerichts oder einer anderen am Verfahren beteiligten Behörde oder Dienststelle das Bundesverwaltungsgericht durch Beschluss das zuständige Truppendienstgericht.


§ 71 Zusammensetzung



(1) Das Truppendienstgericht besteht aus dem Präsidenten und weiteren Richtern in erforderlicher Anzahl.

(2) Bei dem Truppendienstgericht wirken ehrenamtliche Richter mit.

(3) Bei dem Truppendienstgericht können Richter kraft Auftrags verwendet werden. Sie dürfen bei der großen Besetzung (§ 76) nicht den Vorsitz führen.

(4) Dem Richter eines Truppendienstgerichts kann ein weiteres Richteramt bei einem anderen Truppendienstgericht übertragen werden.


§ 72 Präsidialverfassung



(1) Bei jedem Truppendienstgericht wird ein Präsidium gebildet.

(2) Das Präsidium besteht aus dem Präsidenten als Vorsitzenden und aus vier gewählten Richtern.

(3) Der Präsident übernimmt am Sitz des Truppendienstgerichts den Vorsitz einer Kammer.

(4) Die vom Präsidium getroffenen Anordnungen können im Laufe des Geschäftsjahres geändert werden, wenn dies infolge einer Veränderung in der Gliederung der Bundeswehr erforderlich wird.

(5) Die Vorschriften des Zweiten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes gelten entsprechend, soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt.


§ 73 Dienstaufsicht



Der Präsident übt die Dienstaufsicht über die Richter, Beamten und Arbeitnehmer aus.




§ 74 Ehrenamtliche Richter



(1) Die ehrenamtlichen Richter werden für ein Kalenderjahr berufen.

(2) 1Die Kommandeure der Truppenteile und die Leiter der Dienststellen, für die das Truppendienstgericht zuständig ist, benennen dem Truppendienstgericht möglichst die dreifache Anzahl der erforderlichen ehrenamtlichen Richter. 2Sie benennen außerdem möglichst die dreifache Anzahl der erforderlichen ehrenamtlichen Richter aus der Laufbahn des Sanitätsdienstes, die Ärzte oder Zahnärzte sind. 3Außerdem benennen die Karrierecenter der Bundeswehr die erforderliche Anzahl von Angehörigen der Reserve. 4Die ehrenamtlichen Richter sind getrennt nach Dienstgradgruppen zu benennen. 5Soldaten oder frühere Soldaten, die im laufenden oder vorhergegangenen Kalenderjahr in einem Strafverfahren zu einer Freiheitsentziehung oder in einem gerichtlichen Disziplinarverfahren zu einer gerichtlichen Disziplinarmaßnahme rechtskräftig verurteilt worden sind oder gegen die im laufenden oder vorhergegangenen Kalenderjahr unanfechtbar Disziplinararrest verhängt worden ist, sind nicht zu benennen. 6Nicht zu benennen sind ferner Soldaten oder frühere Soldaten, über deren Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist.

(3) 1Zwei vom Präsidenten bestimmte Richter teilen die Benannten, die das Bundesverwaltungsgericht nicht ausgelost hat (§ 80), auf die Truppendienstkammern auf. 2Der Vorsitzende der Truppendienstkammer lost in öffentlicher Sitzung die erforderliche Anzahl von ehrenamtlichen Richtern der einzelnen Dienstgradgruppen sowie der Laufbahn des Sanitätsdienstes nach einzelnen Dienstgradgruppen aus und trägt sie getrennt in der Reihenfolge der Auslosung in die Liste der ehrenamtlichen Richter der Truppendienstkammer ein. 3Über die Auslosung wird vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eine Niederschrift aufgenommen.

(4) 1Soldaten oder frühere Soldaten, die entgegen Absatz 2 Satz 5 oder 6 benannt worden sind oder bei denen zwischen ihrer Benennung und Auslosung einer der in Absatz 2 Satz 5 oder 6 bezeichneten Hinderungsgründe eingetreten ist, sind bei der Auslosung nicht zu berücksichtigen oder vom Vorsitzenden der Truppendienstkammer von der Liste der ehrenamtlichen Richter zu streichen. 2Die Nichtberücksichtigung oder Streichung ist unanfechtbar.

(5) 1Nach der Reihenfolge der Liste der ehrenamtlichen Richter werden die ehrenamtlichen Richter zu den einzelnen Sitzungen herangezogen. 2Von der Reihenfolge darf nur aus zwingenden Gründen und nur mit Zustimmung des Vorsitzenden der Truppendienstkammer abgewichen werden; militärischer Dienst bildet nur dann einen zwingenden Grund, wenn die Ausübung gerade durch den in Frage kommenden ehrenamtlichen Richter besonders wichtig ist. 3Der Grund für die Abweichung und die Zustimmung des Vorsitzenden sind aktenkundig zu machen. 4Wird von der Liste der ehrenamtlichen Richter abgewichen, ist der übergangene ehrenamtliche Richter zu der nächsten Sitzung heranzuziehen.

(6) Wird die Berufung neuer ehrenamtlicher Richter erforderlich, werden sie nur für den Rest des Kalenderjahres berufen.

(7) Als ehrenamtlicher Richter soll nur herangezogen werden, wer mindestens sechs Monate Wehrdienst geleistet hat.

(8) 1Für die Heranziehung von Vertretern bei unvorhergesehener Verhinderung eines ehrenamtlichen Richters oder bei kurzfristiger Anberaumung einer Hauptverhandlung wegen bevorstehender Entlassung des Soldaten kann eine Liste von ehrenamtlichen Richtern aufgestellt werden, die Truppenteilen oder Dienststellen angehören, die ihren Standort am Sitz der Truppendienstkammer oder in ihrer Nähe haben. 2Die Absätze 1 bis 7 gelten entsprechend.




§ 75 Besetzung



(1) Die Truppendienstkammer entscheidet in der Hauptverhandlung mit einem Richter als Vorsitzenden und zwei ehrenamtlichen Richtern. Außerhalb der Hauptverhandlung entscheidet der Vorsitzende allein, soweit nicht nach diesem Gesetz das Truppendienstgericht zu entscheiden hat.

(2) Ein ehrenamtlicher Richter muss der Dienstgradgruppe des Soldaten angehören. Bei Verfahren gegen Sanitätsoffiziere, die Ärzte oder Zahnärzte sind, soll er nach Möglichkeit außerdem Arzt oder Zahnarzt sein, wenn das Verfahren Verstöße gegen ärztliche Pflichten zum Gegenstand hat. Der andere ehrenamtliche Richter muss Stabsoffizier sein und im Dienstgrad über dem Soldaten stehen. In Verfahren gegen Offiziere vom Obersten oder einem entsprechenden Dienstgrad an aufwärts muss der andere ehrenamtliche Richter der Dienstgradgruppe der Generale angehören.

(3) Die ehrenamtlichen Richter sollen der Teilstreitkraft des Soldaten, jedoch nicht beide demselben Bataillon oder dem entsprechenden Truppenteil oder derselben Dienststelle angehören. Ein ehrenamtlicher Richter darf nicht Disziplinarvorgesetzter des anderen ehrenamtlichen Richters sein. In Verfahren gegen frühere Soldaten wegen eines Verhaltens, das als Dienstvergehen gilt, soll ein ehrenamtlicher Richter Angehöriger der Reserve sein; er muss der Dienstgradgruppe des früheren Soldaten angehören.

(4) Soweit bei einer Truppendienstkammer ehrenamtliche Richter nach den Absätzen 2 und 3 nicht zur Verfügung stehen, sind Soldaten als ehrenamtliche Richter zu berufen, die bereits als ehrenamtliche Richter einer anderen Kammer des Truppendienstgerichts ausgelost sind. Insoweit findet eine besondere Auslosung statt; § 74 Abs. 3, 5 und 6 gilt entsprechend. Das Amt als ehrenamtlicher Richter bei einer anderen Truppendienstkammer bleibt unberührt.


§ 76 Große Besetzung



Vor Anberaumung der Hauptverhandlung kann der Vorsitzende der Truppendienstkammer durch Beschluss zwei weitere Richter heranziehen, wenn dies nach Umfang oder Bedeutung der Sache geboten ist.


§ 77 Ausschluss von der Ausübung des Richteramtes



(1) Ein Richter oder ein ehrenamtlicher Richter ist von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen,

1.
in Fällen, in denen ein Richter im Strafverfahren von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen ist,

2.
wenn er

a)
selbst an der Tat beteiligt ist,

b)
in einem sachgleichen Strafverfahren oder Bußgeldverfahren gegen den Soldaten beteiligt war,

c)
in einem früheren, dieselbe Sache betreffenden Beschwerdeverfahren, Verfahren auf Aufhebung oder Änderung einer einfachen Disziplinarmaßnahme oder in einem dieselbe Sache betreffenden Verfahren nach § 40 Abs. 4 mitgewirkt hat.

(2) Ein ehrenamtlicher Richter ist auch ausgeschlossen, wenn er

1.
in derselben Sache als Disziplinarvorgesetzter Disziplinarbefugnis ausgeübt, bei disziplinaren Ermittlungen oder als Vertrauensperson mitgewirkt hat oder in dem gerichtlichen Disziplinarverfahren gegen den Soldaten tätig gewesen ist,

2.
Disziplinarvorgesetzter des Soldaten ist,

3.
dem Bataillon oder entsprechenden Truppenteil oder der Dienststelle des Soldaten angehört.


§ 78 Säumige ehrenamtliche Richter



(1) Gegen ehrenamtliche Richter, die sich ohne genügende Entschuldigung zu den Sitzungen nicht rechtzeitig einfinden oder die sich ihren Pflichten auf andere Weise entziehen, kann ein Ordnungsgeld festgesetzt werden. Zugleich können ihnen die dadurch verursachten Kosten auferlegt werden.

(2) Die Entscheidung trifft der Vorsitzende. Gegen die Festsetzung und die Kostenauferlegung kann der ehrenamtliche Richter die Entscheidung des Truppendienstgerichts beantragen. Der Antrag ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung zu stellen. Das Truppendienstgericht entscheidet endgültig.


§ 79 Ruhen und Erlöschen des Amtes als ehrenamtlicher Richter



(1) Ein ehrenamtlicher Richter, gegen den ein gerichtliches Disziplinarverfahren eingeleitet ist oder wegen einer vorsätzlich begangenen Straftat die öffentliche Klage erhoben oder der Erlass eines Strafbefehls beantragt oder dem die Ausübung des Dienstes nach § 22 des Soldatengesetzes verboten ist, ist während dieser Verfahren oder der Dauer des Verbots zur Ausübung seines Amtes nicht heranzuziehen. Ein ehrenamtlicher Richter, der einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gestellt hat, kann bis zum rechtskräftigen Abschluss des Anerkennungsverfahrens und, wenn er anerkannt ist, bis zur Entlassung sein Amt nicht ausüben.

(2) Das Amt eines ehrenamtlichen Richters erlischt, wenn

1.
er im Strafverfahren rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist,

2.
er im gerichtlichen Disziplinarverfahren zu einer gerichtlichen Disziplinarmaßnahme verurteilt oder wenn gegen ihn unanfechtbar Disziplinararrest verhängt wird,

3.
er nicht mehr einem Truppenteil oder einer Dienststelle angehört, für die das Truppendienstgericht zuständig ist,

4.
er den Dienstgrad einer anderen Dienstgradgruppe erhält oder

5.
das Wehrdienstverhältnis oder die Wehrpflicht endet.

(3) Ist der ehrenamtliche Richter in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 3 aus dem Zuständigkeitsbereich des Truppendienstgerichts durch Versetzung ausgeschieden, erlischt sein Amt mit Ende des Monats nach Mitteilung der Versetzung an ihn, es sei denn, dass er dem Erlöschen des Amtes als ehrenamtlicher Richter widersprochen hat.


b) Bundesverwaltungsgericht

§ 80 Wehrdienstsenate, Errichtung, Zusammensetzung, Zuständigkeit



(1) 1Für Wehrdisziplinarsachen und Wehrbeschwerdesachen werden beim Bundesverwaltungsgericht Wehrdienstsenate gebildet. 2Für die Gerichtsverfassung gelten die §§ 4 und 11 Abs. 2 bis 5 der Verwaltungsgerichtsordnung, soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt.

(2) 1Bei den Wehrdienstsenaten können nur Richter mitwirken, die vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hierfür bestimmt sind. 2Die Bestimmung wird bei der Übertragung des Richteramtes beim Bundesverwaltungsgericht getroffen. 3Sie kann auf Vorschlag oder mit Zustimmung des Präsidiums des Bundesverwaltungsgerichts auch später ergehen oder aufgehoben werden. 4Durch Beschluss des Präsidiums können Richter anderer Senate auch zu zeitweiligen Mitgliedern eines Wehrdienstsenats bestellt werden, wenn dieser infolge Verhinderung seiner Mitglieder oder regelmäßigen Vertreter beschlussunfähig ist.

(3) 1Die Wehrdienstsenate entscheiden in der Besetzung von drei Richtern und zwei ehrenamtlichen Richtern, bei Beschlüssen außerhalb der Hauptverhandlung in der Besetzung von drei Richtern. 2§ 75 Abs. 2 und 3 ist anzuwenden.

(4) 1Die ehrenamtlichen Richter werden vor Aufteilung der benannten Soldaten oder früheren Soldaten auf die Truppendienstkammern von einem Richter eines Wehrdienstsenats aus den Soldaten oder früheren Soldaten ausgelost, die den Truppendienstgerichten als ehrenamtliche Richter benannt sind. 2Soldaten, die aufgrund der Wehrpflicht Wehrdienst leisten, werden für die Zeit ihres Grundwehrdienstes zum ehrenamtlichen Richter berufen, andere Soldaten oder frühere Soldaten für zwei Jahre. 3§ 74 Abs. 3 Satz 2 und 3, Abs. 4 bis 8 sowie die §§ 77 bis 79 gelten sinngemäß.