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Erster Unterabschnitt - Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO)

G. v. 01.08.1959 BGBl. I S. 565; zuletzt geändert durch Artikel 1 G. v. 17.01.2024 BGBl. 2024 I Nr. 12
Geltung ab 01.01.1964; FNA: 303-8 Notare, Rechtsanwälte, Rechtsberater; Beurkundung
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Siebenter Teil Anwaltsgerichtliches Verfahren

Erster Abschnitt Allgemeines

Erster Unterabschnitt Allgemeine Verfahrensregeln

§ 116 Vorschriften für das Verfahren und den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren



(1) 1Für das anwaltsgerichtliche Verfahren gelten die nachstehenden Vorschriften. 2Ergänzend sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Strafprozeßordnung sinngemäß anzuwenden.

(2) 1Auf den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren sind die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes anzuwenden. 2Die Vorschriften dieses Gesetzes, die die Besetzung des Senats für Anwaltssachen bei dem Bundesgerichtshof regeln, sind nicht anzuwenden.




§ 117 Keine Verhaftung des Rechtsanwalts


§ 117 wird in 1 Vorschrift zitiert

1Der Rechtsanwalt darf zur Durchführung des anwaltsgerichtlichen Verfahrens weder vorläufig festgenommen noch verhaftet oder vorgeführt werden. 2Er kann nicht zur Vorbereitung eines Gutachtens über seinen psychischen Zustand in ein psychiatrisches Krankenhaus gebracht werden.


§ 117a Verteidigung



Auf die Verteidigung im anwaltsgerichtlichen Verfahren ist § 140 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, 6, 7 und 9 der Strafprozeßordnung nicht anzuwenden.




§ 117b Akteneinsicht



1Der Vorstand der Rechtsanwaltskammer und das Mitglied der Rechtsanwaltskammer, das einer Verletzung seiner Pflichten beschuldigt wird, sind befugt, die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Einreichung einer Anschuldigungsschrift vorzulegen wären, einzusehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen. 2Für die Akteneinsicht durch das Mitglied ist § 147 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3, 5 und 6 der Strafprozeßordnung entsprechend anzuwenden.




§ 118 Verhältnis des anwaltsgerichtlichen Verfahrens zum Straf- oder Bußgeldverfahren



(1) 1Ist gegen ein Mitglied der Rechtsanwaltskammer, das einer Verletzung seiner Pflichten beschuldigt wird, wegen desselben Verhaltens die öffentliche Klage im Strafverfahren erhoben oder ein Bußgeldbescheid erlassen, so kann gegen das Mitglied ein anwaltsgerichtliches Verfahren eingeleitet werden, das aber bis zur Beendigung des Straf- oder Bußgeldverfahrens ausgesetzt werden muss. 2Ebenso muß ein bereits eingeleitetes anwaltsgerichtliches Verfahren ausgesetzt werden, wenn während seines Laufes die öffentliche Klage im Strafverfahren erhoben oder ein Bußgeldbescheid erlassen wird. 3In den Fällen der Sätze 1 und 2 ist das berufsgerichtliche Verfahren vor Beendigung des Straf- oder Bußgeldverfahrens fortzusetzen, wenn die Sachaufklärung so gesichert erscheint, dass sich widersprechende Entscheidungen nicht zu erwarten sind, oder wenn im Straf- oder Bußgeldverfahren aus Gründen nicht verhandelt werden kann, die in der Person des Mitglieds der Rechtsanwaltskammer liegen.

(2) Wird das Mitglied der Rechtsanwaltskammer im gerichtlichen Verfahren wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit freigesprochen, so kann wegen der Tatsachen, die Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung waren, ein anwaltsgerichtliches Verfahren nur dann eingeleitet oder fortgesetzt werden, wenn diese Tatsachen, ohne den Tatbestand einer Strafvorschrift oder einer Bußgeldvorschrift zu erfüllen, eine Verletzung der Pflichten des Mitglieds enthalten.

(3) 1Für die Entscheidung im anwaltsgerichtlichen Verfahren sind die tatsächlichen Feststellungen des Urteils im Straf- oder Bußgeldverfahren bindend, auf denen die Entscheidung des Gerichts beruht. 2In dem anwaltsgerichtlichen Verfahren kann ein Gericht jedoch die nochmalige Prüfung solcher Feststellungen beschließen, deren Richtigkeit seine Mitglieder mit Stimmenmehrheit bezweifeln; dies ist in den Gründen der anwaltsgerichtlichen Entscheidung zum Ausdruck zu bringen.

(4) 1Wird ein anwaltsgerichtliches Verfahren nach Absatz 1 Satz 3 fortgesetzt, ist die Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen anwaltsgerichtlichen Verfahrens auch zulässig, wenn die tatsächlichen Feststellungen, auf denen die Verurteilung oder der Freispruch im anwaltsgerichtlichen Verfahren beruht, den Feststellungen im Straf- oder Bußgeldverfahren widersprechen. 2Den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens kann die Staatsanwaltschaft oder das Mitglied der Rechtsanwaltskammer binnen eines Monats nach Rechtskraft des Urteils im Straf- oder Bußgeldverfahren stellen.




§ 118a Verhältnis des anwaltsgerichtlichen Verfahrens zu berufsaufsichtlichen Verfahren nach anderen Berufsgesetzen



(1) 1Über eine Pflichtverletzung eines Mitglieds der Rechtsanwaltskammer, die zugleich Pflichten eines anderen Berufs verletzt, dessen Berufsaufsicht dieses Mitglied untersteht, ist zunächst im anwaltsgerichtlichen Verfahren zu entscheiden, wenn die Pflichtverletzung überwiegend mit der Ausübung des Berufs des Rechtsanwalts in Zusammenhang steht. 2Ist kein Schwerpunkt der Pflichtverletzung erkennbar oder besteht kein Zusammenhang der Pflichtverletzung mit der Ausübung eines Berufs, so ist zunächst im anwaltsgerichtlichen Verfahren zu entscheiden, wenn das Mitglied hauptsächlich anwaltlich tätig ist.

(2) Kommt eine Maßnahme nach § 114 Absatz 1 Nummer 4 oder 5 oder Absatz 2 Nummer 4 oder 5 in Betracht, ist stets im anwaltsgerichtlichen Verfahren zu entscheiden.

(3) Gegenstand der Entscheidung im anwaltsgerichtlichen Verfahren ist nur die Verletzung der dem Mitglied obliegenden anwaltlichen Pflichten.




§ 118b Aussetzung des anwaltsgerichtlichen Verfahrens



Das anwaltsgerichtliche Verfahren kann ausgesetzt werden, wenn in einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren über eine Frage zu entscheiden ist, deren Beurteilung für die Entscheidung im anwaltsgerichtlichen Verfahren von wesentlicher Bedeutung ist.