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Zweiter Abschnitt - Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO)

G. v. 01.08.1959 BGBl. I S. 565; zuletzt geändert durch Artikel 1 G. v. 17.01.2024 BGBl. 2024 I Nr. 12
Geltung ab 01.01.1964; FNA: 303-8 Notare, Rechtsanwälte, Rechtsberater; Beurkundung
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Siebenter Teil Anwaltsgerichtliches Verfahren

Zweiter Abschnitt Verfahren im ersten Rechtszug

Erster Unterabschnitt Allgemeine Vorschriften

§ 119 Zuständigkeit



(1) Für das anwaltsgerichtliche Verfahren ist im ersten Rechtszug das Anwaltsgericht zuständig.

(2) Die örtliche Zuständigkeit des Anwaltsgerichts bestimmt sich nach dem Sitz der Rechtsanwaltskammer, welcher das Mitglied der Rechtsanwaltskammer zur Zeit der Einleitung des Verfahrens angehört.




§ 120 Mitwirkung der Staatsanwaltschaft



Die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das Anwaltsgericht seinen Sitz hat (§ 119 Abs. 2), nimmt in den Verfahren vor dem Anwaltsgericht die Aufgaben der Staatsanwaltschaft wahr.


§ 120a (aufgehoben)







Zweiter Unterabschnitt Einleitung des Verfahrens

§ 121 Einleitung des anwaltsgerichtlichen Verfahrens



Das anwaltsgerichtliche Verfahren wird dadurch eingeleitet, daß die Staatsanwaltschaft bei dem Anwaltsgericht eine Anschuldigungsschrift einreicht.


§ 122 Gerichtliche Entscheidung über die Einleitung des Verfahrens



(1) Gibt die Staatsanwaltschaft einem Antrag des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer, gegen ein Mitglied der Rechtsanwaltskammer das anwaltsgerichtliche Verfahren einzuleiten, keine Folge oder verfügt sie die Einstellung des Verfahrens, so hat sie ihre Entschließung dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer unter Angabe der Gründe mitzuteilen.

(2) 1Der Vorstand der Rechtsanwaltskammer kann gegen den Bescheid der Staatsanwaltschaft binnen eines Monats nach der Bekanntmachung bei dem Anwaltsgerichtshof die gerichtliche Entscheidung beantragen. 2Der Antrag muß die Tatsachen, welche die Einleitung des anwaltsgerichtlichen Verfahrens begründen sollen, und die Beweismittel angeben. 3Satz 1 gilt nicht, wenn das Anwaltsgericht der Einstellung zugestimmt hatte.

(3) Auf das Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof sind §§ 173 bis 175 der Strafprozeßordnung entsprechend anzuwenden.

(4) § 172 der Strafprozeßordnung ist nicht anzuwenden.




§ 123 Antrag des Rechtsanwalts auf Einleitung des anwaltsgerichtlichen Verfahrens



(1) 1Das Mitglied der Rechtsanwaltskammer kann bei der Staatsanwaltschaft beantragen, das anwaltsgerichtliche Verfahren gegen sich einzuleiten, damit es sich von dem Verdacht einer Pflichtverletzung reinigen kann. 2Wegen eines Verhaltens, wegen dessen Zwangsgeld angedroht oder festgesetzt worden ist (§ 57) oder das der Vorstand der Rechtsanwaltskammer gerügt hat (§ 74), kann das Mitglied den Antrag nicht stellen.

(2) 1Gibt die Staatsanwaltschaft dem Antrag des Mitglieds keine Folge oder verfügt sie die Einstellung des Verfahrens, so hat sie ihre Entschließung dem Mitglied unter Angabe der Gründe mitzuteilen. 2Das Mitglied kann beim Anwaltsgerichtshof die gerichtliche Entscheidung beantragen, wenn in den Gründen

1.
eine Pflichtverletzung nach § 113 Absatz 1 bis 3 festgestellt, das anwaltsgerichtliche Verfahren aber nicht eingeleitet wird oder

2.
offengelassen wird, ob eine Pflichtverletzung nach § 113 Absatz 1 bis 3 vorliegt.

3Der Antrag ist binnen eines Monats nach der Bekanntmachung der Entschließung der Staatsanwaltschaft zu stellen.

(3) 1Auf das Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof ist § 173 Abs. 1 und 3 der Strafprozeßordnung entsprechend anzuwenden. 2Der Anwaltsgerichtshof entscheidet durch Beschluss, ob eine Pflichtverletzung nach § 113 Absatz 1 bis 3 des Mitglieds der Rechtsanwaltskammer festzustellen ist. 3Der Beschluß ist mit Gründen zu versehen. 4Erachtet der Anwaltsgerichtshof das Mitglied einer anwaltsgerichtlich zu ahndenden Pflichtverletzung für hinreichend verdächtig, so beschließt er die Einleitung des anwaltsgerichtlichen Verfahrens. 5Die Durchführung dieses Beschlusses obliegt der Staatsanwaltschaft.

(4) Erachtet der Anwaltsgerichtshof eine Pflichtverletzung nach § 113 Absatz 1 bis 3 nicht für gegeben, so kann nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel wegen desselben Verhaltens ein Antrag auf Einleitung des anwaltsgerichtlichen Verfahrens gestellt oder eine Rüge durch den Vorstand der Rechtsanwaltskammer erteilt werden.




§§ 124 bis 129 (aufgehoben)


§§ 124 bis 129 wird in 1 Vorschrift zitiert



§ 130 Inhalt der Anschuldigungsschrift



1In der Anschuldigungsschrift (§ 121 dieses Gesetzes sowie § 207 Abs. 3 der Strafprozeßordnung) ist die dem Mitglied der Rechtsanwaltskammer zur Last gelegte Pflichtverletzung unter Anführung der sie begründenden Tatsachen zu bezeichnen (Anschuldigungssatz). 2Ferner sind die Beweismittel anzugeben, wenn in der Hauptverhandlung Beweise erhoben werden sollen. 3Die Anschuldigungsschrift enthält den Antrag, das Hauptverfahren vor dem Anwaltsgericht zu eröffnen.




§ 131 Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens vor dem Anwaltsgericht



(1) In dem Beschluß, durch den das Hauptverfahren eröffnet wird, läßt das Anwaltsgericht die Anschuldigung zur Hauptverhandlung zu.

(2) Der Beschluß, durch den das Hauptverfahren eröffnet worden ist, kann von dem Mitglied der Rechtsanwaltskammer nicht angefochten werden.

(3) 1Der Beschluß, durch den die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt wird, ist zu begründen. 2Gegen den Beschluß steht der Staatsanwaltschaft die sofortige Beschwerde zu.




§ 132 Rechtskraftwirkung eines ablehnenden Beschlusses


§ 132 wird in 1 Vorschrift zitiert

Ist die Eröffnung des Hauptverfahrens durch einen nicht mehr anfechtbaren Beschluß abgelehnt, so kann der Antrag auf Einleitung des anwaltsgerichtlichen Verfahrens nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel und nur innerhalb von fünf Jahren, seitdem der Beschluß rechtskräftig geworden ist, erneut gestellt werden.


§ 133 Zustellung des Eröffnungsbeschlusses



1Der Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens ist dem Mitglied der Rechtsanwaltskammer spätestens mit der Ladung zuzustellen. 2Entsprechendes gilt in den Fällen des § 207 Abs. 3 der Strafprozeßordnung für die nachgereichte Anschuldigungsschrift.




Dritter Unterabschnitt Hauptverhandlung vor dem Anwaltsgericht

§ 134 Hauptverhandlung trotz Ausbleibens des Mitglieds der Rechtsanwaltskammer



1Die Hauptverhandlung kann gegen ein Mitglied der Rechtsanwaltskammer, das nicht erschienen ist, durchgeführt werden, wenn das Mitglied ordnungsmäßig geladen und in der Ladung darauf hingewiesen wurde, dass in seiner Abwesenheit verhandelt werden kann. 2Eine öffentliche Ladung ist nicht zulässig.




§ 135 (aufgehoben)







§ 136 (aufgehoben)


§ 136 wird in 1 Vorschrift zitiert



§ 137 Beweisaufnahme durch einen beauftragten oder ersuchten Richter



1Das Anwaltsgericht kann eines seiner Mitglieder beauftragen, Zeugen oder Sachverständige zu vernehmen. 2Es kann auch ein anderes Anwaltsgericht oder das Amtsgericht um die Vernehmung ersuchen. 3Zeugen oder Sachverständige sind jedoch auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Mitglieds der Rechtsanwaltskammer in der Hauptverhandlung zu vernehmen, es sei denn, dass sie voraussichtlich am Erscheinen in der Hauptverhandlung gehindert sind oder ihnen das Erscheinen wegen großer Entfernung nicht zugemutet werden kann.




§ 138 Verlesen von Protokollen



(1) Das Anwaltsgericht beschließt nach pflichtmäßigem Ermessen, ob die Aussagen von Zeugen oder Sachverständigen, die bereits in dem anwaltsgerichtlichen oder in einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren vernommen worden sind, zu verlesen sind.

(2) 1Bevor der Gerichtsbeschluss ergeht, kann die Staatsanwaltschaft oder das Mitglied der Rechtsanwaltskammer beantragen, Zeugen oder Sachverständige in der Hauptverhandlung zu vernehmen. 2Einem solchen Antrag ist zu entsprechen, es sei denn, dass die Zeugen oder Sachverständigen voraussichtlich am Erscheinen in der Hauptverhandlung gehindert sind oder ihnen das Erscheinen wegen großer Entfernung nicht zugemutet werden kann. 3Wird dem Antrag stattgegeben, so darf das Protokoll über die frühere Vernehmung nicht verlesen werden.

(3) 1Sind Zeugen oder Sachverständige durch einen beauftragten oder ersuchten Richter vernommen worden (§ 137), so kann der Verlesung des Protokolls nicht widersprochen werden. 2Die Staatsanwaltschaft oder das Mitglied der Rechtsanwaltskammer kann jedoch der Verlesung widersprechen, wenn ein Antrag gemäß § 137 Satz 3 abgelehnt worden ist und Gründe für eine Ablehnung des Antrags jetzt nicht mehr bestehen.




§ 139 Entscheidung des Anwaltsgerichts



(1) Die Hauptverhandlung schließt mit der auf die Beratung folgenden Verkündung des Urteils.

(2) Das Urteil lautet auf Freisprechung, Verurteilung oder Einstellung des Verfahrens.

(3) Das anwaltsgerichtliche Verfahren ist, abgesehen von dem Fall des § 260 Abs. 3 der Strafprozeßordnung, einzustellen,

1.
wenn die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft (§ 13) oder die Zulassung als Berufsausübungsgesellschaft (§ 59h Absatz 1) erloschen ist;

2.
wenn nach § 115b von einer anwaltsgerichtlichen Ahndung abzusehen ist.




§ 140 Protokollführer



(1) 1In der Hauptverhandlung vor dem Anwaltsgericht werden die Aufgaben des Protokollführers von einem Rechtsanwalt wahrgenommen. 2Der Protokollführer wird von dem Vorsitzenden oder, bei einem Anwaltsgericht mit mehreren Kammern, von dem geschäftsleitenden Vorsitzenden bestellt. 3Er ist verpflichtet, der Bestellung Folge zu leisten. 4§ 75 gilt entsprechend.

(2) Der Vorsitzende der Kammer des Anwaltsgerichts verpflichtet den Protokollführer vor der ersten Dienstleistung durch Handschlag auf die gewissenhafte Erfüllung der Obliegenheiten eines Protokollführers.

(3) 1Der Protokollführer hat über die Angelegenheiten, die ihm bei seiner Tätigkeit bekannt werden, Verschwiegenheit zu bewahren. 2§ 76 Absatz 1 und 2 ist entsprechend anzuwenden. 3Die Genehmigung zur Aussage erteilt der Vorsitzende der Kammer des Anwaltsgerichts.




§ 141 Ausfertigung der Entscheidungen


§ 141 wird in 1 Vorschrift zitiert

Ausfertigungen und Auszüge der Entscheidungen des Anwaltsgerichts werden von dem Vorsitzenden der Kammer des Anwaltsgerichts erteilt.