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Abschnitt 2 - Strahlenschutzverordnung (StrlSchV)

Artikel 1 V. v. 20.07.2001 BGBl. I S. 1714, 2002 I S. 1459; aufgehoben durch Artikel 20 V. v. 29.11.2018 BGBl. I S. 2034
Geltung ab 01.08.2001; FNA: 751-1-8 Kernenergie
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Teil 2 Schutz von Mensch und Umwelt vor radioaktiven Stoffen oder ionisierender Strahlung aus der zielgerichteten Nutzung bei Tätigkeiten

Kapitel 4 Besondere Anforderungen bei der medizinischen Anwendung radioaktiver Stoffe und ionisierender Strahlung

Abschnitt 2 Medizinische Forschung

§ 87 Besondere Schutz- und Aufklärungspflichten



(1) 1Die Anwendung von radioaktiven Stoffen oder ionisierender Strahlung am Menschen in der medizinischen Forschung ist nur mit dessen persönlicher Einwilligung zulässig. 2Der Inhaber der Genehmigung nach § 23 hat eine schriftliche Erklärung des Probanden darüber einzuholen, dass der Proband mit

1.
der Anwendung radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung an seiner Person und

2.
den Untersuchungen, die vor, während und nach der Anwendung zur Kontrolle und zur Erhaltung seiner Gesundheit erforderlich sind,

einverstanden ist. 3Die Erklärung ist nur wirksam, wenn der Proband geschäftsfähig und in der Lage ist, das Risiko der Anwendung der radioaktiven Stoffe oder ionisierenden Strahlung für sich einzusehen und seinen Willen hiernach zu bestimmen. 4Diese Erklärung und alle im Zusammenhang mit der Anwendung stehenden Einwilligungen können jederzeit vom Probanden formlos widerrufen werden.

(2) Die Anwendung ist ferner nur zulässig, wenn der Proband zuvor eine weitere schriftliche Erklärung darüber abgegeben hat, dass er mit

1.
der Mitteilung seiner Teilnahme an dem Forschungsvorhaben und

2.
der unwiderruflichen Mitteilung der durch die Anwendung erhaltenen Strahlenexpositionen an die zuständige Behörde

einverstanden ist.

(3) 1Vor Abgabe der Einwilligungen ist der Proband durch den das Forschungsvorhaben leitenden oder einen von diesem beauftragten Arzt über Art, Bedeutung, Tragweite und Risiken der Anwendung der radioaktiven Stoffe oder ionisierenden Strahlung und über die Möglichkeit des Widerrufs aufzuklären. 2Der Proband ist zu befragen, ob an ihm bereits radioaktive Stoffe oder ionisierende Strahlung zum Zweck der Untersuchung, Behandlung oder außerhalb der Heilkunde oder Zahnheilkunde angewandt worden sind. 3Über die Aufklärung und die Befragung des Probanden sind Aufzeichnungen anzufertigen.

(4) 1Der Proband ist vor Beginn der Anwendung radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung ärztlich zu untersuchen. 2Die Aktivität der radioaktiven Stoffe ist vor deren Anwendung zu bestimmen. 3Die Körperdosis ist durch geeignete Verfahren zu überwachen. 4Der Zeitpunkt der Anwendung, die Ergebnisse der Überwachungsmaßnahmen und die Befunde sind aufzuzeichnen.

(5) 1Die Erklärungen nach Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 und die Aufzeichnungen nach Absatz 3 Satz 3 und Absatz 4 Satz 4 sind 30 Jahre lang nach deren Abgabe oder dem Zeitpunkt der Anwendung aufzubewahren und auf Verlangen der zuständigen Behörde vorzulegen. 2Für die Aufzeichnungen gilt § 85 Abs. 1 Satz 2 bis 4, Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 entsprechend.

(6) Die Anwendung von radioaktiven Stoffen oder ionisierender Strahlung am Menschen in der medizinischen Forschung darf nur von einer Person nach § 82 Abs. 1 vorgenommen werden.

(7) § 81 Absatz 5 und 6 sowie die §§ 83, 84 und 85 Abs. 5 und 6 gelten entsprechend.




§ 88 Anwendungsverbote und Anwendungsbeschränkungen für einzelne Personengruppen



(1) 1An schwangeren Frauen dürfen radioaktive Stoffe oder ionisierende Strahlung in der medizinischen Forschung nicht angewendet werden. 2An stillenden Frauen dürfen radioaktive Stoffe in der medizinischen Forschung nicht angewendet werden. 3An Personen, die auf gerichtliche oder behördliche Anordnung verwahrt werden, dürfen radioaktive Stoffe oder ionisierende Strahlung in der medizinischen Forschung nicht angewendet werden.

(2) 1Von der Anwendung ausgeschlossen sind gesunde Probanden, bei denen in den vergangenen zehn Jahren radioaktive Stoffe oder ionisierende Strahlung zu Forschungs- oder Behandlungszwecken angewendet worden sind, wenn durch die erneute Anwendung in der medizinischen Forschung eine effektive Dosis von mehr als 10 Millisievert zu erwarten ist. 2§ 24 Absatz 3 bleibt unberührt.

(3) Die Anwendung radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung an gesunden Probanden, die das 50. Lebensjahr nicht vollendet haben, ist nur zulässig, wenn dies ärztlich gerechtfertigt und zur Erreichung des Forschungszieles besonders notwendig ist.

(4) 1An geschäftsunfähigen und beschränkt geschäftsfähigen Probanden ist die Anwendung radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung nur zulässig, wenn

1.
das Forschungsziel anders nicht erreicht werden kann,

2.
die Anwendung an Probanden erfolgt, bei denen in Bezug auf das genehmigungsbedürftige Forschungsvorhaben eine Krankheit oder ein entsprechender Krankheitsverdacht vorliegt, und die Anwendung geeignet ist, diese Krankheit zu erkennen, das Leben der betroffenen Person zu retten, ihre Gesundheit wiederherzustellen oder ihr Leiden zu lindern, und

3.
1der gesetzliche Vertreter oder der Betreuer seine Einwilligung abgegeben hat, nachdem er von dem das Forschungsvorhaben leitenden Arzt über Wesen, Bedeutung, Tragweite und Risiken aufgeklärt worden ist. 2Ist der geschäftsunfähige oder beschränkt geschäftsfähige Proband in der Lage, Wesen, Bedeutung und Tragweite der Anwendung einzusehen und seinen Willen hiernach zu bestimmen, ist zusätzlich dessen persönliche Einwilligung erforderlich.

2Für die Erklärungen nach Satz 1 Nr. 3 gilt § 87 Abs. 1 bis 3 entsprechend.




§ 89 Mitteilungs- und Berichtspflichten



(1) Der zuständigen Aufsichtsbehörde und der Genehmigungsbehörde sind unverzüglich mitzuteilen:

1.
jede Überschreitung der Dosisgrenzwerte nach § 24 Absatz 3 und § 88 Absatz 2 Satz 1 unter Angabe der näheren Umstände und

2.
die Beendigung der Anwendung radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung für die Durchführung des Forschungsvorhabens.

(2) Der zuständigen Aufsichtsbehörde und der Genehmigungsbehörde ist nach Beendigung der Anwendung je ein Abschlussbericht vorzulegen, aus dem die im Einzelfall ermittelte Körperdosis oder die zur Berechnung der Körperdosis relevanten Daten hervorgehen.




§ 90 Schutzanordnung



Ist zu besorgen, dass ein Proband aufgrund einer Überschreitung der genehmigten Dosiswerte für die Anwendung radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung in der medizinischen Forschung an der Gesundheit geschädigt wird, so ordnet die zuständige Behörde an, dass er durch einen Arzt nach § 64 Abs. 1 Satz 1 untersucht wird.


§ 91 Deckungsvorsorge im Falle klinischer Prüfungen



1Die Vorsorge zur Erfüllung gesetzlicher Schadensersatzverpflichtungen ist für einen Zeitraum von zehn Jahren nach Beendigung des Forschungsvorhabens zu treffen. 2Die Regelungen des § 24 Absatz 1 Nummer 10 dieser Verordnung gelten nicht, soweit die Vorgaben der Atomrechtlichen Deckungsvorsorge-Verordnung durch die Vorsorge zur Erfüllung gesetzlicher Schadensersatzverpflichtungen nach den entsprechenden Vorschriften des Arzneimittelgesetzes oder des Medizinproduktegesetzes dem Grund und der Höhe nach erfüllt sind. 3Im Fall einer Genehmigung nach § 24 Absatz 2 bedarf es keiner Deckungsvorsorge, die über die Probandenversicherung nach dem Arzneimittelgesetz oder nach dem Medizinproduktegesetz hinausgeht.




§ 92 Ethikkommission



1Eine im Geltungsbereich dieser Verordnung tätige Ethikkommission muss unabhängig, interdisziplinär besetzt und bei der zuständigen Bundesoberbehörde registriert sein. 2Ihre Aufgabe ist es, das beantragte Forschungsvorhaben nach ethischen und rechtlichen Gesichtspunkten mit mindestens fünf Mitgliedern mündlich zu beraten und innerhalb von längstens 60 Tagen nach Eingang der erforderlichen Unterlagen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben, insbesondere dazu, ob für das beantragte Vorhaben ein zwingendes Bedürfnis im Sinne des § 24 Absatz 1 Nummer 1 besteht. 3Bei multizentrischen Studien genügt die Stellungnahme einer Ethikkommission. 4Eine Registrierung erfolgt nur, wenn in einer veröffentlichten Verfahrensordnung die Mitglieder, die aus medizinischen Sachverständigen und nichtmedizinischen Mitgliedern bestehen und die erforderliche Fachkompetenz aufweisen, das Verfahren und die Anschrift der Ethikkommission aufgeführt sind. 5Veränderungen der Zusammensetzung der Kommission, des Verfahrens oder der übrigen Festlegungen der Verfahrensordnung sind der für die Registrierung zuständigen Behörde unverzüglich mitzuteilen.