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Zwanzigste Verordnung zur Änderung der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung (20. RSA-ÄndV)

V. v. 23.06.2009 BGBl. I S. 1542 (Nr. 35); Geltung ab 01.07.2009
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Eingangsformel



Auf Grund des § 266 Absatz 7 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit Satz 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung -, dessen Satz 1 Nummer 3 durch Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe b Doppelbuchstabe aa geändert und dessen Satz 2 durch Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc des Gesetzes vom 10. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3465) eingefügt worden ist, verordnet das Bundesministerium für Gesundheit:


Artikel 1 Änderung der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung


Artikel 1 ändert mWv. 1. Juli 2009 RSAV § 28b, § 28c, § 28e, § 28g, Anlage 1, Anlage 5, Anlage 5a (neu), Anlage 7

Die Risikostruktur-Ausgleichsverordnung vom 3. Januar 1994 (BGBl. I S. 55), die zuletzt durch die Verordnung vom 11. März 2009 (BGBl. I S. 497) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1.
In § 28b Absatz 1 Satz 2 werden nach der Angabe „Anlagen 1, 3, 5" die Wörter „in Verbindung mit 5a" eingefügt.

2.
In § 28c Satz 2 werden nach der Angabe „Anlagen 1, 3, 5" die Wörter „in Verbindung mit 5a" eingefügt.

3.
In § 28e Satz 2 werden nach der Angabe „Anlagen 1, 3, 5" die Wörter „in Verbindung mit 5a" eingefügt.

4.
In § 28g Absatz 1 Satz 2 werden nach der Angabe „Anlagen 1, 3, 5" die Wörter „in Verbindung mit 5a" eingefügt.

5.
Die Anlage 1 wird wie folgt gefasst:

„Anlage 1 (zu §§ 28b bis 28g) Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme für Diabetes mellitus Typ 2

1.
Behandlung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft unter Berücksichtigung von evidenzbasierten Leitlinien oder nach der jeweils besten, verfügbaren Evidenz sowie unter Berücksichtigung des jeweiligen Versorgungssektors (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)

1.1
Definition des Diabetes mellitus Typ 2

Als Diabetes mellitus Typ 2 wird die Form des Diabetes bezeichnet, die durch relativen Insulinmangel auf Grund einer Störung der Insulinsekretion entsteht und in der Regel mit einer Insulinresistenz einhergeht 1).

1.2
Diagnostik (Eingangsdiagnose)

Die Diagnose eines Diabetes mellitus gilt als gestellt, wenn die folgenden Kriterien erfüllt sind:

-
Nachweis typischer Symptome des Diabetes mellitus (zum Beispiel Polyurie, Polydipsie, ansonsten unerklärlicher Gewichtsverlust) und

-
Nüchtern-Glukose vorrangig im Plasma (i. P.) ≥ 7,0 mmol/l 126 mg/dl) oder Nicht-Nüchtern-Glukose i. P. 11,1 mmol/l (≥ 200 mg/dl).

Bei Abwesenheit diabetischer Symptome:

Die Diagnose eines Diabetes mellitus wird unabhängig von Alter und Geschlecht durch Messung mehrfach erhöhter Blutglukosewerte an mindestens zwei verschiedenen Tagen gestellt:

-
mindestens zweimaliger Nachweis von Nüchtern-Glukose i. P. 7,0 mmol/l (≥ 126 mg/dl),

-
mindestens zweimaliger Nachweis von Nicht-Nüchtern-Glukose i. P. ≥ 11,1 mmol/l (≥ 200 mg/dl) oder

-
Nachweis von Glukose i. P. ≥ 11,1 mmol/l (≥ 200 mg/dl)/2 Stunden nach oraler Glukosebelastung (75g Glukose).

Die Werte für venöses und kapillares Vollblut ergeben sich aus der nachfolgenden Tabelle:

Interpretation eines Nüchtern-Blutglukosewertes sowie Zwei-Stunden-Blutglukosewertes nach oralem Glukosetoleranztest (75g oGTT)

Plasmaglukose Vollblutglukose
venös kapillar venös kapillar
mmol/lmg/dlmmol/lmg/dlmmol/lmg/dlmmol/lmg/dl
Nüchtern≥ 7,0 ≥ 126 ≥ 7,0 ≥ 126 ≥ 6,1 ≥ 110 ≥ 6,1 ≥ 110
2 Std. nach oGTT ≥ 11,1 ≥ 200 ≥ 12,2 ≥ 220 ≥ 10,0 ≥ 180 ≥ 11,1 ≥ 200


 
Bei verdächtigem klinischen Bild und widersprüchlichen Messergebnissen ist die Diagnosestellung mittels oralem Glukosetoleranztest möglich. Die zur Einschreibung führenden Messungen dürfen nicht während akuter Erkrankungen (zum Beispiel Infektionen) oder während der Einnahme das Ergebnis verfälschender Medikamente (zum Beispiel Glukokortikoide) durchgeführt werden, es sei denn, die Einnahme dieser Medikamente ist wegen einer chronischen Erkrankung langfristig erforderlich. Die Unterscheidung zwischen Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2 erfolgt anhand der Anamnese und des klinischen Bildes.

Die Einschreibekriterien für strukturierte Behandlungsprogramme ergeben sich zusätzlich aus Ziffer 3. Die Leistungserbringer sollen prüfen, ob die Patientin oder der Patient im Hinblick auf die unter Ziffer 1.3.1 genannten Therapieziele von der Einschreibung profitieren und an der Umsetzung mitwirken kann.

1.3
Therapie des Diabetes mellitus Typ 2

1.3.1
Therapieziele

Die Therapie dient der Erhöhung der Lebenserwartung sowie der Erhaltung oder der Verbesserung der von einem Diabetes mellitus beeinträchtigten Lebensqualität. Dabei sind in Abhängigkeit zum Beispiel von Alter und Begleiterkrankungen der Patientin oder des Patienten individuelle Therapieziele anzustreben:

1.
Vermeidung von Symptomen der Erkrankung (zum Beispiel Polyurie, Polydipsie, Abgeschlagenheit) einschließlich der Vermeidung neuropathischer Symptome, Vermeidung von Nebenwirkungen der Therapie (insbesondere schwere oder rezidivierende Hypoglykämien) sowie schwerer hyperglykämischer Stoffwechselentgleisungen,

2.
Reduktion des erhöhten Risikos für kardiale, zerebrovaskuläre und sonstige makroangiopathische Morbidität und Mortalität,

3.
Vermeidung der mikrovaskulären Folgeschäden (insbesondere Retinopathie mit schwerer Sehbehinderung oder Erblindung, Niereninsuffizienz mit der Notwendigkeit einer Nierenersatztherapie),

4.
Vermeidung des diabetischen Fußsyndroms mit neuro-, angio- und/oder osteoarthropathischen Läsionen und von Amputationen.

1.3.2
Differenzierte Therapieplanung

Auf der Basis der allgemeinen Therapieziele und unter Berücksichtigung des individuellen Risikos unter Einbeziehung des Alters sowie der vorliegenden Folgeschäden beziehungsweise Begleiterkrankungen sind gemeinsam mit der Patientin oder dem Patienten individuelle Therapieziele festzulegen und eine differenzierte Therapieplanung vorzunehmen. Diese individuellen Therapieziele sollten sich an den unter Ziffer 1.3.1 genannten Therapiezielen orientieren.

Die Leistungserbringer haben zu prüfen, ob die Patientin oder der Patient im Hinblick auf die in Ziffer 1.3.1 genannten Therapieziele von einer bestimmten Intervention profitieren kann. Die Durchführung der diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen erfolgt in Abstimmung mit der Patientin oder dem Patienten nach ausführlicher Aufklärung über Nutzen und Risiken.

Sofern im Rahmen der individuellen Therapieplanung andere Maßnahmen als die in dieser Anlage genannten verordnet werden sollen, ist die Patientin oder der Patient darüber zu informieren, ob für diese Maßnahmen Wirksamkeitsbelege zur Risikoreduktion klinischer Endpunkte vorliegen.

1.4
Basistherapie

1.4.1
Ernährungsberatung

Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 erhalten Zugang zu einer qualifizierten krankheitsspezifischen Ernährungsberatung (vor allem Reduktion von Übergewicht) im Rahmen eines strukturierten Schulungs- und Behandlungsprogramms (siehe Ziffer 4.2).

1.4.2
Tabakverzicht

Im Rahmen des Schulungs- und Behandlungsprogramms sollen die Patientinnen und Patienten über die besonderen Risiken des Rauchens für Diabetiker informiert werden, insbesondere im Hinblick auf makro- und mikroangiopathische Komplikationen, verbunden mit der dringenden Empfehlung, das Rauchen aufzugeben.

1.4.3
Körperliche Aktivitäten

Die Ärztin oder der Arzt überprüft mindestens einmal jährlich, ob die Patientin oder der Patient von einer Gewichtsreduktion und einer Steigerung der körperlichen Aktivität profitiert. Mögliche Interventionen müssen darauf ausgerichtet sein, die Patientin oder den Patienten zu motivieren, das erwünschte positive Bewegungsverhalten eigenverantwortlich und nachhaltig in ihren oder seinen Lebensstil zu integrieren.

1.4.4
Stoffwechselselbstkontrolle

Im Rahmen des strukturierten Schulungs- und Behandlungsprogramms sollen die Patientinnen und Patienten mit der Durchführung einer dem Therapieregime angemessenen Stoffwechselselbstkontrolle sowie der Interpretation der Ergebnisse vertraut gemacht werden.

1.5
Blutglukosesenkende Therapie

Zur Erreichung der individuellen Therapieziele sollen nach Möglichkeit zunächst nicht-medikamentöse Maßnahmen ausgeschöpft werden.

Das Ziel der antihyperglykämischen Therapie, gemessen am HbA1c-Wert, ist individuell festzulegen. Wenn die Verhinderung mikrovaskulärer Komplikationen ein Therapieziel ist, ist eine normnahe Einstellung der Blutglukose anzustreben.

Vorrangig sollen unter Berücksichtigung der Kontraindikationen und der Patientenpräferenzen Medikamente zur Blutglukosesenkung verwendet werden, deren positiver Effekt und deren Sicherheit im Hinblick auf die Erreichung der unter Ziffer 1.3.1 genannten Therapieziele in prospektiven, randomisierten, kontrollierten Langzeitstudien nachgewiesen wurden. Es handelt sich in der primären Monotherapie hierbei um folgende Wirkstoffe zur blutglukosesenkenden Behandlung:

-
Glibenclamid (bei nicht übergewichtigen Patientinnen oder Patienten),

-
Metformin (bei übergewichtigen Patientinnen oder Patienten),

-
Human-Insulin.

Sofern im Rahmen der individuellen Therapieplanung andere als die oben genannten Wirkstoffe verordnet werden sollen (zum Beispiel Insulin-Analoga, weitere orale Antidiabetika), ist die Patientin oder der Patient darüber zu informieren, dass derzeit hierfür keine ausreichenden Belege zur Sicherheit im Langzeitgebrauch sowie zur Risikoreduktion klinischer Endpunkte vorliegen. Sie oder er ist im Übrigen darüber zu informieren, ob für den jeweiligen Wirkstoff Daten zur Wirksamkeit, Steuerbarkeit und Verträglichkeit vorliegen.

1.6
Behandlung hyper- und hypoglykämischer Stoffwechselentgleisungen

Bei hyperglykämischen Stoffwechselentgleisungen, insbesondere beim Vorliegen typischer Symptome (zum Beispiel Gewichtsverlust, Durst, Polyurie, Abgeschlagenheit, Müdigkeit) ist eine Verbesserung der Blutglukose-Einstellung anzustreben.

Für Patientinnen und Patienten, bei denen Symptomfreiheit das vorrangig vereinbarte Therapieziel ist, ist das Ausmaß der Blutglukosesenkung individuell anzupassen, um zum Beispiel folgenschwere Hypoglykämien zu vermeiden.

Das Auftreten von symptomatischen Hypoglykämien erfordert im Anschluss an eine Notfalltherapie eine zeitnahe Ursachenklärung, Therapiezielüberprüfung und gegebenenfalls Therapieanpassung.

1.7
Begleit- und Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus Typ 2

1.7.1
Makroangiopathie

Die Makroangiopathie, insbesondere in Form der koronaren Herzkrankheit, stellt das Hauptproblem der Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 dar. Die Senkung eines erhöhten Blutdrucks bei Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 reduziert die kardio- und zerebrovaskuläre Morbidität und Mortalität bereits im Verlauf weniger Jahre. Daher soll in geeigneten Abständen eine individuelle Risikoabschätzung hinsichtlich makroangiopathischer Komplikationen erfolgen.

Primär sollen zur Beeinflussung makroangiopathischer Begleit- und Folgeerkrankungen Interventionen durchgeführt werden, deren positiver Effekt auf Mortalität und Morbidität, wie sie in den Therapiezielen formuliert wurden, nachgewiesen ist. Insbesondere kommen zur Prävention makroangiopathischer Folgeerkrankungen folgende Maßnahmen in Betracht:

-
Lebensstil verändernde Maßnahmen (zum Beispiel Tabakverzicht, körperliche Aktivität und gesunde Ernährung),

-
antihypertensive Therapie (zur Primär- und Sekundärprävention),

-
Statingabe (bei Hochrisikopatientinnen und -patienten und zur Sekundärprävention),

-
Thrombozytenaggregationshemmer (nur zur Sekundärprävention).

1.7.1.1
Antihypertensive Therapie

Arterielle Hypertonie bei Diabetes mellitus Typ 2: Definition und Diagnosestellung

Wenn nicht bereits eine Hypertonie bekannt ist, kann die Diagnose wie folgt gestellt werden:

Eine Hypertonie liegt vor, wenn bei mindestens zwei Gelegenheitsblutdruckmessungen an zwei unterschiedlichen Tagen Blutdruckwerte von ≥ 140 mmHg systolisch und/oder ≥ 90 mmHg diastolisch vorliegen. Diese Definition bezieht sich auf manuelle auskultatorische Messungen durch geschultes medizinisches Personal und gilt unabhängig vom Alter oder von vorliegenden Begleiterkrankungen.

Die Blutdruckmessung ist methodisch standardisiert gemäß den nationalen Empfehlungen durchzuführen.

Sekundäre Hypertonie

Bei Hinweisen auf das Vorliegen einer sekundären Hypertonie ist eine Abklärung erforderlich. Die Ärztin oder der Arzt soll die Notwendigkeit der gezielten Weiterleitung der Patientin oder des Patienten an eine in der Hypertoniediagnostik besonders qualifizierte Ärztin oder einen besonders qualifizierten Arzt prüfen.

Therapieziele

Durch die antihypertensive Therapie soll die Erreichung der unter Ziffer 1.3.1 genannten Therapieziele (insbesondere Nummern 2 und 3) angestrebt werden. Hierfür ist mindestens eine Senkung des Blutdrucks auf Werte systolisch unter 140 mmHg und diastolisch unter 90 mmHg anzustreben.

Basistherapie

Bei der Auswahl der unter Ziffer 1.4 genannten Maßnahmen ist das Vorliegen einer arteriellen Hypertonie gesondert zu berücksichtigen.

Strukturiertes Hypertonie-Behandlungs- und Schulungsprogramm

Jede Patientin und jeder Patient mit Diabetes mellitus Typ 2 und arterieller Hypertonie soll Zugang zu einem strukturierten, evaluierten und publizierten Schulungs- und Behandlungsprogramm erhalten. Insbesondere können solche Schulungen angeboten werden, die bei diesen Patienten auf klinische Endpunkte adäquat evaluiert sind.

Medikamentöse Maßnahmen bei Hypertonie

Vorrangig sollen unter Berücksichtigung der Kontraindikationen, der Komorbiditäten und der Patientenpräferenzen Medikamente zur Blutdrucksenkung verwendet werden, deren positiver Effekt und deren Sicherheit im Hinblick auf die Erreichung der unter Ziffer 1.3.1 genannten Therapieziele (insbesondere Nummern 2 und 3) in prospektiven, randomisierten, kontrollierten Langzeitstudien nachgewiesen wurden.

Dabei handelt es sich um folgende Wirkstoffgruppen:

-
Diuretika,

-
Beta1-Rezeptor-selektive Betablocker,

-
Angiotensin-Conversions-Enzym-Hemmer (ACE-Hemmer), bei ACE-Hemmer-Unverträglichkeit oder speziellen Indikationen AT1-Rezeptor-Antagonisten.

Sofern im Rahmen der individuellen Therapieplanung Wirkstoffe aus anderen Wirkstoffgruppen verordnet werden sollen, ist die Patientin oder der Patient darüber zu informieren, ob für diese Wirkstoffe Wirksamkeitsbelege zur Risikoreduktion klinischer Endpunkte vorliegen.

1.7.1.2
Statintherapie

Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 und mit einem stark erhöhten Risiko für makroangiopathische Komplikationen beziehungsweise mit einer koronaren Herzkrankheit sollen mit einem Statin behandelt werden.

1.7.1.3
Thrombozytenaggregationshemmer

Grundsätzlich sollen alle Patientinnen und Patienten mit makroangiopathischen Erkrankungen (zum Beispiel kardio- und zerebrovaskulären Erkrankungen) - unter Beachtung der Kontraindikationen und/oder der Unverträglichkeiten - Thrombozytenaggregationshemmer erhalten.

1.7.2
Mikrovaskuläre Komplikationen

1.7.2.1
Allgemeinmaßnahmen

Für Patientinnen und Patienten mit dem Therapieziel der Vermeidung von mikrovaskulären Folgeerkrankungen (vor allem diabetische Retinopathie und Nephropathie) ist über einen langjährigen Zeitraum die Senkung der Blutglukose in einen normnahen Bereich notwendig.

Bereits bestehende mikrovaskuläre Komplikationen können insbesondere zu folgenden Folgeschäden führen, die einzeln oder gemeinsam auftreten können: Sehbehinderung bis zur Erblindung, Niereninsuffizienz bis zur Dialysenotwendigkeit. Zur Hemmung der Progression ist neben der Senkung der Blutglukose in einen normnahen Bereich die Senkung des Blutdrucks in einen normalen Bereich (systolisch unter 140 mmHg und diastolisch unter 90 mmHg) von entscheidender Bedeutung.

Vor der Einleitung einer Therapie und in geeigneten Abständen soll eine individuelle Risikoabschätzung gemäß Ziffer 1.3.2 erfolgen.

1.7.2.2
Nephropathie bei Diabetes mellitus Typ 2

Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 und langjähriger Hyperglykämie haben in Abhängigkeit von ihrem Alter und ihrer Diabetesdauer ein unterschiedlich hohes Risiko für die Entwicklung einer diabetesspezifischen Nephropathie.

Hyperglykämie als alleinige Ursache einer Nephropathie ist in den ersten 15 Jahren Diabetesdauer selten, bei längeren Verläufen nimmt das Risiko für eine Nephropathie deutlich zu. Bei Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 spielt eine unzureichend eingestellte Hypertonie die entscheidende Rolle für die Entwicklung und das Fortschreiten der Nierenschädigung.

Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus und einer progredienten Nierenfunktionsstörung (unabhängig von der Ursache) bedürfen einer spezialisierten Behandlung (siehe Ziffer 1.8.2).

Die Ärztin oder der Arzt hat auf Grund des individuellen Risikoprofils (insbesondere Diabetesdauer, Alter, Retinopathie, weitere Begleiterkrankungen) zu prüfen, ob eine Patientin oder ein Patient von einer regelmäßigen Bestimmung der Albumin-Ausscheidung im Urin (zum Beispiel einmal jährlich) profitieren kann. Zum Ausschluss einer diabetischen Nephropathie ist der Nachweis einer normalen Urin-Albumin-Ausscheidungsrate oder einer normalen Urin-Albumin-Konzentration im ersten Morgenurin ausreichend.

Bei Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 ist einmal jährlich die Nierenfunktion vor allem durch Errechnung der glomerulären Filtrationsrate (GFR) auf der Basis der Serum-Kreatinin-Bestimmung zu ermitteln.

Wenn eine diabetische Nephropathie diagnostiziert wurde, sind Interventionen vorzusehen, für die ein positiver Nutzennachweis im Hinblick auf die Vermeidung der Progression und Nierenersatztherapie erbracht ist. Dazu zählen insbesondere eine normnahe Blutdruck- und Blutglukoseeinstellung, Tabakverzicht und bei pathologisch reduzierter glomerulärer Filtrationsrate die Empfehlung einer adäquat begrenzten Eiweißaufnahme.

1.7.2.3
Diabetische Retinopathie

Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 können im Erkrankungsverlauf diabetesassoziierte Augenkomplikationen (zum Beispiel diabetisch bedingte Retinopathie und Makulopathie) erleiden. Zur Früherkennung ist für alle in strukturierte Behandlungsprogramme eingeschriebene Versicherte mindestens einmal im Jahr eine ophthalmologische Netzhautuntersuchung in Mydriasis durchzuführen.

Wenn eine diabetesassoziierte Augenkomplikation diagnostiziert wurde, sind Interventionen vorzusehen, für die ein positiver Nutzennachweis im Hinblick auf die Vermeidung der Erblindung erbracht ist. Dazu zählen eine normnahe Blutglukose- und Blutdruckeinstellung sowie gegebenenfalls eine rechtzeitige und adäquate Laser-Behandlung.

1.7.2.4
Diabetische Neuropathie

Zur Behandlung der diabetischen Neuropathie sind stets Maßnahmen vorzusehen, die zur Optimierung der Stoffwechseleinstellung führen.

Bei Neuropathien mit für die Patientin oder den Patienten störender Symptomatik (vor allem schmerzhafte Polyneuropathie) ist der Einsatz zusätzlicher medikamentöser Maßnahmen sinnvoll. Es kommen vorzugsweise Antidepressiva sowie Antikonvulsiva in Betracht, die für diese Indikation zugelassen sind.

Bei Hinweisen auf eine autonome diabetische Neuropathie (zum Beispiel kardiale autonome Neuropathie, Magenentleerungsstörungen, Blasenentleerungsstörungen) ist eine spezialisierte weiterführende Diagnostik und Therapie zu erwägen.

1.7.2.5
Das diabetische Fußsyndrom

Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2, insbesondere mit peripherer Neuropathie und/oder peripherer arterieller Verschlusskrankheit, sind durch die Entwicklung eines diabetischen Fußsyndroms mit einem erhöhten Amputationsrisiko gefährdet.

Es ist bei allen Patientinnen und Patienten mindestens einmal jährlich eine Inspektion der Füße einschließlich Prüfung auf Neuropathie und Prüfung des Pulsstatus durchzuführen. Bei Patientinnen und Patienten mit erhöhtem Risiko soll die Prüfung quartalsweise, einschließlich der Überprüfung des Schuhwerks, erfolgen.

Bei Hinweisen auf ein diabetisches Fußsyndrom (Epithelläsion, Verdacht auf beziehungsweise manifeste Weichteil- oder Knocheninfektion beziehungsweise Verdacht auf Osteoarthropathie) ist die Mitbehandlung in einer für die Behandlung des diabetischen Fußsyndroms qualifizierten Einrichtung gemäß Überweisungsregeln nach Ziffer 1.8.2 erforderlich. Nach abgeschlossener Behandlung einer Läsion im Rahmen eines diabetischen Fußsyndroms ist die regelmäßige Vorstellung in einer für die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit diabetischem Fußsyndrom qualifizierten Einrichtung zu prüfen. Die Dokumentation erfolgt nach der Wagner-Armstrong-Klassifikation.

1.7.3
Psychische, psychosomatische und psychosoziale Beeinträchtigung

Auf Grund des komplexen Zusammenwirkens von somatischen, psychischen und sozialen Faktoren bei Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 ist durch die Ärztin oder den Arzt zu prüfen, inwieweit die Patientinnen und Patienten von psychotherapeutischen, psychiatrischen und/oder verhaltensmedizinischen Maßnahmen profitieren können. Bei psychischen Beeinträchtigungen mit Krankheitswert soll die Behandlung durch qualifizierte Leistungserbringer erfolgen.

Auf Grund der häufigen und bedeutsamen Komorbidität soll die Depression besondere Berücksichtigung finden.

1.8
Kooperation der Versorgungssektoren

Die Betreuung von Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 erfordert die Zusammenarbeit aller Sektoren (ambulant, stationär) und Einrichtungen. Eine qualifizierte Behandlung muss über die gesamte Versorgungskette gewährleistet sein.

1.8.1
Koordinierende Ärztin oder koordinierender Arzt

Die Langzeitbetreuung der Patientin oder des Patienten und deren Dokumentation im Rahmen des strukturierten Behandlungsprogramms erfolgt grundsätzlich durch die Hausärztin oder den Hausarzt im Rahmen der in § 73 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch beschriebenen Aufgaben.

In Ausnahmefällen kann eine Patientin oder ein Patient mit Diabetes mellitus Typ 2 eine diabetologisch qualifizierte, an der fachärztlichen Versorgung teilnehmende Ärztin oder einen diabetologisch qualifizierten, an der fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt oder eine diabetologisch qualifizierte Einrichtung, die für die vertragsärztliche Versorgung zugelassen oder ermächtigt ist oder die nach § 116b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch an der ambulanten ärztlichen Versorgung teilnimmt, auch zur Langzeitbetreuung, Dokumentation und Koordination der weiteren Maßnahmen im strukturierten Behandlungsprogramm wählen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Patientin oder der Patient bereits vor der Einschreibung von dieser Ärztin, diesem Arzt oder von dieser Einrichtung dauerhaft betreut worden ist oder diese Betreuung aus medizinischen Gründen erforderlich ist.

Die Überweisungsregeln unter Ziffer 1.8.2 sind von der Ärztin, vom Arzt oder der gewählten Einrichtung zu beachten, wenn ihre besondere Qualifikation für eine Behandlung der Patientin oder des Patienten aus den dort genannten Überweisungsanlässen nicht ausreicht.

1.8.2
Überweisung von der koordinierenden Ärztin oder vom koordinierenden Arzt zur jeweils qualifizierten Fachärztin, zum jeweils qualifizierten Facharzt oder zur qualifizierten Einrichtung

Bei Vorliegen folgender Indikationen muss eine Überweisung der Patientin oder des Patienten zur jeweils qualifizierten Fachärztin, zum jeweils qualifizierten Facharzt oder zur qualifizierten Einrichtung und/oder zu einer Ärztin oder zu einem Arzt oder einer Einrichtung, die diabetologisch qualifiziert sind, erfolgen:

-
zur augenärztlichen Untersuchung: zum Ausschluss einer diabetischen Augenkomplikation bei Diagnosestellung des Diabetes mellitus Typ 2 mindestens einmal jährlich,

-
bei einer Einschränkung der Nierenfunktion mit einer GFR auf weniger als 40 ml/min oder bei deutlicher Progression einer Nierenfunktionsstörung (jährliche Abnahme der GFR um mehr als 5 ml/min) zur nephrologisch qualifizierten Ärztin, zum nephrologisch qualifizierten Arzt oder zur nephrologisch qualifizierten Einrichtung,

-
bei Fuß-Läsionen Wagner-Stadium 2-5 und/oder Armstrong-Klasse C oder D in eine für die Behandlung des diabetischen Fußsyndroms qualifizierte Einrichtung,

-
bei geplanter oder bestehender Schwangerschaft zu einer Ärztin, zu einem Arzt oder zu einer Einrichtung, die jeweils diabetologisch besonders qualifiziert sind.

Bei Vorliegen folgender Indikationen soll eine Überweisung der Patientin oder des Patienten zur jeweils qualifizierten Fachärztin, zum jeweils qualifizierten Facharzt oder zur qualifizierten Einrichtung und/oder zu einer Ärztin oder zu einem Arzt oder einer Einrichtung, die diabetologisch qualifiziert sind, erfolgen:

-
bei Neuauftreten mikrovaskulärer Komplikationen (Nephropathie, Retinopathie) oder Neuropathie zur diabetologisch besonders qualifizierten Ärztin, zum diabetologisch besonders qualifizierten Arzt oder zur diabetologisch besonders qualifizierten Einrichtung,

-
bei allen diabetischen Fuß-Läsionen in eine für die Behandlung des diabetischen Fußsyndroms qualifizierte Einrichtung,

-
bei Nicht-Erreichen eines Blutdruckwertes systolisch < 140 mmHg und diastolisch < 90 mmHg innerhalb eines Zeitraums von höchstens sechs Monaten an eine in der Hypertoniebehandlung qualifizierte Ärztin, einen in der Hypertoniebehandlung qualifizierten Arzt oder eine in der Hypertoniebehandlung qualifizierte Einrichtung,

-
bei Nicht-Erreichen des in Abhängigkeit vom Therapieziel individuell festgelegten HbA1c-Zielwertes (nach spätestens sechs Monaten) zu einer diabetologisch besonders qualifizierten Ärztin, einem diabetologisch besonders qualifizierten Arzt oder einer diabetologisch besonders qualifizierten Einrichtung.

Im Übrigen entscheidet die Ärztin oder der Arzt nach pflichtgemäßem Ermessen über eine Überweisung.

1.8.3
Einweisung in ein Krankenhaus zur stationären Behandlung

Indikationen zur stationären Einweisung in ein geeignetes Krankenhaus bestehen insbesondere:

-
bei Notfallindikation (in jedes Krankenhaus),

-
bei bedrohlichen Stoffwechselstörungen,

-
bei schweren speziellen Stoffwechselentgleisungen (zum Beispiel häufige nächtliche Hypoglykämien, Hypoglykämiewahrnehmungsstörungen),

-
bei Verdacht auf infizierten diabetischen Fuß neuropathischer oder angiopathischer Genese oder akuter neuroosteopathischer Fußkomplikation,

-
gegebenenfalls zur Mitbehandlung von Begleit- und Folgekrankheiten des Diabetes mellitus Typ 2.

Bei Nicht-Erreichen des in Abhängigkeit vom Therapieziel individuell festgelegten HbA1c-Zielwertes nach spätestens zwölf Monaten ambulanter Behandlung soll geprüft werden, ob die Patientin oder der Patient von einer stationären Diagnostik und Therapie in einem diabetologisch qualifizierten Krankenhaus profitieren kann.

Im Übrigen entscheidet die Ärztin oder der Arzt nach pflichtgemäßem Ermessen über eine Einweisung.

1.8.4 Veranlassung einer Rehabilitationsleistung

Im Rahmen des strukturierten Behandlungsprogramms ist insbesondere bei Vorliegen von Komplikationen oder Begleiterkrankungen zu prüfen, ob die Patientin oder der Patient mit Diabetes mellitus Typ 2 von einer Rehabilitationsleistung profitieren kann. Eine Leistung zur Rehabilitation soll insbesondere erwogen werden, um die Erwerbsfähigkeit, die Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe der Patientin oder des Patienten am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen durch den Diabetes mellitus Typ 2 und seine Begleit- und Folgeerkrankungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken.

2.
Qualitätssichernde Maßnahmen (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)

Als Grundlage der Qualitätssicherung sind nachvollziehbare und relevante Ziele, die durch die Qualitätssicherung angestrebt werden, zu vereinbaren und zu dokumentieren. Hierzu gehören insbesondere die Bereiche:

-
Einhaltung der Anforderungen gemäß § 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (einschließlich Therapieempfehlungen),

-
Einhaltung einer qualitätsgesicherten und wirtschaftlichen Arzneimitteltherapie,

-
Einhaltung der Kooperationsregeln der Versorgungsebenen gemäß Ziffer 1.8,

-
Einhaltung der in Verträgen zu vereinbarenden Anforderungen an die Strukturqualität,

-
Vollständigkeit, Plausibilität und Verfügbarkeit der Dokumentation nach Anlage 2 in Verbindung mit Anlage 8,

-
aktive Teilnahme der Versicherten.

Die Vertragspartner haben dem Bundesversicherungsamt gegenüber nachzuweisen, welche Maßnahmen sie zur Umsetzung der oben genannten Ziele beziehungsweise zur Dokumentation der Qualitätsindikatoren getroffen haben. Der Gemeinsame Bundesausschuss soll dem Bundesministerium für Gesundheit als Bestandteil seiner Empfehlungen zum Aktualisierungsbedarf weitere Kernziele für die Qualitätssicherung empfehlen.

Im Sinne des Patientenschutzes und der Qualitätssicherung vereinbaren die Vertragspartner auf der Grundlage der bereits bestehenden Qualitätssicherungsvereinbarungen in den jeweiligen Versorgungssektoren einheitliche Anforderungen an die Qualifikation der beteiligten Leistungserbringer und des medizinischen Personals, an die technische, apparative und gegebenenfalls räumliche Ausstattung sowie an die organisatorischen Voraussetzungen bei diagnostischen und therapeutischen Interventionen.

Im Rahmen der strukturierten Behandlungsprogramme sind Maßnahmen vorzusehen, die eine Erreichung der vereinbarten Ziele unterstützen. Ihr Einsatz kann auf im Behandlungsprogramm zu spezifizierende Gruppen von Patientinnen und Patienten sowie Leistungserbringern beschränkt werden, die ein ausreichendes Verbesserungspotenzial erwarten lassen. Hierzu gehören insbesondere:

-
Maßnahmen mit Erinnerungs- und Rückmeldungsfunktionen (zum Beispiel Remindersysteme) für Versicherte und Leistungserbringer,

-
strukturiertes Feedback auf der Basis der Dokumentationsdaten für Leistungserbringer mit der Möglichkeit einer regelmäßigen Selbstkontrolle; die regelmäßige Durchführung von strukturierten Qualitätszirkeln kann ein geeignetes Feedbackverfahren für teilnehmende Leistungserbringer sein,

-
Maßnahmen zur Förderung einer aktiven Teilnahme und Eigeninitiative der Versicherten,

-
Sicherstellung einer systematischen, aktuellen Information für Leistungserbringer und eingeschriebene Versicherte.

Maßnahmen im Verhältnis zu den Leistungserbringern sind entsprechend zu vereinbaren. Im Rahmen der Programme sind außerdem strukturierte Verfahren zur besonderen Beratung von Versicherten durch die Krankenkassen oder von ihr beauftragten Dritten vorzusehen, deren Verlaufsdokumentation Hinweise auf mangelnde Unterstützung des strukturierten Behandlungsprozesses durch die oder den Versicherten enthält.

Im Rahmen der strukturierten Behandlungsprogramme sind Regelungen zur Auswertung der für die Durchführung der Qualitätssicherung erforderlichen Daten zu treffen. Hierbei sind sowohl die bei den Krankenkassen vorliegenden Dokumentationsdaten nach Anlage 2 in Verbindung mit Anlage 8 als auch die Leistungsdaten der Krankenkassen einzubeziehen.

Im Rahmen der strukturierten Behandlungsprogramme sind wirksame Sanktionen vorzusehen, wenn die Partner der zur Durchführung strukturierter Behandlungsprogramme geschlossenen Verträge gegen die im Programm festgelegten Anforderungen verstoßen.

Die durchgeführten Qualitätssicherungsmaßnahmen sind regelmäßig öffentlich darzulegen.

Ziel ist es, eine gemeinsame Qualitätssicherung im Rahmen strukturierter Behandlungsprogramme aufzubauen, um zu einer sektorenübergreifenden Qualitätssicherung zu kommen. Die insoweit Zuständigen sind gleichberechtigt zu beteiligen. Bis zur Einführung einer sektorenübergreifenden Qualitätssicherung gelten die getrennten Zuständigkeiten auch für die strukturierten Behandlungsprogramme.

3.
Teilnahmevoraussetzungen und Dauer der Teilnahme der Versicherten (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)

Die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt soll prüfen, ob die Patientin oder der Patient im Hinblick auf die unter Ziffer 1.3.1 genannten Therapieziele von der Einschreibung profitieren und aktiv an der Umsetzung mitwirken kann.

3.1
Allgemeine Teilnahmevoraussetzungen Voraussetzung für die Einschreibung Versicherter ist

-
die schriftliche Bestätigung der gesicherten Diagnose durch die behandelnde Ärztin oder den behandelnden Arzt gemäß Ziffer 1.2,

-
die schriftliche Einwilligung in die Teilnahme und die damit verbundene Erhebung, Verarbeitung und Nutzung ihrer Daten und

-
die umfassende, auch schriftliche Information der Versicherten über die Programminhalte, über die mit der Teilnahme verbundene Erhebung, Verarbeitung und Nutzung ihrer Daten, insbesondere darüber, dass Befunddaten an die Krankenkasse übermittelt werden und von ihr im Rahmen des strukturierten Behandlungsprogramms verarbeitet und genutzt werden können und dass in den Fällen des § 28f Absatz 2 die Daten zur Pseudonymisierung des Versichertenbezuges einer Arbeitsgemeinschaft oder von dieser beauftragten Dritten übermittelt werden können, über die Aufgabenverteilung und Versorgungsziele, die Freiwilligkeit ihrer Teilnahme, die Möglichkeit des Widerrufs ihrer Einwilligung, ihre Mitwirkungspflichten sowie darüber, wann eine fehlende Mitwirkung das Ende der Teilnahme an dem Programm zur Folge hat.

Die Versicherten bestätigen mit ihrer Teilnahmeerklärung, dass sie im Einzelnen

-
die Programm- und Versorgungsziele kennen und an ihrer Erreichung mitwirken werden,

-
die Aufgabenteilung der Versorgungsebenen kennen und unterstützen werden,

-
auf die Möglichkeit, eine Liste der verfügbaren Leistungsanbieter zu erhalten, hingewiesen worden sind,

-
über die Freiwilligkeit ihrer Teilnahme, die Möglichkeit des Widerrufs ihrer Einwilligung, ihre Mitwirkungspflichten und die Folgen fehlender Mitwirkung informiert worden sind sowie

-
über die mit ihrer Teilnahme an dem Programm verbundene Erhebung, Verarbeitung und Nutzung ihrer Daten informiert worden sind, insbesondere über die Möglichkeit einer Übermittlung von Befunddaten an die Krankenkasse zum Zweck der Verarbeitung und Nutzung im Rahmen des strukturierten Behandlungsprogramms und dass in den Fällen des § 28f Absatz 2 die Daten zur Pseudonymisierung des Versichertenbezuges einer Arbeitsgemeinschaft oder von dieser beauftragten Dritten übermittelt werden können.

3.2
Spezielle Teilnahmevoraussetzungen

Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 können in das strukturierte Behandlungsprogramm eingeschrieben werden, wenn die Diagnose des Diabetes mellitus Typ 2 gemäß Ziffer 1.2 (Diagnostik) gesichert ist oder eine Therapie mit diabetesspezifischen, blutglukosesenkenden Medikamenten bereits vorliegt.

Patientinnen mit Schwangerschaftsdiabetes werden nicht in ein strukturiertes Behandlungsprogramm aufgenommen.

4.
Schulungen (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)

Die Krankenkasse informiert Versicherte und Leistungserbringer über Ziele und Inhalte der strukturierten Behandlungsprogramme. Hierbei sind auch die vertraglich vereinbarten Versorgungsziele, Kooperations- und Überweisungsregeln, die zu Grunde gelegten Versorgungsaufträge und die geltenden Therapieempfehlungen transparent darzustellen. Die Krankenkasse kann diese Aufgabe an Dritte übertragen.

4.1
Schulungen der Leistungserbringer

Schulungen der Leistungserbringer dienen der Erreichung der vertraglich vereinbarten Versorgungsziele. Die Inhalte der Schulungen zielen auf die vereinbarten Management-Komponenten, insbesondere bezüglich der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit ab. Die Vertragspartner definieren Anforderungen an die für die strukturierten Behandlungsprogramme relevante regelmäßige Fortbildung teilnehmender Leistungserbringer. Sie können die dauerhafte Mitwirkung der Leistungserbringer von entsprechenden Teilnahmenachweisen abhängig machen.

4.2
Schulungen der Versicherten

Jede Patientin und jeder Patient mit Diabetes mellitus Typ 2 soll Zugang zu einem strukturierten, evaluierten, zielgruppenspezifischen und publizierten Schulungs- und Behandlungsprogramm erhalten.

Patientenschulungen dienen der Befähigung der Versicherten zur besseren Bewältigung des Krankheitsverlaufs und der Befähigung zu informierten Patientenentscheidungen. Hierbei ist der Bezug zu den hinterlegten strukturierten medizinischen Inhalten der Programme nach § 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch herzustellen. Der bestehende Schulungsstand der Versicherten ist zu berücksichtigen.

Bei Antragstellung müssen die Schulungsprogramme, die angewandt werden sollen, gegenüber dem Bundesversicherungsamt benannt und ihre Ausrichtung an den unter Ziffer 1.3.1 genannten Therapiezielen belegt werden. Die Qualifikation der Leistungserbringer ist sicherzustellen.

5.
Evaluation (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 6 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)

Grundziele der Evaluation sind die Überprüfung

-
der Erreichung der Ziele des strukturierten Behandlungsprogramms,

-
der Einhaltung der Einschreibekriterien sowie

-
der Kosten der Versorgung im strukturierten Behandlungsprogramm.

Die Ziele des Programms ergeben sich aus den Anforderungen gemäß § 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (Anforderungen an die Behandlung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft unter Berücksichtigung von evidenzbasierten Leitlinien oder nach der jeweils besten, verfügbaren Evidenz sowie unter Berücksichtigung des jeweiligen Versorgungssektors) und § 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (durchzuführende Qualitätssicherungsmaßnahmen) sowie den Vereinbarungen zu den Qualitätssicherungsmaßnahmen.

Grundlage der Evaluation bilden die für den Evaluationszeitraum relevanten versichertenbezogenen Dokumentationen nach § 28f, alle Leistungsdaten sowie Abrechnungsdaten der teilnehmenden Leistungserbringer für die im Evaluationszeitraum eingeschriebenen Versicherten. Die Daten werden für die Zwecke der Evaluation pseudonymisiert.

Bei der Bewertung der Wirksamkeit des strukturierten Behandlungsprogramms ist zwischen der Funktionsfähigkeit des Programms und seiner Auswirkung auf die Versorgungslage zu unterscheiden.

Bei der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Programms sind insbesondere die Anforderungen gemäß § 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 und 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch einschließlich des Verfahrens der Vereinbarung individueller Therapieziele zu evaluieren.

Gradmesser für die Auswirkung auf die Versorgungslage ist die Veränderung der Ausprägungen von Parametern der Prozess- und Ergebnisqualität des Mindest-Datensatzes relativ zu den ermittelten Ausgangswerten. Die Möglichkeiten des Vergleiches zu einer Kontrollgruppe nicht eingeschriebener Versicherter oder nicht teilnehmender Leistungserbringer sind zu prüfen.

Die Evaluation kann auf der Grundlage einer repräsentativen Stichprobe der eingeschriebenen Versicherten erfolgen; sie ermöglicht eine versichertenbezogene Verlaufsbetrachtung über den Evaluationszeitraum.

Der Prozentsatz sowie die Versichertenstruktur der teilnehmenden Versicherten je Krankenkasse sind zu berücksichtigen. Versicherte, die das strukturierte Behandlungsprogramm freiwillig oder durch Ausschluss verlassen, sind besonders zu würdigen.

Die Evaluation soll auch subjektive Ergebnisqualitätsparameter (Lebensqualität, Zufriedenheit) auf der Basis einer einmaligen Stichproben-Befragung bei eingeschriebenen Versicherten mindestens jeweils zu Beginn und zum Ende des Evaluationszeitraums umfassen. Hierfür ist ein Adressmitteilungsverfahren durch die Krankenkasse vorzusehen.

Unter Berücksichtigung der benötigten Datenbasis können die Vertragspartner vereinbaren, inwieweit zu evaluieren ist, ob die Programme Auswirkungen auf die Versorgung von nicht eingeschriebenen Versicherten haben.

Die Evaluation umfasst den Zeitraum der Zulassung.

1)
Die Definition basiert auf der WHO-Definition (World Health Organization. Definition, Diagnosis and Classification of Diabetes Mellitus and its Complications. Report of WHO Consultation. Part 1: Diagnosis and Classification of Diabetes Mellitus. Geneva; 59p, WHO/NCD/NCS/99.2)."

6.
Die Anlage 5 wird wie folgt gefasst:

„Anlage 5 (zu §§ 28b bis 28g) Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme für koronare Herzkrankheit (KHK)

1.
Behandlung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft unter Berücksichtigung von evidenzbasierten Leitlinien oder nach der jeweils besten, verfügbaren Evidenz sowie unter Berücksichtigung des jeweiligen Versorgungssektors (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)

1.1
Definition der koronaren Herzkrankheit (KHK)

Die koronare Herzkrankheit ist die Manifestation einer Arteriosklerose an den Herzkranzarterien. Sie führt häufig zu einem Missverhältnis zwischen Sauerstoffbedarf und -angebot im Herzmuskel.

1.2
Hinreichende Diagnostik für die Aufnahme in ein strukturiertes Behandlungsprogramm

1.2.1
Chronische KHK

Die Diagnose einer koronaren Herzkrankheit kann unter folgenden Bedingungen mit hinreichend hoher Wahrscheinlichkeit gestellt werden:

1.
bei einem akuten Koronarsyndrom 1), auch in der Vorgeschichte;

2.
wenn sich aus Symptomatik, klinischer Untersuchung, Anamnese, Begleiterkrankungen und Belastungs-EKG eine hohe Wahrscheinlichkeit (mindestens 90 Prozent) für das Vorliegen einer koronaren Herzkrankheit belegen lässt 2). Nur bei Patientinnen und Patienten, die nach Feststellung der Ärztin oder des Arztes aus gesundheitlichen Gründen für ein Belastungs-EKG nicht in Frage kommen oder bei denen ein auswertbares Ergebnis des Belastungs-EKGs nicht erreichbar ist (insbesondere bei Patientinnen und Patienten mit Linksschenkelblock, Herzschrittmacher oder bei Patientinnen und Patienten, die physikalisch nicht belastbar sind), können andere nicht-invasive Untersuchungen zur Diagnosesicherung (echokardiografische oder szintigrafische Verfahren) angewendet werden;

3.
durch direkten Nachweis mittels Koronarangiografie (gemäß Indikationsstellungen unter Ziffer 1.5.3.1).

Die Ärztin oder der Arzt hat zu prüfen, ob die Patientin oder der Patient im Hinblick auf die genannten Therapieziele von einer bestimmten Intervention profitieren kann. Die Durchführung der diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen erfolgt in Abstimmung mit der Patientin oder dem Patienten nach ausführlicher Aufklärung über Nutzen und Risiken.

Die Einschreibekriterien für strukturierte Behandlungsprogramme ergeben sich zusätzlich aus Ziffer 3.

1.2.2
Akutes Koronarsyndrom

Das akute Koronarsyndrom beinhaltet die als Notfallsituationen zu betrachtenden Verlaufsformen der koronaren Herzkrankheit: den ST-Hebungsinfarkt, den Nicht-ST-Hebungsinfarkt, die instabile Angina pectoris. Die Diagnose wird durch die Schmerzanamnese, das EKG und Laboratoriumsuntersuchungen (zum Beispiel Markerproteine) gestellt. Die Therapie des akuten Koronarsyndroms ist nicht Gegenstand der Empfehlungen.

1.3
Therapieziele

Eine koronare Herzkrankheit ist mit einem erhöhten Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko verbunden. Bei häufigem Auftreten von Angina pectoris-Beschwerden ist die Lebensqualität vermindert. Daraus ergeben sich folgende Therapieziele:

1.
Reduktion der Sterblichkeit,

2.
Reduktion der kardiovaskulären Morbidität, insbesondere Vermeidung von Herzinfarkten und der Entwicklung einer Herzinsuffizienz,

3.
Steigerung der Lebensqualität, insbesondere durch Vermeidung von Angina pectoris-Beschwerden und Erhaltung der Belastungsfähigkeit.

1.4
Differenzierte Therapieplanung auf der Basis einer individuellen Risikoabschätzung

Gemeinsam mit der Patientin oder dem Patienten ist eine differenzierte Therapieplanung auf der Basis einer individuellen Risikoabschätzung vorzunehmen.

Patientinnen und Patienten mit koronarer Herzkrankheit haben ein erhöhtes Risiko, einen Myokardinfarkt zu erleiden oder zu versterben. Dieses Risiko richtet sich sowohl nach dem Schweregrad der Erkrankung als auch nach den Risikoindikatoren (zum Beispiel Alter und Geschlecht, Übergewicht, Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörung, Hypertonie, linksventrikuläre Funktionsstörung, Rauchen, familiäre Prädisposition) der Patientinnen und Patienten. Daher soll die Ärztin oder der Arzt individuell das Risiko für diese Patientinnen und Patienten einmal jährlich beschreiben, sofern der Krankheitsverlauf kein anderes Vorgehen erfordert. Bei Vorliegen von Risikoindikatoren sind diese bei der individuellen Therapieplanung und -durchführung besonders zu berücksichtigen.

Die Ärztin oder der Arzt hat zu prüfen, ob die Patientin oder der Patient im Hinblick auf die in Ziffer 1.3 genannten Therapieziele von einer bestimmten Intervention profitieren kann. Die Durchführung der diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen erfolgt in Abstimmung mit der Patientin oder dem Patienten nach ausführlicher Aufklärung über Nutzen und Risiken.

Auf der Basis der individuellen Risikoabschätzung und der allgemeinen Therapieziele sind gemeinsam mit der Patientin oder dem Patienten individuelle Therapieziele festzulegen.

1.5
Therapeutische Maßnahmen

1.5.1
Nicht-medikamentöse Therapie und allgemeine Maßnahmen

1.5.1.1
Ernährungsberatung

Im Rahmen der Therapie berät die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt die Patientinnen und Patienten über eine KHK-spezifische gesunde Ernährung und bei übergewichtigen Patientinnen und Patienten über eine Gewichtsreduktion.

1.5.1.2
Raucherberatung

Im Rahmen der Therapie klärt die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt die Patientinnen und die Patienten über die besonderen Risiken des Rauchens für Patientinnen und Patienten mit KHK auf, verbunden mit den folgenden spezifischen Beratungsstrategien und der dringenden Empfehlung, das Rauchen aufzugeben.

-
Der Raucherstatus soll bei jeder Patientin und jedem Patienten bei jeder Konsultation erfragt werden.

-
Raucherinnen und Raucher sollen in einer klaren, starken und persönlichen Form dazu motiviert werden, mit dem Rauchen aufzuhören.

-
Es ist festzustellen, ob Raucherinnen und Raucher zu dieser Zeit bereit sind, einen Ausstiegsversuch zu beginnen.

-
Änderungsbereite Raucherinnen und Raucher sollen über wirksame Hilfen zur Raucherentwöhnung (nichtmedikamentöse Maßnahmen, Nikotinersatztherapie oder eine Kombination aus beidem) beraten werden.

-
Es sollen Folgekontakte vereinbart werden, möglichst in der ersten Woche nach dem Ausstiegsdatum.

1.5.1.3
Körperliche Aktivitäten

Die Ärztin oder der Arzt überprüft mindestens einmal jährlich, ob die Patientin oder der Patient von einer Steigerung der körperlichen Aktivität profitiert. Mögliche Interventionen sollen darauf ausgerichtet sein, die Patientinnen und Patienten zu motivieren, das erwünschte positive Bewegungsverhalten eigenverantwortlich und nachhaltig in ihren Lebensstil zu integrieren.

1.5.1.4
Psychische, psychosomatische und psychosoziale Betreuung

Auf Grund des komplexen Zusammenwirkens von pathophysiologischen, psychologischen, psychiatrischen und sozialen Faktoren bei der KHK ist durch die Ärztin oder den Arzt zu prüfen, inwieweit Patientinnen und Patienten von psychotherapeutischen, psychiatrischen und/oder verhaltensmedizinischen Maßnahmen profitieren können. Bei psychischen Beeinträchtigungen mit Krankheitswert sollte die Behandlung durch qualifizierte Leistungserbringer erfolgen.

Mangelnde Krankheitsbewältigung, Motivation und Compliance, fehlender sozioemotionaler Rückhalt, Probleme am Arbeitsplatz sind unter anderem zu berücksichtigen. Auf Grund der häufigen und bedeutsamen Komorbidität sollte die Depression besondere Beachtung finden.

1.5.2
Medikamentöse Therapie

Vorrangig sollen unter Berücksichtigung der Kontraindikationen, der Komorbiditäten und der Patientenpräferenzen Medikamente zur Behandlung der KHK verwendet werden, deren positiver Effekt und deren Sicherheit im Hinblick auf die Erreichung der in Ziffer 1.3 genannten Therapieziele in randomisierten, kontrollierten Studien (RCT) nachgewiesen wurden.

Sofern im Rahmen der individuellen Therapieplanung Wirkstoffe aus anderen Wirkstoffgruppen als die in dieser Anlage genannten verordnet werden sollen, ist die Patientin oder der Patient darüber zu informieren, ob für diese Wirkstoffe Wirksamkeitsbelege zur Risikoreduktion klinischer Endpunkte vorliegen.

-
Für die Behandlung der chronischen KHK, insbesondere nach akutem Myokardinfarkt, sind Betablocker hinsichtlich der in Ziffer 1.3 genannten Therapieziele Mittel der ersten Wahl, auch bei relativen Kontraindikationen. Dieser Nutzen ist besonders bei Risikokollektiven wie Diabetes mellitus-Patientinnen und -Patienten überdurchschnittlich hoch.

-
Für die antianginöse Behandlung der chronischen KHK werden primär Betablocker - gegebenenfalls in Kombination mit Nitraten und/oder Kalzium-Antagonisten 3) unter Beachtung der Kontraindikationen - empfohlen.

-
Für die antianginöse Behandlung der chronischen KHK sind bei absoluten Kontraindikationen für Betablocker (zum Beispiel bei Asthma bronchiale, höhergradigem AV-Block) Nitrate und/oder Kalzium-Antagonisten zu erwägen.

-
Für die Therapie der chronischen KHK sollten HMG-CoA-Reduktase-Hemmer (Statine) unter Beachtung der Kontraindikationen eingesetzt werden. Es sollten diejenigen Statine bevorzugt verwendet werden, für die eine morbiditäts- und mortalitätssenkende Wirkung in der Sekundärprävention nachgewiesen ist.

-
ACE-Hemmer sind grundsätzlich bei allen KHK-Patientinnen und -Patienten in der frühen Postinfarktphase (4 Wochen) indiziert und wenn die chronische KHK mit einer begleitenden Herzinsuffizienz oder mit asymptomatischer linksventrikulärer Dysfunktion und/oder mit der Komorbidität Hypertonie und/oder Diabetes mellitus einhergeht. Im Falle einer ACE-Hemmer-Unverträglichkeit können bei Patientinnen und Patienten mit KHK und einer systolischen Herzinsuffizienz oder dem gleichzeitigen Vorliegen der Komorbiditäten Hypertonie und Diabetes mellitus AT1-Rezeptorantagonisten eingesetzt werden.

-
Grundsätzlich sollen alle Patientinnen und Patienten mit chronischer KHK unter Beachtung der Kontraindikationen und/oder Unverträglichkeiten Thrombozytenaggregationshemmer erhalten. Eine Kombinationstherapie von Acetylsalicylsäure plus Clopidogrel ist nach einem akuten Koronarsyndrom, insbesondere nach Einsatz von Stents, für mindestens vier Wochen - gefolgt von einer Dauertherapie mit Acetylsalicylsäure -indiziert. Eine längere Gabe der Kombinationstherapie kann nach akutem Koronarsyndrom indiziert sein. Die Dauer der kombinierten Thrombozytenaggregationshemmung ist insbesondere abhängig von der Art der Intervention. Die interventionell tätigen Kardiologinnen oder Kardiologen müssen die weiterbehandelnden Ärztinnen oder Ärzte über die Art des verwendeten Stents und die daraus begründete Dauer der Kombinationsbehandlung informieren.

Die tatsächlich eingenommene Medikation, einschließlich der Selbstmedikation, und mögliche Nebenwirkungen der medikamentösen Therapie sind zu erfragen, um Therapieänderungen oder Dosisanpassungen möglichst frühzeitig vornehmen zu können.

1.5.3
Koronarangiografie - Interventionelle Therapie - Koronarrevaskularisation

Gemeinsam mit der Patientin oder dem Patienten ist die Entscheidung zur invasiven Diagnostik oder Intervention im Rahmen einer differenzierten Therapieplanung auf der Basis einer individuellen Nutzen- und Risikoabschätzung vorzunehmen.

Die Ärztin oder der Arzt hat zu prüfen, ob die Patientin oder der Patient im Hinblick auf die in Ziffer 1.3 genannten Therapieziele von einer bestimmten Intervention profitieren kann. Die Durchführung der diagnostischen und gegebenenfalls therapeutischen Maßnahmen erfolgt in Abstimmung mit der Patientin oder dem Patienten nach ausführlicher Aufklärung über Nutzen und Risiken.

1.5.3.1
Koronarangiografie

Insbesondere in folgenden Fällen ist die Durchführung einer Koronarangiografie zu erwägen:

-
bei Patientinnen und Patienten mit akutem Koronarsyndrom 4),

-
bei Patientinnen und Patienten mit stabiler Angina pectoris (CCS Klasse III und IV) trotz medikamentöser Therapie 5),

-
bei Patientinnen und Patienten mit Hochrisikomerkmalen bei der nicht-invasiven Vortestung, unabhängig von der Schwere der Angina pectoris 4),

-
bei Patientinnen und Patienten mit Angina pectoris, die einen plötzlichen Herzstillstand oder eine lebensbedrohliche ventrikuläre Arrhythmie überlebt haben,

-
bei Patientinnen und Patienten mit Angina pectoris und Symptomen einer chronischen Herzinsuffizienz.

1.5.3.2 Interventionelle Therapie und Koronarrevaskularisation

Vorrangig sollten unter Berücksichtigung des klinischen Gesamtbildes, der Kontraindikationen und der Patientenpräferenzen nur solche invasiven Therapiemaßnahmen erwogen werden, deren Nutzen und Sicherheit im Hinblick auf die Erreichung der in Ziffer 1.3 genannten Therapieziele insbesondere in randomisierten und kontrollierten Studien nachgewiesen wurden. Dabei ist der aktuelle Stand der medizinischen Wissenschaft unter Einbeziehung von evidenzbasierten Leitlinien oder Studien jeweils bestverfügbarer Evidenz zu berücksichtigen, denn sowohl die interventionelle wie die chirurgische Therapie der KHK sind - ebenso wie die medikamentöse Therapie - einem ständigen Wandel unterworfen.

Vor der Durchführung von invasiven Therapiemaßnahmen ist eine individuelle Nutzen-Risikoabwägung durchzuführen. Insbesondere ist die hämodynamische und funktionelle Relevanz der festgestellten Gefäßveränderungen zu prüfen.

Die nachfolgenden Empfehlungen beziehen sich auf Patientinnen und Patienten mit stabiler Angina pectoris oder Anginaäquivalent. Die Therapie des akuten Koronarsyndroms ist nicht Gegenstand der Empfehlungen.

-
Bei linkskoronarer signifikanter Hauptstammstenose soll primär die operative Revaskularisation (CABG) angestrebt werden.

-
Bei Mehrgefäßerkrankung mit hochgradigen proximalen Stenosen (> 70 Prozent) sollen - vorrangig mit dem Ziel der Symptomkontrolle - revaskularisierende Maßnahmen empfohlen werden.

-
Bei Eingefäßerkrankung mit hochgradiger proximaler RIVA-Stenose (> 70 Prozent) sollte - unabhängig von der Symptomatik - eine Koronarrevaskularisation empfohlen werden.

-
Bei ausgeprägter, persistierender, trotz medikamentöser Therapie bestehender Symptomatik soll zur Symptomkontrolle eine Revaskularisation erwogen werden, bei Eingefäßerkrankung ohne proximale RIVA-Stenose primär eine perkutane Koronarintervention (PCI).

1.6
Rehabilitation

Die kardiologische Rehabilitation ist der Prozess, bei dem herzkranke Patientinnen und Patienten mit Hilfe eines multidisziplinären Teams darin unterstützt werden, die individuell bestmögliche physische und psychische Gesundheit sowie soziale Integration zu erlangen und aufrechtzuerhalten. Sie ist Bestandteil einer am langfristigen Erfolg orientierten umfassenden Versorgung von KHK-Patientinnen und -Patienten. Die Zielvereinbarungen zwischen Ärztin oder Arzt und Patientin oder Patient sollen Maßnahmen zur Rehabilitation, insbesondere zur Selbstverantwortung der Patientinnen und Patienten, berücksichtigen.

Dimensionen und Inhalte der Rehabilitation sind insbesondere:

-
Somatische Ebene: Überwachung, Risikostratifizierung, Therapieanpassung, Remobilisierung, Training, Sekundärprävention;

-
Psychosoziale Ebene: Krankheitsbewältigung, Verminderung von Angst und Depressivität;

-
Edukative Ebene (insbesondere Beratung, Schulung): Vermittlung von krankheitsbezogenem Wissen und Fertigkeiten (unter anderem Krankheitsverständnis, Modifikation des Lebensstils und der Risikofaktoren), Motivationsstärkung;

-
Sozialmedizinische Ebene: Berufliche Wiedereingliederung, Erhaltung der Selbständigkeit.

Die Rehabilitation als Gesamtkonzept umfasst (nach WHO und in Anlehnung an SIGN 2002):

-
die Frühmobilisation während der Akutbehandlung,

-
die Rehabilitation (nach Ziffer 1.7.4) im Anschluss an die Akutbehandlung,

-
die langfristige wohnortnahe Nachsorge und Betreuung.

1.7
Kooperation der Versorgungsebenen

Die Betreuung der chronischen KHK-Patientinnen und -Patienten erfordert die Zusammenarbeit aller Sektoren (ambulant und stationär) und Einrichtungen. Eine qualifizierte Behandlung muss über die gesamte Versorgungskette gewährleistet sein.

1.7.1
Hausärztliche Versorgung

Die Langzeitbetreuung der Patientinnen und Patienten und deren Dokumentation im Rahmen des strukturierten Behandlungsprogramms erfolgt grundsätzlich durch die Hausärztin oder den Hausarzt im Rahmen ihrer in § 73 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch beschriebenen Aufgaben.

In Ausnahmefällen kann eine Patientin oder ein Patient mit koronarer Herzkrankheit eine zugelassene oder ermächtigte qualifizierte Fachärztin, einen zugelassenen oder ermächtigten qualifizierten Facharzt oder eine qualifizierte Einrichtung, die für die Erbringung dieser Leistungen zugelassen oder ermächtigt ist oder die nach § 116b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch an der ambulanten ärztlichen Versorgung teilnimmt, auch zur Langzeitbetreuung, Dokumentation und Koordination der weiteren Maßnahmen im strukturierten Behandlungsprogramm wählen, wenn die gewählte Fachärztin, der gewählte Facharzt oder die gewählte Einrichtung an dem Programm teilnimmt. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Patientin oder der Patient bereits vor der Einschreibung von dieser Ärztin, diesem Arzt oder dieser Einrichtung dauerhaft betreut worden ist oder diese Betreuung aus medizinischen Gründen erforderlich ist. Die Überweisungsregeln gemäß Ziffer 1.7.2 sind von der gewählten Ärztin, dem gewählten Arzt oder der gewählten Einrichtung zu beachten, wenn deren besondere Qualifikation für eine Behandlung der Patientinnen und Patienten aus den dort genannten Überweisungsanlässen nicht ausreicht.

1.7.2
Überweisung von der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt zur jeweils qualifizierten Fachärztin, zum jeweils qualifizierten Facharzt oder zur qualifizierten Einrichtung

Die Ärztin oder der Arzt hat zu prüfen, ob insbesondere bei folgenden Indikationen oder Anlässen eine Überweisung oder Weiterleitung zur Mitbehandlung und zur erweiterten Diagnostik und Risikostratifizierung von Patientinnen und Patienten mit chronischer KHK zur jeweils qualifizierten Fachärztin, zum jeweils qualifizierten Facharzt oder zur qualifizierten Einrichtung beziehungsweise zur Psychotherapeutin oder zum Psychotherapeuten erfolgen soll:

-
zunehmende oder erstmalige Angina pectoris-Beschwerden,

-
neu aufgetretene Herzinsuffizienz,

-
neu aufgetretene oder symptomatische Herzrhythmusstörungen,

-
medikamentöse Non-Responder,

-
Patientinnen und Patienten mit Komorbiditäten (zum Beispiel Hypertonie, Diabetes, Depression),

-
Mitbehandlung von Patientinnen und Patienten mit zusätzlichen kardiologischen Erkrankungen (zum Beispiel Klappenvitien),

-
Indikationsstellung zur invasiven Diagnostik und Therapie,

-
Durchführung der invasiven Diagnostik und Therapie,

-
Rehabilitation,

-
Schulung von Patientinnen und Patienten.

Im Übrigen entscheidet die Ärztin oder der Arzt nach pflichtgemäßem Ermessen über eine Überweisung.

1.7.3
Einweisung in ein Krankenhaus

Indikationen zur stationären Behandlung von Patientinnen und Patienten mit chronischer KHK in einer qualifizierten stationären Einrichtung sind insbesondere:

-
Verdacht auf akutes Koronarsyndrom,

-
Verdacht auf lebensbedrohliche Dekompensation von Folge- und Begleiterkrankungen (zum Beispiel Hypertonie, Herzinsuffizienz, Rhythmusstörungen, Diabetes mellitus).

Darüber hinaus ist im Einzelfall eine Einweisung zur stationären Behandlung zu erwägen bei Patientinnen und Patienten, bei denen eine invasive Diagnostik und Therapie indiziert ist.

1.7.4 Veranlassung einer Rehabilitationsmaßnahme

Eine Rehabilitationsmaßnahme (im Sinne von Ziffer 1.6) ist insbesondere zu erwägen:

-
nach akutem Koronarsyndrom,

-
nach koronarer Revaskularisation,

-
bei Patientinnen und Patienten mit stabiler Angina pectoris und dadurch bedingten limitierenden Symptomen 6), die trotz konservativer, interventioneller und/oder operativer Maßnahmen persistieren,

-
bei Patientinnen und Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz und dadurch bedingten limitierenden Symptomen 6), die trotz konservativer, interventioneller und/oder operativer Maßnahmen persistieren.

2.
Qualitätssichernde Maßnahmen (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)

Die Ausführungen zu Ziffer 2 der Anlage 1 gelten entsprechend.

3.
Teilnahmevoraussetzungen und Dauer der Teilnahme der Versicherten (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)

Die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt soll prüfen, ob die Patientin oder der Patient im Hinblick auf die in Ziffer 1.3 genannten Therapieziele von der Einschreibung profitieren und aktiv an der Umsetzung mitwirken kann.

3.1
Allgemeine Teilnahmevoraussetzungen

Die Ausführungen zu Ziffer 3.1 der Anlage 1 gelten entsprechend.

3.2
Spezielle Teilnahmevoraussetzungen

Patientinnen und Patienten mit manifester koronarer Herzkrankheit (KHK) können in das strukturierte Behandlungsprogramm eingeschrieben werden, wenn mindestens eines der folgenden Kriterien zusätzlich zu den in Ziffer 3.1 genannten Voraussetzungen erfüllt ist:

1.
Bei einem akuten Koronarsyndrom 1), auch in der Vorgeschichte;

2.
wenn sich aus Symptomatik, klinischer Untersuchung, Anamnese, Begleiterkrankungen und Belastungs-EKG, das innerhalb der letzten drei Jahre durchgeführt worden ist, eine hohe Wahrscheinlichkeit (mindestens 90 Prozent) für das Vorliegen einer koronaren Herzkrankheit belegen lässt 2). Nur bei Patientinnen und Patienten, die nach Feststellung der Ärztin oder des Arztes aus gesundheitlichen Gründen für ein Belastungs-EKG nicht in Frage kommen oder bei denen ein auswertbares Ergebnis des Belastungs-EKGs nicht erreichbar ist (insbesondere bei Patientinnen und Patienten mit Linksschenkelblock, Herzschrittmacher oder bei Patientinnen und Patienten, die physikalisch nicht belastbar sind), können andere nicht-invasive Untersuchungen zur Diagnosesicherung (echokardiografische oder szintigrafische Verfahren) angewendet werden;

3.
direkter Nachweis mittels Koronarangiografie (gemäß Indikationsstellungen nach Ziffer 1.5.3.1).

3.3 Voraussetzungen für die Teilnahme an dem zusätzlichen Modul Herzinsuffizienz

Patientinnen und Patienten, die in das strukturierte Behandlungsprogramm für KHK eingeschrieben sind, können unter den Voraussetzungen der Ziffer 3 der Anlage 5a am Modul Herzinsuffizienz teilnehmen. Ihnen steht es frei, ob sie bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen einer chronischen Herzinsuffizienz an dem Zusatzmodul teilnehmen möchten oder nicht.

4.
Schulungen (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)

Die Ausführungen zu Ziffer 4 der Anlage 1 gelten entsprechend.

4.1
Schulungen der Leistungserbringer

Schulungen der Leistungserbringer dienen der Erreichung der vertraglich vereinbarten Versorgungsziele. Die Inhalte der Schulungen zielen unter anderem auf die vereinbarten Management-Komponenten, insbesondere der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit und der Einschreibekriterien nach Ziffer 3 ab. Die Vertragspartner definieren Anforderungen an die für die strukturierten Behandlungsprogramme relevante regelmäßige Fortbildung teilnehmender Leistungserbringer. Sie können die dauerhafte Mitwirkung der Leistungserbringer von entsprechenden Teilnahmenachweisen abhängig machen.

4.2
Schulungen der Versicherten

Patientenschulungen dienen der Befähigung der Versicherten zur besseren Bewältigung des Krankheitsverlaufs und der Befähigung zu informierten Patientenentscheidungen. Hierbei ist der Bezug zu den hinterlegten strukturierten medizinischen Inhalten der Programme nach § 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch herzustellen.

Im Rahmen des strukturierten Behandlungsprogramms prüft die Ärztin oder der Arzt unter Berücksichtigung bestehender Folge- und Begleiterkrankungen, ob die Patientin oder der Patient von strukturierten, evaluierten, zielgruppenspezifischen (unter anderem Antikoagulation, Diabetes mellitus, Hypertonie) und publizierten Schulungs- und Behandlungsprogrammen profitieren kann. Der bestehende Schulungsstand der Versicherten ist zu berücksichtigen.

Bei Antragstellung müssen die Schulungsprogramme, die angewandt werden sollen, gegenüber dem Bundesversicherungsamt benannt werden. Die Qualifikation der Leistungserbringer ist sicherzustellen.

5.
Evaluation (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 6 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)

Die Ausführungen zu Ziffer 5 der Anlage 1 gelten entsprechend.

1)
Nach der Definition in ACC/AHA (2002a): American College of Cardiology and American Heart Association Task Force an Practice Guidelines. ACC/AHA 2002 Guideline Update for the Management of Patients With Unstable Angina and Non-ST-Segment Elevation Myocardial Infarction.

2)
Die Nachtest-Wahrscheinlichkeit (nach Durchführung eines Belastungs-EKGs) ist zu berechnen nach Diamond, GA et al.: Analysis of probability as an aid in the clinical diagnosis of coronary artery disease. N. Engl. J. Med (1979); 300:1350-8. Für Patienten, die älter als 69 Jahre sind, sind die Werte der Altersgruppe von 60 bis 69 Jahren heranzuziehen.

3)
Die Anwendung von kurzwirkenden Kalzium-Antagonisten vom Dihydropyridin-Typ sollte vermieden werden.

4)
Betrifft das Therapieziel „Senkung der Morbidität, Mortalität".

5)
Betrifft das Therapieziel „Beschwerdefreiheit".

6)
Unter limitierenden Symptomen ist eine für die Patientin oder den Patienten - unter Berücksichtigung der individuellen Lebensumstände -wesentliche Einschränkung der Lebensqualität zu verstehen. Diese kann nur individuell festgelegt werden."

7.
Nach Anlage 5 wird folgende Anlage 5a eingefügt:

„Anlage 5a (zu §§ 28b bis 28g) Anforderungen an ein Modul für chronische Herzinsuffizienz für strukturierte Behandlungsprogramme für koronare Herzkrankheit (KHK)

1.
Behandlung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft unter Berücksichtigung von evidenzbasierten Leitlinien oder nach der jeweils besten, verfügbaren Evidenz sowie unter Berücksichtigung des jeweiligen Versorgungssektors (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)

1.1
Definition der chronischen Herzinsuffizienz

Die chronische Herzinsuffizienz ist die Unfähigkeit des Herzens, den Organismus mit ausreichend Blut und damit mit genügend Sauerstoff zu versorgen, um den Stoffwechsel unter Ruhe- wie unter Belastungsbedingungen zu gewährleisten (WHO-Definition 1995) 1).

Pathophysiologisch liegt eine multisystemische Störung vor, die unter anderem durch die Dysfunktion der Herz- und Skelettmuskulatur sowie der Nierenfunktion charakterisiert ist 2).

Klinisch liegt dann eine Herzinsuffizienz vor, wenn typische Symptome wie zum Beispiel Dyspnoe, Müdigkeit (Leistungsminderung) und/oder Flüssigkeitsretention auf Grund einer kardialen Funktionsstörung bestehen 1).

1.2
Kriterien zur Abgrenzung der Zielgruppe

Zur Zielgruppe gehören Patientinnen und Patienten mit koronarer Herzkrankheit und chronischer Herzinsuffizienz bei systolischer Dysfunktion, die sich in einer Einschränkung der linksventrikulären Auswurfleistung (Ejektionsfraktion, LVEF) auf unter 40 Prozent manifestiert. Die LVEF muss durch ein bildgebendes Verfahren (zum Beispiel Echokardiographie, Ventrikulographie, Kardio-MRT) bestimmt worden sein.

Ausgehend vom strukturierten Behandlungsprogramm für KHK sollen Patientinnen und Patienten mit einer klinischen Symptomatik, die auf eine Herzinsuffizienz hinweist (zum Beispiel Dyspnoe, Leistungsminderung, Flüssigkeitsretention), einer gezielten Diagnostik (primär Echokardiographie) zugeführt werden. Auch asymptomatische Patientinnen und Patienten sollten gemäß den Modulinhalten behandelt werden, wenn eine Einschränkung der LVEF auf unter 40 Prozent bereits nachgewiesen wurde.

1.3
Therapieziele

Eine Herzinsuffizienz bei koronarer Herzkrankheit ist mit einem erhöhten Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko verbunden. Die Lebensqualität ist besonders durch eine Einschränkung der Belastbarkeit und eine hohe Hospitalisationsrate vermindert. Daraus ergeben sich folgende Therapieziele:

1.
Reduktion der Sterblichkeit (entsprechend dem strukturierten Behandlungsprogramm für KHK),

2.
Reduktion der kardiovaskulären Morbidität, insbesondere Vermeidung oder Verlangsamung einer Progression der bestehenden kardialen Funktionsstörung,

3.
Steigerung der Lebensqualität, insbesondere durch Vermeidung von Hospitalisationen und Steigerung oder Erhaltung der Belastungsfähigkeit.

1.4
Therapeutische Maßnahmen

1.4.1
Allgemeine nicht-medikamentöse Maßnahmen

Bei stabiler Herzinsuffizienz ist ein regelmäßiges, individuell angepasstes körperliches Training unter Berücksichtigung von Kontraindikationen (zum Beispiel frischer Herzinfarkt oder Myokarditis) generell zu empfehlen.

Die Flüssigkeitsaufnahme sollte sich am klinischen Zustand der Patientinnen und Patienten und an deren Nierenfunktion orientieren. Eine Beschränkung der Flüssigkeitsaufnahme auf 1,5 bis 2 Liter pro Tag ist bei fortgeschrittener Herzinsuffizienz, anhaltenden Stauungszeichen, Hypervolämie und/oder Hyponatriämie zu erwägen. Eine exzessive Flüssigkeitsaufnahme ist zu vermeiden.

Eine moderate Beschränkung der Kochsalzaufnahme ist insbesondere bei Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz zu empfehlen.

1.4.2
Medikamentöse Therapie

Ausgehend vom strukturierten Behandlungsprogramm für KHK sollen unter Berücksichtigung der Kontraindikationen vorrangig Medikamente zur Behandlung der Herzinsuffizienz verwendet werden, deren positiver Effekt und deren Sicherheit im Hinblick auf die Erreichung der in Ziffer 1.3 genannten Therapieziele in randomisierten, kontrollierten Studien (RCT) nachgewiesen wurden.

Die nachfolgenden Empfehlungen konkretisieren oder ergänzen die Therapieempfehlungen des strukturierten Behandlungsprogramms für KHK in Ziffer 1.5.2 der Anlage 5.

-
Therapie mit Angiotensin-Conversions-Enzym-Hemmern (ACE-Hemmer):

Alle Patientinnen und Patienten sollten unabhängig vom Schweregrad der Herzinsuffizienz einen ACE-Hemmer erhalten, da eine Behandlung mit ACE-Hemmern Prognose und Symptomatik der Erkrankung verbessert. In Konkretisierung der Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme für KHK in Ziffer 1.5.2 fünfter Spiegelstrich der Anlage 5 sollen ACE-Hemmer verwendet werden, für die ein mortalitätssenkender Effekt bei Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz belegt ist.

Die jeweilige Zieldosis ist durch eine langsame Steigerung der Dosierung anzustreben. Wenn die optimale Zieldosis nicht erreicht wird, erfolgt die Behandlung in der maximal von der Patientin oder vom Patienten tolerierten Dosis.

-
Therapie mit Beta-Rezeptorenblockern (Betablocker):

Alle klinisch stabilen Patientinnen und Patienten sollten einen Betablocker erhalten. In Konkretisierung der Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme für KHK in Ziffer 1.5.2 erster Spiegelstrich der Anlage 5 sollen Betablocker verwendet werden, für die ein mortalitätssenkender Effekt bei Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz belegt ist.

Die jeweilige Zieldosis ist durch eine langsame Steigerung der Dosierung anzustreben. Wenn die optimale Zieldosis nicht erreicht wird, erfolgt die Behandlung in der maximal von der Patientin oder vom Patienten tolerierten Dosis.

Die Dosierung von ACE-Hemmern und von Betablockern ist bei symptomatischer Hypotonie entsprechend anzupassen, so dass die Behandlung von der Patientin oder vom Patienten toleriert wird. Dabei ist zu beachten, dass vor einer Dosisreduktion aufgrund einer symptomatischen Hypotonie zunächst die Dosierung der übrigen blutdrucksenkenden Begleitmedikation reduziert wird.

-
Therapie mit Angiotensin II-Antagonisten (AT1-Rezeptorantagonisten):

Bei Patientinnen und Patienten, die eine Behandlung mit ACE-Hemmern aufgrund eines durch ACE-Hemmer bedingten Hustens nicht tolerieren, kann der Wechsel auf einen AT1-Rezeptorantagonisten zur Beschwerdebesserung oder zur Beschwerdefreiheit führen. In diesem Fall können AT1-Rezeptorantagonisten verwendet werden, für die ein Nutzen bei Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz belegt ist.

-
Therapie mit Aldosteron-Antagonisten:

Patientinnen und Patienten mit einer LVEF unter 35 Prozent, die trotz optimaler Therapie mit ACE-Hemmer und Betablocker und Diuretikum im Stadium NYHA III-IV sind, sollten additiv mit Spironolacton in niedriger Dosierung behandelt werden. Es ist zu beachten, dass mit steigender Dosierung die Gefahr einer Hyperkaliämie zunimmt. Daher sind in diesem Fall engmaschigere Kontrollen des Serum-Kaliums erforderlich. Voraussetzung ist, dass bei Therapiebeginn das Serum-Kreatinin unter 2,5 mg/dl und das Serum-Kalium unter 5 mmol/l liegen. Nach einem Herzinfarkt kann anstelle von Spironolacton Eplerenon gegeben werden.

-
Therapie mit Diuretika:

Alle Patientinnen und Patienten, die Stauungszeichen aufweisen, sollen mit Diuretika behandelt werden, da Diuretika die einzige Therapieoption zur Kontrolle des Volumenstatus darstellen. In Kombination mit der mortalitätssenkenden Therapie soll die zur Symptomkontrolle niedrigste erforderliche Dosis verwendet werden. Der Nutzen ist belegt für Schleifendiuretika und Thiaziddiuretika.

-
Therapie mit Herzglykosiden (Digitalis):

Patientinnen und Patienten, die trotz Therapie mit einem Betablocker ein chronisches tachykardes Vorhofflimmern aufweisen, sollten zusätzlich mit Digitalis behandelt werden. Für Patientinnen und Patienten mit Sinusrhythmus stellt Digitalis lediglich ein Reservemedikament dar und sollte bei diesen Patientinnen und Patienten nur gegeben werden, wenn sie trotz Ausschöpfung der vorgenannten medikamentösen Therapie weiterhin im Stadium NYHA III-IV sind.

-
Orale Antikoagulationstherapie:

Bei chronischem oder paroxysmalem Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz besteht ein besonders hohes Risiko für thrombembolische Ereignisse, so dass hier in der Regel eine effektive orale Antikoagulation (INR 2-3) durchzuführen ist. In diesem Fall sollte die wegen KHK durchgeführte Thrombozytenaggregationshemmung in der Regel beendet und auf die orale Antikoagulation umgestellt werden. Über eine in besonderen Situationen (zum Beispiel Stent-Implantation) dennoch indizierte Kombinationstherapie ist in Kooperation mit der qualifizierten Fachärztin oder dem qualifizierten Facharzt beziehungsweise der qualifizierten Einrichtung zu entscheiden. Eine orale Antikoagulation ist bei bestehendem Sinusrhythmus im Allgemeinen nicht indiziert.

1.4.3
Spezielle interventionelle Maßnahmen

Ergänzend zur medikamentösen Therapie und zu den allgemeinen nicht-medikamentösen Maßnahmen sollte die Indikation zur Durchführung spezieller interventioneller Maßnahmen individuell geprüft werden. Dabei sind der Allgemeinzustand der Patientin oder des Patienten und die Möglichkeit zur Verbesserung der Lebensqualität sowie die Lebenserwartung und gegebenenfalls vorliegende Begleiterkrankungen, welche Lebensqualität und Lebenserwartung beeinträchtigen, zu berücksichtigen. Die Entscheidung ist gemeinsam mit der Patientin oder dem Patienten und in Kooperation mit der qualifizierten Fachärztin oder dem qualifizierten Facharzt beziehungsweise der qualifizierten Einrichtung auf der Basis einer individuellen Nutzen-Risikoabschätzung vorzunehmen.

Zu den speziellen interventionellen Maßnahmen zählen insbesondere die kardiale Resynchronisationstherapie und die Therapie mit implantierbaren Kardioverter-Defibrillatoren.

1.4.3.1
Kardiale Resynchronisationstherapie (CRT)

Patientinnen und Patienten mit koronarer Herzkrankheit und Herzinsuffizienz können unter bestimmten Voraussetzungen von einer kardialen Resynchronisationstherapie bezüglich Symptomatik und Sterblichkeit profitieren. Bei Patientinnen und Patienten mit einer LVEF unter 35 Prozent und Sinusrhythmus und entweder einem kompletten Linksschenkelblock oder einer echokardiographisch nachgewiesenen ventrikulären Dyssynchronie mit breiten QRS-Komplexen (&ge; 120 ms), die trotz optimaler medikamentöser Therapie hochgradig symptomatisch sind (Stadium NYHA III-IV), sollte eine Abklärung der Indikation zur CRT erfolgen.

1.4.3.2
Therapie mit implantierbaren Kardioverter-Defibrillatoren (ICD)

Unter Berücksichtigung der individuellen Situation der Patientin oder des Patienten können Patientinnen und Patienten mit koronarer Herzkrankheit und Herzinsuffizienz unter bestimmten Voraussetzungen von der Implantation eines ICD profitieren. In folgenden Situationen sollte geprüft werden, ob die Patientin oder der Patient von einer ICD-Implantation zur Verhinderung lebensbedrohlicher Herzrhythmusstörungen profitieren kann:

Zur Prävention eines erneuten Ereignisses:

-
Patientinnen und Patienten nach überlebtem Herzkreislaufstillstand, Kammerflimmern oder Auftreten von Kammertachykardien,

-
Patientinnen und Patienten mit einer LVEF unter 40 Prozent nach Synkope (keine EKG-Dokumentation zum Zeitpunkt des Ereignisses), nachdem andere Ursachen als eine ventrikuläre Tachykardie ausgeschlossen wurden.

Zur Prävention eines erstmaligen Ereignisses:

-
Patientinnen und Patienten mit einer LVEF unter 30 bis 35 Prozent und Herzinsuffizienz im Stadium NYHA II-III. Bei Patientinnen und Patienten in der chronischen Postinfarktphase gilt dies frühestens vierzig Tage nach dem Infarktereignis.

1.5
Monitoring

Im Rahmen des Monitorings wird der klinische Status der Patientinnen und Patienten regelmäßig überprüft. Dabei sollen insbesondere Hinweise zur Belastbarkeit in Alltagssituationen und zum Volumenstatus erhoben werden. Um eine eventuelle Volumenbelastung rechtzeitig zu erkennen, soll das Körpergewicht regelmäßig, auch durch die Patientinnen und Patienten selbst, kontrolliert werden.

Mit symptomatischen Patientinnen und Patienten sollte, soweit möglich, das Protokollieren von täglichen Gewichtskontrollen vereinbart werden. Die Patientinnen und Patienten sollten dazu aufgefordert werden, bei einem deutlichen, kurzfristigen Gewichtsanstieg (zum Beispiel mehr als 1 Kilogramm in 24 Stunden oder mehr als 2,5 Kilogramm pro Woche) die behandelnde Ärztin oder den behandelnden Arzt zu konsultieren. Die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt sollte prüfen, ob die Patientin oder der Patient auf der Grundlage des Gewichtsprotokolls selbständige Anpassungen der Diuretikadosis (insbesondere Schleifendiuretika) vornehmen kann.

Die tatsächlich eingenommene Medikation, einschließlich der Selbstmedikation, und mögliche Nebenwirkungen der medikamentösen Therapie sind zu erfragen, um Therapieänderungen oder Dosisanpassungen möglichst frühzeitig vornehmen zu können.

Im Rahmen der körperlichen Untersuchung ist insbesondere zu achten auf:

-
die Jugularvenenfüllung,

-
periphere Ödeme,

-
Zeichen der pulmonalen Stauung bei der Auskultation von Herz und Lunge,

-
den Ernährungszustand, wobei insbesondere zu prüfen ist, ob eine eventuell vorliegende kardiale Kachexie durch eine Hypervolämie maskiert wird (und umgekehrt),

-
den Blutdruck im Liegen und im Stehen und

-
Herzrhythmus und Herzfrequenz (insbesondere als Hinweis auf neu aufgetretenes Vorhofflimmern).

In mindestens halbjährlichen Abständen sind Natrium, Kalium und Kreatinin im Serum sowie die Nierenfunktion durch Berechung der glomerulären Filtrationsrate (GFR) auf Basis der Serum-Kreatinin-Bestimmung zu kontrollieren. Häufigere Kontrollen können insbesondere bei einer Therapieänderung erforderlich sein.

Eine routinemäßige Röntgen-Thorax-Kontrolle, eine routinemäßige Langzeit-EKG-Kontrolle, die Bestimmung des Digitalisspiegels bei Therapie mit Herzglykosiden oder die Bestimmung natriuretischer Peptide (BNP) gehören nicht zum Monitoring.

1.6
Kooperation der Versorgungsebenen

Die Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme für KHK in Ziffer 1.7 der Anlage 5 gelten entsprechend. Ergänzend sind folgende Hinweise zur Überweisung der Patientinnen und Patienten zu beachten:

1.6.1
Überweisung vom behandelnden Arzt oder von der behandelnden Ärztin zum jeweils qualifizierten Facharzt oder zur jeweils qualifizierten Fachärztin oder zur qualifizierten Einrichtung

In Ergänzung zu den im strukturierten Behandlungsprogramm für KHK aufgeführten Indikationen und Anlässen hat der Arzt oder die Ärztin zu prüfen, ob insbesondere bei folgenden Indikationen oder Anlässen eine Überweisung oder Weiterleitung zur Mitbehandlung und zur erweiterten Diagnostik und Risikostratifizierung von Patientinnen und Patienten mit systolischer Herzinsuffizienz zum jeweils qualifizierten Facharzt oder zur jeweils qualifizierten Fachärztin beziehungsweise zur qualifizierten Einrichtung erfolgen soll:

-
bei Fortschreiten der chronischen systolischen Herzinsuffizienz trotz individuell angepasster Therapie gemäß Ziffern 1.4.1 und 1.4.2,

-
falls erforderlich zur Erreichung einer optimalen medikamentösen Therapie gemäß Ziffer 1.4.2,

-
zur Kontrolle mittels Echokardiographie bei relevanten Verschlechterungen des klinischen Zustandes der Patientin oder des Patienten,

-
zur Abklärung von Indikationen für spezielle interventionelle Maßnahmen gemäß Ziffern 1.4.3.1 und 1.4.3.2 zu einem diesbezüglich qualifizierten Facharzt oder zu einer diesbezüglich qualifizierten Fachärztin oder zu einer diesbezüglich qualifizierten Einrichtung,

-
zur Abklärung einer Transplantationsindikation.

Der jeweils qualifizierte Facharzt oder die jeweils qualifizierte Fachärztin oder die qualifizierte Einrichtung soll nach Möglichkeit dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin Empfehlungen zur weiteren individuellen Anpassung der Dosierung der medikamentösen Herzinsuffizienz-Behandlung sowie des Körpergewichts beziehungsweise des Volumenstatus aussprechen.

Im Übrigen entscheidet der Arzt oder die Ärztin nach pflichtgemäßem Ermessen über eine Überweisung.

1.6.2
Einweisung in ein Krankenhaus

Indikationen zur stationären Behandlung von Patientinnen und Patienten mit systolischer Herzinsuffizienz in einer stationären Einrichtung sind insbesondere

-
akute oder chronische Dekompensation,

-
Durchführung von speziellen interventionellen Maßnahmen gemäß Ziffern 1.4.3.1 und 1.4.3.2 in diesbezüglich qualifizierten Einrichtungen.

Im Übrigen gelten die Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme für KHK in Ziffer 1.7.3 der Anlage 5.

Die stationäre Einrichtung soll der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt bei Entlassung der Patientin oder des Patienten Empfehlungen zur weiteren individuellen Anpassung der Dosierung der medikamentösen Herzinsuffizienz-Behandlung sowie des Körpergewichts beziehungsweise des Volumenstatus aussprechen.

1.6.3 Veranlassung einer Rehabilitationsmaßnahme

Es gelten die Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme für KHK in Ziffer 1.7.4 der Anlage 5.

Die Rehabilitationseinrichtung soll der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt bei Entlassung der Patientin oder des Patienten Empfehlungen zur weiteren individuellen Anpassung der Dosierung der medikamentösen Herzinsuffizienz-Behandlung, des Körpergewichts beziehungsweise des Volumenstatus sowie der körperlichen Belastbarkeit aussprechen.

2.
Qualitätssichernde Maßnahmen (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)

Die Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme für KHK in Ziffer 2 der Anlage 5 gelten entsprechend.

3.
Teilnahmevoraussetzungen und Dauer der Teilnahme der Versicherten (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)

Die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt soll prüfen, ob die Patientin oder der Patient im Hinblick auf die in Ziffer 1.3 genannten Therapieziele von einer Teilnahme am Modul Chronische Herzinsuffizienz profitieren und aktiv an der Umsetzung mitwirken kann.

Patientinnen und Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz können am Modul teilnehmen, wenn sie die in Ziffer 1.2 genannten Kriterien zur Abgrenzung der Zielgruppe erfüllen und wenn und solange sie am strukturierten Behandlungsprogramm für KHK nach den jeweils geltenden Bestimmungen dieser Verordnung teilnehmen.

4.
Schulungen (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)

Die Ausführungen zu Ziffer 4 der Anlage 5 gelten entsprechend.

4.1
Schulungen der Leistungserbringer

Schulungen der Leistungserbringer dienen der Erreichung der vertraglich vereinbarten Versorgungsziele. Die Inhalte der Schulungen zielen unter anderem auf die vereinbarten Management-Komponenten, insbesondere der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit und der Einschreibekriterien nach Ziffer 3 der Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme für KHK in Anlage 5 ab. Die Vertragspartner definieren Anforderungen an die für die strukturierten Behandlungsprogramme relevante regelmäßige Fortbildung teilnehmender Leistungserbringer. Sie können die dauerhafte Mitwirkung der Leistungserbringer von entsprechenden Teilnahmenachweisen abhängig machen.

4.2
Schulungen der Versicherten

Patientenschulungen dienen der Befähigung der Versicherten zur besseren Bewältigung des Krankheitsverlaufs und der Befähigung zu informierten Patientenentscheidungen. Hierbei ist der Bezug zu den hinterlegten strukturierten medizinischen Inhalten der Programme nach § 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch herzustellen.

Im Rahmen des strukturierten Behandlungsprogramms prüft die Ärztin oder der Arzt unter Berücksichtigung bestehender Folge- und Begleiterkrankungen, ob die Patientin oder der Patient von strukturierten, evaluierten, zielgruppenspezifischen (unter anderem Antikoagulation, Diabetes mellitus, Hypertonie) und publizierten Schulungs- und Behandlungsprogrammen profitieren kann. Der bestehende Schulungsstand der Versicherten ist zu berücksichtigen. Sofern Schulungsprogramme angewandt werden sollen, sind diese gegenüber dem Bundesversicherungsamt im Rahmen des Zulassungsverfahrens zu benennen und ihre Ausrichtung an den unter Ziffer 1.3 genannten Therapiezielen zu belegen.

Die Qualifikation der Leistungserbringer ist sicherzustellen.

5.
Evaluation (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 6 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)

Eine gesonderte Evaluation für das Modul Chronische Herzinsuffizienz erfolgt nicht.

Die Evaluation erfolgt im Rahmen der Evaluation des strukturierten Behandlungsprogramms für KHK.

1)
Vergleiche Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung. Hoppe UC, Böhm M, Dietz R, Hanrath P, Kroemer HK, Osterspey A, Schmaltz AA, Erdmann E. Leitlinie zur Therapie der chronischen Herzinsuffizienz. Z Kardiol 2005; 94: 488-509.

2)
Vergleiche Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Muth C, Gensichen J, Butzlaff M. DEGAM-Leitlinie Nr. 9: Herzinsuffizienz, Teil 2 - Evidenz und Rationale. omikron publishing Düsseldorf 2006."

8.
Die Anlage 7 wird wie folgt gefasst:

„Anlage 7 (zu §§ 28b bis 28g) Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme für Diabetes mellitus Typ 1

1.
Behandlung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft unter Berücksichtigung von evidenzbasierten Leitlinien oder nach der jeweils besten, verfügbaren Evidenz sowie unter Berücksichtigung des jeweiligen Versorgungssektors (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)

1.1
Definition des Diabetes mellitus Typ 1

Als Diabetes mellitus Typ 1 wird die Form des Diabetes bezeichnet, die durch absoluten Insulinmangel auf Grund einer sukzessiven Zerstörung der Betazellen in der Regel im Rahmen eines Autoimmungeschehens entsteht.

1.2
Diagnostik (Eingangsdiagnose)

Die Diagnose eines Diabetes mellitus Typ 1 gilt als gestellt, wenn die folgenden Kriterien bei Aufnahme in das strukturierte Behandlungsprogramm erfüllt sind oder sich aus der Vorgeschichte der Patientin oder des Patienten bei der Manifestation der Erkrankung ergeben:

1.
Nachweis typischer Symptome des Diabetes mellitus (zum Beispiel Polyurie, Polydipsie, ungewollter Gewichtsverlust) und/oder einer Ketose/Ketoazidose und

2.
Nüchtern-Glukose vorrangig im Plasma (i. P.) &ge; 7,0 mmol/l (&ge; 126 mg/dl) oder Nicht-Nüchtern-Glukose i. P. &ge; 11,1 mmol/l (&ge; 200 mg/dl) und

3.
gegebenenfalls laborchemische Hinweise für einen absoluten Insulinmangel (zum Beispiel Nachweis von Ketonkörpern in Blut und/oder Urin mit und ohne Azidose).

Die Werte für venöses und kapillares Vollblut ergeben sich aus der nachfolgenden Tabelle:

Diagnostische Kriterien des Diabetes mellitus

Plasmaglukose Vollblutglukose
venös kapillar venös kapillar
mmol/lmg/dlmmol/lmg/dlmmol/lmg/dlmmol/lmg/dl
Nüchtern≥ 7,0 ≥ 126 ≥ 7,0 ≥ 126 ≥ 6,1 ≥ 110 ≥ 6,1 ≥ 110
Nicht-nüchtern≥ 11,1 ≥ 200 ≥ 12,2 ≥ 220 ≥ 10,0 ≥ 180 ≥ 11,1 ≥ 200


 
Die Unterscheidung zwischen Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2 erfolgt im strukturierten Behandlungsprogramm demnach anhand der Anamnese, des klinischen Bildes und der Laborparameter.

Die Leistungserbringer sollen prüfen, ob die Patientin oder der Patient im Hinblick auf die unter Ziffer 1.3.1 genannten Therapieziele von der Einschreibung profitieren kann.

1.3
Therapie des Diabetes mellitus Typ 1

1.3.1
Therapieziele

Die Therapie dient der Verbesserung der von einem Diabetes mellitus beeinträchtigten Lebensqualität, der Vermeidung diabetesbedingter und -assoziierter Folgeschäden sowie der Erhöhung der Lebenserwartung. Hieraus ergeben sich insbesondere folgende Therapieziele:

1.
Vermeidung der mikrovaskulären Folgeschäden (Retinopathie mit schwerer Sehbehinderung oder Erblindung, Niereninsuffizienz mit der Notwendigkeit einer Nierenersatztherapie),

2.
Vermeidung von Neuropathien beziehungsweise Linderung von damit verbundenen Symptomen, insbesondere Schmerzen,

3.
Vermeidung des diabetischen Fußsyndroms mit neuro-, angio- und/oder osteoarthropathischen Läsionen und von Amputationen,

4.
Reduktion des erhöhten Risikos für kardiale, zerebrovaskuläre und sonstige makroangiopathische Morbidität und Mortalität,

5.
Vermeidung von Stoffwechselentgleisungen (Ketoazidosen) und Vermeidung von Nebenwirkungen der Therapie (insbesondere schwere oder rezidivierende Hypoglykämien).

1.3.2
Differenzierte Therapieplanung

Auf der Basis der allgemeinen Therapieziele und unter Berücksichtigung des individuellen Risikos sowie der vorliegenden Folgeschäden beziehungsweise Begleiterkrankungen sind gemeinsam mit der Patientin oder dem Patienten individuelle Therapieziele festzulegen und eine differenzierte Therapieplanung vorzunehmen. Ziel der antihyperglykämischen Therapie ist eine normnahe Einstellung der Blutglukose unter Vermeidung schwerer Hypoglykämien.

Die Leistungserbringer haben zu prüfen, ob die Patientin oder der Patient im Hinblick auf die in Ziffer 1.3.1 genannten Therapieziele von einer bestimmten Intervention profitieren kann. Die Durchführung der diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen erfolgt in Abstimmung mit der Patientin oder dem Patienten nach ausführlicher Aufklärung über Nutzen und Risiken.

1.3.3
Strukturierte Schulungs- und Behandlungsprogramme

Jede Patientin und jeder Patient mit Diabetes mellitus Typ 1 muss Zugang zu einem strukturierten, evaluierten, zielgruppenspezifischen und publizierten Schulungs- und Behandlungsprogramm erhalten. Im Übrigen gelten die unter Ziffer 4.2 genannten Zugangs- und Qualitätssicherungskriterien.

1.3.4 Insulinsubstitution

Bei gesichertem Diabetes mellitus Typ 1 ist die Substitution von Insulin die lebensnotwendige und lebensrettende Maßnahme. Für die Erreichung der unter Ziffer 1.3.1 genannten Therapieziele ist die Senkung der Blutglukosewerte in einen möglichst normnahen Bereich notwendig. Vorrangig soll Human-Insulin verwendet werden, weil dessen positiver Effekt und Sicherheit im Hinblick auf die Erreichung der unter Ziffer 1.3.1 genannten Therapieziele in prospektiven, randomisierten, kontrollierten Langzeitstudien mit klinischen Endpunkten nachgewiesen wurden.

Sofern im Rahmen der individuellen Therapieplanung anstelle des als vorrangig anzuwendenden Human-Insulins Insulin-Analoga verordnet werden sollen, ist die Patientin oder der Patient darüber zu informieren, dass derzeit für Insulin-Analoga noch keine ausreichenden Belege zur Sicherheit im Langzeitgebrauch sowie zur Risikoreduktion klinischer Endpunkte vorliegen. Sie oder er ist darüber zu informieren, ob für das jeweilige Insulin-Analogon Daten zur besseren Wirksamkeit und Steuerbarkeit vorliegen. Dies ist für kurzwirksame Insulin-Analoga bei Pumpentherapie (CSII) bisher nur in Kurzzeitstudien nachgewiesen.

Die intensivierte Insulin-Therapie ist der Behandlungsstandard bei Diabetes mellitus Typ 1. Im Rahmen des strukturierten Behandlungs- und Schulungsprogramms sollen die Patienten mit der selbstständigen korrekten Durchführung einer intensivierten Insulintherapie vertraut gemacht werden. Hierzu zählen unter anderem die variablen präprandialen Gaben von kurzwirksamen Insulinen nach Blutglukoseselbstkontrolle. Dabei ist auf einen ausreichenden Wechsel der Insulin-Injektionsstellen zu achten, um Gewebeveränderungen zu vermeiden, die die Insulinresorption nachhaltig beeinflussen.

Ziel ist eine selbstbestimmte flexible Lebensführung ohne diabetesbedingte Beschränkung der Auswahl von Nahrungsmitteln.

1.4
Hypoglykämische und ketoazidotische Stoffwechselentgleisungen

Nach einer schweren Hypoglykämie oder Ketoazidose ist wegen des Risikos der Wiederholung solcher metabolischer Ereignisse im Anschluss an die Notfalltherapie zeitnah die Ursachenklärung einzuleiten.

1.5
Begleit- und Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus Typ 1

1.5.1
Mikrovaskuläre Folgeerkrankungen

1.5.1.1
Allgemeinmaßnahmen

Für die Vermeidung des Entstehens mikrovaskulärer Folgeerkrankungen (vor allem diabetische Retinopathie und Nephropathie) ist die Senkung der Blutglukose in einen normnahen Bereich notwendig. Bereits bestehende mikrovaskuläre Komplikationen können insbesondere zu folgenden Folgeschäden führen, die einzeln oder gemeinsam auftreten können: Sehbehinderung bis zur Erblindung, Niereninsuffizienz bis zur Dialysenotwendigkeit. Zur Hemmung der Progression ist neben der Senkung der Blutglukose die Senkung des Blutdrucks in einen normnahen Bereich von entscheidender Bedeutung.

1.5.1.2
Diabetische Nephropathie

Ein Teil der Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 ist hinsichtlich einer Entstehung einer diabetischen Nephropathie mit der möglichen Konsequenz einer Nierenersatztherapie und deutlich erhöhter Sterblichkeit gefährdet. Patientinnen und Patienten mit einer diabetischen Nephropathie bedürfen einer spezialisierten, interdisziplinären Behandlung, einschließlich problemorientierter Beratung. Zum Ausschluss einer diabetischen Nephropathie ist der Nachweis einer normalen Urin-Albumin-Ausscheidungsrate oder einer normalen Urin-Albumin-Konzentration im ersten Morgenurin ausreichend.

Für die Diagnosestellung einer diabetischen Nephropathie ist der mindestens zweimalige Nachweis einer pathologisch erhöhten Albumin-Ausscheidungsrate im Urin im Abstand von zwei bis vier Wochen notwendig, insbesondere bei Vorliegen einer Retinopathie. Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 ohne bekannte diabetische Nephropathie erhalten mindestens einmal jährlich eine entsprechende Urin-Untersuchung zum Ausschluss einer diabetischen Nephropathie.

Bei Nachweis einer persistierenden pathologischen Urin-Albumin-Ausscheidung ist unter anderem zusätzlich die Bestimmung der glomerulären Filtrationsrate (eGFR) auf Basis der Serum-Kreatinin-Bestimmung durchzuführen.

Wenn eine diabetische Nephropathie diagnostiziert wurde, sind Interventionen vorzusehen, für die ein positiver Nutzennachweis im Hinblick auf die Vermeidung der Progression und Nierenersatztherapie erbracht ist. Dazu zählen insbesondere eine normnahe Blutdruck- und Blutglukoseeinstellung, Tabakverzicht und bei pathologisch reduzierter glomerulärer Filtrationsrate die Empfehlung einer adäquat begrenzten Eiweißaufnahme.

1.5.1.3
Diabetische Retinopathie

Zum Ausschluss einer diabetischen Retinopathie ist, in der Regel beginnend im fünften Jahr nach Manifestation des Diabetes, einmal jährlich eine ophthalmologische Netzhautuntersuchung in Mydriasis durchzuführen.

Wenn eine diabetesassoziierte Augenkomplikation diagnostiziert wurde, sind Interventionen vorzusehen, für die ein positiver Nutzennachweis im Hinblick auf die Vermeidung der Erblindung erbracht ist. Dazu zählen eine normnahe Blutglukose- und Blutdruckeinstellung sowie gegebenenfalls eine rechtzeitige und adäquate Laser-Behandlung. Bei proliferativer Retinopathie ist insbesondere die panretinale Laser-Fotokoagulation durchzuführen.

1.5.2
Diabetische Neuropathie

Zur Behandlung der diabetischen Neuropathie sind stets Maßnahmen vorzusehen, die zur Optimierung der Stoffwechseleinstellung führen.

Bei Neuropathien mit für die Patientin oder den Patienten störender Symptomatik (vor allem schmerzhafte Polyneuropathie) ist der Einsatz zusätzlicher medikamentöser Maßnahmen sinnvoll. Es kommen vorzugsweise Antidepressiva sowie Antikonvulsiva in Betracht, die für diese Indikation zugelassen sind.

Bei Hinweisen auf eine autonome diabetische Neuropathie (zum Beispiel kardiale autonome Neuropathie, Magenentleerungsstörungen, Blasenentleerungsstörungen) ist eine spezialisierte weiterführende Diagnostik und Therapie zu erwägen.

1.5.3
Das diabetische Fußsyndrom

Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1, insbesondere mit peripherer Neuropathie und/oder peripherer arterieller Verschlusskrankheit, sind durch die Entwicklung eines diabetischen Fußsyndroms mit einem erhöhten Amputationsrisiko gefährdet.

Es ist bei allen Patientinnen und Patienten mindestens einmal jährlich eine Inspektion der Füße einschließlich Prüfung auf Neuropathie und Prüfung des Pulsstatus durchzuführen. Bei Patientinnen oder Patienten mit erhöhtem Risiko soll die Prüfung quartalsweise, einschließlich der Überprüfung des Schuhwerks, erfolgen.

Bei Hinweisen auf ein diabetisches Fußsyndrom (Epithelläsion, Verdacht auf beziehungsweise manifeste Weichteil- oder Knocheninfektion beziehungsweise Verdacht auf Osteoarthropathie) ist die Mitbehandlung in einer für die Behandlung des diabetischen Fußsyndroms qualifizierten Einrichtung gemäß Überweisungsregeln nach Ziffer 1.8.2 erforderlich. Nach abgeschlossener Behandlung einer Läsion im Rahmen eines diabetischen Fußsyndroms ist die regelmäßige Vorstellung in einer für die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit diabetischem Fußsyndrom qualifizierten Einrichtung zu prüfen.

Die Dokumentation erfolgt nach der Wagner-Armstrong-Klassifikation.

1.5.4
Makroangiopathische Erkrankungen

Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 haben insbesondere bei Vorliegen einer Nephropathie ein deutlich erhöhtes Risiko bezüglich der kardio- und zerebrovaskulären Morbidität und Mortalität. Zusätzlich zu einer guten Diabetes-Einstellung sind die im Folgenden angeführten Maßnahmen vorzunehmen. Den Patientinnen und Patienten soll dringend angeraten werden, das Rauchen aufzugeben.

1.5.4.1
Arterielle Hypertonie bei Diabetes mellitus Typ 1

1.5.4.1.1
Definition und Diagnosestellung der Hypertonie

Wenn nicht bereits eine Hypertonie bekannt ist, kann die Diagnose gestellt werden, wenn bei mindestens zwei Gelegenheitsblutdruckmessungen an zwei unterschiedlichen Tagen Blutdruckwerte von &ge; 140 mmHg systolisch und/oder &ge; 90 mmHg diastolisch gemessen werden. Diese Definition bezieht sich auf manuelle auskultatorische Messungen, die durch eine Ärztin oder einen Arzt oder geschultes medizinisches Personal grundsätzlich in einer medizinischen Einrichtung durchgeführt werden, und gilt unabhängig von Alter oder vorliegenden Begleiterkrankungen. Die Blutdruckmessung ist methodisch standardisiert gemäß den nationalen Empfehlungen durchzuführen.

1.5.4.1.2
Therapeutische Maßnahmen bei Hypertonie

Durch die antihypertensive Therapie soll die Erreichung der unter Ziffer 1.3.1 genannten Therapieziele (insbesondere Nummern 1 und 3) angestrebt werden. Hierfür ist mindestens eine Senkung des Blutdrucks auf Werte systolisch unter 140 mmHg und diastolisch unter 90 mmHg anzustreben.

Jede Patientin und jeder Patient mit Diabetes mellitus Typ 1 und arterieller Hypertonie soll Zugang zu einem strukturierten, evaluierten und publizierten Schulungs- und Behandlungsprogramm erhalten. Insbesondere können solche Schulungen angeboten werden, die bei diesen Patientinnen oder Patienten auf klinische Endpunkte adäquat evaluiert sind.

Vorrangig sollen unter Berücksichtigung der Kontraindikationen, der Komorbiditäten und der Patientenpräferenzen Medikamente zur Blutdrucksenkung verwendet werden, deren positiver Effekt und deren Sicherheit im Hinblick auf die Erreichung der unter Ziffer 1.3.1 genannten Therapieziele in prospektiven, randomisierten, kontrollierten Langzeitstudien nachgewiesen wurden.

Dabei handelt es sich um folgende Wirkstoffgruppen:

-
Diuretika,

-
Beta1-Rezeptor-selektive Betablocker,

-
Angiotensin-Conversions-Enzym-Hemmer (ACE-Hemmer), bei ACE-Hemmer-Unverträglichkeit oder speziellen Indikationen AT1-Rezeptor-Antagonisten.

Sofern im Rahmen der individuellen Therapieplanung Wirkstoffe aus anderen Wirkstoffgruppen verordnet werden sollen, ist die Patientin oder der Patient darüber zu informieren, ob für diese Wirkstoffe Wirksamkeitsbelege zur Risikoreduktion klinischer Endpunkte vorliegen.

1.5.4.2
Statintherapie

Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 und mit einem stark erhöhten Risiko für makroangiopathische Komplikationen beziehungsweise mit einer koronaren Herzkrankheit sollen mit einem Statin behandelt werden.

1.5.4.3
Thrombozytenaggregationshemmer

Grundsätzlich sollen alle Patientinnen und Patienten mit makroangiopathischen Erkrankungen (zum Beispiel kardio- und zerebrovaskulären Erkrankungen) - unter Beachtung der Kontraindikationen und/oder der Unverträglichkeiten - Thrombozytenaggregationshemmer erhalten.

1.5.5
Psychische, psychosomatische und psychosoziale Betreuung

Auf Grund des komplexen Zusammenwirkens von somatischen, psychischen und sozialen Faktoren bei Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 ist durch die Ärztin oder den Arzt zu prüfen, inwieweit Patientinnen und Patienten von psychotherapeutischen, psychiatrischen und/oder verhaltensmedizinischen Maßnahmen profitieren können. Bei psychischen Beeinträchtigungen mit Krankheitswert (zum Beispiel Essstörungen) soll die Behandlung durch qualifizierte Leistungserbringer erfolgen. Auf Grund der häufigen und bedeutsamen Komorbidität vor allem bei Patientinnen und Patienten mit diabetischen Folgeerkrankungen soll die Depression besondere Berücksichtigung finden.

1.6
Schwangerschaft bei Diabetes mellitus Typ 1

Patientinnen mit geplanter oder bestehender Schwangerschaft bedürfen einer speziellen interdisziplinären Betreuung. Durch Optimierung der Blutglukosewerte vor und während der Schwangerschaft können die maternalen und fetalen Komplikationen deutlich reduziert werden. Die Einstellung ist grundsätzlich als intensivierte Therapie mittels Mehrfach-Injektionen oder mit einer programmierbaren Insulinpumpe (CSII) durchzuführen. Die präkonzeptionelle Einstellung soll mit Humaninsulin erfolgen und in der Schwangerschaft mit diesem Insulin fortgeführt werden. Bei der Behandlung von Schwangeren sind spezifische Zielwerte der Blutglukoseeinstellung zu berücksichtigen.

1.7
Behandlung von Kindern und Jugendlichen

Die spezifischen Versorgungsbelange von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes mellitus Typ 1 bis zum Alter von 18 Jahren machen es erforderlich, dass einzelne Aspekte in den strukturierten Behandlungsprogrammen besondere Berücksichtigung finden:

1.7.1
Therapieziele

Folgende Ziele stehen bei der medizinischen Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes mellitus im Vordergrund:

1.
Vermeidung akuter Stoffwechselentgleisungen (Ketoazidose, diabetisches Koma, schwere Hypoglykämie),

2.
Reduktion der Häufigkeit diabetesbedingter Folgeerkrankungen, auch im subklinischen Stadium; dies setzt eine möglichst normnahe Blutglukoseeinstellung sowie die frühzeitige Erkennung und Behandlung von zusätzlichen Risikofaktoren (zum Beispiel Hypertonie, Dyslipidämie, Adipositas, Rauchen) voraus,

3.
altersentsprechende körperliche Entwicklung (Längenwachstum, Gewichtszunahme, Pubertätsbeginn), altersentsprechende geistige und körperliche Leistungsfähigkeit,

4.
möglichst geringe Beeinträchtigung der psychosozialen Entwicklung und der sozialen Integration der Kinder und Jugendlichen durch den Diabetes und seine Therapie; die Familie soll in den Behandlungsprozess einbezogen werden, Selbstständigkeit und Eigenverantwortung der Patientinnen und Patienten sind altersentsprechend zu stärken.

1.7.2
Therapie

Die Insulinsubstitution in Form einer intensivierten Insulintherapie ist der Behandlungsstandard bei Diabetes mellitus Typ 1 mit Beginn der Adoleszenz sowie im Erwachsenenalter. Angesichts der Überlegenheit dieser Therapieform bei Adoleszenten und Erwachsenen soll mit der intensivierten Therapie begonnen werden, sobald dieses für die Familie und die Kinder möglich ist. Die Durchführung einer intensivierten Insulintherapie mittels kontinuierlicher subkutaner Insulininfusionstherapie (CSII) kann vor allem bei sehr jungen Kindern oder bei Jugendlichen mit besonderen Problemen Vorteile haben. Die Insulintherapie soll individuell auf das jeweilige Kind oder den jeweiligen Jugendlichen zugeschnitten sein und regelmäßig überdacht werden, um eine möglichst gute Stoffwechselkontrolle bei gleichzeitiger Vermeidung von schweren Hypoglykämien sicherzustellen.

1.7.3
Schulung

Kinder und Jugendliche mit Diabetes mellitus Typ 1 beziehungsweise deren Betreuungspersonen erhalten Zugang zu strukturierten, nach Möglichkeit evaluierten, zielgruppenspezifischen und publizierten Schulungs- und Behandlungsprogrammen, die in geeigneten Abständen durchgeführt werden. Die Schulungen können als Gruppen- oder Einzelschulung erfolgen und sollen den jeweiligen individuellen Schulungsstand berücksichtigen.

Die krankheitsspezifische Beratung und Diabetesschulung in der Pädiatrie soll das Ziel verfolgen, das eigenverantwortliche Krankheitsmanagement der Kinder und Jugendlichen und in besonderem Maße auch die ihrer Betreuungspersonen zu fördern und zu entwickeln. Das Alter und der Entwicklungsstand des Kindes sind zu berücksichtigen.

1.7.4
Psychosoziale Betreuung

Das Angebot einer psychosozialen Beratung und Betreuung der Kinder und Jugendlichen mit Diabetes mellitus Typ 1 soll integraler Bestandteil der Behandlung sein. Ihr ist in diesem Rahmen ausreichend Zeit einzuräumen. Hierzu kann auch die Beratung über die verschiedenen Möglichkeiten der Rehabilitation gehören. Die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt soll prüfen, ob die Kinder und Jugendlichen einer weitergehenden Diagnostik oder Behandlung bedürfen. Bei psychischen Beeinträchtigungen mit Krankheitswert (zum Beispiel Essstörungen) soll die Behandlung durch qualifizierte Leistungserbringer erfolgen.

1.7.5
Ausschluss von Folgeschäden und assoziierten Erkrankungen

Kinder und Jugendliche mit Diabetes mellitus Typ 1 sollen spätestens nach fünf Jahren Diabetesdauer, grundsätzlich jedoch ab dem elften Lebensjahr, jährlich bezüglich einer diabetischen Retinopathie gemäß Ziffer 1.5.1.3 sowie einer diabetischen Nephropathie gemäß Ziffer 1.5.1.2 untersucht werden.

Der Blutdruck soll bei allen Kindern und Jugendlichen mit Diabetes mellitus Typ 1 mindestens ab einem Alter von elf Jahren vierteljährlich gemessen werden.

1.8
Kooperation der Versorgungssektoren

Die Betreuung von Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 erfordert die Zusammenarbeit aller Sektoren (ambulant, stationär) und Einrichtungen. Eine qualifizierte Behandlung muss über die gesamte Versorgungskette gewährleistet sein.

1.8.1
Koordinierende Ärztin oder koordinierender Arzt

Für die Teilnahme an dem strukturierten Behandlungsprogramm wählt die Patientin oder der Patient zur Langzeitbetreuung und deren Dokumentation eine zugelassene oder ermächtigte koordinierende Ärztin oder einen zugelassenen oder ermächtigten koordinierenden Arzt oder eine qualifizierte Einrichtung, die für die vertragsärztliche Versorgung zugelassen oder ermächtigt ist oder die nach § 116b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch an der ambulanten ärztlichen Versorgung teilnimmt. Dies müssen diabetologisch besonders qualifizierte Ärzte oder Einrichtungen sein.

In Einzelfällen kann die Koordination auch von Hausärztinnen oder Hausärzten im Rahmen ihrer in § 73 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch beschriebenen Aufgaben in enger Kooperation mit einer diabetologisch besonders qualifizierten Ärztin, einem diabetologisch besonders qualifizierten Arzt oder einer diabetologisch besonders qualifizierten Einrichtung wahrgenommen werden.

Bei Kindern und Jugendlichen erfolgt die Koordination unter 16 Jahren grundsätzlich, unter 21 Jahren fakultativ durch eine diabetologisch besonders qualifizierte Pädiaterin, einen diabetologisch besonders qualifizierten Pädiater oder eine diabetologisch besonders qualifizierte pädiatrische Einrichtung. In begründeten Einzelfällen kann die Koordination durch eine Ärztin, einen Arzt oder eine Einrichtung erfolgen, die in der Betreuung von Kindern und Jugendlichen diabetologisch besonders qualifiziert sind.

1.8.2
Überweisung von der koordinierenden Ärztin, vom koordinierenden Arzt oder von der koordinierenden Einrichtung zur jeweils qualifizierten Fachärztin, zum jeweils qualifizierten Facharzt oder zur qualifizierten Einrichtung

Bei Vorliegen folgender Indikationen muss die koordinierende Ärztin, der koordinierende Arzt oder die koordinierende Einrichtung eine Überweisung der Patientin oder des Patienten zu anderen Fachärzten oder Einrichtungen veranlassen, soweit die eigene Qualifikation für die Behandlung der Patientin oder des Patienten nicht ausreicht:

1.
bei Fuß-Läsionen Wagner-Stadium 2-5 und/oder Armstrong-Klasse C oder D in eine für die Behandlung des diabetischen Fußsyndroms qualifizierte Einrichtung,

2.
zur augenärztlichen Untersuchung, insbesondere der Untersuchung der Netzhaut (vergleiche Ziffer 1.5.1.3),

3.
bei geplanter oder bestehender Schwangerschaft in eine in der Behandlung von Schwangeren mit Diabetes mellitus Typ 1 erfahrene qualifizierte Einrichtung (vergleiche Ziffer 1.6),

4.
zur Einleitung einer Insulinpumpentherapie in eine mit dieser Therapie erfahrene diabetologisch qualifizierte Einrichtung,

5.
bei bekannter Hypertonie und bei Nichterreichen des Ziel-Blutdruck-Bereiches unterhalb systolisch 140 mmHg und diastolisch 90 mmHg innerhalb eines Zeitraums von höchstens sechs Monaten zur jeweils qualifizierten Fachärztin, zum jeweils qualifizierten Facharzt oder zur qualifizierten Einrichtung.

Bei Vorliegen folgender Indikationen soll eine Überweisung zur Mitbehandlung erwogen werden:

1.
bei signifikanter Kreatinin-Erhöhung beziehungsweise bei Einschränkung der Kreatinin-Clearance zum Nephrologen,

2.
bei Vorliegen makroangiopathischer einschließlich kardialer Komplikationen zur jeweils qualifizierten Fachärztin, zum jeweils qualifizierten Facharzt oder zur qualifizierten Einrichtung,

3.
bei allen diabetischen Fuß-Läsionen in eine für die Behandlung des diabetischen Fußsyndroms qualifizierte Einrichtung.

Im Übrigen entscheidet die Ärztin oder der Arzt nach pflichtgemäßem Ermessen über eine Überweisung.

Erfolgt in Einzelfällen die Koordination durch eine Hausärztin oder einen Hausarzt im Rahmen ihrer in § 73 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch beschriebenen Aufgaben, ist ergänzend zu den oben aufgeführten Indikationen eine Überweisung auch bei folgenden Indikationen zur jeweils qualifizierten Fachärztin, zum jeweils qualifizierten Facharzt oder zur qualifizierten Einrichtung zu veranlassen. Dies gilt ebenso, wenn die Koordination im Falle von Kindern und Jugendlichen durch eine diabetologisch besonders qualifizierte Ärztin oder einen diabetologisch besonders qualifizierten Arzt ohne Anerkennung auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendmedizin erfolgt. In diesem Fall ist bei den folgenden Indikationen eine Überweisung zur diabetologisch qualifizierten Pädiaterin, zum diabetologisch qualifizierten Pädiater oder zur diabetologisch qualifizierten pädiatrischen Einrichtung zu veranlassen:

1.
bei Erstmanifestation in eine diabetologisch qualifizierte Einrichtung,

2.
bei Neuauftreten mikrovaskulärer Komplikationen (Nephropathie, Retinopathie) oder Neuropathie an eine diabetologisch qualifizierte Einrichtung,

3.
bei Vorliegen mikrovaskulärer Komplikationen (Nephropathie, Retinopathie) oder Neuropathie mindestens einmal jährlich an eine diabetologisch qualifizierte Einrichtung,

4.
bei Vorliegen makroangiopathischer einschließlich kardialer Komplikationen in eine diabetologisch qualifizierte Einrichtung,

5.
zur Einleitung einer intensivierten Insulintherapie in eine diabetologisch qualifizierte Einrichtung, die zur Durchführung von strukturierten Behandlungs- und Schulungsprogrammen qualifiziert ist,

6.
bei Nichterreichen eines HbA1c-Wertes unter dem etwa 1,2-fachen der oberen Norm der jeweiligen Labormethode nach maximal sechs Monaten Behandlungsdauer in eine diabetologisch qualifizierte Einrichtung,

7.
bei Abschluss der akut-medizinischen Versorgung infolge einer schweren Stoffwechseldekompensation (zum Beispiel schwere Hypoglykämie, Ketoazidose) in eine diabetologisch qualifizierte Einrichtung.

Im Übrigen entscheidet die Ärztin oder der Arzt nach pflichtgemäßem Ermessen über eine Überweisung.

1.8.3
Einweisung in ein Krankenhaus zur stationären Behandlung

Indikationen zur stationären Einweisung in ein geeignetes Krankenhaus bestehen insbesondere bei:

1.
Notfall (in jedes Krankenhaus),

2.
ketoazidotischer Erstmanifestation in eine diabetologisch qualifizierte stationäre Einrichtung oder ein diabetologisch qualifiziertes Krankenhaus,

3.
Abklärung nach wiederholten schweren Hypoglykämien oder Ketoazidosen in ein diabetologisch qualifiziertes Krankenhaus,

4.
Verdacht auf infizierten diabetischen Fuß neuropathischer oder angiopathischer Genese sowie bei akuter neuroosteopathischer Fußkomplikation in ein für die Behandlung des diabetischen Fußsyndroms qualifiziertes Krankenhaus,

5.
Nichterreichen eines HbA1c-Wertes unter dem etwa 1,2-fachen der oberen Norm der jeweiligen Labormethode nach in der Regel sechs Monaten (spätestens neun Monaten) Behandlungsdauer in einer ambulanten diabetologisch qualifizierten Einrichtung; vor einer Einweisung in diabetologisch qualifizierte stationäre Einrichtungen ist zu prüfen, ob die Patientin oder der Patient von einer stationären Behandlung profitieren kann,

6.
Kindern und Jugendlichen mit neu diagnostiziertem Diabetes mellitus Typ 1 beziehungsweise bei schwerwiegenden Behandlungsproblemen (zum Beispiel ungeklärten Hypoglykämien oder Ketoazidosen) in pädiatrisch diabetologisch qualifizierte stationäre Einrichtungen,

7.
gegebenenfalls zur Einleitung einer intensivierten Insulintherapie in eine diabetologisch qualifizierte stationäre Einrichtung, die zur Durchführung von strukturierten Schulungs- und Behandlungsprogrammen (entsprechend Ziffer 4.2) qualifiziert ist,

8.
gegebenenfalls zur Durchführung eines strukturierten Schulungs- und Behandlungsprogramms (entsprechend Ziffer 4.2) von Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 im stationären Bereich,

9.
gegebenenfalls zur Einleitung einer Insulinpumpentherapie (CSII),

10.
gegebenenfalls zur Mitbehandlung von Begleit- und Folgekrankheiten des Diabetes mellitus Typ 1. Im Übrigen entscheidet die Ärztin oder der Arzt nach pflichtgemäßem Ermessen über eine Einweisung.

1.8.4 Veranlassung einer Rehabilitationsleistung

Im Rahmen des strukturierten Behandlungsprogramms ist insbesondere bei Vorliegen von Komplikationen oder Begleiterkrankungen zu prüfen, ob die Patientin oder der Patient mit Diabetes mellitus Typ 1 von einer Rehabilitationsleistung profitieren kann. Eine Leistung zur Rehabilitation soll insbesondere erwogen werden, um die Erwerbsfähigkeit, die Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe der Patientin oder des Patienten am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen durch den Diabetes mellitus Typ 1 und seine Begleit- und Folgeerkrankungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken.

2.
Qualitätssichernde Maßnahmen (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)

Die Ausführungen zu Ziffer 2 der Anlage 1 gelten entsprechend.

3.
Teilnahmevoraussetzungen und Dauer der Teilnahme der Versicherten (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)

Die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt soll prüfen, ob die Patientin oder der Patient im Hinblick auf die in Ziffer 1.3.1 genannten Therapieziele von der Einschreibung profitieren und aktiv an der Umsetzung mitwirken kann.

3.1
Allgemeine Teilnahmevoraussetzungen

Die Ausführungen zu Ziffer 3.1 der Anlage 1 gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass die Teilnahmeerklärung für Versicherte bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres durch ihre gesetzlichen Vertreter abgegeben wird.

3.2
Spezielle Teilnahmevoraussetzungen

Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 können in das strukturierte Behandlungsprogramm eingeschrieben werden, wenn - zusätzlich zu den in Ziffer 3.1 genannten Voraussetzungen - eine Insulintherapie gemäß Ziffer 1.3.4 eingeleitet wurde oder durchgeführt wird.

4.
Schulungen (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)

Die Ausführungen zu Ziffer 4 der Anlage 1 gelten entsprechend.

4.1
Schulungen der Leistungserbringer

Schulungen der Leistungserbringer dienen der Erreichung der vertraglich vereinbarten Versorgungsziele. Die Inhalte der Schulungen zielen auf die vereinbarten Management-Komponenten, insbesondere bezüglich der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit und der Einschreibekriterien nach Ziffer 3 ab. Die Vertragspartner definieren Anforderungen an die für die strukturierten Behandlungsprogramme relevante, während des Programms stattfindende regelmäßige Fortbildung teilnehmender Leistungserbringer. Sie können die dauerhafte Mitwirkung der Leistungserbringer von entsprechenden Teilnahmenachweisen abhängig machen.

4.2
Schulungen der Versicherten

Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 profitieren in besonderem Maße von einer eigenständig durchgeführten Insulintherapie, einschließlich einer eigenständigen Anpassung der Insulindosis auf der Basis einer Stoffwechselselbstkontrolle. Die dazu notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten werden im Rahmen eines strukturierten Schulungs- und Behandlungsprogramms vermittelt. Vor diesem Hintergrund ist die Bereitstellung solcher Schulungs- und Behandlungsprogramme unverzichtbarer Bestandteil des strukturierten Behandlungsprogramms. Aufgabe der behandelnden Ärztin oder des behandelnden Arztes ist es, die Patientinnen und Patienten über den besonderen Nutzen des strukturierten Schulungs- und Behandlungsprogramms zu informieren und ihnen die Teilnahme nahe zu legen. Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 und deren Betreuungspersonen müssen unter Berücksichtigung des individuellen Schulungsstandes Zugang zu strukturierten, bei Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 evaluierten, zielgruppenspezifischen und publizierten Schulungs- und Behandlungsprogrammen erhalten. Deren Wirksamkeit muss im Hinblick auf die Verbesserung der Stoffwechsellage belegt sein. Die Schulung von Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 soll in einer qualifizierten Einrichtung erfolgen. Die Qualifikation der Leistungserbringer ist sicherzustellen. Hierbei ist der Bezug zu den hinterlegten strukturierten medizinischen Inhalten der Programme nach § 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch herzustellen. Der bestehende Schulungsstand der Versicherten ist zu berücksichtigen. Bei Antragstellung müssen die Schulungsprogramme, die angewandt werden sollen, gegenüber dem Bundesversicherungsamt benannt werden.

5.
Evaluation (§ 137f Absatz 2 Satz 2 Nummer 6 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)

Die Ausführungen zu Ziffer 5 der Anlage 1 gelten entsprechend."


Artikel 2 Inkrafttreten



Diese Verordnung tritt am 1. Juli 2009 in Kraft.