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Verordnung über die Rechtsanwaltsverzeichnisse und die besonderen elektronischen Anwaltspostfächer (Rechtsanwaltsverzeichnis- und -postfachverordnung - RAVPV)

V. v. 23.09.2016 BGBl. I S. 2167 (Nr. 45); zuletzt geändert durch Artikel 9 G. v. 15.07.2022 BGBl. I S. 1146
Geltung ab 28.09.2016, abweichend siehe § 32; FNA: 303-8-4 Notare, Rechtsanwälte, Rechtsberater; Beurkundung
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Teil 4 Besonderes elektronisches Anwaltspostfach

§ 22 Erstanmeldung am Postfach



(1) 1Die Erstanmeldung des Postfachinhabers an seinem besonderen elektronischen Anwaltspostfach erfolgt unter Verwendung eines für ihn zu diesem Zweck erzeugten und auf einer Hardwarekomponente gespeicherten Zertifikats, das die eindeutige Bezeichnung des Postfachs enthält, sowie unter Verwendung der zugehörigen Zertifikats-PIN. 2Eine Hardwarekomponente im Sinne des Satzes 1 und des § 23 muss vergleichbaren Anforderungen genügen, wie sie nach dem Anhang II der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG (ABl. L 257 vom 28.8.2014, S. 73) für qualifizierte elektronische Signaturerstellungseinheiten gelten.

(2) 1Der Postfachinhaber erlangt das zur Erstanmeldung erforderliche Zertifikat und die zugehörige Zertifikats-PIN durch Bestellung des Zertifikats bei der Bundesrechtsanwaltskammer oder einer von ihr bestimmten Stelle. 2Der Postfachinhaber kann auch mehrere zur Erstanmeldung geeignete Zertifikate bestellen.

(3) Die Ausgabe des zur Erstanmeldung erforderlichen Zertifikats und die Zuteilung der zugehörigen Zertifikats-PIN haben in einem Verfahren zu erfolgen, das gewährleistet, dass

1.
der Postfachinhaber das Zertifikat und die Zertifikats-PIN unverzüglich, jedoch getrennt voneinander erlangt,

2.
das besondere elektronische Anwaltspostfach dem Zertifikat zweifelsfrei zugeordnet ist,

3.
keine unbefugte Inbesitznahme des Zertifikats durch Dritte erfolgt und

4.
keine unbefugte Kenntnisnahme Dritter von der Zertifikats-PIN erfolgt.

(4) 1Die Bundesrechtsanwaltskammer hat sich in geeigneter Weise davon zu überzeugen, dass das zur Erstanmeldung erforderliche Zertifikat dem Postfachinhaber zugegangen ist. 2Hierzu kann sie sich einer anderen öffentlichen Stelle bedienen.

(5) Die Bundesrechtsanwaltskammer hat das zur Erstanmeldung erteilte Zertifikat unverzüglich zu sperren, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Voraussetzungen nach Absatz 3 Nummer 2 bis 4 nicht erfüllt sind.


§ 23 Weitere Zugangsberechtigungen zum Postfach



(1) 1Der Postfachinhaber kann mit einem auf einer Hardwarekomponente gespeicherten Zertifikat weitere ihm zugeordnete Zertifikate berechtigen, ihm Zugang zu seinem besonderen elektronischen Anwaltspostfach zu gewähren. 2Diese Zertifikate müssen nicht auf einer Hardwarekomponente gespeichert sein. 3Zu ihnen muss jedoch ebenfalls eine Zertifikats-PIN gehören. 4Zudem müssen sie von einem von der Bundesrechtsanwaltskammer anerkannten Zertifizierungsdiensteanbieter authentifiziert sein.

(2) 1Der Postfachinhaber kann auch anderen Personen Zugang zu seinem besonderen elektronischen Anwaltspostfach gewähren. 2Verfügen die anderen Personen nicht über ein eigenes besonderes elektronisches Anwaltspostfach, hat der Postfachinhaber für sie ein Zugangskonto anzulegen. 3Der Zugang der anderen Personen über ihr Zugangskonto erfolgt unter Verwendung eines ihnen zugeordneten Zertifikats und einer zugehörigen Zertifikats-PIN. 4Der Postfachinhaber kann hierzu mit einem auf einer Hardwarekomponente gespeicherten Zertifikat weitere Zertifikate berechtigen, anderen Personen Zugang zu seinem Postfach zu gewähren. 5Für diese Zertifikate gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 entsprechend.

(3) 1Der Postfachinhaber kann, wenn er mit einem auf einer Hardwarekomponente gespeicherten Zertifikat angemeldet ist, anderen Personen unterschiedlich weit reichende Zugangsberechtigungen zu seinem besonderen elektronischen Anwaltspostfach erteilen. 2Er kann anderen Personen, deren Zertifikat auf einer Hardwarekomponente gespeichert ist, auch die Befugnis einräumen, weitere Zugangsberechtigungen zu erteilen. 3Für die Erteilung weiterer Zugangsberechtigungen durch entsprechend ermächtigte andere Personen gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend. 4Der Postfachinhaber kann anderen Personen zudem die Befugnis einräumen, Nachrichten zu versenden. 5Das Recht, nicht-qualifiziert elektronisch signierte Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg zu versenden, kann er jedoch nicht auf andere Personen übertragen. 6Satz 5 gilt nicht für die Befugnis von Vertretungen und Zustellungsbevollmächtigten, elektronische Empfangsbekenntnisse abzugeben. 7Handelt es sich bei dem Postfachinhaber um eine Berufsausübungsgesellschaft, so darf diese das Recht, nicht-qualifiziert elektronisch signierte Dokumente für die Berufsausübungsgesellschaft auf einem sicheren Übermittlungsweg zu versenden, nur solchen vertretungsberechtigten Rechtsanwälten einräumen, die ihren Beruf in der Berufsausübungsgesellschaft ausüben.

(4) Der Postfachinhaber und die von ihm entsprechend ermächtigten anderen Personen können erteilte Zugangsberechtigungen jederzeit ändern und widerrufen.




§ 24 Zugang zum Postfach



(1) 1Die Anmeldung des Inhabers an seinem besonderen elektronischen Anwaltspostfach erfolgt mit einem ihm zugeordneten Zertifikat und der zugehörigen Zertifikats-PIN. 2Hat der Inhaber die Nutzung des Postfachs beendet, hat er sich abzumelden. 3Die Bundesrechtsanwaltskammer hat für den Fall, dass der aktivierte Zugang für eine bestimmte Zeitdauer nicht genutzt wird, eine automatische Abmeldung des Postfachinhabers durch das System vorzusehen. 4Bei der Bemessung der Zeitdauer sind die Belange des Datenschutzes gegen den Aufwand für die erneute Anmeldung abzuwägen.

(2) Die Anmeldung anderer Personen an einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach erfolgt mit einem ihnen zugeordneten Zertifikat und der zugehörigen Zertifikats-PIN; Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.


§ 25 Vertretungen, Abwickler und Zustellungsbevollmächtigte



(1) 1Verfügt eine Person, die für eine im Gesamtverzeichnis eingetragene Person oder Berufsausübungsgesellschaft von der Rechtsanwaltskammer als Vertretung oder Abwickler bestellt wird, nicht über ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach, unterrichtet die für die eingetragene Person zuständige Rechtsanwaltskammer die Bundesrechtsanwaltskammer über deren Bestellung oder Benennung. 2Sie übermittelt hierzu die Angaben zur Identität der eingetragenen Person oder Berufsausübungsgesellschaft sowie den Familiennamen, die Vornamen und eine zustellfähige Anschrift der Person, für die das Postfach einzurichten ist. 3Die Bundesrechtsanwaltskammer richtet daraufhin für die bestellte oder benannte Person für die Dauer ihrer Tätigkeit ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach ein.

(2) Die Rechtsanwaltskammern teilen der Bundesrechtsanwaltskammer mit, wenn aufgrund veränderter Umstände die Voraussetzungen für die Einrichtung eines besonderen elektronischen Anwaltspostfachs im Sinne des Absatzes 1 entfallen sind.

(3) 1Bestellt die Rechtsanwaltskammer eine Vertretung oder einen Abwickler, so räumt die Bundesrechtsanwaltskammer dieser Person oder der Berufsausübungsgesellschaft für die Dauer ihrer Bestellung einen auf die Übersicht der eingegangenen Nachrichten beschränkten Zugang zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach der Person ein, für die sie bestellt wurde. 2Dabei müssen für die Vertretung oder den Abwickler der Absender und der Eingangszeitpunkt der Nachricht einsehbar sein; der Betreff, der Text und die Anhänge der Nachricht dürfen nicht einsehbar sein. 3Die zur Einräumung des Zugangs erforderliche Übermittlung von Daten durch die Rechtsanwaltskammer an die Bundesrechtsanwaltskammer erfolgt im automatisierten Verfahren. 4Zu diesem Zweck zu übertragende Daten sind zumindest mit einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen.

(4) 1Hat es ein Rechtsanwalt in den Fällen des § 30, des § 46c Absatz 6 oder des § 54 Absatz 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung unterlassen, einem von ihm benannten Zustellungsbevollmächtigten oder einer von ihm bestellten Vertretung einen Zugang zu seinem besonderen elektronischen Anwaltspostfach einzuräumen, so kann die Bundesrechtsanwaltskammer dieser Person für die Dauer ihrer Benennung oder Bestellung einen auf die Übersicht der eingegangenen Nachrichten beschränkten Zugang zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach des Rechtsanwalts einräumen, für den sie benannt oder bestellt wurde. 2Absatz 3 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend. 3Der Antrag auf Einräumung eines Zugangs nach Satz 1 ist bei der Rechtsanwaltskammer zu stellen.

(5) Hat es eine Berufsausübungsgesellschaft in den Fällen des § 59m Absatz 4 in Verbindung mit § 30 der Bundesrechtsanwaltsordnung oder des § 59e Absatz 1 in Verbindung mit § 54 Absatz 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung unterlassen, einem von ihr benannten Zustellungsbevollmächtigten oder einer von ihr bestellten Vertretung einen Zugang zu ihrem besonderen elektronischen Anwaltspostfach einzuräumen, so gilt Absatz 4 entsprechend.




§ 26 Datensicherheit



(1) Die Inhaber eines für sie erzeugten Zertifikats dürfen dieses keiner weiteren Person überlassen und haben die dem Zertifikat zugehörige Zertifikats-PIN geheim zu halten.

(2) Der Postfachinhaber hat unverzüglich alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um einen unbefugten Zugriff auf sein Postfach zu verhindern, sofern Anhaltspunkte dafür bestehen, dass

1.
ein Zertifikat in den Besitz einer unbefugten Person gelangt ist,

2.
die einem Zertifikat zugehörige Zertifikats-PIN einer unbefugten Person bekannt geworden ist,

3.
ein Zertifikat unbefugt kopiert wurde oder

4.
sonst von einer Person mittels eines Zertifikats auf das besondere elektronische Anwaltspostfach unbefugt zugegriffen werden könnte.


§ 27 Automatisches Löschen von Nachrichten



1Nachrichten dürfen frühestens 90 Tage nach ihrem Eingang automatisch in den Papierkorb des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs verschoben werden. 2Im Papierkorb befindliche Nachrichten dürfen frühestens nach 30 Tagen automatisch gelöscht werden.


§ 28 Aufhebung der Zugangsberechtigung und Sperrung



(1) 1Die Bundesrechtsanwaltskammer sperrt ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach, wenn die Eintragungen zum Postfachinhaber im Gesamtverzeichnis gesperrt wurden. 2Ein für die Zweigstelle einer Berufsausübungsgesellschaft eingerichtetes weiteres besonderes elektronisches Anwaltspostfach wird zudem gesperrt, wenn die Berufsausübungsgesellschaft dieses nicht mehr wünscht. 3Der Zugang zu einem gesperrten besonderen elektronischen Anwaltspostfach ist nicht möglich. 4Dies gilt für den Postfachinhaber und alle anderen Personen, denen eine Zugangsberechtigung zu dem Postfach erteilt wurde. 5Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht, wenn der Postfachinhaber von einer Rechtsanwaltskammer in eine andere wechselt.

(2) 1Das besondere elektronische Anwaltspostfach wird zudem gesperrt, wenn für dessen Inhaber ein Abwickler bestellt ist. 2Der Zugang des Abwicklers nach § 25 Absatz 3 Satz 1 und 2 bleibt hiervon unberührt.

(3) Gesperrte besondere elektronische Anwaltspostfächer sind nicht adressierbar.

(4) Wird eine Sperrung der Eintragung des Postfachinhabers im Gesamtverzeichnis aufgehoben, ist auch die Sperrung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs unverzüglich rückgängig zu machen.




§ 29 Löschung des Postfachs



1Gesperrte besondere elektronische Anwaltspostfächer werden einschließlich der darin gespeicherten Nachrichten sechs Monate nach der Sperrung gelöscht. 2Wird ein Abwickler bestellt, erfolgt die Löschung nicht vor Beendigung der Abwicklung.


Teil 5 Schlussvorschriften

§ 30 Die Rechtsanwaltschaft bei dem Bundesgerichtshof



Von den Aufgaben, die nach dieser Verordnung der Rechtsanwaltskammer zugewiesen sind, nimmt das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz die Aufgaben wahr, die mit der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft bei dem Bundesgerichtshof, dem Erlöschen dieser Zulassung und der Bestellung einer Vertretung oder eines Abwicklers für einen Rechtsanwalt bei dem Bundesgerichtshof verbunden sind.