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Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz - BVerfSchG)

Artikel 2 G. v. 20.12.1990 BGBl. I S. 2954, 2970; zuletzt geändert durch Artikel 1 G. v. 22.12.2023 BGBl. 2023 I Nr. 413
Geltung ab 30.12.1990; FNA: 12-4 Verfassungsschutz, Nachrichtendienst
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Dritter Abschnitt Übermittlungsvorschriften

§ 23 Übermittlungsverbot



(1) 1Personenbezogene Daten dürfen nicht nach den §§ 19 bis 22a übermittelt werden, wenn

1.
besondere gesetzliche Verarbeitungsregelungen entgegenstehen,

2.
die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Person das Allgemeininteresse an der Übermittlung überwiegen unter Berücksichtigung

a)
der Art der Information,

b)
ihrer Wertigkeit, auch unter Berücksichtigung eines vergangenen Zeitraums und des Alters der betroffenen Person, insbesondere bei Minderjährigen,

c)
der Art der Erhebung, insbesondere im Falle des § 8 Absatz 2,

d)
drohender, insbesondere verdachtsgegründeter Anschlussmaßnahmen,

e)
der Verfügbarkeit vorherigen Rechtsschutzes gegen drohende Folgemaßnahmen,

3.
durch die Übermittlung der personenbezogenen Daten eine dringende Gefahr für ein Schutzgut nach § 19 Absatz 3 Nummer 4 zu besorgen ist; dies gilt nicht, wenn die Übermittlung dem Schutz solcher Rechtsgüter dient und dieses Schutzinteresse überwiegt, oder

4.
sonstige überwiegende Sicherheitsinteressen der Übermittlung entgegenstehen; dies ist nicht der Fall, wenn die Übermittlung unerlässlich ist zur

a)
Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für die Schutzgüter nach § 19 Absatz 3,

b)
Verfolgung einer auch im Einzelfall besonders schwerwiegenden Straftat, die im Höchstmaß mit einer Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist.

2Die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten bleibt unberührt.

(2) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat unterrichtet das Parlamentarische Kontrollgremium mindestens einmal im Jahr über die Fälle des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 4.




§ 24 Minderjährigenschutz bei Inlandsübermittlung



1Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten, die sich auf das Verhalten Minderjähriger beziehen, vorbehaltlich der Sätze 2 und 3 nicht übermitteln. 2Es darf die personenbezogenen Daten nur übermitteln, wenn eine Weiterverarbeitung für die Vorbereitung oder Durchführung belastender Maßnahmen mit unmittelbarer Außenwirkung für die betroffene Person ausgeschlossen ist, bei einer Übermittlung nach § 22a Satz 1 Nummer 3 beschränkt auf dessen Buchstaben e bis g. 3Im Übrigen darf es personenbezogene Daten nur übermitteln in Bezug auf eine minderjährige Person, die

1.
mindestens 14 Jahre alt ist,

a)
zur Abwehr einer Gefahr nach § 19 Absatz 1 Satz 1,

b)
zum administrativen Rechtsgüterschutz nach § 20 Absatz 1 Nummer 1 und 8 oder

c)
zur Verfolgung einer besonders schweren Straftat nach § 21,

2.
noch nicht 14 Jahre alt ist, wenn nach den Umständen des Einzelfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass von der minderjährigen Person eine Gefahr ausgeht für

a)
Leib oder Leben einer Person oder

b)
Einrichtungen der Bundesrepublik Deutschland, der Europäischen Union oder des Nordatlantikvertrages.




§ 25 Weiterverarbeitung durch den Empfänger



(1) 1Der Empfänger prüft, ob die nach den §§ 19 bis 22a übermittelten personenbezogenen Daten für die Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sind. 2Ergibt die Prüfung, dass die Daten nicht erforderlich sind, hat er sie zu löschen. 3Die Löschung kann unterbleiben, wenn die Trennung von anderen Informationen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich ist. 4Der Empfänger darf diese weiteren Daten jedoch nicht nutzen.

(2) 1Der Empfänger darf die übermittelten Daten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur verarbeiten

1.
zu dem Zweck, zu dem sie ihm übermittelt wurden, oder

2.
zu einem anderen Zweck, wenn sie ihm auch zu diesem Zweck übermittelt werden dürften unter der Voraussetzung, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz der Verarbeitung zu dem abgeänderten Zweck für den Einzelfall oder eine Reihe gleichgelagerter Fälle zustimmt.

2Das Bundesamt für den Verfassungsschutz hat den Empfänger auf den Zweck der Übermittlung und die Zweckbindung nach Satz 1 hinzuweisen. 3Dies gilt nicht für Übermittlungen im Rahmen verdeckter Ermittlungen. 4Der Empfänger ist verpflichtet, dem Bundesamt für Verfassungsschutz auf dessen Verlangen Auskunft über die weitere Verarbeitung zu geben.

(3) Hat die Übermittlung personenbezogener Daten in einem Verfahren zur vorbeugenden Personenüberprüfung nachteilige Folgen für die betroffene Person, so schließt das Auskunftsrecht der betroffenen Person auch das Recht auf Auskunft ein, dass die Folge durch eine Übermittlung des Bundesamtes für Verfassungsschutz veranlasst ist.




§ 25a Übermittlung an ausländische sowie über- und zwischenstaatliche Stellen



(1) 1Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten an ausländische öffentliche Stellen sowie an über- und zwischenstaatliche Stellen zur Weiterverarbeitung ohne Folgemaßnahmen mit unmittelbarer Außenwirkung übermitteln, wenn dies auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte im Einzelfall zum Schutz der Schutzgüter nach § 19 Absatz 3 oder zum Schutz der Sicherheit eines anderen Staates oder einer über- und zwischenstaatlichen Einrichtung erforderlich ist. 2Eine Übermittlung zum Schutz eines anderen Staates oder zur Aufklärung von Staatsschutzdelikten, die gegen einen anderen Staat begangen worden sind, ist unbeschadet des Absatzes 2 nur zulässig, wenn dort die grundlegenden demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien sowie die elementaren Menschenrechte gewährleistet sind.

(2) 1Die Übermittlung unterbleibt, wenn folgende Belange entgegenstehen:

1.
besondere gesetzliche Regelungen zur Verarbeitung personenbezogener Daten oder

2.
wesentliche auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland oder

3.
überwiegende schutzwürdige Interessen einer Person.

2Überwiegende schutzwürdige Interessen stehen insbesondere entgegen, wenn Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder sonstige elementare Menschenrechte gefährdet würden oder Verletzungen von elementaren rechtsstaatlichen Grundsätzen drohen. 3Bei der Prüfung, ob eine Übermittlung zu unterbleiben hat, berücksichtigt das Bundesamt für Verfassungsschutz insbesondere den bisherigen Umgang des Empfängers mit übermittelten Daten und die Gewährleistung eines zum Schutz der Menschenrechte angemessenen Datenschutzes. 4Ein die elementaren Menschenrechte wahrender Umgang mit den übermittelten Daten ist insbesondere dann nicht gewährleistet, wenn zu besorgen ist, dass die Daten zu politischer Verfolgung oder zu unmenschlicher oder erniedrigender Bestrafung oder Behandlung verwendet werden. 5Verbleiben auf Grund der Einschätzung Zweifel an der Vereinbarkeit der Übermittlung mit den Anforderungen nach Nummer 3, so dürfen die Daten nur auf der Grundlage einer belastbaren verbindlichen Zusicherung des Empfängers und nur mit Zustimmung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat übermittelt werden.

(3) 1Die übermittelten personenbezogenen Daten dürfen

1.
nur zu dem Zweck, zu dem sie ihm übermittelt wurden, und

2.
unbeschadet des Absatzes 4 nicht für Folgemaßnahmen mit unmittelbarer Außenwirkung zu Lasten der betroffenen Person

weiterverarbeitet werden. 2Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat den Empfänger hierauf hinzuweisen. 3Es hat ihn ferner darauf hinzuweisen, dass es sich vorbehält, um Auskunft über die vorgenommene Verwendung der Daten zu bitten.

(4) Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf einer Verwendung der personenbezogenen Daten für Maßnahmen mit unmittelbarer Außenwirkung zu Lasten der betroffenen Person zustimmen

1.
zur Abwehr einer zumindest konkretisierten Gefahr für ein Schutzgut, dessen Gewicht den Schutzgütern nach § 19 Absatz 3 entspricht,

2.
zum administrativen Rechtsgüterschutz in Verfahren, die den in § 20 Absatz 1 benannten entsprechen,

3.
auf Grund eines durch bestimmte Tatsachen begründeten Verdachts zur Verfolgung einer besonders schweren Straftat, deren Gewicht den Straftaten nach § 21 Absatz 2 entspricht.

(5) 1Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten, die sich auf das Verhalten Minderjähriger beziehen, vorbehaltlich der Sätze 2 bis 4 nicht übermitteln. 2Personenbezogene Daten einer minderjährigen Person, die mindestens 16 Jahre alt ist, darf das Bundesamt für Verfassungsschutz nur unter den Voraussetzungen des § 24 Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 Buchstabe a und c übermitteln, zur Strafverfolgung jedoch nur bei dringendem Tatverdacht. 3Personenbezogene Daten einer minderjährigen Person, die noch nicht 16 Jahre alt ist, darf es nur übermitteln, wenn nach den Umständen des Einzelfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass von der minderjährigen Person eine Gefahr ausgeht für

1.
Leib oder Leben einer Person oder

2.
Einrichtungen der Bundesrepublik Deutschland, der Europäischen Union oder des Nordatlantikvertrages.

4Bei einer Übermittlung an einen Staat, der unmittelbar an die Bundesrepublik Deutschland angrenzt oder Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Nordatlantikvertrages ist, ist § 24 entsprechend anzuwenden.

(6) Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten an eine nichtöffentliche Stelle im Ausland übermitteln, wenn dies auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte im Einzelfall zur Abwehr einer dringenden Gefahr für ein Schutzgut nach § 19 Absatz 3 Nummer 4 unerlässlich ist und überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Person nach § 23 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 nicht entgegenstehen.

(7) 1Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten auch an inländische Stellen übermitteln, wenn dies zur Vorbereitung einer Übermittlung nach den vorstehenden Absätzen erforderlich ist. 2§ 25 Absatz 2 ist anzuwenden.




§ 25b Übermittlung zum Schutz der betroffenen Person



1Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten auch übermitteln, wenn offensichtlich ist, dass die Übermittlung im Interesse der betroffenen Person liegt, deren Einwilligung nicht oder nicht rechtzeitig eingeholt werden kann und kein Grund zu der Annahme besteht, dass sie in Kenntnis der Übermittlung ihre Einwilligung verweigern würde. 2Es darf personenbezogene Daten insbesondere für Zwecke der Jugendhilfe übermitteln.




§ 25c Weitere Verfahrensregelungen



(1) 1Das Bundesamt für Verfassungsschutz protokolliert den Empfänger, die Rechtsgrundlage sowie den Zeitpunkt der Übermittlung. 2Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf Protokolldaten, die ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle gespeichert werden, nur für diesen Zweck verarbeiten. 3Die Protokolldaten sind bis zum Ablauf des zweiten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr der Protokollierung folgt, aufzubewahren und nach Ablauf dieser Aufbewahrungsfrist unverzüglich zu löschen.

(2) 1Sind mit personenbezogenen Daten, die übermittelt werden dürfen, weitere Daten der betroffenen Person oder eines Dritten so verbunden, dass eine Trennung nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist, ist die Übermittlung auch dieser Daten zulässig, soweit nicht berechtigte Interessen der betroffenen Person oder eines Dritten an der Geheimhaltung offensichtlich überwiegen. 2Der Empfänger darf diese Daten nicht nutzen.

(3) 1Eine Übermittlung an nichtöffentliche Stellen bedarf der Zustimmung der Amtsleitung des Bundesamtes für Verfassungsschutz. 2Für Übermittlungen an inländische nichtöffentliche Stellen kann die Zustimmung auch allgemein für gleichgelagerte Fälle erfolgen. 3Die Übermittlung ist dem Betroffenen durch das Bundesamt für Verfassungsschutz mitzuteilen, sobald eine Gefährdung seiner Aufgabenerfüllung durch die Mitteilung nicht mehr zu besorgen ist.




§ 25d Übermittlung von personenbezogenen Daten aus allgemein zugänglichen Quellen



(1) 1Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten, die es aus allgemein zugänglichen Quellen erhoben hat, einer anderen Stelle übermitteln, wenn dies erforderlich ist

1.
zur Erfüllung seiner Aufgaben oder

2.
der Aufgaben der empfangenden Stelle.

2Eine automatisierte Übermittlung ist zulässig.

(2) 1Absatz 1 gilt nicht für personenbezogene Daten, die aus allgemein zugänglichen Quellen systematisch erhoben oder zusammengeführt wurden. 2Die Übermittlung richtet sich in diesen Fällen nach den §§ 19 bis 25c.




§ 26 Nachberichtspflicht



Erweisen sich personenbezogene Daten nach ihrer Übermittlung nach den Vorschriften dieses Gesetzes als unvollständig oder unrichtig, so sind sie unverzüglich gegenüber dem Empfänger zu berichtigen, es sei denn, daß dies für die Beurteilung eines Sachverhalts ohne Bedeutung ist.