§ 104 Fixgeschäfte, Finanzleistungen, vertragliches Liquidationsnetting
(1) 1War die Lieferung von Waren, die einen Markt- oder Börsenpreis haben, genau zu einer festbestimmten Zeit oder innerhalb einer festbestimmten Frist vereinbart und tritt die Zeit oder der Ablauf der Frist erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein, so kann nicht Erfüllung verlangt, sondern nur eine Forderung wegen Nichterfüllung geltend gemacht werden. 2Dies gilt auch für Geschäfte über Finanzleistungen, die einen Markt- oder Börsenpreis haben und für die eine bestimmte Zeit oder eine bestimmte Frist vereinbart war, die nach der Eröffnung des Verfahrens eintritt oder abläuft. 3Als Finanzleistungen gelten insbesondere
- 1.
- die Lieferung von Edelmetallen,
- 2.
- die Lieferung von Finanzinstrumenten oder vergleichbaren Rechten, soweit nicht der Erwerb einer Beteiligung an einem Unternehmen zur Herstellung einer dauernden Verbindung beabsichtigt ist,
- 3.
- Geldleistungen,
- a)
- die in ausländischer Währung oder in einer Rechnungseinheit zu erbringen sind oder
- b)
- deren Höhe unmittelbar oder mittelbar durch den Kurs einer ausländischen Währung oder einer Rechnungseinheit, durch den Zinssatz von Forderungen oder durch den Preis anderer Güter oder Leistungen bestimmt wird,
- 4.
- von Nummer 2 nicht ausgeschlossene Lieferungen und Geldleistungen aus derivativen Finanzinstrumenten,
- 5.
- Optionen und andere Rechte auf Lieferungen nach Satz 1 oder auf Lieferungen, Geldleistungen, Optionen und Rechte im Sinne der Nummern 1 bis 5,
- 6.
- Finanzsicherheiten im Sinne des § 1 Absatz 17 des Kreditwesengesetzes.
4Finanzinstrumente im Sinne von Satz 3 Nummer 2 und 4 sind die in Anhang I Abschnitt C der
Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der
Richtlinien 2002/92/EG und
2011/61/EU (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 349; L 74 vom 18.3.2015, S. 38; L 188 vom 13.7.2016, S. 28; L 273 vom 8.10.2016, S. 35), die zuletzt durch die
Richtlinie (EU) 2016/1034 (ABl. L 175 vom 30.6.2016, S. 8) geändert worden ist, genannten Instrumente.
(2) 1Die Forderung wegen Nichterfüllung bestimmt sich nach dem Markt- oder Börsenwert des Geschäfts. 2Als Markt- oder Börsenwert gilt
- 1.
- der Markt- oder Börsenpreis für ein Ersatzgeschäft, das unverzüglich, spätestens jedoch am fünften Werktag nach der Eröffnung des Verfahrens abgeschlossen wird, oder
- 2.
- falls kein Ersatzgeschäft nach Nummer 1 abgeschlossen wird, der Markt- oder Börsenpreis für ein Ersatzgeschäft, das am zweiten Werktag nach der Verfahrenseröffnung hätte abgeschlossen werden können.
3Sofern das Marktgeschehen den Abschluss eines Ersatzgeschäfts nach Satz 2 Nummer 1 oder 2 nicht zulässt, ist der Markt- und Börsenwert nach Methoden und Verfahren zu bestimmen, die Gewähr für eine angemessene Bewertung des Geschäfts bieten.
(3)
1Werden Geschäfte nach Absatz 1 durch einen Rahmenvertrag oder das Regelwerk einer zentralen Gegenpartei im Sinne von
§ 1 Absatz 31 des Kreditwesengesetzes zu einem einheitlichen Vertrag zusammengefasst, der vorsieht, dass die einbezogenen Geschäfte bei Vorliegen bestimmter Gründe nur einheitlich beendet werden können, gilt die Gesamtheit der einbezogenen Geschäfte als ein Geschäft im Sinne des Absatzes 1.
2Dies gilt auch dann, wenn zugleich andere Geschäfte einbezogen werden; für letztere gelten die allgemeinen Bestimmungen.
(4) 1Die Vertragsparteien können abweichende Bestimmungen treffen, sofern diese mit den wesentlichen Grundgedanken der jeweiligen gesetzlichen Regelung vereinbar sind, von der abgewichen wird. 2Sie können insbesondere vereinbaren,
- 1.
- dass die Wirkungen nach Absatz 1 auch vor der Verfahrenseröffnung eintreten, insbesondere bei Stellung des Antrags einer Vertragspartei auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das eigene Vermögen oder bei Vorliegen eines Eröffnungsgrundes (vertragliche Beendigung),
- 2.
- dass einer vertraglichen Beendigung auch solche Geschäfte nach Absatz 1 unterliegen, bei denen die Ansprüche auf die Lieferung der Ware oder die Erbringung der Finanzleistung vor der Verfahrenseröffnung, aber nach dem für die vertragliche Beendigung vorgesehenen Zeitpunkt fällig werden,
- 3.
- dass zwecks Bestimmung des Markt- oder Börsenwerts des Geschäfts
- a)
- der Zeitpunkt der vertraglichen Beendigung an die Stelle der Verfahrenseröffnung tritt,
- b)
- die Vornahme des Ersatzgeschäfts nach Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 bis zum Ablauf des 20. Werktags nach der vertraglichen Beendigung erfolgen kann, soweit dies für eine wertschonende Abwicklung erforderlich ist,
- c)
- anstelle des in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannten Zeitpunkts ein Zeitpunkt oder Zeitraum zwischen der vertraglichen Beendigung und dem Ablauf des fünften darauf folgenden Werktags maßgeblich ist.
(5) Der andere Teil kann die Forderung wegen Nichterfüllung nur als Insolvenzgläubiger geltend machen.
Frühere Fassungen von § 104 InsO
Die nachfolgende Aufstellung zeigt alle Änderungen dieser Vorschrift. Über die Links aktuell und vorher können Sie jeweils alte Fassung (a.F.) und neue Fassung (n.F.) vergleichen. Beim Änderungsgesetz finden Sie dessen Volltext sowie die Begründung des Gesetzgebers.
Bitte beachten Sie, dass rückwirkende Änderungen - soweit vorhanden - nach dem Verkündungsdatum des Änderungstitels (Datum in Klammern) und nicht nach dem Datum des Inkrafttretens in diese Liste einsortiert sind.
interne Verweise§ 279 InsO Gegenseitige Verträge ... die Erfüllung der Rechtsgeschäfte und die Mitwirkung des Betriebsrats (§§ 103 bis 128) gelten mit der Maßgabe, daß an die Stelle des Insolvenzverwalters der ...
Zitat in folgenden NormenEinführungsgesetz zur Insolvenzordnung (EGInsO)
G. v. 05.10.1994 BGBl. I S. 2911; zuletzt geändert durch Artikel 37 G. v. 12.07.2024 BGBl. 2024 I Nr. 234
Energiesicherungsgesetz (EnSiG)
G. v. 20.12.1974 BGBl. I S. 3681; zuletzt geändert durch Artikel 1 G. v. 23.06.2023 BGBl. 2023 I Nr. 167
§ 24 EnSiG Preisanpassungsrechte bei verminderten Gasimporten (vom 12.07.2022) ... 1 Satz 1 und ihre Aufhebung sind im Bundesanzeiger bekannt zu machen. (7) § 104 der Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2866), die zuletzt durch Artikel 35 des Gesetzes vom 10. August ... Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind die Absätze 1 bis 5 auch auf Verträge, die § 104 der Insolvenzordnung unterliegen, anzuwenden. (8) Mit Inkrafttreten der Rechtsverordnung nach ...
Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG)
Artikel 1 G. v. 10.12.2014 BGBl. I S. 2091; zuletzt geändert durch Artikel 13 G. v. 27.12.2024 BGBl. 2024 I Nr. 438
Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG)
Artikel 1 G. v. 22.12.2020 BGBl. I S. 3256; zuletzt geändert durch Artikel 7 G. v. 15.07.2024 BGBl. 2024 I Nr. 236
§ 44 StaRUG Verbot von Lösungsklauseln ... (3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für Geschäfte nach § 104 Absatz 1 der Insolvenzordnung und Vereinbarungen über das Liquidationsnetting nach § 104 Absatz 3 und 4 der ... § 104 Absatz 1 der Insolvenzordnung und Vereinbarungen über das Liquidationsnetting nach § 104 Absatz 3 und 4 der Insolvenzordnung und Finanzsicherheiten im Sinne von § 1 Absatz 17 des Kreditwesengesetzes. Dies ...
Zitate in ÄnderungsvorschriftenAbwicklungsmechanismusgesetz (AbwMechG)
G. v. 02.11.2015 BGBl. I S. 1864
Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und zur Änderung des Gesetzes, betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung
G. v. 22.12.2016 BGBl. I S. 3147
Artikel 1 InsOuEGZPOÄndG Änderung der Insolvenzordnung ... 104 der Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2866), die zuletzt durch Artikel 16 des ... 1. Die Überschrift wird wie folgt gefasst: „§ 104 Fixgeschäfte, Finanzleistungen, vertragliches Liquidationsnetting". 2. Absatz ...
Artikel 3 InsOuEGZPOÄndG Änderung weiterer Rechtsvorschriften ... (1) Auf Insolvenzverfahren, die vor dem 10. Juni 2016 beantragt worden sind, ist § 104 der Insolvenzordnung in der bis dahin geltenden Fassung anzuwenden. (2) Auf ... (2) Auf Insolvenzverfahren, die vor dem 29. Dezember 2016 beantragt worden sind, ist § 104 der Insolvenzordnung in der bis dahin geltenden Fassung anzuwenden." (2) In § ... durch die Wörter „Absatz 1 der Insolvenzordnung, die in einem Rahmenvertrag nach § 104 Absatz 3 der Insolvenzordnung zusammengefasst sind" ...
Gesetz zur Änderung des Energiesicherungsgesetzes 1975 und anderer energiewirtschaftlicher Vorschriften
G. v. 20.05.2022 BGBl. I S. 730
Gesetz zur Bereithaltung von Ersatzkraftwerken zur Reduzierung des Gasverbrauchs im Stromsektor im Fall einer drohenden Gasmangellage durch Änderungen des Energiewirtschaftsgesetzes und weiterer energiewirtschaftlicher Vorschriften
G. v. 08.07.2022 BGBl. I S. 1054; 2023 I Nr. 27
Link zu dieser Seite: https://www.buzer.de/104_InsO.htm