(1) Forscher im Sinne dieser Vorschrift ist jede natürliche oder juristische Person, die wissenschaftliche Forschung betreibt.
(2) Ein Forscher kann vom Anbieter eines sozialen Netzwerks qualifizierte Auskünfte verlangen über
- 1.
- den Einsatz und die konkrete Wirkweise von Verfahren zur automatisierten Erkennung von Inhalten, die entfernt oder gesperrt werden sollen, insbesondere zu Art und Umfang eingesetzter Technologien und den Zwecken, Kriterien und Parametern für deren Programmierung sowie zu den eingesetzten Daten,
- 2.
- die Verbreitung von Inhalten, die Gegenstand von Beschwerden über rechtswidrige Inhalte waren oder die vom Anbieter entfernt oder gesperrt worden sind, insbesondere die entsprechenden Inhalte sowie Informationen darüber, welche Nutzer in welcher Weise mit den Inhalten interagiert haben.
(3) Auskünfte nach Absatz 2 können nur verlangt werden, soweit sie für Vorhaben einer im öffentlichen Interesse liegenden wissenschaftlichen Forschung zu Art, Umfang, Ursachen und Wirkungsweisen öffentlicher Kommunikation in sozialen Netzwerken und den Umgang der Anbieter hiermit erforderlich sind.
(4) 1Die Auskunftserteilung darf nur erfolgen, wenn der Forscher gegenüber dem Anbieter des sozialen Netzwerks ein Schutzkonzept vorlegt. 2Das Schutzkonzept beinhaltet
- 1.
- eine Beschreibung der für die Forschungszwecke nach Absatz 3 erforderlichen Informationen,
- 2.
- eine Beschreibung der beabsichtigten Verwendung der Informationen,
- 3.
- eine Beschreibung der Vorkehrungen, um eine anderweitige Verwendung der Informationen zu verhindern,
- 4.
- eine Beschreibung der Vorkehrungen, um die schutzwürdigen Interessen des Anbieters zu schützen, und
- 5.
- eine Beschreibung der technischen und organisatorischen Maßnahmen, die den Schutz der personenbezogenen Daten sicherstellen.
(5) Der Anbieter eines sozialen Netzwerks kann die Auskunft verweigern, wenn
- 1.
- seine schutzwürdigen Interessen das öffentliche Interesse an der Forschung erheblich überwiegen oder
- 2.
- die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Personen beeinträchtigt werden und das öffentliche Interesse an der Forschung das Geheimhaltungsinteresse der betroffenen Personen nicht überwiegt.
(6) 1Der Anbieter eines sozialen Netzwerks darf zu Zwecken der Auskunftserteilung nach Absatz 2 folgende personenbezogene Daten übermitteln:
- 1.
- die verbreiteten Inhalte,
- 2.
- Beschwerden über rechtswidrige Inhalte,
- 3.
- Nutzernamen der an der Verbreitung Beteiligten,
- 4.
- die näheren Umstände der Interaktionen der an der Verbreitung Beteiligten im Hinblick auf die jeweiligen Inhalte sowie
- 5.
- Trainingsdaten von Verfahren zur automatisierten Erkennung von Inhalten, die entfernt oder gesperrt werden sollen, sowie Angaben zur Wirkweise, zu Zwecken, Kriterien und Parametern für die Programmierung dieser Verfahren.
2Die Daten sind anonymisiert oder zumindest pseudonymisiert zu übermitteln, soweit dies ohne Gefährdung des Forschungszwecks möglich ist.
(8)
1Der Anbieter eines sozialen Netzwerks hat gegenüber dem Forscher Anspruch auf Erstattung der durch die Auskunftserteilung nach Absatz 2 entstehenden Kosten in angemessener Höhe.
2Bei der Bestimmung der angemessenen Höhe ist zu berücksichtigen, dass die Kosten kein wesentliches Hindernis für die Inanspruchnahme des Auskunftsrechts darstellen dürfen.
3§ 287 Absatz 1 der Zivilprozessordnung ist entsprechend anzuwenden.
4Die erstattungsfähigen Kosten dürfen vorbehaltlich des Satzes 5 höchstens 5.000 Euro betragen.
5Dieser Betrag darf nur überschritten werden, wenn durch die Erteilung der Auskunft ein außergewöhnlich hoher Aufwand entsteht.
6Nach Vorlage des Schutzkonzepts nach Absatz 4 kann der Forscher vom Anbieter die Vorlage eines unentgeltlichen Kostenanschlags innerhalb einer angemessener Frist verlangen.
Die nachfolgende Aufstellung zeigt alle Änderungen dieser Vorschrift. Über die Links aktuell und vorher können Sie jeweils alte Fassung (a.F.) und neue Fassung (n.F.) vergleichen. Beim Änderungsgesetz finden Sie dessen Volltext sowie die Begründung des Gesetzgebers.
Bitte beachten Sie, dass rückwirkende Änderungen - soweit vorhanden - nach dem Verkündungsdatum des Änderungstitels (Datum in Klammern) und nicht nach dem Datum des Inkrafttretens in diese Liste einsortiert sind.
G. v. 03.06.2021 BGBl. I S. 1436