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Teil 1 - Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetz (AgrarOLkG)

neugefasst durch B. v. 24.08.2021 BGBl. I S. 4036; zuletzt geändert durch Artikel 2 Abs. 21 G. v. 20.12.2022 BGBl. I S. 2752
Geltung ab 25.04.2013; FNA: 7840-4 Allgemeine Marktordnungsvorschriften
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Teil 1 Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen

§ 1 Anwendungsbereich



(1) Dieses Gesetz regelt in Umsetzung und Durchführung der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union (Unionsrecht)

1.
die staatliche Anerkennung von

a)
Erzeugerorganisationen und Vereinigungen von Erzeugerorganisationen (Vereinigungen) und

b)
Branchenverbänden,

soweit sich deren Tätigkeit auf Agrarerzeugnisse bezieht (Agrarorganisationen),

2.
die Freistellung vom Kartellverbot von Agrarorganisationen einschließlich im Unionsrecht geregelter Organisationen und Verbände, die mit Agrarorganisationen vergleichbar sind,

3.
das Verbot bestimmter unlauterer Handelspraktiken in Geschäftsbeziehungen zwischen Käufern und Lieferanten in der Lebensmittellieferkette sowie

4.
die Gestaltung von Vertragsbeziehungen zwischen Erzeugern und Verarbeitern von Agrarerzeugnissen.

(2) 1Soweit es das Unionsrecht den Mitgliedstaaten überlässt, Agrarorganisationen anzuerkennen oder Unionsrecht über die Anerkennung von Agrarorganisationen anzuwenden, kann in Rechtsverordnungen nach diesem Gesetz die Anerkennung oder Anwendung ganz oder teilweise nach Maßgabe des Satzes 2 angeordnet werden. 2Eine Anordnung darf nur erfolgen, soweit dies

1.
aus Gründen des Verwaltungsverfahrens erforderlich ist oder

2.
im Interesse der betroffenen Agrarorganisationen liegt.

(3) Absatz 1 Nummer 2 ist auch anzuwenden auf Freistellungen

1.
landwirtschaftlicher Erzeugerbetriebe und

2.
nicht anerkannter Vereinigungen landwirtschaftlicher Erzeugerbetriebe und nicht anerkannter Vereinigungen solcher Vereinigungen (sonstiger Vereinigungen),

soweit eine Erstreckung von Vorschriften dieses Gesetzes sachlich gerechtfertigt oder unionsrechtlich zwingend ist.




§ 2 Begriffsbestimmungen; Verordnungsermächtigung



(1) Für dieses Gesetz gelten die folgenden Begriffsbestimmungen:

1.
Agrarerzeugnis ist

a)
ein im Wege der Urerzeugung gewonnenes Erzeugnis der Landwirtschaft (Agrarurerzeugnis) oder

b)
ein Erzeugnis, das aus einem Agrarurerzeugnis durch Bearbeitung oder Verarbeitung gewonnen wird (Agrarverarbeitungserzeugnis),

soweit das jeweilige Erzeugnis in Anhang I des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union angeführt ist;

2.
Fischereierzeugnis ist

a)
ein durch Fischerei oder Aquakultur gewonnenes Erzeugnis der Fischerei (Fischereiurerzeugnis) oder

b)
ein Erzeugnis, das aus einem Fischereiurerzeugnis durch Bearbeitung oder Verarbeitung gewonnen wird (Fischereiverarbeitungserzeugnis),

soweit das jeweilige Erzeugnis in Anhang I des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union angeführt ist;

3.
Lebensmittelerzeugnis ist ein Lebensmittel, das aus mindestens einem Agrar- oder Fischereierzeugnis hergestellt worden ist, einschließlich Getränken auf Wasserbasis, bei deren Herstellung mindestens ein Agrar- oder Fischereierzeugnis verwendet worden ist;

4.
verderbliche Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugnisse sind solche Agrar-, Fischerei- und Lebensmittelerzeugnisse, bei denen auf Grund ihrer Beschaffenheit oder auf Grund ihrer Verarbeitungsstufe davon auszugehen ist, dass sie innerhalb von 30 Tagen nach der Ernte oder der Erzeugung, jeweils ohne Berücksichtigung etwaiger Schutzmaßnahmen, oder innerhalb von 30 Tagen nach der Verarbeitung nicht mehr zum Verkauf geeignet sind;

5.
Käufer ist

a)
jede natürliche oder juristische Person, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, einschließlich Gruppen natürlicher oder juristischer Personen wie Zusammenschlüsse von Erzeugern und Vereinigungen solcher Zusammenschlüsse,

b)
jede Behörde in der Europäischen Union,

die Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse gegen Entgelt erwirbt, unabhängig davon, ob dem Erwerbsvorgang ein Kaufvertrag zugrunde liegt;

6.
Behörden sind

a)
Einrichtungen des öffentlichen Rechts,

b)
Zusammenschlüsse aus mindestens zwei Einrichtungen des öffentlichen Rechts;

7.
Lieferant ist

a)
jeder Erzeuger eines Agrar- oder Fischereierzeugnisses,

b)
jede sonstige natürliche oder juristische Person,

c)
jede Mehrheit von Personen gemäß Buchstabe a oder Buchstabe b, insbesondere jeder Zusammenschluss von Erzeugern und jede Vereinigung solcher Zusammenschlüsse,

der oder die Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse gegen Entgelt veräußert, unabhängig davon, ob dem Veräußerungsvorgang ein Kaufvertrag zugrunde liegt.

(2) Abweichend von Absatz 1 Nummer 1 ist ein nicht in Anhang I des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union angeführtes Agrarerzeugnis ein Agrarerzeugnis im Sinne des Teils 2 dieses Gesetzes, soweit

1.
das Unionsrecht Bestimmungen über die Anerkennung einer Agrarorganisation für dieses Erzeugnis enthält oder

2.
eine Rechtsverordnung nach Absatz 3 für das betroffene Erzeugnis Teil 2 dieses Gesetzes für anwendbar erklärt.

(3) Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (Bundesministerium) wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf, Teil 2 dieses Gesetzes auf nicht in Anhang I des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union angeführte Agrarerzeugnisse für anwendbar zu erklären, soweit im Hinblick auf die Förderung der landwirtschaftlichen Erzeugung ein Bedürfnis für die Anerkennung von Agrarorganisationen für derartige Erzeugnisse besteht.




§ 3 Zuständigkeit; Verordnungsermächtigung



(1) Zuständig für die Durchführung dieses Gesetzes, der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen und des in § 1 Absatz 1, auch in Verbindung mit den Absätzen 2 oder 3, genannten Unionsrechts ist die nach Landesrecht zuständige Stelle (zuständige Stelle), soweit nicht in diesem Gesetz oder in auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen etwas anderes bestimmt ist.

(2) Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich nach dem Hauptsitz der Agrarorganisation.

(3) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf, die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (Bundesanstalt) als zuständige Stelle zu bestimmen.

(4) Die Bundesanstalt ist zuständig für die Durchsetzung der Vorschriften des Teils 3 Kapitel 1 Abschnitt 1, sofern der Lieferant oder der Käufer oder beide in Deutschland niedergelassen ist oder sind (Durchsetzungsbehörde).