Bundesrecht - tagaktuell konsolidiert - alle Fassungen seit 2006
Vorschriftensuche
 

Gaststaatgesetz (GastStaaG k.a.Abk.)


Teil 2 Internationale Organisationen

Kapitel 2 Unmittelbar geltende Vorrechte, Immunitäten, Befreiungen und Erleichterungen

§ 6 Unverletzlichkeit des Sitzgeländes



(1) 1Das Sitzgelände ist unverletzlich. 2Die zuständigen deutschen Behörden betreten das Sitzgelände zur Wahrnehmung einer Amtspflicht nur mit ausdrücklicher Zustimmung der internationalen Organisation. 3Gerichtliche Maßnahmen und die Zustellung oder Vollstreckung gerichtlicher Verfügungen einschließlich der Pfändung von Privateigentum können auf dem Sitzgelände nur mit Zustimmung der internationalen Organisation erfolgen.

(2) 1Die zuständigen deutschen Behörden haben alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass der internationalen Organisation der Besitz an dem Sitzgelände oder irgendeinem Teil desselben nicht ohne deren ausdrückliche Zustimmung entzogen wird. 2Das Vermögen, die Gelder und die Guthaben der internationalen Organisation, gleichviel, wo und in wessen Besitz sie sich befinden, sind der Durchsuchung, Pfändung, Beschlagnahme, Einziehung, Enteignung und jeder sonstigen Form eines Eingriffs durch die vollziehende Gewalt, die Verwaltung, die Justiz oder die Gesetzgebung entzogen.

(3) Bei Feuer oder einem anderen Unglücksfall, der sofortige Schutzmaßnahmen erforderlich macht, oder in dem Fall, dass die zuständigen Behörden triftige Gründe zu der Annahme haben, dass auf dem Sitzgelände ein solcher Unglücksfall eingetreten ist oder bevorsteht, wird die Zustimmung der internationalen Organisation zu jedem notwendigen Betreten des Sitzgeländes vermutet.

(4) Vorbehaltlich der Absätze 1, 2 und 3 ergreifen die zuständigen Behörden die notwendigen Maßnahmen zum Schutz des Sitzgeländes vor Feuer oder anderen Unglücksfällen.

(5) Die internationale Organisation kann Personen wegen Verletzung ihrer Vorschriften des Sitzgeländes verweisen oder ihnen das Betreten desselben verbieten.

(6) Die Bundesregierung wird darauf hinwirken, dass sich die internationale Organisation in dem gemäß § 3 Absatz 1 Nummer 4 abzuschließenden Sitzabkommen verpflichtet, dass das Sitzgelände für Personen, gegen die ein strafrechtliches Urteil ergangen ist oder die verfolgt werden, nachdem sie auf frischer Tat betroffen wurden, oder gegen die von den zuständigen Behörden ein Haftbefehl, eine Auslieferungsanordnung oder ein Ausweisungs- oder Abschiebungsbeschluss erlassen worden ist, keine Zuflucht vor der Justiz wird.

(7) Jeder Standort innerhalb Deutschlands, der zeitweilig für Tagungen der internationalen Organisation oder der in § 3 Absatz 2 genannten Einrichtungen genutzt werden kann, gilt mit Zustimmung der Bundesregierung für die Dauer derartiger Tagungen als zum Sitzgelände gehörend.


§ 7 Auf dem Sitzgelände anwendbare Bestimmungen



(1) Das Sitzgelände untersteht der Autorität und Kontrolle der internationalen Organisation.

(2) Sofern in diesem Gesetz nichts anderes vorgesehen ist, gelten auf dem Sitzgelände die Gesetze und sonstigen Vorschriften der Bundesrepublik Deutschland.

(3) 1Die internationale Organisation ist befugt, Vorschriften zu erlassen, die auf dem gesamten Sitzgelände gelten, um dort die Bedingungen festzulegen, die in jeder Hinsicht zur vollen Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlich sind. 2Diese Vorschriften müssen zur Durchführung ihrer Maßnahmen und Tätigkeiten in Erfüllung ihres Mandats sowie zur Schaffung der für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben und die Erfüllung ihrer Zwecke erforderlichen Bedingungen notwendig sein. 3Die zuständigen Behörden werden darauf hinwirken, dass sie von der internationalen Organisation umgehend über die nach diesem Absatz erlassenen Vorschriften unterrichtet werden. 4Soweit innerstaatlich geltendes Recht mit einer nach diesem Absatz zulässigen Vorschrift der internationalen Organisation unvereinbar ist, gilt auf dem Sitzgelände die Vorschrift der internationalen Organisation, falls ihre Anwendung nicht zu einem Ergebnis führt, das mit den wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung, insbesondere den Grundrechten, offensichtlich unvereinbar ist.

(4) Gelangt die Bundesregierung zu der Auffassung, dass eine Vorschrift der internationalen Organisation aus dem in Absatz 3 Satz 4 dargelegten Grund keine Geltung beanspruchen kann, hat sie diese Frage umgehend dem im Sitzabkommen geregelten Streitschlichtungsverfahren zuzuführen.

(5) Bei den Beschäftigungsbedingungen der Bediensteten der internationalen Organisationen sind die Mindeststandards des Gastlandes im Bereich des Arbeits- und Arbeitsschutzrechts einzuhalten.


§ 8 Unverletzlichkeit der Archive und aller Unterlagen der internationalen Organisation



Alle Unterlagen, Materialien und Archive, die der internationalen Organisation zur Verfügung gestellt werden, ihr gehören oder von ihr verwendet werden, sind unverletzlich, ungeachtet ihrer Form oder in wessen Besitz sie sich befinden.


§ 9 Schutz des Sitzgeländes und seiner Umgebung



(1) 1Die zuständigen Behörden haben die erforderliche Sorgfalt anzuwenden, um die Sicherheit des Sitzgeländes zu gewährleisten und sicherzustellen, dass die Tätigkeit der internationalen Organisation nicht durch das Eindringen von Personen oder Gruppen von außen oder durch Unruhen in der unmittelbaren Umgebung des Sitzgeländes beeinträchtigt wird. 2Die zuständigen Behörden stellen für das Sitzgelände den gegebenenfalls erforderlichen angemessenen Schutz zur Verfügung.

(2) Auf Ersuchen des Leiters der internationalen Organisation stellen die zuständigen Behörden bei Erfordernis Polizeikräfte zur Wahrung von Recht und Ordnung auf dem Sitzgelände oder in seiner unmittelbaren Umgebung sowie zur Entfernung von Personen vom Sitzgelände bereit.