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Unterabschnitt 1 - Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (BsGaV)

V. v. 13.10.2014 BGBl. I S. 1603 (Nr. 47); zuletzt geändert durch Artikel 8 Abs. 4 G. v. 20.12.2022 BGBl. I S. 2730
Geltung ab 18.10.2014; FNA: 610-6-8-2 Allgemeines Steuerrecht
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Abschnitt 1 Allgemeiner Teil

Unterabschnitt 1 Allgemeine Vorschriften

§ 1 Zurechnung von Einkünften zu einer Betriebsstätte



(1) 1Für die steuerliche Zurechnung von Einkünften zu einer Betriebsstätte eines Unternehmens nach § 1 Absatz 5 des Außensteuergesetzes ist eine Funktions- und Risikoanalyse der Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte (§ 12 der Abgabenordnung) als Teil der Geschäftstätigkeit des Unternehmens durchzuführen. 2Aufbauend auf der Funktions- und Risikoanalyse nach Satz 1 ist eine Vergleichbarkeitsanalyse der Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte durchzuführen, um für die Geschäftsbeziehungen der Betriebsstätte im Sinne des § 1 Absatz 4 des Außensteuergesetzes Verrechnungspreise zu bestimmen, die dem Fremdvergleichsgrundsatz (§ 1 Absatz 1 Satz 1 des Außensteuergesetzes) entsprechen.

(2) Auf Grundlage der Funktions- und Risikoanalyse der Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte

1.
sind die Personalfunktionen (§ 1 Absatz 5 Satz 3 Nummer 1 des Außensteuergesetzes), die der Betriebsstätte oder dem übrigen Unternehmen zuzuordnen sind, festzustellen, insbesondere die maßgeblichen Personalfunktionen,

2.
sind der Betriebsstätte, ausgehend von den maßgeblichen Personalfunktionen, Vermögenswerte (§ 1 Absatz 5 Satz 3 Nummer 2 des Außensteuergesetzes) sowie Chancen und Risiken (§ 1 Absatz 5 Satz 3 Nummer 3 des Außensteuergesetzes) zuzuordnen,

3.
ist der Betriebsstätte, ausgehend von den ihr zugeordneten Vermögenswerten sowie von den ihr zugeordneten Chancen und Risiken, ein Dotationskapital (§ 1 Absatz 5 Satz 3 Nummer 4 des Außensteuergesetzes) zuzuordnen,

4.
sind der Betriebsstätte Passivposten zuzuordnen, soweit dies auf Grund der Zuordnung von Vermögenswerten, von Chancen und Risiken sowie von Dotationskapital erforderlich ist,

5.
sind der Betriebsstätte Geschäftsvorfälle des Unternehmens mit unabhängigen Dritten und mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes zuzuordnen und

6.
sind die anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen im Sinne des § 1 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 des Außensteuergesetzes zu bestimmen, die die Betriebsstätte zum übrigen Unternehmen unterhält.


§ 2 Begriffsbestimmungen



(1) Für die Zwecke dieser Verordnung ist ein Unternehmen inländisch, wenn sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung im Inland befindet.

(2) Für die Zwecke dieser Verordnung ist ein Unternehmen ausländisch, wenn sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung im Ausland befindet.

(3) 1Eine Personalfunktion ist eine Geschäftstätigkeit, die von eigenem Personal des Unternehmens für das Unternehmen ausgeübt wird. 2Personalfunktionen sind insbesondere folgende Geschäftstätigkeiten:

1.
die Nutzung,

2.
die Anschaffung,

3.
die Herstellung,

4.
die Verwaltung,

5.
die Veräußerung,

6.
die Weiterentwicklung,

7.
der Schutz,

8.
die Risikosteuerung und

9.
die Entscheidung, Änderungen hinsichtlich von Chancen und Risiken vorzunehmen.

(4) 1Eigenes Personal ist jede natürliche Person, die auf Grund einer gesellschaftsvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Vereinbarung mit dem Unternehmen für das Unternehmen tätig wird. 2Eine natürliche Person gehört auch dann zum eigenen Personal des Unternehmens, wenn ein anderes Unternehmen sich vertraglich verpflichtet hat, die natürliche Person dem Unternehmen als Personal zu überlassen und sich die Verpflichtung auf die Überlassung beschränkt. 3Eine natürliche Person, die ohne jede vertragliche Vereinbarung für das Unternehmen tätig wird, gehört zum eigenen Personal des Unternehmens, wenn die natürliche Person

1.
Unternehmer oder Gesellschafter des Unternehmens ist oder

2.
dem Unternehmen oder den Gesellschaftern des Unternehmens im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes nahesteht.

(5) 1Die Personalfunktion einer Betriebsstätte ist für die Zuordnung von Vermögenswerten, von Chancen und Risiken oder von Geschäftsvorfällen maßgeblich, wenn der Ausübung dieser Personalfunktion im üblichen Geschäftsbetrieb im Verhältnis zu den Personalfunktionen, die in anderen Betriebsstätten des Unternehmens ausgeübt werden, die größte Bedeutung für den jeweiligen Zuordnungsgegenstand zukommt. 2Nicht maßgeblich sind insbesondere Personalfunktionen, die bezogen auf den Zuordnungsgegenstand

1.
lediglich unterstützenden Charakter haben oder

2.
ausschließlich die allgemeine Geschäftspolitik des Unternehmens betreffen.

(6) 1Vermögenswerte im Sinne dieser Verordnung sind Wirtschaftsgüter und Vorteile. 2Zu den Vermögenswerten gehören insbesondere

1.
materielle Wirtschaftsgüter,

2.
immaterielle Werte einschließlich immaterieller Wirtschaftsgüter,

3.
Beteiligungen und

4.
Finanzanlagen.


§ 3 Hilfs- und Nebenrechnung



(1) 1Für eine Betriebsstätte ist zum Beginn eines Wirtschaftsjahres eine Hilfs- und Nebenrechnung aufzustellen, während des Wirtschaftsjahres fortzuschreiben und zum Ende des Wirtschaftsjahres abzuschließen. 2Der Abschluss der Hilfs- und Nebenrechnung beinhaltet das Ergebnis der Betriebsstätte. 3Die Hilfs- und Nebenrechnung muss spätestens zum Zeitpunkt der Abgabe einer Steuererklärung erstellt sein,

1.
zu der das Unternehmen verpflichtet ist (§ 149 der Abgabenordnung) und

2.
in der die Einkünfte der Betriebsstätte zu berücksichtigen sind.

(2) 1Die Hilfs- und Nebenrechnung beinhaltet alle Bestandteile, die der Betriebsstätte auf Grund ihrer Personalfunktionen (§ 4) zuzuordnen sind. 2Dazu gehören

1.
die Vermögenswerte (§§ 5 bis 8), wenn sie von einem selbständigen Unternehmen in der steuerlichen Gewinnermittlung erfasst werden müssten,

2.
das Dotationskapital (§§ 12 und 13),

3.
die übrigen Passivposten (§ 14) sowie

4.
die mit den Bestandteilen im Sinne von Satz 1 zusammenhängenden Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben.

3Die Hilfs- und Nebenrechnung beinhaltet auch fiktive Betriebseinnahmen und fiktive Betriebsausgaben, die auf Grund anzunehmender schuldrechtlicher Beziehungen entstehen (§§ 16 und 17).

(3) In den Aufzeichnungen, die nach § 90 Absatz 3 der Abgabenordnung zu erstellen und nach § 90 Absatz 4 der Abgabenordung vorzulegen sind, sind auch darzulegen:

1.
die Gründe für die Zuordnung der Bestandteile, einschließlich der Gründe für die Zuordnung der Geschäftsvorfälle des Unternehmens (§ 9), der Chancen und Risiken (§ 10) und der Sicherungsgeschäfte (§ 11), sowie

2.
die Gründe für das Vorliegen anzunehmender schuldrechtlicher Beziehungen (§§ 16 und 17).

(4) 1Wird eine Betriebsstätte begründet, so ist zu diesem Zeitpunkt die erste Hilfs- und Nebenrechnung für die Betriebsstätte zu erstellen. 2Wird eine Betriebsstätte beendet, so ist zu diesem Zeitpunkt die Hilfs- und Nebenrechnung abzuschließen. 3Der zum Zeitpunkt der Begründung oder der Beendigung einer Betriebsstätte anzunehmende Übergang von Vermögenswerten und Passivposten sowie von Chancen und Risiken zwischen der Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen begründet anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen im Sinne des § 16.

(5) 1Die Hilfs- und Nebenrechnung einer Betriebsstätte eines Unternehmens, das weder nach inländischem noch nach ausländischem Recht buchführungspflichtig ist und das auch tatsächlich keine Bücher führt, ist entsprechend einer Einnahmenüberschussrechnung im Sinne des § 4 Absatz 3 des Einkommensteuergesetzes zu erstellen. 2Zum Zeitpunkt der Beendigung der Betriebsstätte ist eine Hilfs- und Nebenrechnung zu erstellen, die eine Aufstellung der Vermögenswerte enthält.