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Zweiter Titel - Bundesentschädigungsgesetz (BEG)

G. v. 18.09.1953 BGBl. I S. 1387; zuletzt geändert durch Artikel 14 Abs. 5 G. v. 28.06.2021 BGBl. I S. 2250
Geltung ab 01.01.1964; FNA: 251-1 Entschädigung Bereinigung von DDR-Unrecht
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Zweiter Abschnitt Schadenstatbestände

Zweiter Titel Schaden an Körper oder Gesundheit

§ 28



(1) Der Verfolgte hat Anspruch auf Entschädigung, wenn er an seinem Körper oder an seiner Gesundheit nicht unerheblich geschädigt worden ist. Es genügt, daß der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Schaden an Körper oder Gesundheit und der Verfolgung wahrscheinlich ist.

(2) § 15 Abs. 2 findet entsprechende Anwendung.

(3) Als unerheblich gilt eine Schädigung, die weder die geistige noch die körperliche Leistungsfähigkeit des Verfolgten nachhaltig beeinträchtigt hat und voraussichtlich auch nicht beeinträchtigen wird.


§ 29



Als Entschädigung werden geleistet

1.
Heilverfahren,

2.
Rente,

3.
Kapitalentschädigung,

4.
Hausgeld,

5.
Umschulungsbeihilfe,

6.
Versorgung der Hinterbliebenen.


§ 30



(1) 1Umfang und Erfüllung des Anspruchs auf ein Heilverfahren richten sich nach den Vorschriften über die Unfallfürsorge der Bundesbeamten. 2Die §§ 33, 34, 51 des Beamtenversorgungsgesetzes und die Verordnung zur Durchführung des § 33 des Beamtenversorgungsgesetzes (Heilverfahrensverordnung) sind entsprechend anzuwenden.

(2) Der Anspruch wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß das Heilverfahren vor Inkrafttreten dieses Gesetzes durchgeführt worden ist.




§ 31



(1) Die Rente steht dem Verfolgten im Falle und für die Dauer einer Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 25 vom Hundert zu.

(2) War der Verfolgte mindestens ein Jahr in Konzentrationslagerhaft und ist er in seiner Erwerbsfähigkeit um 25 vom Hundert oder mehr gemindert, so wird für den Anspruch auf Rente zu seinen Gunsten vermutet, daß die verfolgungsbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit 25 vom Hundert beträgt.

(3) Die Rente ist in einem Hundertsatz des Diensteinkommens (Grundgehalt und Wohnungsgeld) eines mit dem Verfolgten nach seiner wirtschaftlichen Stellung vergleichbaren Bundesbeamten einer Besoldungsgruppe mit aufsteigenden Gehältern festzusetzen. Die wirtschaftliche Stellung ist nach dem Durchschnittseinkommen des Verfolgten in den letzten drei Jahren vor dem Beginn der gegen ihn gerichteten Verfolgung zu beurteilen; eine Minderung seines Einkommens durch vorausgegangene Verfolgung bleibt außer Betracht. Neben der wirtschaftlichen Stellung ist auch die soziale Stellung des Verfolgten zu berücksichtigen, wenn dies zu einer günstigeren Einreihung des Verfolgten in eine vergleichbare Beamtengruppe führt.

(4) Bei der Bemessung des Hundertsatzes sind die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Verfolgten, insbesondere seine nachhaltigen Einkünfte einschließlich der Versorgungsbezüge, der Leistungen nach dem Vierzehnten Buch Sozialgesetzbuch, der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beträge, die er zu erwerben unterläßt, obwohl ihm der Erwerb zuzumuten ist, sowie der Grad der Minderung seiner Erwerbsfähigkeit und seine Belastung mit der Sorge für unterhaltsberechtigte Angehörige angemessen zu berücksichtigen.

(5) Bei der Berechnung der Rente ist die jeweilige Höhe des Diensteinkommens vergleichbarer Beamtengruppen im Sinne des Absatzes 3 zugrunde zu legen.

(6) Die Rente beträgt bei einer Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit

von 25 bis 39 v.H. mindestens 15 und höchstens 40 v.H.

von 40 bis 49 v.H. mindestens 20 und höchstens 45 v.H.

von 50 bis 59 v.H. mindestens 25 und höchstens 50 v.H.

von 60 bis 69 v.H. mindestens 30 und höchstens 55 v.H.

von 70 bis 79 v.H. mindestens 35 und höchstens 60 v.H.

von 80 und mehr v.H. mindestens 40 und höchstens 70 v.H.

des Diensteinkommens, das dem Verfolgten bei der Einreihung in eine vergleichbare Beamtengruppe nach seinem Lebensalter am 1. Mai 1949 zugestanden hätte.




§ 32



(1) Der monatliche Mindestbetrag der Rente beträgt bei einer Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit

 bis
31. März 1957
vom
1. April 1957
bis
31. Mai 1960
vom
1. Juni 1960
bis
31. Dezember
1960
vom
1. Januar 1961
bis
30. Juni 1962
vom
1. Juli 1962
bis
30. September
1964
ab
1. Oktober 1964
von 25 bis 39 v. H. 100 DM 110 DM 118 DM 128 DM 136 DM 147 DM
von 40 bis 49 v. H. 125 DM 138 DM 148 DM 160 DM 170 DM 184 DM
von 50 bis 59 v. H. 150 DM 165 DM 177 DM 192 DM 204 DM 220 DM
von 60 bis 69 v. H. 175 DM 193 DM 207 DM 224 DM 237 DM 256 DM
von 70 bis 79 v. H. 200 DM 220 DM 236 DM 255 DM 270 DM 292 DM
von 80 und mehr v. H. 250 DM 275 DM 295 DM 319 DM 338 DM 365 DM.


(2) Der monatliche Mindestbetrag der Rente eines Verfolgten, der in seiner Erwerbsfähigkeit um mindestens 50 vom Hundert gemindert ist und das 65. Lebensjahr vollendet hat oder vollendet, beträgt 250 Deutsche Mark, ab 1. Januar 1961 300 Deutsche Mark, ab 1. Juli 1962 315 Deutsche Mark und ab 1. Oktober 1964 340 Deutsche Mark; bei Frauen tritt an Stelle des 65. das 60. Lebensjahr. Satz 1 gilt nur, wenn der Verfolgte vor dem 1. Januar 1905 geboren ist. Der Anspruch auf den monatlichen Mindestbetrag setzt nicht voraus, daß die Minderung der Erwerbsfähigkeit um 50 vom Hundert ausschließlich auf der Verfolgung beruht.


§ 33



(1) Der Grad der Minderung und der Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit ist danach zu beurteilen, wie weit der Verfolgte im allgemeinen Erwerbsleben geistig und körperlich leistungsfähig ist. Der vor dem Beginn der Verfolgung ausgeübte Beruf oder eine vor diesem Zeitpunkt bereits begonnene oder nachweisbar angestrebte Berufsausbildung ist zu berücksichtigen.

(2) Stand der Verfolgte vor dem Beginn der Verfolgung wegen seines Alters noch nicht im Erwerbsleben, so sind die Minderung und die Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit nach dem Grade zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Schädigung an Körper oder Gesundheit ergeben würde.


§ 34



Ist die Erwerbsfähigkeit des Verfolgten neben der Beeinträchtigung durch die verfolgungsbedingte Schädigung auch durch andere Ursachen gemindert, so wird bei der Bemessung der Höhe der Rente nur die durch die verfolgungsbedingte Schädigung herbeigeführte Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit zugrunde gelegt. § 33 Abs. 1 Satz 2 gilt sinngemäß.


§ 35



(1) Haben sich die Verhältnisse, die der Bemessung der Rente zugrunde gelegt waren, nachträglich so geändert, daß die auf Grund der veränderten Verhältnisse neu errechnete Rente insgesamt um mindestens 10 vom Hundert von der festgesetzten Rente abweicht, so ist die Rente neu festzusetzen.

(2) Hat der Verfolgte das 68. Lebensjahr vollendet, so ist die Rente nur dann neu festzusetzen, wenn die auf Grund der veränderten Verhältnisse errechnete Rente jeweils um mindestens 30 vom Hundert von der festgesetzten Rente abweicht.

(3) § 32 Abs. 2 bleibt unberührt.


§ 36



Für die Zeit vor dem 1. November 1953 steht dem Verfolgten vom Beginn der Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 25 vom Hundert an eine Kapitalentschädigung zu.


§ 37



(1) Der Berechnung der Kapitalentschädigung ist der Betrag der nach §§ 31 bis 34 errechneten Rente zugrunde zu legen, der auf den Monat November 1953 entfällt. § 141e bleibt unberührt.

(2) Besteht für den Monat November 1953 kein Anspruch auf Rente, so findet Absatz 1 mit der Maßgabe Anwendung, daß der Berechnung der Kapitalentschädigung der Betrag zugrunde zu legen ist, der auf den letzten Kalendermonat entfällt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch auf Rente erfüllt waren.

(3) Für die Zeit vor dem 1. Juli 1948 beträgt der nach Absatz 1 und 2 zugrunde zu legende Monatsbetrag zwei Zehnteile des in Deutscher Mark berechneten Monatsbetrages.

(4) § 32 Abs. 2 findet keine Anwendung.


§ 38



Dem Verfolgten steht ein Hausgeld zu, wenn er durch das Heilverfahren einen Verdienstausfall erleidet und die ihm verbleibenden Einkünfte weniger als die Rente betragen, die ihm bei einer Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit von 80 und mehr vom Hundert zu leisten wäre; hierbei ist von 55 vom Hundert des Diensteinkommens auszugehen, das dem Verfolgten bei einer Einreihung in eine vergleichbare Beamtengruppe nach seinem Lebensalter am 1. Mai 1949 zustehen würde (§ 31 Abs. 6). Das Hausgeld ist in der Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den dem Verfolgten verbleibenden Einkünften und der nach Satz 1 zu berechnenden Rente, jedoch nicht über die Höhe des Verdienstausfalls hinaus, zu zahlen.


§ 39



(1) Der Anspruch auf die laufende Rente ist weder übertragbar noch vererblich.

(2) Der Anspruch auf die Summe der rückständigen Rentenbeträge, auf die Kapitalentschädigung und auf das Hausgeld ist vor Festsetzung oder vor rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidung nur vererblich, wenn der Verfolgte von seinem Ehegatten, seinen Kindern, seinen Enkeln oder seinen Eltern beerbt wird. § 13 Abs. 3 findet entsprechende Anwendung.


§ 40



Dem Verfolgten, der zu einer Umschulung für einen anderen Beruf bereit ist, können Beihilfen zu den entstehenden Kosten bewilligt werden, wenn mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, daß die Umschulung seine Leistungsfähigkeit wiederherstellen oder bessern wird.


§ 41



(1) Ist der Verfolgte später als acht Monate nach Abschluß der Verfolgung, die seinen Tod verursacht hat, an den Folgen der Schädigung seines Körpers oder seiner Gesundheit verstorben, so stehen seinen Hinterbliebenen Leistungen nach Maßgabe der §§ 16 bis 26 zu. Dabei bestimmt sich die Einreihung des verstorbenen Verfolgten in eine vergleichbare Beamtengruppe nach § 31 Abs. 3.

(2) Es genügt, daß der ursächliche Zusammenhang zwischen dem auf der Verfolgung beruhenden Schaden an Körper oder Gesundheit und dem Tod wahrscheinlich ist. § 31 Abs. 2 findet keine Anwendung.

(3) Für die ersten drei Monate nach dem Ende des Monats, in dem der Verfolgte gestorben ist, steht seinen Hinterbliebenen an Stelle der Rente nach Absatz 1 als Versorgung die dem Verfolgten für seinen Schaden an Körper oder Gesundheit zuletzt gezahlte Rente zu, sofern dies für die Hinterbliebenen günstiger ist.


§ 41a



(1) Ist ein Verfolgter, der bis zum Tode eine Rente wegen einer Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 70 vom Hundert bezogen hat, nicht an den Folgen der Schädigung seines Körpers oder seiner Gesundheit gestorben, so erhalten für die Dauer der Bedürftigkeit die Witwe bis zu ihrer Wiederverheiratung und unter den Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 Nr. 3 die Kinder des Verfolgten eine Beihilfe.

(2) Die Beihilfe wird in Höhe von zwei Dritteln der Rente gewährt, die der Witwe und den Kindern im Falle des § 41 zustehen würde.

(3) Absätze 1 und 2 gelten sinngemäß für den Witwer unter den Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 Nr. 2.


§ 42



(1) Die Bundesregierung wird ermächtigt, zur Durchführung der §§ 28 bis 41a Rechtsverordnungen zu erlassen. Hierbei kann sie als Grundlage für die Berechnung der Renten und der Kapitalentschädigungen eine Besoldungsübersicht aufstellen, die das durchschnittliche Diensteinkommen (Grundgehalt und Wohnungsgeld) der Bundesbeamten des einfachen, mittleren, gehobenen und höheren Dienstes, nach Lebensaltersstufen gegliedert, ausweist. Auf Grund dieser Übersicht ist der Verfolgte in eine vergleichbare Beamtengruppe einzureihen.

(2) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, welche Haftstätten als Konzentrationslager im Sinne des § 31 Abs. 2 anzusehen sind. Dabei ist insbesondere auf die Haftstätten abzustellen, die dem SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamt, Amtsgruppe D, unterstanden haben.

(3) Die Bundesregierung wird ferner ermächtigt, durch Rechtsverordnung die monatlichen Mindestbeträge der Rente (§ 32) angemessen zu erhöhen, wenn sich die Dienst- und Versorgungsbezüge der Bundesbeamten auf Grund gesetzlicher Vorschriften erhöhen.