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Abschnitt 2 - Endlagersicherheitsanforderungsverordnung (EndlSiAnfV)


Abschnitt 2 Langzeitsicherheit

§ 3 Bewertungszeitraum; Entwicklungen des Endlagersystems



(1) Der Bewertungszeitraum beträgt eine Million Jahre ab dem vorgesehenen Verschluss des Endlagers.

(2) 1Die für die Auslegung des Endlagers und die Bewertung der Langzeitsicherheit relevanten Entwicklungen des Endlagersystems und der geologischen Situation am Endlagerstandort innerhalb des Bewertungszeitraumes sind systematisch zu ermitteln, zu beschreiben und einzuordnen als

1.
zu erwartende Entwicklungen oder

2.
abweichende Entwicklungen.

2Die Einordnung ist zu begründen.

(3) Als zu erwartende Entwicklungen einzuordnen sind diejenigen Entwicklungen, die sicher oder in der Regel eintreten werden, insbesondere hinsichtlich der geologischen und klimatischen Situation, der geologischen, technischen und geotechnischen Barrieren sowie der einzulagernden Abfälle.

(4) Als abweichende Entwicklungen einzuordnen sind diejenigen Entwicklungen, die nicht zu erwarten sind, aber hinsichtlich der geologischen und klimatischen Situation, der technischen und geotechnischen Barrieren sowie der einzulagernden Abfälle eintreten können.

(5) Zusätzlich zu den zu erwartenden und den abweichenden Entwicklungen sind hypothetische Entwicklungen und Entwicklungen auf der Grundlage zukünftiger menschlicher Aktivitäten zu beschreiben, soweit deren Berücksichtigung der weiteren Optimierung des Endlagersystems oder der Überprüfung der Robustheit des Endlagersystems dienen kann.

(6) Hypothetische Entwicklungen sind Entwicklungen, die selbst unter ungünstigen Annahmen nach menschlichem Ermessen auszuschließen sind.

(7) 1Entwicklungen auf der Grundlage zukünftiger menschlicher Aktivitäten sind Entwicklungen, die durch zukünftige menschliche Aktivitäten, insbesondere durch unbeabsichtigtes menschliches Eindringen in das Endlager, ausgelöst werden können und die für die Sicherheit des Endlagersystems relevant werden können. 2Als Referenzentwicklungen hierfür dienen solche Entwicklungen, die durch derzeit übliche menschliche Aktivitäten ausgelöst werden können.


§ 4 Sicherer Einschluss der radioaktiven Abfälle



(1) Die einzulagernden radioaktiven Abfälle sind im Endlagersystem mit dem Ziel zu konzentrieren und sicher einzuschließen, die darin enthaltenen Radionuklide mindestens im Bewertungszeitraum von der Biosphäre fernzuhalten.

(2) Das vorgesehene Endlagersystem hat den sicheren Einschluss der radioaktiven Abfälle passiv und wartungsfrei durch ein robustes, gestaffeltes System verschiedener Barrieren mit unterschiedlichen Sicherheitsfunktionen zu gewährleisten.

(3) Die wesentlichen Barrieren zum Erreichen des sicheren Einschlusses der radioaktiven Abfälle sind

1.
ein oder mehrere einschlusswirksame Gebirgsbereiche oder

2.
im Fall des Wirtsgesteins Kristallingestein, sofern kein einschlusswirksamer Gebirgsbereich ausgewiesen werden kann, für die jeweilige geologische Umgebung geeignete technische und geotechnische Barrieren.

(4) Der sichere Einschluss muss innerhalb der wesentlichen Barrieren nach Absatz 3 so erfolgen, dass die Radionuklide aus den radioaktiven Abfällen weitestgehend am Ort ihrer ursprünglichen Einlagerung verbleiben.

(5) 1Für die zu erwartenden Entwicklungen ist zu prüfen und darzustellen, dass im Bewertungszeitraum

1.
insgesamt höchstens ein Anteil von 10-4 und

2.
jährlich höchstens ein Anteil von 10-9

sowohl der Masse als auch der Anzahl der Atome aller ursprünglich eingelagerten Radionuklide aus dem Bereich der wesentlichen Barrieren ausgetragen wird. 2In diesen Anteilen sind auch radioaktive Zerfallsprodukte der ursprünglich eingelagerten Radionuklide zu berücksichtigen.

(6) Für die abweichenden Entwicklungen ist zu prüfen und darzustellen, dass das Endlagersystem im Bewertungszeitraum seine Funktion nach den Absätzen 1 bis 4 beibehält.


§ 5 Integrität und Robustheit des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs als wesentlicher Barriere



(1) 1Im Fall des § 4 Absatz 3 Nummer 1 ist für die zu erwartenden Entwicklungen im Bewertungszeitraum die Integrität des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs zu prüfen und darzustellen und seine Robustheit zu begründen. 2Der einschlusswirksame Gebirgsbereich ist unter Berücksichtigung der zu erwartenden Entwicklungen räumlich eindeutig zu definieren. 3Es ist zu prüfen und darzustellen, dass die für den sicheren Einschluss der radioaktiven Abfälle relevanten Eigenschaften der technischen und geotechnischen Barrieren mindestens in dem Zeitraum erhalten bleiben, in dem diese Barrieren nach dem Sicherheitskonzept erforderlich sind.

(2) Hinsichtlich der Integrität des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs ist zu prüfen und darzustellen, dass

1.
die Ausbildung von Fluidwegsamkeiten, die zum Eindringen oder Austreten von erheblichen Mengen an Flüssigkeiten oder Gasen führen können, innerhalb des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs ausgeschlossen ist; dafür dürfen

a)
die Dilatanzfestigkeiten der Gesteinsformationen des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs außerhalb der auffahrungsbedingten Auflockerungszonen auf Grund von zu erwartenden Beanspruchungen nicht überschritten werden und

b)
die zu erwartenden Fluiddrücke die Fluiddruckbelastbarkeiten der Gesteinsformationen des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs nicht in einer Weise überschreiten, die zu einer erheblichen Zunahme von Fluidwegsamkeiten im einschlusswirksamen Gebirgsbereich führt;

2.
durch die Temperaturentwicklung die Barrierewirkung des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs nicht erheblich beeinträchtigt wird und

3.
die möglichen Änderungen der chemischen Verhältnisse im Einlagerungsbereich, insbesondere auf Grund der in das Endlagerbergwerk eingebrachten Materialien, die Barrierewirkung des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs nicht erheblich beeinträchtigen.

(3) Bei der Prüfung und Darstellung sind sämtliche im Endlagerbereich aufzufahrenden oder bereits bestehenden Hohlräume und die zu ihrer Abdichtung und ihrem Verschluss vorgesehenen technischen und geotechnischen Barrieren zu berücksichtigen.

(4) 1Die für die Langzeitsicherheit erforderlichen Eigenschaften von technischen oder geotechnischen Barrieren sind im Sicherheitskonzept zu spezifizieren. 2Es ist zu prüfen und darzustellen, dass die Herstellung und Errichtung der Barrieren nach diesen Spezifikationen in der erforderlichen Anzahl qualitätsgesichert möglich sind. 3Die vorgesehene Qualitätssicherung muss dem Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen. 4Die Herstellung, die Errichtung und die Funktion der Barrieren müssen erfolgreich erprobt sein, soweit ihre Robustheit nicht anderweitig nachgewiesen werden kann und keine Sicherheitsreserven in einem Umfang bestehen, die den Verzicht auf eine Erprobung erlauben.


§ 6 Integrität und Robustheit der technischen und geotechnischen Barrieren als wesentliche Barrieren



(1) 1Im Fall des § 4 Absatz 3 Nummer 2 ist für die zu erwartenden Entwicklungen im Bewertungszeitraum die Integrität des Systems der wesentlichen technischen und geotechnischen Barrieren zu prüfen und darzustellen und seine Robustheit zu begründen. 2Die für den sicheren Einschluss der radioaktiven Abfälle relevanten Eigenschaften der weiteren Barrieren des Endlagersystems und insbesondere des Gebirges im Einlagerungsbereich sind zu spezifizieren. 3Es ist zu prüfen und darzustellen, dass diese Eigenschaften mindestens in dem Zeitraum erhalten bleiben, in dem sie nach dem Sicherheitskonzept erforderlich sind.

(2) Hinsichtlich der Integrität des Systems der wesentlichen technischen und geotechnischen Barrieren ist zu prüfen und darzustellen, dass die Sicherheitsfunktionen der wesentlichen technischen und geotechnischen Barrieren nicht erheblich beeinträchtigt werden durch

1.
die im Einlagerungsbereich möglicherweise ablaufenden hydraulischen, chemischen und physikalischen Prozesse, insbesondere Korrosion und Erosion,

2.
im umgebenden Gebirge auftretende Spannungen, Drücke und mögliche Gebirgsbewegungen und

3.
die Temperaturentwicklung.

(3) Bei der Prüfung und Darstellung sind die geologische und hydrogeologische Umgebung, die Eigenschaften der weiteren Barrieren des Endlagersystems sowie die Eigenschaften der einzulagernden Abfälle zu berücksichtigen.

(4) 1Die für die Langzeitsicherheit erforderlichen Eigenschaften der wesentlichen technischen und geotechnischen Barrieren sind im Sicherheitskonzept zu spezifizieren. 2Es ist zu prüfen und darzustellen, dass die Herstellung und Errichtung der Barrieren nach diesen Spezifikationen in der erforderlichen Anzahl qualitätsgesichert möglich sind. 3Die vorgesehene Qualitätssicherung muss dem Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen. 4Die Herstellung und Errichtung der Barrieren muss unter realistischen Bedingungen erfolgreich erprobt sein. 5Ihre Funktion unter diesen Bedingungen ist zu prüfen und darzustellen.


§ 7 Dosiswerte im Bewertungszeitraum



(1) 1Es ist zu prüfen und darzustellen, dass Expositionen auf Grund von Austragungen von Radionukliden aus den eingelagerten radioaktiven Abfällen geringfügig im Vergleich zur natürlichen Strahlenexposition sind. 2Hierzu ist darzustellen, in welchem Gebiet zusätzliche Strahlenexpositionen auftreten können. 3Es ist als Indikator die zusätzliche jährliche effektive Dosis für Einzelpersonen der Bevölkerung abzuschätzen, die während des Bewertungszeitraums durch Austragungen von Radionukliden aus den eingelagerten radioaktiven Abfällen auftreten kann. 4Bei der Abschätzung sind die Lebensbedingungen zum Zeitpunkt der Antragstellung für den gesamten Bewertungszeitraum zu unterstellen.

(2) 1Die Abschätzung ist sowohl für die zu erwartenden Entwicklungen als auch für die abweichenden Entwicklungen vorzunehmen. 2Expositionen auf Grund von Austragungen von Radionukliden aus den eingelagerten radioaktiven Abfällen sind geringfügig im Sinne von Absatz 1 Satz 1, wenn

1.
für die zu erwartenden Entwicklungen die abgeschätzte zusätzliche effektive Dosis für Einzelpersonen der Bevölkerung höchstens im Bereich von 10 Mikrosievert pro Kalenderjahr liegt und

2.
für die abweichenden Entwicklungen die abgeschätzte zusätzliche effektive Dosis für Einzelpersonen der Bevölkerung 100 Mikrosievert pro Kalenderjahr nicht überschreitet.


§ 8 Ausschluss sich selbst tragender Kettenreaktionen



(1) Es ist zu prüfen und darzustellen, dass sich selbst tragende Kettenreaktionen während des Betriebs und der Stilllegung des Endlagers sowie für die zu erwartenden und die abweichenden Entwicklungen im Bewertungszeitraum ausgeschlossen sind.

(2) 1Um eine sich selbst tragende Kettenreaktion ausschließen zu können, muss der berechnete Neutronenmultiplikationsfaktor kleiner sein als

1.
0,95 im Zeitraum von 500 Jahren nach dem geplanten Verschluss des Endlagers und

2.
0,98 während des übrigen Bewertungszeitraumes.

2Die Berechnung erfolgt nach der Anlage.