Bundesrecht - tagaktuell konsolidiert - alle Fassungen seit 2006
Vorschriftensuche
 

Kapitel 1 - Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

neugefasst durch B. v. 02.01.2002 BGBl. I S. 42, 2909; 2003, 738; zuletzt geändert durch Artikel 34 Abs. 3 G. v. 22.12.2023 BGBl. 2023 I Nr. 411
Geltung ab 01.01.1964; FNA: 400-2 Bürgerliches Gesetzbuch, Einführungsgesetz und zugehörige Gesetze
|

Buch 4 Familienrecht

Abschnitt 3 Vormundschaft, Pflegschaft für Minderjährige, rechtliche Betreuung, sonstige Pflegschaft

Titel 1 Vormundschaft

Untertitel 1 Begründung der Vormundschaft

Kapitel 1 Bestellte Vormundschaft

Unterkapitel 1 Allgemeine Vorschriften

§ 1773 Voraussetzungen der Vormundschaft; Bestellung des Vormunds



(1) Das Familiengericht hat die Vormundschaft für einen Minderjährigen anzuordnen und ihm einen Vormund zu bestellen, wenn

1.
er nicht unter elterlicher Sorge steht,

2.
seine Eltern nicht berechtigt sind, ihn in den seine Person und sein Vermögen betreffenden Angelegenheiten zu vertreten, oder

3.
sein Familienstand nicht zu ermitteln ist.

(2) 1Ist anzunehmen, dass ein Kind mit seiner Geburt einen Vormund benötigt, so kann schon vor der Geburt des Kindes eine Vormundschaft angeordnet und ein Vormund bestellt werden. 2Die Bestellung wird mit der Geburt des Kindes wirksam.




§ 1774 Vormund



(1) Zum Vormund kann bestellt werden:

1.
eine natürliche Person, die die Vormundschaft ehrenamtlich führt,

2.
eine natürliche Person, die die Vormundschaft beruflich selbständig führt (Berufsvormund),

3.
ein Mitarbeiter eines vom überörtlichen Träger der Jugendhilfe anerkannten Vormundschaftsvereins, wenn der Mitarbeiter dort ausschließlich oder teilweise als Vormund tätig ist (Vereinsvormund), oder

4.
das Jugendamt.

(2) Zum vorläufigen Vormund kann bestellt werden:

1.
ein vom überörtlichen Träger der Jugendhilfe anerkannter Vormundschaftsverein,

2.
das Jugendamt.




§ 1775 Mehrere Vormünder



(1) Ehegatten können gemeinschaftlich zu Vormündern bestellt werden.

(2) Für Geschwister soll nur ein Vormund bestellt werden, es sei denn, es liegen besondere Gründe vor, jeweils einen Vormund für einzelne Geschwister zu bestellen.




§ 1776 Zusätzlicher Pfleger



(1) 1Das Familiengericht kann bei Bestellung eines ehrenamtlichen Vormunds mit dessen Einverständnis einzelne Sorgeangelegenheiten oder eine bestimmte Art von Sorgeangelegenheiten auf einen Pfleger übertragen, wenn die Übertragung dieser Angelegenheiten dem Wohl des Mündels dient. 2Die Übertragung ist auch nachträglich möglich, wenn der Vormund zustimmt.

(2) 1Die Übertragung ist ganz oder teilweise aufzuheben,

1.
wenn sie dem Wohl des Mündels widerspricht,

2.
auf Antrag des Vormunds oder des Pflegers, wenn der jeweils andere Teil zustimmt und die Aufhebung dem Wohl des Mündels nicht widerspricht, oder

3.
auf Antrag des Mündels, der das 14. Lebensjahr vollendet hat, wenn Vormund und Pfleger der Aufhebung zustimmen.

2Die Zustimmung gemäß Satz 1 Nummer 2 und 3 ist entbehrlich, wenn ein wichtiger Grund für die Aufhebung vorliegt.

(3) 1Im Übrigen gelten die Vorschriften über die Pflegschaft für Minderjährige entsprechend. 2Neben einem Pfleger nach § 1809 oder § 1777 kann ein Pfleger nach Absatz 1 nicht bestellt werden.




§ 1777 Übertragung von Sorgeangelegenheiten auf die Pflegeperson als Pfleger



(1) 1Das Familiengericht überträgt auf Antrag des Vormunds oder der Pflegeperson einzelne Sorgeangelegenheiten oder eine bestimmte Art von Sorgeangelegenheiten auf die Pflegeperson als Pfleger, wenn

1.
der Mündel seit längerer Zeit bei der Pflegeperson lebt oder bereits bei Begründung des Pflegeverhältnisses eine persönliche Bindung zwischen dem Mündel und der Pflegeperson besteht,

2.
die Pflegeperson oder der Vormund dem Antrag des jeweils anderen auf Übertragung zustimmt und

3.
die Übertragung dem Wohl des Mündels dient.

2Ein entgegenstehender Wille des Mündels ist zu berücksichtigen.

(2) Sorgeangelegenheiten, deren Regelung für den Mündel von erheblicher Bedeutung ist, werden der Pflegeperson nur zur gemeinsamen Wahrnehmung mit dem Vormund übertragen.

(3) 1Den Antrag auf Übertragung nach Absatz 1 Satz 1 kann auch der Mündel stellen, wenn er das 14. Lebensjahr vollendet hat. 2Für die Übertragung ist die Zustimmung des Vormunds und der Pflegeperson erforderlich.

(4) 1§ 1776 Absatz 2 gilt entsprechend. 2Im Übrigen gelten die Vorschriften über die Pflegschaft für Minderjährige entsprechend. 3Neben einem Pfleger nach § 1809 oder § 1776 kann die Pflegeperson nicht zum Pfleger bestellt werden.




Unterkapitel 2 Auswahl des Vormunds

§ 1778 Auswahl des Vormunds durch das Familiengericht



(1) Ist die Vormundschaft nicht einem nach § 1782 Benannten zu übertragen, hat das Familiengericht den Vormund auszuwählen, der am besten geeignet ist, für die Person und das Vermögen des Mündels zu sorgen.

(2) Bei der Auswahl sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.
der Wille des Mündels, seine familiären Beziehungen, seine persönlichen Bindungen, sein religiöses Bekenntnis und sein kultureller Hintergrund,

2.
der wirkliche oder mutmaßliche Wille der Eltern und

3.
die Lebensumstände des Mündels.




§ 1779 Eignung der Person; Vorrang des ehrenamtlichen Vormunds



(1) Eine natürliche Person muss nach

1.
ihren Kenntnissen und Erfahrungen,

2.
ihren persönlichen Eigenschaften,

3.
ihren persönlichen Verhältnissen und ihrer Vermögenslage sowie

4.
ihrer Fähigkeit und Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den anderen an der Erziehung des Mündels beteiligten Personen

geeignet sein, die Vormundschaft so zu führen, wie es das Wohl des Mündels erfordert.

(2) 1Eine natürliche Person, die geeignet und bereit ist, die Vormundschaft ehrenamtlich zu führen, hat gegenüber den in § 1774 Absatz 1 Nummer 2 bis 4 genannten Vormündern Vorrang. 2Von ihrer Eignung ist auch dann auszugehen, wenn ein zusätzlicher Pfleger nach § 1776 bestellt wird.




§ 1780 Berücksichtigung der beruflichen Belastung des Berufs- und Vereinsvormunds



1Soll ein Berufsvormund oder ein Vereinsvormund bestellt werden, ist seine berufliche Arbeitsbelastung, insbesondere die Anzahl und der Umfang der bereits zu führenden Vormundschaften und Pflegschaften zu berücksichtigen. 2Er ist dem Familiengericht zur Auskunft hierüber verpflichtet.




§ 1781 Bestellung eines vorläufigen Vormunds



(1) Sind die erforderlichen Ermittlungen zur Auswahl des geeigneten Vormunds insbesondere im persönlichen Umfeld des Mündels im Zeitpunkt der Anordnung der Vormundschaft noch nicht abgeschlossen oder besteht ein vorübergehendes Hindernis für die Bestellung des Vormunds, bestellt das Familiengericht einen vorläufigen Vormund.

(2) 1Der Vormundschaftsverein überträgt die Aufgaben des vorläufigen Vormunds einzelnen seiner Mitarbeiter; § 1784 gilt entsprechend. 2Der Vormundschaftsverein hat dem Familiengericht alsbald, spätestens binnen zwei Wochen nach seiner Bestellung zum vorläufigen Vormund mitzuteilen, welchem Mitarbeiter die Ausübung der Aufgaben des vorläufigen Vormunds übertragen worden sind.

(3) 1Das Familiengericht hat den Vormund alsbald, längstens aber binnen drei Monaten ab Bestellung des vorläufigen Vormunds zu bestellen. 2Die Frist kann durch Beschluss des Gerichts nach Anhörung der Beteiligten um höchstens weitere drei Monate verlängert werden, wenn trotz eingeleiteter Ermittlungen des Familiengerichts der für den Mündel am besten geeignete Vormund noch nicht bestellt werden konnte.

(4) Die Bestellung des Jugendamtes oder eines Vereinsmitarbeiters zum Vormund ist auch erforderlich, wenn das Familiengericht das Jugendamt oder einen Vormundschaftsverein zuvor als vorläufigen Vormund ausgewählt hat.

(5) Mit der Bestellung des Vormunds endet das Amt des vorläufigen Vormunds.




§ 1782 Benennung und Ausschluss als Vormund durch die Eltern



(1) 1Die Eltern können durch letztwillige Verfügung eine natürliche Person als Vormund oder Ehegatten als gemeinschaftliche Vormünder benennen oder von der Vormundschaft ausschließen, wenn ihnen zur Zeit ihres Todes die Sorge für die Person und das Vermögen des Kindes zusteht. 2Die Benennung und der Ausschluss können schon vor der Geburt des Kindes erfolgen, wenn dem jeweiligen Elternteil die Sorge für die Person und das Vermögen des Kindes zustünde, falls es vor dem Tod des Elternteils geboren wäre.

(2) Haben die Eltern widersprüchliche letztwillige Verfügungen zur Benennung oder zum Ausschluss von Vormündern getroffen, so gilt die Verfügung durch den zuletzt verstorbenen Elternteil.




§ 1783 Übergehen der benannten Person



(1) Die benannte Person darf als Vormund ohne ihre Zustimmung nur übergangen werden, wenn

1.
sie nach § 1784 nicht zum Vormund bestellt werden kann oder soll,

2.
ihre Bestellung dem Wohl des Mündels widersprechen würde,

3.
der Mündel, der das 14. Lebensjahr vollendet hat, der Bestellung widerspricht,

4.
sie aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen an der Übernahme der Vormundschaft verhindert ist oder

5.
sie sich nicht binnen vier Wochen ab der Aufforderung des Familiengerichts zur Übernahme der Vormundschaft bereit erklärt hat.

(2) Wurde die benannte Person gemäß Absatz 1 Nummer 4 übergangen und war sie nur vorübergehend verhindert, so ist sie auf ihren Antrag anstelle des bisherigen Vormunds zum Vormund zu bestellen, wenn

1.
sie den Antrag innerhalb von sechs Monaten nach der Bestellung des bisherigen Vormunds gestellt hat,

2.
die Entlassung des bisherigen Vormunds dem Wohl des Mündels nicht widerspricht und

3.
der Mündel, der das 14. Lebensjahr vollendet hat, der Entlassung des bisherigen Vormunds nicht widerspricht.




§ 1784 Ausschlussgründe



(1) Nicht zum Vormund bestellt werden kann, wer geschäftsunfähig ist.

(2) Nicht zum Vormund bestellt werden soll in der Regel eine Person,

1.
die minderjährig ist,

2.
für die ein Betreuer bestellt ist, sofern die Betreuung die für die Führung der Vormundschaft wesentlichen Angelegenheiten umfasst, oder für die ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 angeordnet ist,

3.
die die Eltern gemäß § 1782 als Vormund ausgeschlossen haben, oder

4.
die zu einer Einrichtung, in der der Mündel lebt, in einem Abhängigkeitsverhältnis oder in einer anderen engen Beziehung steht.




§ 1785 Übernahmepflicht; weitere Bestellungsvoraussetzungen



(1) Die vom Familiengericht ausgewählte Person ist verpflichtet, die Vormundschaft zu übernehmen, wenn ihr die Übernahme unter Berücksichtigung ihrer familiären, beruflichen und sonstigen Verhältnisse zugemutet werden kann.

(2) Die ausgewählte Person darf erst dann zum Vormund bestellt werden, wenn sie sich zur Übernahme der Vormundschaft bereit erklärt hat.

(3) Der Vormundschaftsverein und der Vereinsvormund dürfen nur mit Einwilligung des Vereins bestellt werden.