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Erster Abschnitt - Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen (LwVfG k.a.Abk.)

G. v. 21.07.1953 BGBl. I S. 667; zuletzt geändert durch Artikel 8 G. v. 27.08.2017 BGBl. I S. 3295
Geltung ab 01.01.1964; FNA: 317-1 Verfahren in Landwirtschaftssachen
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Erster Abschnitt Sachliche Zuständigkeit und Einrichtung der Gerichte

§ 1



Die Bestimmungen dieses Gesetzes gelten in den Verfahren auf Grund der Vorschriften über

1.
die Anzeige und Beanstandung von Landpachtverträgen im Landpachtverkehrsgesetz vom 8. November 1985 (BGBl. I S. 2075) und über den Landpachtvertrag in den Fällen des § 585b Abs. 2, der §§ 588, 590 Abs. 2, des § 591 Abs. 2 und 3, der §§ 593, 594d Abs. 2 und der §§ 595 und 595a Abs. 2 und 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs,

1a.
den Landpachtvertrag im übrigen,

2.
die rechtsgeschäftliche Veräußerung, die Änderung oder Aufhebung einer Auflage, die gerichtliche Zuweisung eines Betriebes sowie die Festsetzung von Zwangsgeld im Grundstückverkehrsgesetz vom 28. Juli 1961 (Bundesgesetzbl. I S. 1091),

3.
Einwendungen gegen das siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht in § 10 des Reichssiedlungsgesetzes,

4.
die Aufhebung von Pacht- und sonstigen Nutzungsverhältnissen sowie die Inanspruchnahme von Gebäuden oder Land in §§ 59 und 63 Abs. 3 und 4 des Bundesvertriebenengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. September 1971 (BGBl. I S. 1565, 1807), ferner die Festsetzung des Ersatzanspruchs und der Entschädigung nach § 7 Abs. 2 des Gesetzes zur Ergänzung des Reichssiedlungsgesetzes in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 2331-2, veröffentlichten bereinigten Fassung,

5.
das Anerbenrecht einschließlich der Versorgungsansprüche bei Höfen, Hofgütern, Landgütern und Anerbengütern,

6.
Angelegenheiten, die mit der Aufhebung der früheren Vorschriften über Erbhöfe zusammenhängen,

jedoch in den in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Verfahren nur, soweit die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes für diese geltenden oder die künftig erlassenen Vorschriften die Zuständigkeit von Gerichten mit ehrenamtlichen Richtern vorsehen.


§ 2



(1) In den in § 1 bezeichneten Verfahren sind im ersten Rechtszug die Amtsgerichte als Landwirtschaftsgerichte zuständig. Die Zuständigkeit ist auch in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten des § 1 Nr. 1a ausschließlich. Im zweiten Rechtszug sind die Oberlandesgerichte, im dritten Rechtszug der Bundesgerichtshof zuständig.

(2) Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, ist

das Amtsgericht in der Besetzung von einem Richter beim Amtsgericht als Vorsitzenden und zwei ehrenamtlichen Richtern,

das Oberlandesgericht in der Besetzung von drei Mitgliedern des Oberlandesgerichts mit Einschluß des Vorsitzenden und zwei ehrenamtlichen Richtern,

der Bundesgerichtshof in der Besetzung von drei Mitgliedern des Bundesgerichtshofes mit Einschluß des Vorsitzenden und zwei ehrenamtlichen Richtern

tätig.


§ 3



(1) Die ehrenamtlichen Richter werden auf die Dauer von fünf Jahren berufen; wiederholte Berufung ist zulässig.

(2) Für das Recht, die Berufung zum ehrenamtlichen Richter abzulehnen, gelten die §§ 35 und 53 des Gerichtsverfassungsgesetzes sinngemäß, jedoch entscheidet über das Gesuch der Oberlandesgerichtspräsident, bei Gesuchen ehrenamtlicher Richter des Bundesgerichtshofes der Präsident des Bundesgerichtshofes; der Anhörung der Staatsanwaltschaft bedarf es nicht.


§ 4



(1) 1Die ehrenamtlichen Richter der Amtsgerichte und des Oberlandesgerichts beruft der Oberlandesgerichtspräsident auf Grund einer Vorschlagsliste. 2Er bestimmt für jedes Gericht die erforderliche Zahl der ehrenamtlichen Richter.

(2) 1Die Länder bestimmen, wie die Vorschlagsliste aufzustellen ist. 2Die Liste ist dem Oberlandesgerichtspräsidenten mindestens drei Monate vor Ablauf der Amtszeit der ehrenamtlichen Richter für jedes Gericht getrennt vorzulegen.

(3) Als ehrenamtliche Richter sind nur Deutsche vorzuschlagen,

1.
die die Landwirtschaft in dem Bezirk selbständig im Haupt- oder Nebenberuf ausüben oder ausgeübt haben,

2.
bei denen kein Hinderungsgrund nach §§ 32 bis 34 des Gerichtsverfassungsgesetzes vorliegt,

3.
die nicht Aufgaben der nach Landesrecht zuständigen Behörden auf den in § 1 Nr. 1 und 2 bezeichneten Sachgebieten wahrnehmen,

4.
die nicht dem Vorstand oder der Geschäftsführung einer land- und forstwirtschaftlichen Berufsvertretung oder ihrer Untergliederungen angehören, soweit diese nach § 32 Abs. 1 am gerichtlichen Verfahren beteiligt werden.

(4) Die Zahl der vorzuschlagenden Personen soll das Eineinhalbfache der erforderlichen Zahl der ehrenamtlichen Richter betragen.

(5) Scheidet ein ehrenamtlicher Richter nach seiner Berufung aus, so kann der Oberlandesgerichtspräsident für die restliche Amtszeit des ausgeschiedenen ehrenamtlichen Richters einen neuen ehrenamtlichen Richter auf Grund der Vorschlagsliste berufen.

(6) Diese Vorschriften gelten für die ehrenamtlichen Richter des Bundesgerichtshofes entsprechend mit der Maßgabe, daß diese von dem Präsidenten des Bundesgerichtshofes auf Grund einer Vorschlagsliste berufen werden, die von dem Zentralausschuß der Deutschen Landwirtschaft aufgestellt wird.




§ 5



Die ehrenamtlichen Richter üben das Richteramt in vollem Umfang und mit gleichem Stimmrecht wie die Berufsrichter aus. Sie sind zur Amtsverschwiegenheit verpflichtet.


§ 6



(1) Die ehrenamtlichen Richter sollen zu den Sitzungen nach der Reihenfolge einer Liste herangezogen werden, die der Vorsitzende des Gerichts vor Beginn des Geschäftsjahres aufstellt. Hierbei kann er bestimmen, daß einzelne dieser ehrenamtlichen Richter bei Verhinderung eines anderen herangezogen werden (stellvertretende ehrenamtliche Richter). Würden hiernach bei der Verhandlung in Pachtsachen zwei ehrenamtliche Richter, die beide Pächter oder beide Verpächter sind, oder in einer in § 1 Nr. 4 bezeichneten Sache zwei ehrenamtliche Richter, die beide dem Personenkreis des § 35 des Bundesvertriebenengesetzes angehören oder nicht angehören, teilnehmen, so gilt der auf Grund der Liste als zweiter heranstehende ehrenamtliche Richter für die Sitzung als verhindert.

(2) Im übrigen ist der Vorsitzende zu einer Änderung der Reihenfolge nur befugt, wenn ehrenamtliche Richter während des Geschäftsjahres ausscheiden, wenn neue ehrenamtliche Richter eintreten oder wenn die Teilnahme an einer früheren Verhandlung in derselben Sache oder die Wahrnehmung eines Termins an Ort und Stelle eine Änderung geboten erscheinen läßt.

(3) Für die Entbindung eines ehrenamtlichen Richters von der Dienstleistung an bestimmten Sitzungstagen gilt § 54 des Gerichtsverfassungsgesetzes sinngemäß.


§ 7



(1) Ein ehrenamtlicher Richter ist seines Amtes zu entheben, wenn das Fehlen einer in § 4 Abs. 3 bezeichneten Voraussetzung nachträglich bekannt wird oder eine solche Voraussetzung nachträglich wegfällt oder wenn er sich einer groben Verletzung seiner Amtspflicht schuldig macht.

(2) Über die Amtsenthebung eines ehrenamtlichen Richters des Amtsgerichts oder des Oberlandesgerichts entscheidet der Erste Zivilsenat des Oberlandesgerichts, über die Amtsenthebung eines ehrenamtlichen Richters des Bundesgerichtshofes der erste Zivilsenat des Bundesgerichtshofes. Vor der Entscheidung ist der ehrenamtliche Richter zu hören.


§ 8



Die Landesregierung kann durch Rechtsverordnung Geschäfte aus den Bezirken mehrerer Amtsgerichte einem Amtsgericht übertragen. Sie kann eine solche Bestimmung auch für die Oberlandesgerichte treffen. Die Landesregierung kann diese Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltung übertragen.