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Gesetz zum Schutz vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung (Strahlenschutzgesetz - StrlSchG)

Artikel 1 G. v. 27.06.2017 BGBl. I S. 1966 (Nr. 42); zuletzt geändert durch Artikel 2 G. v. 20.05.2021 BGBl. I S. 1194, 2022 BGBl. I S. 15
Geltung ab 31.12.2018, abweichend siehe Artikel 32; FNA: 751-24 Kernenergie
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Teil 4 Strahlenschutz bei bestehenden Expositionssituationen

Kapitel 4 Radioaktiv kontaminierte Gebiete

Abschnitt 1 Radioaktive Altlasten

§ 136 Begriff der radioaktiven Altlast; Verordnungsermächtigung



(1) Radioaktive Altlasten sind durch abgeschlossene menschliche Betätigung kontaminierte Grundstücke, Teile von Grundstücken, Gebäude oder Gewässer, wenn von der Kontamination eine Exposition verursacht wird oder werden kann, durch die für Einzelpersonen der Bevölkerung der Referenzwert der effektiven Dosis von 1 Millisievert im Kalenderjahr überschritten wird.

(2) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Anforderungen für die Ermittlung der Exposition und Prüfwerte, bei deren Unterschreitung keine radioaktive Altlast vorliegt, festzulegen.

(3) 1Bei der Ermittlung der Exposition zur Bestimmung einer radioaktiven Altlast ist die planungsrechtlich zulässige Nutzung der Grundstücke und ihrer Umgebung sowie das sich daraus ergebende Schutzbedürfnis zu beachten. 2Fehlen planungsrechtliche Festsetzungen, so ist die Prägung des Gebiets unter Berücksichtigung der absehbaren Entwicklung zugrunde zu legen. 3Liegen auf Teilflächen gegenüber der nach den Sätzen 1 oder 2 zugrunde zu legenden Nutzung abweichende Nutzungen vor, die zu höheren Expositionen führen können, sind diese zu berücksichtigen.

(4) Besteht die Besorgnis, dass eine radioaktive Altlast einen Grundwasserleiter beeinflusst, ist abweichend von Absatz 3 grundsätzlich eine Nutzung des Grundwassers zu unterstellen.


§ 137 Verantwortlichkeit für radioaktive Altlasten



(1) Verantwortlich für eine radioaktive Altlast ist, wer

1.
die Kontamination verursacht hat,

2.
einer Person nach Nummer 1 in Gesamtrechtsnachfolge folgt,

3.
Eigentümer der radioaktiven Altlast ist,

4.
die tatsächliche Gewalt über die radioaktive Altlast ausübt oder

5.
das Eigentum an der radioaktiven Altlast aufgibt.

(2) Verantwortlich ist auch, wer aus handelsrechtlichem oder gesellschaftsrechtlichem Rechtsgrund für eine juristische Person einzustehen hat, der eine radioaktive Altlast gehört.

(3) 1Verantwortlich ist auch der frühere Eigentümer einer radioaktiven Altlast, wenn er die Kontamination kannte oder kennen musste und wenn das Eigentum nach dem 31. Dezember 2018 übertragen wurde. 2Dies gilt für denjenigen nicht, der beim Erwerb des Grundstücks darauf vertraut hat, dass keine Kontaminationen vorhanden sind, wenn das Vertrauen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls schutzwürdig ist.


§ 138 Verdacht auf radioaktive Altlasten



(1) Liegen einer der in § 137 genannten Personen Anhaltspunkte für das Vorliegen einer radioaktiven Altlast vor, so hat sie dies der zuständigen Behörde unverzüglich zu melden.

(2) Liegen der zuständigen Behörde Anhaltspunkte für das Vorliegen einer radioaktiven Altlast vor, so soll sie zur Ermittlung des Sachverhalts die geeigneten Maßnahmen treffen.

(3) 1Besteht ein hinreichender Verdacht für das Vorliegen einer radioaktiven Altlast, so kann die zuständige Behörde die in § 137 genannten Personen verpflichten, die erforderlichen Untersuchungen durchzuführen, insbesondere zu Art, Höhe und Ausdehnung der Kontamination und zur Exposition. 2Ein hinreichender Verdacht liegt in der Regel vor, wenn Untersuchungen eine Überschreitung der in der Rechtsverordnung nach § 136 Absatz 2 festgelegten Prüfwerte ergeben haben oder erwarten lassen oder wenn es auf Grund sonstiger Feststellungen überwiegend wahrscheinlich ist, dass eine radioaktive Altlast vorliegt.


§ 139 Behördliche Anordnungsbefugnisse für Maßnahmen; Verordnungsermächtigung



(1) 1Liegt eine radioaktive Altlast vor, so kann die zuständige Behörde einen der für die radioaktive Altlast Verantwortlichen verpflichten,

1.
Untersuchungen zu Art und Ausdehnung der radioaktiven Altlast sowie zur Exposition und zu möglichen Sanierungs- und sonstigen Maßnahmen zur Verhinderung oder Verminderung der Exposition durchzuführen,

2.
der zuständigen Behörde das Ergebnis dieser Untersuchungen mitzuteilen,

3.
durch bestimmte Sanierungsmaßnahmen, sonstige Maßnahmen zur Verhinderung oder Verminderung der Exposition oder Nachsorgemaßnahmen dafür zu sorgen, dass der Referenzwert nach § 136 Absatz 1 unterschritten wird,

4.
die Exposition der Bevölkerung infolge der Sanierungsarbeiten zu überwachen,

5.
auch nach Durchführung von Maßnahmen nach Nummer 3 weitere Maßnahmen durchzuführen, soweit dies zur Sicherung des Ziels von Sanierungs- oder sonstigen Maßnahmen zur Verhinderung oder Verminderung der Exposition notwendig ist, oder

6.
die von der radioaktiven Altlast ausgehenden, Radionuklide enthaltenden Emissionen und Immissionen, einschließlich der Direktstrahlung, zu überwachen.

2§ 13 Absatz 2 und § 18 Satz 1 des Bundes-Bodenschutzgesetzes gelten entsprechend.

(2) 1Die nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 5 durchzuführenden Maßnahmen sollen auf wissenschaftlich begründeten, technisch und wirtschaftlich durchführbaren Verfahren beruhen, die in der praktischen Anwendung erprobt und bewährt sind oder die ihre praktische Eignung als gesichert erscheinen lassen. 2Art, Umfang und Dauer der Maßnahmen sind zu optimieren.

(3) 1Wird während der Sanierungsmaßnahmen vorübergehend die Exposition erhöht, so soll diese einen Richtwert für die effektive Dosis von 6 Millisievert im Kalenderjahr für Einzelpersonen der Bevölkerung nicht überschreiten. 2Dabei soll infolge von Einleitungen in oberirdische Gewässer der Richtwert für die effektive Dosis von 1 Millisievert im Kalenderjahr für Einzelpersonen der Bevölkerung nicht überschritten werden.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

1.
Vorgaben zur Emissions- und Immissionsüberwachung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 zu machen und

2.
Anforderungen an die Optimierung der Maßnahmen nach Absatz 2 Satz 2 festzulegen.


§ 140 Weitere Pflichten im Zusammenhang mit der Durchführung von Maßnahmen



(1) Der für die radioaktive Altlast Verantwortliche hat der zuständigen Behörde unverzüglich den Beginn und den Abschluss der Maßnahmen mitzuteilen und geeignete Nachweise über die Wirksamkeit der durchgeführten Maßnahmen vorzulegen.

(2) Wer nach Durchführung von Maßnahmen nach § 139 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 5 beabsichtigt, Veränderungen an dem betroffenen Grundstück vorzunehmen, insbesondere Änderungen der Nutzung sowie das Aufbringen oder Entfernen von Stoffen, hat dies vier Wochen vor dem beabsichtigten Beginn der zuständigen Behörde mitzuteilen und nachzuweisen, dass infolge der Veränderung die Exposition nicht erhöht wird.


§ 141 Anwendung der Vorschriften für Tätigkeiten mit Rückständen



Abweichend von den §§ 138 bis 140 finden die Vorschriften von Teil 2 Kapitel 2 Abschnitt 8 Unterabschnitt 2 dieses Gesetzes entsprechende Anwendung, wenn Rückstände oder sonstige Materialien vom verunreinigten Grundstück, auch zum Zweck der Sanierung des Grundstücks, entfernt werden, es sei denn, die Rückstände oder Materialien werden bei der Sanierung anderer radioaktiver Altlasten verwendet.


§ 142 Information der Öffentlichkeit; Erfassung



(1) Die zuständige Behörde informiert die betroffene Öffentlichkeit über die radioaktive Altlast und die von ihr ausgehende Exposition sowie über die getroffenen Sanierungsmaßnahmen, sonstigen Maßnahmen zur Verhinderung oder Verminderung der Exposition und Nachsorgemaßnahmen.

(2) Die zuständigen Behörden erfassen die festgestellten radioaktiven Altlasten und altlastverdächtigen Flächen.


§ 143 Sanierungsplanung; Verordnungsermächtigung



(1) 1Bei radioaktiven Altlasten, bei denen wegen der Verschiedenartigkeit der erforderlichen Maßnahmen ein abgestimmtes Vorgehen notwendig ist oder von denen auf Grund von Art oder Ausdehnung der Kontamination in besonderem Maße Risiken für den Einzelnen oder die Allgemeinheit ausgehen, kann die zuständige Behörde einen für die radioaktive Altlast Verantwortlichen verpflichten, einen Sanierungsplan vorzulegen. 2Der Sanierungsplan hat insbesondere Folgendes zu enthalten:

1.
eine Darstellung der Ergebnisse der durchgeführten Untersuchungen, von Art und Ausdehnung der radioaktiven Altlast und eine Zusammenfassung der Expositionsabschätzung,

2.
Angaben über die bisherige und künftige Nutzung der zu sanierenden Grundstücke und

3.
die Darstellung der vorgesehenen Sanierungsmaßnahmen, sonstigen Maßnahmen zur Verhinderung oder Verminderung der Exposition und Nachsorgemaßnahmen.

3Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Vorschriften über den Inhalt von Sanierungsplänen zu erlassen.

(2) 1§ 136 Absatz 3 und 4 und § 139 Absatz 2 dieses Gesetzes sowie § 13 Absatz 2 und 4 und § 18 Satz 1 des Bundes-Bodenschutzgesetzes gelten entsprechend. 2Die zuständige Behörde kann den Sanierungsplan, auch mit Abänderungen oder mit Nebenbestimmungen, für verbindlich erklären.


§ 144 Behördliche Sanierungsplanung



(1) 1Die zuständige Behörde kann den Sanierungsplan nach § 143 Absatz 1 selbst erstellen oder ergänzen oder durch einen Sachverständigen erstellen oder ergänzen lassen, wenn

1.
der Plan nicht, nicht innerhalb der von der Behörde gesetzten Frist oder fachlich unzureichend erstellt worden ist,

2.
ein für die radioaktive Altlast Verantwortlicher nicht oder nicht rechtzeitig herangezogen werden kann oder

3.
auf Grund der Komplexität der Altlastensituation, insbesondere auf Grund der großflächigen Ausdehnung der Kontamination oder der Anzahl der betroffenen Verpflichteten, ein koordiniertes Vorgehen erforderlich ist.

2Für den Sachverständigen gilt § 18 Satz 1 des Bundes-Bodenschutzgesetzes entsprechend.

(2) Die zuständige Behörde kann den Sanierungsplan, auch mit Abänderungen oder mit Nebenbestimmungen, für verbindlich erklären.

(3) 1Mit dem Sanierungsplan kann der Entwurf eines Sanierungsvertrages über die Ausführung des Plans vorgelegt werden. 2Der Sanierungsvertrag kann die Einbeziehung Dritter vorsehen.