Bundesrecht - tagaktuell konsolidiert - alle Fassungen seit 2006
Vorschriftensuche
 

Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz - VAG)

Artikel 1 G. v. 01.04.2015 BGBl. I S. 434 (Nr. 14); zuletzt geändert durch Artikel 14 G. v. 22.12.2023 BGBl. 2023 I Nr. 411
Geltung ab 01.01.2016, abweichend siehe Artikel 3; FNA: 7631-11 Versicherungsaufsichtsrecht
| |

Teil 2 Vorschriften für die Erstversicherung und die Rückversicherung

Kapitel 1 Geschäftstätigkeit

Abschnitt 7 Grenzüberschreitende Geschäftstätigkeit

Unterabschnitt 2 Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum

§ 61 Geschäftstätigkeit durch eine Niederlassung oder im Dienstleistungsverkehr



(1) 1Erstversicherungsunternehmen mit Sitz in einem anderen Mitglied- oder Vertragsstaat mit Ausnahme der in den §§ 65 und 66 genannten Unternehmen dürfen das Versicherungsgeschäft im Inland durch eine Niederlassung oder im Dienstleistungsverkehr nur nach Maßgabe der Absätze 2 bis 4 betreiben. 2§ 57 Absatz 2 und 3 gilt sinngemäß.

(2) 1Will das Unternehmen seine Tätigkeit durch eine Niederlassung ausüben, hat die Aufsichtsbehörde des Herkunftsstaats der Bundesanstalt die in Artikel 145 Absatz 2 und 3 der Richtlinie 2009/138/EG bezeichneten Angaben unter Benachrichtigung des Unternehmens zu übermitteln. 2Die Aufnahme der Geschäftstätigkeit der Niederlassung ist erst zulässig, wenn seit Eingang dieser Benachrichtigung zwei Monate vergangen sind. 3Dies gilt nur, wenn die Bundesanstalt dem Unternehmen keinen früheren Zeitpunkt mitteilt. 4Änderungen des Inhalts der in Artikel 145 Absatz 2 Buchstabe b, c oder d der Richtlinie 2009/138/EG bezeichneten Angaben teilt das Unternehmen der Bundesanstalt und der Aufsichtsbehörde seines Sitzes einen Monat vor der beabsichtigten Durchführung der Änderung mit. 5Sind Erweiterungen der Geschäftstätigkeit damit verbunden, sind diese erst zulässig, wenn seit Eingang der Mitteilung des Unternehmens an die Bundesanstalt ein Monat vergangen ist.

(3) Die Aufnahme oder Änderung der Tätigkeit des Unternehmens im Dienstleistungsverkehr ist erst zulässig, wenn die Aufsichtsbehörde des Herkunftsstaats der Bundesanstalt die in Artikel 148 Absatz 1 und 2 der Richtlinie 2009/138/EG bezeichneten Angaben übermittelt und das Unternehmen hiervon in Kenntnis gesetzt hat.

(4) Der Betrieb der Krankenversicherung im Sinne des § 146 Absatz 1 sowie von Pflichtversicherungen in den in den Absätzen 2 und 3 bezeichneten Fällen ist erst zulässig, wenn das Unternehmen der Bundesanstalt die allgemeinen Versicherungsbedingungen eingereicht hat.

(5) 1Die Bundesanstalt unterrichtet die Aufsichtsbehörden der anderen Mitglied- oder Vertragsstaaten fortlaufend über solche Rechtsvorschriften, die Versicherungsunternehmen mit Sitz in diesen Staaten bei Ausübung einer Geschäftstätigkeit nach Absatz 1 zu beachten haben und deren Befolgung in Wahrnehmung der Aufsicht mit Ausnahme der Finanzaufsicht überwacht wird. 2Vorschriften, die nicht gemäß Satz 1 bekannt gegeben wurden, teilt die Bundesanstalt innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der in Absatz 2 oder 3 bezeichneten Angaben den Aufsichtsbehörden der Herkunftsstaaten mit.




§ 62 Beaufsichtigung der Geschäftstätigkeit



(1) 1Die Finanzaufsicht über die Geschäftstätigkeit im Sinne des § 61 obliegt allein der Aufsichtsbehörde des Herkunftsstaats, die Aufsicht im Übrigen auch der Bundesanstalt. 2Für die Aufsicht der Bundesanstalt nach Satz 1 sind neben § 61 Absatz 1 und 2 entsprechend anzuwenden:

1.
von den Allgemeinen Vorschriften § 1 Absatz 1 und 2 sowie die §§ 3 und 4;

2.
von den Vorschriften über grenzüberschreitende Geschäftstätigkeit § 68 Absatz 2 Satz 4;

3.
von den Vorschriften über die Geschäftstätigkeit die §§ 48 bis 51 sowie für Unternehmen, die ihre Tätigkeit durch eine Niederlassung ausüben, außerdem § 15a Absatz 1, § 25 Absatz 6;

4.
von den Vorschriften über die Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung § 53 Absatz 1 bis 3 sowie die §§ 54 und 55, sofern es sich um Niederlassungen im Sinne des § 57 Absatz 2 handelt, die die in § 52 genannten Geschäfte betreiben;

5.
von den Vorschriften für einzelne Zweige die §§ 142, 144, 146, 147, 149 und 150 Absatz 1 bis 3, § 152 Absatz 1 bis 4, die §§ 155 und 156 Absatz 1, § 157 Absatz 1, § 159 mit Ausnahme der Verweisung auf § 160;

6.
von den Vorschriften über die Aufsicht § 294 Absatz 2 Satz 2 bis 4, die §§ 298 und 299 Nummer 1, die §§ 303, 305 Absatz 1, 2 Nummer 1 und 2, Absatz 3 bis 5, § 306 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und 2, Absatz 4 bis 8, die §§ 308 und 310 sowie die Vorschriften einer Rechtsverordnung nach § 310a sowie

7.
§ 17 des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes.

(2) Hat die Bundesanstalt Gründe für die Annahme, dass die finanzielle Solidität eines nach § 61 Absatz 1 tätigen Unternehmens beeinträchtigt sein könnte, unterrichtet sie hierüber die für die Finanzaufsicht zuständige Behörde des Herkunftsstaats.

(3) 1Kommt ein Erstversicherungsunternehmen bei einer Geschäftstätigkeit nach § 61 Absatz 1 Aufforderungen oder Anordnungen der Bundesanstalt, einen Missstand (§ 298 Absatz 1) zu beseitigen, nicht nach, so unterrichtet die Bundesanstalt die Aufsichtsbehörde des Herkunftsstaats über die nach Satz 2 beabsichtigten Maßnahmen und ersucht um Zusammenarbeit. 2Bleibt dieses Ersuchen erfolglos und sind Versuche, Anordnungen mit Zwangsmitteln durchzusetzen oder wegen Zwangsgeld zu vollstrecken, aussichtslos oder erfolglos, kann die Bundesanstalt, wenn andere Maßnahmen nicht zum Ziel führen oder nicht angebracht sind, die weitere Geschäftstätigkeit im Inland ganz oder teilweise untersagen. 3In dringenden Fällen können die in Satz 2 genannten Anordnungen ohne Unterrichtung der Aufsichtsbehörde des Herkunftsstaats ergehen. 4Darüber hinaus kann die Bundesanstalt gemäß Artikel 19 der Verordnung (EU) Nr. 1094/2010 die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung mit der Angelegenheit befassen und um Unterstützung bitten.

(4) Verliert ein nach § 61 Absatz 1 tätiges Unternehmen die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb, so trifft die Bundesanstalt nach Unterrichtung durch die Aufsichtsbehörde des Herkunftsstaats die zur Unterbindung der weiteren inländischen Geschäftstätigkeit geeigneten und erforderlichen Maßnahmen.




§ 63 Bestandsübertragungen



(1) 1Ein Vertrag, durch den ein Erstversicherungsunternehmen mit Sitz in einem anderen Mitglied- oder Vertragsstaat ganz oder teilweise einen Bestand an Versicherungsverträgen, die es gemäß § 61 Absatz 1 durch eine Niederlassung oder im Dienstleistungsverkehr abgeschlossen hat, auf ein Unternehmen mit Sitz in einem Mitglied- oder Vertragsstaat übertragen will, bedarf zur Genehmigung durch die für das übertragende Unternehmen zuständige Aufsichtsbehörde des Herkunftsstaats der Zustimmung der Bundesanstalt. 2Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn die Belange der Versicherten gewahrt sind und die Verpflichtungen aus den Versicherungen als dauernd erfüllbar dargetan sind; § 13 Absatz 4, 5 und 7 Satz 1 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Betrifft der Versicherungsbestand einer Niederlassung keine im Inland belegenen Risiken, nimmt die Bundesanstalt zum Vertrag lediglich Stellung.

(3) Äußert sich die Bundesanstalt nicht innerhalb von drei Monaten zu dem Ersuchen um Zustimmung oder Stellungnahme, gilt dies als stillschweigende Zustimmung oder positive Stellungnahme.

(4) Fordert die gemäß Absatz 1 Satz 1 für die Genehmigung zuständige Aufsichtsbehörde von der Bundesanstalt die in § 13 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 genannte Bescheinigung an, sind § 58 Absatz 2 Satz 4 und § 59 Absatz 2 Satz 5 entsprechend anzuwenden.


§ 64 Bei Lloyd’s vereinigte Einzelversicherer



(1) Die bei Lloyd’s vereinigten Einzelversicherer dürfen eine Geschäftstätigkeit nur ausüben, wenn die Vereinigung im Namen der Einzelversicherer für den Fall der Zwangsvollstreckung in deren im Inland belegene Vermögenswerte darauf verzichtet, Rechte daraus herzuleiten, dass die Zwangsvollstreckung auch in Vermögenswerte von Einzelversicherern erfolgt, gegen die der Titel nicht wirkt; die Verzichtserklärung muss bis zur vollständigen Abwicklung der im Inland abgeschlossenen Versicherungsverträge unwiderruflich sein.

(2) 1Ansprüche aus dem im Inland über eine Niederlassung betriebenen Versicherungsgeschäft der bei Lloyd’s vereinigten Einzelversicherer können nur durch und gegen den Hauptbevollmächtigten gerichtlich geltend gemacht werden. 2Ein gemäß Satz 1 erzielter Titel wirkt für und gegen die an dem Versicherungsgeschäft beteiligten Einzelversicherer. 3§ 727 der Zivilprozessordnung ist entsprechend anzuwenden. 4Aus einem gegen den Hauptbevollmächtigten erzielten Titel kann in die von ihm verwalteten, im Inland belegenen Vermögenswerte aller in der Vereinigung zusammengeschlossenen Einzelversicherer vollstreckt werden.


§ 65 Niederlassung



(1) 1Versicherungsunternehmen mit Sitz in einem anderen Mitglied- oder Vertragsstaat, auf die die Richtlinie 2009/138/EG keine Anwendung findet und die das Versicherungsgeschäft durch eine Niederlassung betreiben wollen, bedürfen der Erlaubnis. 2Über den Antrag entscheidet die Bundesanstalt.

(2) Auf diese Unternehmen sind § 67 Absatz 2 und 3 sowie § 68 Absatz 2 mit den Maßgaben entsprechend anzuwenden, dass

1.
zusätzlich die Satzung des Unternehmens sowie die Bilanz und die Gewinn-und-Verlustrechnung für jedes der drei letzten Geschäftsjahre einzureichen sind; besteht das Unternehmen noch nicht drei Jahre, so hat es diese Unterlagen nur für die bereits abgeschlossenen Geschäftsjahre vorzulegen;

2.
die Mitglieder des zur gesetzlichen Vertretung befugten Organs zu benennen sind;

3.
die die Niederlassung betreffenden Geschäftsunterlagen dort zur Verfügung zu halten sind und

4.
§ 13 Absatz 2 nicht anzuwenden ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch, wenn der Betrieb im Dienstleistungsverkehr erfolgen soll; die in Absatz 2 genannten Vorschriften gelten jedoch insoweit nicht entsprechend, als sie eine Niederlassung voraussetzen.