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Abschnitt 4 - Seearbeitsgesetz (SeeArbG)

Artikel 1 G. v. 20.04.2013 BGBl. I S. 868, 2014 I 605; zuletzt geändert durch Artikel 3 G. v. 14.03.2023 BGBl. 2023 I Nr. 73
Geltung ab 01.08.2013, abweichend siehe § 154, Ermächtigungen ab 25.04.2013; FNA: 9513-38 Schiffsbesatzung
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Abschnitt 4 Berufsausbildung an Bord

§ 81 Vertrag über die Berufsausbildung für einen Beruf an Bord



Der Reeder darf die Berufsausbildung eines Besatzungsmitglieds für einen Beruf an Bord nur durchführen, wenn es einen Berufsausbildungsvertrag hat, dessen Form und Inhalt die Anforderungen des § 82 erfüllt. Durch den Berufsausbildungsvertrag wird ein Berufsausbildungsverhältnis begründet. Die Vorschriften des § 10 Absatz 2 bis 5 des Berufsbildungsgesetzes über Abschluss und Wirksamkeit des Berufsausbildungsvertrages und die Verbundausbildung sind entsprechend anzuwenden.


§ 82 Form und Inhalt des Vertrages über die Berufsausbildung an Bord



(1) 1Der Vertrag über die Berufsausbildung für einen Beruf an Bord bedarf der Schriftform; die elektronische Form ist ausgeschlossen. 2Der Reeder hat den Auszubildenden und dessen gesetzlichen Vertreter rechtzeitig vor dem beabsichtigten Vertragsschluss einen Vertragsentwurf, einschließlich der nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 12 anzugebenden Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder Bordvereinbarungen, auszuhändigen. 3Der Vertrag über die Berufsausbildung ist vor Beginn der Berufsausbildung abzuschließen und von dem Reeder, den Auszubildenden und deren gesetzlichen Vertretern zu unterzeichnen. 4Alle Unterzeichnenden müssen unverzüglich eine Ausfertigung des Vertrages über die Berufsausbildung an Bord erhalten.

(2) 1Beginnt eine Berufsausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz zunächst an Land und soll der praktische Teil an Bord durchgeführt werden, ist der Vertrag nach Absatz 1 spätestens vor Beginn der praktischen Ausbildung an Bord abzuschließen. 2§ 11 des Berufsbildungsgesetzes bleibt unberührt.

(3) 1In den Vertrag über die Berufsausbildung an Bord sind mindestens aufzunehmen:

1.
der Name und die Anschrift des Reeders; im Falle eines anderen Ausbildenden dessen vollständiger Name und Anschrift sowie Name und Anschrift des Reeders,

2.
der Vorname und Familienname, das Geburtsdatum, der Geburtsort und die Anschrift des Auszubildenden,

3.
der Zeitpunkt des Beginns der Berufsausbildung,

4.
die Art, sachliche und zeitliche Gliederung sowie das Ziel der Berufsausbildung, insbesondere die Berufstätigkeit, für die ausgebildet werden soll,

5.
die Dauer der Berufsausbildung,

6.
der Hinweis darauf, dass die Ausbildung auf verschiedenen Schiffen erfolgen kann, sowie die Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte,

7.
die Dauer der täglichen regelmäßigen Ausbildungszeit und der Ruhezeiten,

8.
die Dauer der Probezeit,

9.
die Zusammensetzung und die Höhe der Vergütung einschließlich der Zuschläge, Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen, die jeweils getrennt anzugeben sind, oder die für die Berechnung der Vergütung zugrunde zu legende Formel sowie die Fälligkeit der Vergütung, die Art der Auszahlung und, soweit vorgesehen, die Modalitäten und die Vergütung von Überstunden,

10.
die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs,

11.
das bei der Kündigung des Ausbildungsvertrages einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für eine Kündigung sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage; § 7 des Kündigungsschutzgesetzes ist auch bei einem nicht ordnungsgemäßen Nachweis der Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage anzuwenden,

12.
die Angabe der Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder Bordvereinbarungen, die auf das Berufsausbildungsverhältnis an Bord anzuwenden sind,

13.
die Leistungen der medizinischen Betreuung und der sozialen Sicherheit, die der Reeder als Ausbildender oder der andere Ausbildende dem Auszubildenden zu gewähren hat,

14.
der Heimschaffungsanspruch des Auszubildenden,

15.
der Ort und das Datum, an dem der Vertrag über die Berufsausbildung an Bord abgeschlossen worden ist.

2Den Auszubildenden ist der Ort des Dienstantritts an Bord rechtzeitig schriftlich mitzuteilen.

(4) Für Besatzungsmitglieder von Fischereifahrzeugen sind

1.
zusätzlich zu Absatz 3 der Name und das Fischereikennzeichen des Fischereifahrzeuges oder die Namen und die Fischereikennzeichen der Fischereifahrzeuge, auf dem oder denen das Besatzungsmitglied Dienst leisten soll,

2.
zusätzlich zu Absatz 3 die Reise oder Reisen, die unternommen werden sollen, falls sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses angegeben werden können,

3.
abweichend von Absatz 3 Satz 1 Nummer 9 die Höhe des Anteils und dessen Berechnungsart, wenn eine Beteiligung am Fangerlös gewährt wird,

in den Berufsausbildungsvertrag aufzunehmen.

(5) 1Wird die Ausbildung voraussichtlich länger als einen Monat an Bord eines Schiffes unter ausländischer Flagge durchgeführt, sind in den Vertrag zusätzlich aufzunehmen:

1.
die Dauer der Ausbildung an Bord des Schiffes unter ausländischer Flagge,

2.
die Währung, in der die Vergütung ausgezahlt wird,

3.
die zusätzlichen Leistungen, die mit der Ausbildung auf einem Schiff unter ausländischer Flagge verbunden sind,

4.
die Bedingungen für die Rückkehr des Auszubildenden.

2Die Vorschriften über die Eignung und die Zulassung eines Schiffes unter ausländischer Flagge als Ausbildungsstätte bleiben unberührt.

(6) 1Die Angaben nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 7, 9 bis 11, 13 und 14 und Absatz 4 können ersetzt werden durch die Angabe der Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder Bordvereinbarungen sowie ähnlicher Regelungen, die für das Berufsausbildungsverhältnis an Bord gelten. 2Ist in diesen Fällen die jeweilige gesetzliche Regelung maßgebend, so kann hierauf verwiesen werden.

(7) 1Bei der Änderung wesentlicher Vertragsbedingungen gelten die Absätze 1 bis 5 entsprechend. 2Satz 1 gilt nicht bei einer Änderung der gesetzlichen Vorschriften, der Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder Bordvereinbarungen, die für das Berufsausbildungsverhältnis gelten.

(8) Die Vorschriften der §§ 12 bis 16 des Berufsbildungsgesetzes über nichtige Vereinbarungen, die Pflichten der Auszubildenden und der Ausbildenden während der Berufsausbildung, die Freistellung für die Teilnahme am Berufsschulunterricht und das Zeugnis sind entsprechend anwendbar.

(9) 1Hat das Ausbildungsverhältnis bereits vor dem 1. August 2022 bestanden, so ist dem Auszubildenden auf sein Verlangen eine Niederschrift mit den nach Absatz 3 wesentlichen Angaben innerhalb von sieben Tagen nach Zugang der Aufforderung auszuhändigen oder zu übermitteln. 2Soweit eine früher ausgestellte Niederschrift oder ein schriftlicher Ausbildungsvertrag die nach Absatz 3 erforderlichen Angaben enthält, entfällt diese Verpflichtung.




§ 83 Vertrag über die Berufsausbildung auf Fahrzeugen der kleinen Hochseefischerei oder der Küstenfischerei



Erfolgt die Berufsausbildung auf einem Fahrzeug der kleinen Hochseefischerei oder Küstenfischerei, gelten anstelle der §§ 10 und 11 des Berufsbildungsgesetzes die §§ 81 und 82; die übrigen Vorschriften dieses Abschnittes sind nicht anzuwenden. Auf den Berufsausbildungsvertrag sind die Vorschriften der anderen Abschnitte dieses Gesetzes anzuwenden, soweit sich aus dem Wesen und Zweck des Vertrages und aus dem Berufsbildungsgesetz nichts anderes ergibt.


§ 84 Vergütungsanspruch



Reeder haben Auszubildenden eine angemessene Vergütung zu zahlen, die so zu bemessen ist, dass sie mit fortschreitender Berufsausbildung, mindestens jährlich bezogen auf das Ausbildungsjahr, ansteigt.


§ 85 Bemessung und Fälligkeit der Vergütung



(1) Die Vergütung bemisst sich nach Kalendermonaten. Bei Berechnung der Vergütung für einzelne Tage wird der Kalendermonat zu 30 Tagen gerechnet.

(2) Die Vergütung ist mit Ablauf eines jeden Kalendermonats oder bei Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses fällig. Die Vorschrift des § 19 des Berufsbildungsgesetzes über die Fortzahlung der Vergütung ist entsprechend anzuwenden.


§ 86 Probezeit



Das Berufsausbildungsverhältnis beginnt mit der Probezeit. Sie muss mindestens einen Monat und darf höchstens fünf Monate betragen. Mit den in § 3 Absatz 2 Satz 3 genannten Personen kann abweichend von Satz 2 eine kürzere Probezeit vereinbart werden.


§ 87 Beendigung



(1) Das Berufsausbildungsverhältnis endet mit dem Ablauf der Ausbildungszeit. Bestehen Auszubildende vor Ablauf der Ausbildungszeit die Abschlussprüfung, so endet das Berufsausbildungsverhältnis mit Bekanntgabe des Ergebnisses durch den Prüfungsausschuss.

(2) Bestehen Auszubildende die Abschlussprüfung nicht, so verlängert sich das Berufsausbildungsverhältnis auf ihr Verlangen bis zu der durch den Prüfungsausschuss festgelegten Wiederholungsprüfung, längstens um ein Jahr.


§ 88 Kündigung



(1) Während der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis mit einer Kündigungsfrist von einer Woche gekündigt werden. Wird die Kündigung während der Fahrt des Schiffes ausgesprochen, setzt sich das Berufsausbildungsverhältnis nach Ablauf der Kündigungsfrist als Heuerverhältnis im Sinne des § 28 bis zur Ankunft des Schiffes in einem Hafen fort, in dem eine Heimschaffung des Auszubildenden mit allgemein zugänglichen Verkehrsmitteln möglich ist. Ist der Auszubildende mit der Fortsetzung als Heuerverhältnis nicht einverstanden, so hat er während der Bordanwesenheit den sich aus § 67 Absatz 3 ergebenden Verpflegungssatz zu entrichten.

(2) Nach der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis nur gekündigt werden

1.
aus einem wichtigen Grund im Sinne des § 67 Absatz 1 oder des § 68 Absatz 1 ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist,

2.
von Auszubildenden mit einer Kündigungsfrist von vier Wochen, wenn sie die Berufsausbildung aufgeben oder sich für eine andere Berufstätigkeit ausbilden lassen wollen.

Im Falle der Kündigung aus wichtigem Grund im Sinne des Satzes 1 Nummer 1 sind bei einer Kündigung des Reeders § 67 Absatz 3, bei einer Kündigung des Auszubildenden § 68 Absatz 2 entsprechend anzuwenden. Im Falle einer Kündigung durch den Auszubildenden nach Satz 1 Nummer 2 setzt sich das Berufsausbildungsverhältnis über den Ablauf der Kündigungsfrist bis zur Ankunft des Schiffes in einem Hafen fort, in dem eine Heimschaffung des Auszubildenden mit allgemein zugänglichen Verkehrsmitteln gewährleistet ist.

(3) Die Kündigung muss schriftlich und in den Fällen des Absatzes 2 unter Angabe der Kündigungsgründe erfolgen.

(4) Eine Kündigung aus wichtigem Grund ist unwirksam, wenn die ihr zugrunde liegenden Tatsachen dem zur Kündigung Berechtigten länger als zwei Wochen bekannt sind.


§ 89 Schadensersatz bei vorzeitiger Beendigung



(1) Wird das Berufsausbildungsverhältnis nach der Probezeit vorzeitig gelöst, so können Reeder oder Auszubildende Ersatz des Schadens verlangen, wenn die andere Person den Grund für die Auflösung zu vertreten hat. Dies gilt nicht im Falle des § 88 Absatz 2 Nummer 2.

(2) Der Anspruch erlischt, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten, gerechnet ab dem Tag, an dem das Besatzungsmitglied den Anspruch erstmals geltend machen konnte, nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses geltend gemacht wird.

(3) Auf die in § 3 Absatz 2 Satz 3 genannten Personen sind die Absätze 1 und 2 nicht anzuwenden.


§ 90 Berufsausbildung auf Schiffen des Bundes und der Länder



Die §§ 81 bis 89 sowie die auf Grund des § 92 erlassenen Rechtsverordnungen sind entsprechend anzuwenden, wenn die Berufsausbildung auf Schiffen durchgeführt wird, die eine Landesdienst- oder die Bundesdienstflagge führen und in der Seefahrt eingesetzt sind.


§ 91 Zuständige Stelle



Für die Berufsbildung in Berufen nach § 92 ist die Berufsbildungsstelle Seeschifffahrt e. V., Bremen, die zuständige Stelle.


§ 92 Rechtsverordnungen



Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung ohne Zustimmung des Bundesrates nach Anhörung der für Berufsbildungsfragen zuständigen obersten Landesbehörden der Küstenländer Ausbildungsberufe in der Seeschifffahrt staatlich anzuerkennen und Bestimmungen zu erlassen über

1.
die Bezeichnung des anzuerkennenden Ausbildungsberufes,

2.
die Zusammensetzung und die Aufgaben der zuständigen Stelle,

3.
die Ausbildungsdauer, die nicht weniger als zwei Jahre betragen soll,

4.
die beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten, die mindestens Gegenstand der Berufsausbildung sind (Ausbildungsberufsbild),

5.
eine Anleitung zur sachlichen und zeitlichen Gliederung der Vermittlung der beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten (Ausbildungsrahmenplan),

6.
die Anrechnung beruflicher Vorbildung auf die Ausbildungszeit,

7.
die Eignung der Ausbildenden, der Ausbildungsstätte, die persönliche und fachliche Eignung der Ausbilderinnen oder Ausbilder,

8.
das Prüfungswesen, insbesondere im Hinblick auf den Prüfungsausschuss, Prüfungsgegenstand und die Prüfungsordnung.