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Abschnitt 9 - Seearbeitsgesetz (SeeArbG)

Artikel 1 G. v. 20.04.2013 BGBl. I S. 868, 2014 I 605; zuletzt geändert durch Artikel 3 G. v. 14.03.2023 BGBl. 2023 I Nr. 73
Geltung ab 01.08.2013, abweichend siehe § 154, Ermächtigungen ab 25.04.2013; FNA: 9513-38 Schiffsbesatzung
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Abschnitt 9 Anforderungen an Schiffe unter ausländischer Flagge und Verantwortlichkeit des Hafenstaates

Unterabschnitt 1 Anforderungen an Schiffe unter ausländischer Flagge

§ 137 Anforderungen an Reeder eines Schiffes unter ausländischer Flagge



(1) Reeder und Kapitän eines Schiffes unter ausländischer Flagge haben jeweils sicherzustellen, dass die Arbeits- und Lebensbedingungen der Besatzungsmitglieder an Bord den Anforderungen der Artikel und der Regeln in Verbindung mit Teil A des Codes des Seearbeitsübereinkommens genügen.

(2) Können für ein Schiff unter ausländischer Flagge ein gültiges Seearbeitszeugnis und eine gültige Seearbeits-Konformitätserklärung nach § 132 vorgelegt werden, gelten die in Absatz 1 bezeichneten Anforderungen als erfüllt, soweit im Einzelfall kein Grund zu der Annahme besteht, dass das Schiff den Anforderungen nicht genügt.




Unterabschnitt 2 Hafenstaatkontrolle

§ 138 Überprüfung von Schiffen unter ausländischer Flagge



(1) Die Überprüfung der Einhaltung der in § 137 Absatz 1 bezeichneten Anforderungen auf Schiffen unter ausländischer Flagge (Hafenstaatkontrolle im Sinne der Richtlinie 2009/16/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über die Hafenstaatkontrolle (ABl. L 131 vom 28.5.2009, S. 57), die durch die Richtlinie 2013/38/EU (ABl. L 218 vom 14.8.2013, S. 1) geändert worden ist) ist Aufgabe der Berufsgenossenschaft.

(2) Die Häufigkeit und die Auswahl eines zu überprüfenden Schiffes richten sich nach dessen Risikoprofil, das nach den Artikeln 10 bis 14 in Verbindung mit den Anhängen I und II der Richtlinie 2009/16/EG zu ermitteln ist.

(3) 1Die Berufsgenossenschaft und die bei ihr beschäftigten Personen überprüfen die Einhaltung der in § 137 Absatz 1 bezeichneten Anforderungen zunächst durch Prüfung des vom Kapitän vorzulegenden Seearbeitszeugnisses und der Seearbeits-Konformitätserklärung. 2Stellt die Berufsgenossenschaft oder die von ihr beauftragte Person fest, dass

1.
ein Schiff unter ausländischer Flagge kein Seearbeitszeugnis und keine Seearbeits-Konformitätserklärung hat oder eine oder beide Urkunden ungültig oder gefälscht sind,

2.
es Grund für die Annahme gibt, dass die Arbeits- und Lebensbedingungen auf dem Schiff nicht den Anforderungen des § 137 Absatz 1 genügen,

3.
es Grund für die Annahme gibt, dass das Schiff die Flagge gewechselt hat, um die Einhaltung der Anforderungen des § 137 Absatz 1 zu umgehen, oder

4.
eine Beschwerde nach § 139 vorliegt, wonach spezifische Arbeits- und Lebensbedingungen auf dem Schiff den Anforderungen des Seearbeitsübereinkommens nicht genügen,

kann sie eine über die Prüfung des Seearbeitszeugnisses hinausgehende gründlichere Überprüfung durchführen, um Aufschluss über die Arbeits- und Lebensbedingungen an Bord des Schiffes zu erhalten. 3Eine solche Überprüfung ist insbesondere dann durchzuführen, wenn die begründete Annahme oder Behauptung mangelhafter Arbeits- und Lebensbedingungen eine Gefahr für die Sicherheit des Schiffes oder der Besatzung oder für die Gesundheit oder den Schutz der Besatzungsmitglieder darstellen könnte oder wenn Grund zu der Annahme besteht, dass der Verstoß eine schwerwiegende Verletzung der in § 137 Absatz 1 bezeichneten Anforderungen darstellt.

(4) 1Stellt die Berufsgenossenschaft bei einer Überprüfung einen Verstoß hinsichtlich des Einhaltens der in § 137 Absatz 1 bezeichneten Anforderungen fest, hat sie hierüber unverzüglich den Kapitän zu unterrichten. 2Sie kann die Beseitigung des Verstoßes verlangen und dafür eine angemessene Frist setzen.

(5) 1Hält die Berufsgenossenschaft einen Verstoß für schwerwiegend oder beruht dieser auf einer Beschwerde, hat sie über Absatz 4 hinaus die Verbände der Reeder und der Seeleute des Hafenstaates zu unterrichten. 2Sie kann einen Vertreter des Flaggenstaates benachrichtigen und die zuständigen Stellen des nächsten Anlaufhafens entsprechend unterrichten.

(6) Soweit eine Anordnung nach § 143 Absatz 3 ergeht, hat die Berufsgenossenschaft einen Vertreter des Flaggenstaates und die für den Hafen zuständigen Verbände der Reeder und der Seeleute unverzüglich zu unterrichten.

(7) Für die Durchführung der Überprüfung gilt im Übrigen § 143.




Unterabschnitt 3 Besatzungsmitglieder auf Schiffen unter ausländischer Flagge

§ 139 Beschwerden auf Schiffen unter ausländischer Flagge



(1) Das Besatzungsmitglied auf einem Schiff unter ausländischer Flagge, das einen inländischen Hafen anläuft oder den Nord-Ostsee-Kanal befährt, hat das Recht, sich über einen Verstoß gegen das Seearbeitsübereinkommen bei der Berufsgenossenschaft zu beschweren.

(2) Die Beschwerde ist vertraulich zu behandeln. Kapitän, Reeder und jeder in der Beschwerde benannten Person ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, binnen einer angemessenen Frist Stellung zu nehmen.

(3) Besteht an Bord des Schiffes unter ausländischer Flagge ein Beschwerdeverfahren, soll die Berufsgenossenschaft den Beschwerdeführer vorrangig auf dieses verweisen, soweit Beschwerdegegenstand oder berechtigte Belange des Beschwerdeführers, insbesondere die Furcht vor Vergeltungsmaßnahmen, dem nicht entgegenstehen.

(4) Die Berufsgenossenschaft kann bei Beschwerden nach Absatz 1, insbesondere wenn diese alle Besatzungsmitglieder auf dem Schiff betreffen, eine Überprüfung im Sinne des § 138 Absatz 3 Satz 2 durchführen.

(5) Führen die Maßnahmen nach den Absätzen 3 und 4 nicht zu einer Beilegung der Beschwerde, benachrichtigt die Berufsgenossenschaft umgehend den Flaggenstaat und fordert diesen auf, unverzüglich einen Plan mit Abhilfemaßnahmen vorzulegen. Sie kann von einer weiteren Behandlung der Beschwerde absehen, wenn der Flaggenstaat über ein Beschwerdeverfahren verfügt, das den Anforderungen der Regel 5.1.5 des Seearbeitsübereinkommens genügt, einen geeigneten Aktionsplan vorlegt und die Behandlung der Beschwerde übernimmt.

(6) Führen die Maßnahmen nach Absatz 5 nicht zu einer Beilegung der Beschwerde, unterrichtet die Berufsgenossenschaft die für den Hafen zuständigen Verbände der Reeder und der Seeleute und übermittelt dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes eine Kopie ihres Berichts. Eine vom Flaggenstaat innerhalb der vorgeschriebenen Frist abgegebene Antwort ist dem Bericht beizufügen.


§ 140 Heimschaffung von Besatzungsmitgliedern auf Schiffen unter ausländischer Flagge



Verzögert sich die Heimschaffung eines Besatzungsmitglieds auf einem Schiff unter ausländischer Flagge, das im Inland zurückgelassen worden ist, unterrichtet die Berufsgenossenschaft unverzüglich den konsularischen Vertreter des Flaggenstaates und des Staatsangehörigkeitsstaates oder des Aufenthaltsstaates des Besatzungsmitglieds. Sorgt die Berufsgenossenschaft für die Heimschaffung, hat sie die verauslagten Kosten beim Flaggenstaat einzufordern. Statt den Anspruch nach Satz 2 geltend zu machen, kann sie nach Maßgabe des Internationalen Übereinkommens vom 10. Mai 1952 zur Vereinheitlichung von Regeln über den Arrest in Seeschiffe (BGBl. 1972 II S. 655) Schiffe des Reeders festhalten, bis die verauslagten Kosten durch den Reeder erstattet worden sind.


§ 141 Medizinische Betreuung von Besatzungsmitgliedern auf Schiffen unter ausländischer Flagge



Bedarf ein erkranktes oder verletztes Besatzungsmitglied auf einem Schiff unter ausländischer Flagge, das einen inländischen Hafen anläuft oder den Nord-Ostsee-Kanal befährt, der unverzüglichen medizinischen Betreuung, hat die Berufsgenossenschaft, unbeschadet ausländerrechtlicher Vorschriften, für einen ungehinderten Zugang des Besatzungsmitglieds zu den medizinischen Einrichtungen an Land zu sorgen.