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Abschnitt 2 - Hohe-See-Zusammenarbeitsgesetz (HSeeZG)

Artikel 1 G. v. 25.11.2015 BGBl. I S. 2095 (Nr. 47); zuletzt geändert durch Artikel 180 V. v. 19.06.2020 BGBl. I S. 1328
Geltung ab 03.12.2015; FNA: 319-117 Zwischenstaatliche Rechtshilfe
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Teil 1

Abschnitt 2 Strafrechtliche Zusammenarbeit auf Hoher See

§ 3 Befugnisse des Kapitäns nach dem Übereinkommen vom 10. März 1988 zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Seeschifffahrt (SUA-Übereinkommen) und dem Protokoll vom 14. Oktober 2005 zu diesem Übereinkommen (SUA-Änderungsprotokoll)



(1) Hat der Kapitän eines Schiffes, das die Bundesflagge führt, Anlass zu der Annahme, dass eine Person an Bord eine Straftat begangen hat, die in Artikel 3, 3bis, 3ter oder 3quater des Übereinkommens vom 10. März 1988 zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Seeschifffahrt (BGBl. 1990 II S. 494, 496) in der Fassung von Artikel 8 des Änderungsprotokolls vom 14. Oktober 2005 genannt ist, und hat er die Absicht, diese Person einem ausländischen Staat zu übergeben, so ist er verpflichtet, die Behörden dieses Empfangsstaates, sofern durchführbar, vor Einlaufen in das Küstenmeer dieses Staates von dieser Absicht sowie den Gründen für die Übergabe zu unterrichten.

(2) Der Kapitän eines Schiffes nach Absatz 1 kann Gegenstände, die sich auf eine der in Absatz 1 genannten Straftaten beziehen und deren Verbleib an Bord eine unmittelbare Gefahr für die Sicherheit des Schiffes oder der Besatzung darstellen würde, den Behörden des Empfangsstaates übergeben.

(3) Beabsichtigt der Kapitän eines Schiffes eine Maßnahme nach Absatz 1 oder Absatz 2, so teilt er dies vorab der Zentralen Kontaktstelle des Bundes im Gemeinsamen Lagezentrum See des Maritimen Sicherheitszentrums Cuxhaven mit.

(4) Der Kapitän hat den Sachverhalt und den Zeitpunkt

1.
der Unterrichtung der zuständigen Stellen nach Absatz 1 oder Absatz 3,

2.
der Übergabe von Personen nach Absatz 1 oder Gegenständen nach Absatz 2

unverzüglich im Schiffstagebuch zu dokumentieren.

(5) Ist der Empfangsstaat nur Vertragspartei des in Absatz 1 genannten Übereinkommens und nicht zugleich des Änderungsprotokolls vom 14. Oktober 2005, so gelten die Absätze 1 bis 4 nur im Hinblick auf die in Artikel 3 dieses Übereinkommens genannten Straftaten.


§ 4 Rechtshilfeersuchen nach dem Internationalen Übereinkommen von 1973 zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe und zu dem Protokoll von 1978 zu diesem Übereinkommen



(1) Erhält eine Schifffahrtspolizeibehörde oder die für die Hafenstaatkontrolle zuständige Schiffssicherheitsbehörde ein Ersuchen im Sinne des Artikels 6 Absatz 5 des Internationalen Übereinkommens von 1973 zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe und zu dem Protokoll von 1978 zu diesem Übereinkommen in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Juni 1996 (BGBl. 1996 II S. 399) um Untersuchung eines Schiffes, so leitet sie, wenn es sich um ein Ersuchen um Beweissicherung nach Abschnitt 5 der Pariser Vereinbarung vom 26. Januar 1982 über die Hafenstaatkontrolle in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Februar 2013 (BGBl. 2013 II S. 187, 188), die durch die 33. Änderung (Bekanntmachung vom 5. Februar 2014 (BGBl. 2014 II S. 140, 141)) geändert worden ist, handelt, dieses Rechtshilfeersuchen unverzüglich an die zuständige Strafverfolgungsbehörde weiter.

(2) Ist in einem ausländischen Staat eine entsprechende Regelung vorgesehen, so verliert ein solches Ersuchen einschließlich der damit zusammenhängenden Unterlagen nicht seinen Charakter als Rechtshilfeersuchen, wenn es von einer Schifffahrtspolizeibehörde oder der für die Durchführung der genannten Vereinbarung zuständigen Schiffssicherheitsbehörde dieses Staates entgegengenommen werden kann.


§ 5 Rechtshilfeersuchen in Strafsachen



(1) Ein Ersuchen an einen ausländischen Staat zur Durchführung von Strafverfolgungsmaßnahmen seewärts der Grenze des deutschen Küstenmeeres kann zur Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen oder zur Wahrnehmung völkerrechtlicher Befugnisse der Bundesrepublik Deutschland gestellt werden, wenn

1.
die Maßnahmen, um die ersucht wird, nach den Vorschriften der Strafprozessordnung oder des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten angeordnet werden können und

2.
gewährleistet ist, dass bei der Durchführung der Maßnahmen nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen wird.

(2) Wird die Bundesrepublik Deutschland von einem ausländischen Staat um die Durchführung von Maßnahmen nach Absatz 1 gegenüber Schiffen, die nicht die Bundesflagge führen, ersucht, so kann die Genehmigung davon abhängig gemacht werden, dass der ersuchende Staat zusichert, die Bundesrepublik Deutschland von Ersatzansprüchen, die sich anlässlich der rechtmäßigen Durchführung der erbetenen Maßnahmen ergeben können, freizustellen.

(3) Einem Ersuchen eines ausländischen Staates um Genehmigung von Maßnahmen im Rahmen der Strafverfolgung gegenüber Schiffen, die die Bundesflagge führen, wird - vorbehaltlich anderweitiger Regelungen in völkerrechtlichen Vereinbarungen - nur stattgegeben, wenn

1.
der ersuchende Staat zusichert, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die erbetenen Maßnahmen vorliegen würden, wenn sich das Schiff im Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates befände,

2.
die Anordnung und Durchführung von Zwangsmaßnahmen nach dem dem Ersuchen zugrunde liegenden Sachverhalt auch nach deutschem Recht zulässig wäre,

3.
der ersuchende Staat zusichert,

a)
gegen Besatzungsmitglieder nur diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, die für die Suche nach Beweismitteln und deren Sicherstellung unerlässlich sind, und

b)
im Falle, dass das Schiff in das Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates oder eines Drittstaates verbracht wird, Mitglieder der Besatzung, gegen die der Verdacht einer Straftat besteht, nicht für ein von ihm geführtes Ermittlungsverfahren in Haft zu nehmen oder dafür einer sonstigen Beschränkung ihrer persönlichen Freiheit zu unterwerfen, und

4.
der ersuchende Staat sich verpflichtet, für den durch die Maßnahme verursachten Schaden einen angemessenen Ausgleich zu gewähren, falls der dem Ersuchen zugrunde liegende Tatverdacht sich als unbegründet erweist und keine den Tatverdacht begründende Handlung des Geschädigten festzustellen ist.

Die Genehmigung kann im Einzelfall hinsichtlich des Umfanges der beabsichtigten Maßnahmen mit Auflagen oder Bedingungen versehen werden, wenn dies aus Gründen der Verhältnismäßigkeit geboten ist. Die Möglichkeit, den ersuchenden Staat um Festnahme einer beschuldigten Person im Hinblick auf ein in der Bundesrepublik Deutschland geführtes Strafverfahren zu ersuchen, bleibt unberührt.

(4) In den Fällen der Absätze 2 und 3 sollen, soweit der Untersuchungszweck nicht gefährdet wird, der Eigentümer und falls möglich der Ausrüster eines Schiffes vom Inhalt der Genehmigung und von der vom ersuchenden Staat eingegangenen Zusicherung unverzüglich unterrichtet werden.

(5) Für die Genehmigung von Ersuchen nach den Absätzen 1 bis 3 ist das Bundesamt für Justiz zuständig, das im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt, dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und den Bundesministerien entscheidet, deren Geschäftsbereich betroffen ist.

(6) Soweit nicht anderweitig geregelt, ist das Bundeskriminalamt für die Entgegennahme eingehender Ersuchen ausländischer Staaten und für die Weiterleitung der Entscheidung hierüber sowie für die Weiterleitung ausgehender Ersuchen an einen ausländischen Staat nach dieser Vorschrift zuständig.