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Abschnitt 3 - Digitale Pflegeanwendungen-Verordnung (DiPAV)

V. v. 29.09.2022 BGBl. I S. 1568 (Nr. 35); zuletzt geändert durch Artikel 4a G. v. 22.03.2024 BGBl. 2024 I Nr. 101
Geltung ab 07.10.2022; FNA: 860-11-14 Sozialgesetzbuch
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Abschnitt 3 Anforderungen an den Nachweis des pflegerischen Nutzens

§ 9 Pflegerischer Nutzen digitaler Pflegeanwendungen



(1) Ein pflegerischer Nutzen im Sinne dieser Verordnung liegt vor, wenn durch die Verwendung der digitalen Pflegeanwendung Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten der pflegebedürftigen Person gemindert werden oder einer Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit entgegengewirkt wird.

(2) 1Der pflegerische Nutzen für die pflegebedürftige Person nach Absatz 1 muss in mindestens einem der folgenden Bereiche im Sinne von § 14 Absatz 2 des Elften Buches Sozialgesetzbuch gegeben sein:

1.
Mobilität,

2.
kognitive und kommunikative Fähigkeiten,

3.
Verhaltensweisen und psychische Problemlagen,

4.
Selbstversorgung,

5.
Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen,

6.
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte.

2Neben den Bereichen nach Satz 1 kann der pflegerische Nutzen auch im Bereich der Haushaltsführung gegeben sein.

(3) Ein pflegerischer Nutzen ist auch dann gegeben, wenn pflegende Angehörige oder sonstige ehrenamtlich Pflegende durch die digitale Anwendung bei ihren pflegerischen Aufgaben oder Hilfen in einem der in Absatz 2 genannten Bereiche unterstützt werden und dies der Stabilisierung der häuslichen Versorgungssituation des Pflegebedürftigen dient.


§ 10 Nachweis des pflegerischen Nutzens



(1) In dem Antrag auf Aufnahme in das Verzeichnis für digitale Pflegeanwendungen führt der Hersteller den Nachweis:

1.
des pflegerischen Nutzens der digitalen Pflegeanwendung einschließlich der erforderlichenfalls ergänzenden Unterstützungsleistungen und

2.
zu der Gruppe von Pflegebedürftigen und sonstigen Nutzern, für die der pflegerische Nutzen nach § 9 besteht.

(2) Der von dem Hersteller nach Absatz 1 Nummer 1 nachzuweisende pflegerische Nutzen muss mit der Zweckbestimmung, soweit zutreffend auch nach den jeweils geltenden medizinprodukterechtlichen Vorschriften, sowie mit den Funktionen und Eigenschaften, den pflegebezogenen Inhalten und den vom Hersteller veröffentlichten Aussagen zu der digitalen Pflegeanwendung einschließlich der erforderlichenfalls ergänzenden Unterstützungsleistungen konsistent sein.

(3) 1Für die Bestimmung der maßgeblichen Gruppe nach Absatz 1 Nummer 2 gibt der Hersteller den Bereich oder mehrere Bereiche des pflegerischen Nutzens entsprechend § 9 Absatz 2 an. 2Gibt der Hersteller mehrere Bereiche an, so kann er den Nachweis nach Absatz 1 Nummer 2 grundsätzlich für alle Bereiche gemeinsam führen, die im Hinblick auf den nachzuweisenden pflegerischen Nutzen wesentlich vergleichbar sind. 3Sofern dies nicht der Fall ist, hat der Hersteller den Nachweis für den jeweiligen Bereich gesondert zu führen. 4Die Vergleichbarkeit nach Satz 2 ist zu begründen.


§ 11 Studien zum Nachweis des pflegerischen Nutzens



(1) 1Der Hersteller legt zum Nachweis des pflegerischen Nutzens vergleichende Studien vor. 2Vergleichende Studien im Sinne von Satz 1 sind retrospektive vergleichende Studien einschließlich retrospektiver Studien mit intraindividuellem Vergleich.

(2) 1Zum Nachweis des pflegerischen Nutzens kann der Hersteller alternativ zu den Studien nach Absatz 1 auch prospektive Vergleichsstudien vorlegen. 2Dies gilt insbesondere dann, wenn keine geeigneten Daten vorliegen, die einen aussagekräftigen retrospektiven Vergleich ermöglichen, und insbesondere keine ausreichende intraindividuelle Vergleichbarkeit erreicht werden kann.

(3) 1Unabhängig davon, ob im Rahmen der Studien nach den Absätzen 1 und 2 Methoden der klinischen Forschung oder Methoden anderer Wissenschaftsbereiche wie insbesondere der Versorgungsforschung oder der Sozialforschung zur Anwendung kommen, sind quantitative vergleichende Studien vorzulegen. 2Der gewählte methodische Ansatz muss dem pflegerischen Nutzen angemessen sein.

(4) 1Der Nachweis nach den Absätzen 1 und 2 soll anhand von Studien geführt werden, die im Inland durchgeführt wurden. 2Sofern Studien ganz oder teilweise nicht im Inland durchgeführt wurden, muss der Hersteller die Übertragbarkeit auf den deutschen Versorgungskontext belegen.

(5) 1Sofern die Art der Studie dies zulässt und soweit der Veröffentlichung nicht rechtliche Anforderungen an den Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse oder an den Schutz personenbezogener Daten oder des geistigen Eigentums ganz oder teilweise entgegenstehen, sind die Studien nach den Absätzen 1 und 2 von dem Hersteller in einem öffentlichen Studienregister zu registrieren und mit den Ergebnissen vollumfänglich im Internet zu veröffentlichen. 2Stehen die genannten Rechte Dritter der Veröffentlichung entgegen, ist nur die Zusammenfassung nach § 16 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 zu veröffentlichen. 3Das Studienregister nach Satz 1 muss in der Regel ein Primärregister oder ein Partnerregister der World Health Organisation International Clinical Trials Registry Platform oder ein Datenlieferant der World Health Organisation International Clinical Trials Registry Platform sein. 4Steht für die Registrierung der Studie kein geeignetes Studienregister zur Verfügung, registriert der Hersteller die Studie in einem anderen anerkannten Studienregister. 5Steht kein Studienregister nach Satz 3 zur Verfügung, veröffentlicht das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte die Studie auf seinen Internetseiten.

(6) Die im Rahmen der Durchführung der Studien nach den Absätzen 1 und 2 zu erstellenden Studienberichte müssen unter Einhaltung der maßgeblichen, international anerkannten Standards der Darstellung und Berichterstattung von Studien erstellt werden.


§ 12 Bewertungsentscheidung über das Vorliegen eines hinreichenden Nachweises



(1) 1Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte bewertet im Rahmen einer Abwägungsentscheidung, ob auf Grundlage der vorgelegten Dokumente ein pflegerischer Nutzen hinreichend nachgewiesen ist. 2Die Abwägungsentscheidung berücksichtigt die zu erwartende positive wie negative Wirksamkeit der digitalen Pflegeanwendung auf Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse insbesondere unter Berücksichtigung der Heterogenität der Gruppe der Pflegebedürftigen und sonstigen Nutzer sowie der Besonderheiten des häuslichen Pflegekontextes.

(2) Erweisen sich die Anforderungen nach § 11 aufgrund der besonderen Funktionen und Eigenschaften einer digitalen Pflegeanwendung oder aus anderen Gründen als ungeeignet für den Nachweis des pflegerischen Nutzens, kann das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte im Einzelfall von den Vorgaben an Nachweise nach § 11 abweichen.