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Teil 1 - Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitendem Formwechsel und grenzüberschreitender Spaltung (MgFSG)


Teil 1 Allgemeine Vorschriften

§ 1 Zielsetzung des Gesetzes



(1) 1Das Gesetz regelt die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer) in den Unternehmensorganen einer aus einem grenzüberschreitenden Formwechsel oder aus einer grenzüberschreitenden Spaltung hervorgehenden Gesellschaft. 2Ziel des Gesetzes ist, die in der formwechselnden oder in der sich spaltenden Gesellschaft erworbenen Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer zu sichern. 3Hierzu soll eine Vereinbarung über die Mitbestimmung aller Arbeitnehmer der aus dem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehenden Gesellschaft getroffen werden. 4Kommt es nicht zu einer Vereinbarung, wird die Mitbestimmung der Arbeitnehmer kraft Gesetzes sichergestellt.

(2) 1Das grenzüberschreitende Vorhaben darf nicht dazu missbraucht werden, Arbeitnehmern Mitbestimmungsrechte zu entziehen oder vorzuenthalten. 2Die Vorschriften dieses Gesetzes sowie die nach Absatz 1 zu treffende Vereinbarung sind so auszulegen, dass die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in der aus dem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehenden Gesellschaft gesichert und gefördert wird.


§ 2 Begriffsbestimmungen



(1) 1Der Begriff des Arbeitnehmers richtet sich nach den Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten der jeweiligen Mitgliedstaaten. 2Arbeitnehmer eines inländischen Unternehmens oder Betriebs sind Arbeiter und Angestellte einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten und der in § 5 Absatz 3 Satz 2 des Betriebsverfassungsgesetzes genannten leitenden Angestellten, unabhängig davon, ob sie im Betrieb, im Außendienst oder mit Telearbeit beschäftigt werden. 3Als Arbeitnehmer gelten auch die in Heimarbeit Beschäftigten, die in der Hauptsache für das Unternehmen oder den Betrieb arbeiten.

(2) Grenzüberschreitende Vorhaben sind der grenzüberschreitende Formwechsel nach § 333 Absatz 1 des Umwandlungsgesetzes und die grenzüberschreitende Spaltung nach § 320 Absatz 1 Nummer 1 des Umwandlungsgesetzes.

(3) Hervorgehende Gesellschaft ist beim grenzüberschreitenden Formwechsel die Gesellschaft neuer Rechtsform, bei der grenzüberschreitenden Spaltung jede neue Gesellschaft.

(4) 1Tochtergesellschaften sind rechtlich selbständige Unternehmen, auf die eine andere Gesellschaft einen beherrschenden Einfluss im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 bis 7 der Richtlinie 2009/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats oder die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen (ABl. L 122 vom 16.5.2009, S. 28), die zuletzt durch die Richtlinie (EU) 2015/1794 vom 6. Oktober 2015 (ABl. L 263 vom 8.10.2015, S. 1) geändert worden ist, ausüben kann. 2§ 6 Absatz 2 bis 4 des Europäische Betriebsräte-Gesetzes ist anzuwenden.

(5) Betroffene Tochtergesellschaften oder betroffene Betriebe sind Tochtergesellschaften oder Betriebe der formwechselnden oder der sich spaltenden Gesellschaft, die zu Tochtergesellschaften oder Betrieben der aus einem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehenden Gesellschaft werden sollen.

(6) Leitung bezeichnet das Organ der formwechselnden, der sich spaltenden oder der aus dem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehenden Gesellschaft, das die Geschäfte der Gesellschaft führt und zu ihrer Vertretung berechtigt ist.

(7) 1Arbeitnehmervertretung bezeichnet jede Vertretung der Arbeitnehmer nach dem Betriebsverfassungsgesetz. 2Dies sind Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat, Konzernbetriebsrat oder eine nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 bis 3 des Betriebsverfassungsgesetzes gebildete Vertretung.

(8) Mitbestimmung bedeutet die Einflussnahme der Arbeitnehmer auf die Angelegenheiten einer Gesellschaft durch

1.
die Wahrnehmung des Rechts, einen Teil der Mitglieder des Aufsichts- oder Verwaltungsorgans der Gesellschaft zu wählen oder zu bestellen, oder

2.
die Wahrnehmung des Rechts, die Bestellung eines Teils oder aller Mitglieder des Aufsichts- oder Verwaltungsorgans der Gesellschaft zu empfehlen oder abzulehnen.

(9) Eine innerstaatliche Umwandlung ist eine Verschmelzung nach dem Zweiten Buch des Umwandlungsgesetzes, eine Spaltung nach dem Dritten Buch des Umwandlungsgesetzes oder ein Formwechsel nach dem Fünften Buch des Umwandlungsgesetzes.


§ 3 Geltungsbereich



(1) 1Dieses Gesetz gilt für eine aus einem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehende Gesellschaft mit Sitz im Inland. 2Unabhängig vom Sitz dieser Gesellschaft gilt dieses Gesetz auch

1.
für im Inland beschäftigte Arbeitnehmer der aus einem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehenden Gesellschaft,

2.
für die formwechselnde oder sich spaltende Gesellschaft mit Sitz im Inland und

3.
für betroffene Tochtergesellschaften und betroffene Betriebe im Inland.

(2) Mitgliedstaaten im Sinne dieses Gesetzes sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum.


§ 4 Anwendung des Rechts des Sitzstaats



Vorbehaltlich des § 5 finden auf die aus einem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehende Gesellschaft die Regelungen über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Unternehmensorganen des Mitgliedstaats Anwendung, in dem diese Gesellschaft ihren Sitz hat.


§ 5 Anwendung der Regelungen über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer kraft Vereinbarung oder kraft Gesetzes



Die nachfolgenden Regelungen über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer kraft Vereinbarung oder in den Fällen des § 25 die Regelungen über die Mitbestimmung kraft Gesetzes finden Anwendung, wenn

1.
die formwechselnde oder die sich spaltende Gesellschaft in den sechs Monaten vor der Offenlegung des Plans für das grenzüberschreitende Vorhaben eine durchschnittliche Zahl von Arbeitnehmern beschäftigt, die mindestens vier Fünfteln des im Recht des Mitgliedstaats der formwechselnden oder der sich spaltenden Gesellschaft festgelegten Schwellenwerts entspricht, der die Mitbestimmung der Arbeitnehmer auslöst,

2.
das für die aus einem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehende Gesellschaft maßgebende innerstaatliche Recht nicht mindestens den gleichen Umfang an Mitbestimmung der Arbeitnehmer vorsieht, wie er in der formwechselnden oder der sich spaltenden Gesellschaft bestand; der Umfang an Mitbestimmung der Arbeitnehmer bemisst sich nach dem Anteil der Arbeitnehmervertreter

a)
im Aufsichts- oder Verwaltungsorgan,

b)
in Ausschüssen, in denen die Mitbestimmung der Arbeitnehmer erfolgt oder

c)
im Leitungsgremium, das für die Ergebniseinheiten der Gesellschaften zuständig ist,

oder

3.
das für die aus dem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehende Gesellschaft maßgebende innerstaatliche Recht für Arbeitnehmer in Betrieben dieser Gesellschaft, die sich in anderen Mitgliedstaaten befinden, nicht den gleichen Anspruch auf Ausübung von Mitbestimmung vorsieht, wie sie den Arbeitnehmern in demjenigen Mitgliedstaat gewährt wird, in dem die aus dem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehende Gesellschaft ihren Sitz hat.