Bundesrecht - tagaktuell konsolidiert - alle Fassungen seit 2006
Vorschriftensuche
 

Unterabschnitt 1 - Seearbeitsgesetz (SeeArbG)

Artikel 1 G. v. 20.04.2013 BGBl. I S. 868, 2014 I 605; zuletzt geändert durch Artikel 3 G. v. 14.03.2023 BGBl. 2023 I Nr. 73
Geltung ab 01.08.2013, abweichend siehe § 154, Ermächtigungen ab 25.04.2013; FNA: 9513-38 Schiffsbesatzung
| |

Abschnitt 3 Beschäftigungsbedingungen

Unterabschnitt 1 Heuervertrag, Dienstleistungspflicht

§ 28 Heuervertrag



(1) 1Der Reeder darf ein Besatzungsmitglied nur mit einem gültigen Heuervertrag beschäftigen. 2Durch den Heuervertrag wird ein Heuerverhältnis zwischen dem Reeder und dem Besatzungsmitglied begründet. 3Der Reeder hat dem Besatzungsmitglied rechtzeitig vor dem beabsichtigten Vertragsabschluss einen Vertragsentwurf, einschließlich der nach Absatz 2 Nummer 13 anzugebenden Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder Bordvereinbarungen, auszuhändigen oder zu übermitteln. 4Der Heuervertrag bedarf der Schriftform; die elektronische Form ist ausgeschlossen. 5Der Reeder und das Besatzungsmitglied erhalten je eine Ausfertigung des von ihnen unterzeichneten Heuervertrages.

(2) In den Heuervertrag ist der wesentliche Inhalt des Heuerverhältnisses aufzunehmen, insbesondere:

1.
der vollständige Name und die Anschrift des Reeders; im Falle eines anderen Arbeitgebers der vollständige Name und die Anschrift des Arbeitgebers und des Reeders,

2.
der vollständige Name, das Geburtsdatum, der Geburtsort und die Anschrift des Besatzungsmitglieds,

3.
die Bezeichnung oder Beschreibung der vom Besatzungsmitglied zu leistenden Dienste, soweit vorgesehen, die Beschränkung der Dienstpflicht auf bestimmte Schiffe oder Fahrtgebiete,

4.
der Zeitpunkt des Beginns des Heuerverhältnisses, der Ort und der Tag des Dienstantritts unter Angabe des Schiffes,

5.
bei befristetem Heuervertrag: das Enddatum oder die vorgesehene Dauer des Heuerverhältnisses,

6.
sofern vereinbart, die Dauer der Probezeit,

7.
die Zusammensetzung und die Höhe der Heuer einschließlich der Vergütung von Überstunden, der Zuschläge, Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen, die jeweils getrennt anzugeben sind, oder die für die Berechnung der Heuer zugrunde zu legende Formel sowie die Fälligkeit der Heuer und die Art der Auszahlung,

8.
sofern vereinbart, die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen,

9.
die vereinbarten Arbeitszeiten, vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei einem Mehrwachen-System das vereinbarte System,

10.
die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs,

11.
das bei der Kündigung des Heuerverhältnisses einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage; § 7 des Kündigungsschutzgesetzes ist auch bei einem nicht ordnungsgemäßen Nachweis der Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage anzuwenden,

12.
der Heimschaffungsanspruch des Besatzungsmitglieds,

13.
die Angabe der Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder Bordvereinbarungen, die auf das Heuerverhältnis anzuwenden sind,

14.
die Leistungen der medizinischen Betreuung und der sozialen Sicherheit, die der Reeder oder der andere Arbeitgeber dem Besatzungsmitglied gewährt oder zu gewähren hat,

15.
ein etwaiger Anspruch auf vom Reeder bereitgestellte Fortbildung,

16.
der Ort und das Datum, an dem der Heuervertrag abgeschlossen worden ist.

(3) Für Besatzungsmitglieder von Fischereifahrzeugen sind in den Heuervertrag aufzunehmen:

1.
zusätzlich zu Absatz 2 Nummer 3 der Name und das Fischereikennzeichen des Fischereifahrzeuges oder die Namen und die Fischereikennzeichen der Fischereifahrzeuge, auf dem oder denen das Besatzungsmitglied Dienst leisten soll,

2.
zusätzlich zu Absatz 2 Nummer 4 die Reise oder Reisen, die unternommen werden sollen, falls sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses angegeben werden können,

3.
abweichend von Absatz 2 Nummer 7 der Betrag der Heuer oder die Höhe des Anteils und dessen Berechnungsart, wenn das Entgelt in einer Beteiligung besteht, oder der Betrag der Heuer und die Höhe des Anteils und dessen Berechnungsart, wenn beide Formen des Entgelts miteinander verbunden werden, und die gegebenenfalls vereinbarte Mindestheuer.

(4) Hat das Besatzungsmitglied voraussichtlich länger als einen Monat seine Arbeitsleistung im Ausland an Land oder an Bord eines Schiffes unter ausländischer Flagge zu erbringen, sind in den Heuervertrag zusätzlich aufzunehmen:

1.
die voraussichtliche Dauer der im Ausland oder an Bord eines Schiffes unter ausländischer Flagge auszuübenden Tätigkeit,

2.
die Währung, in der die Heuer ausgezahlt wird,

3.
die mit dem Auslandsaufenthalt oder dem Aufenthalt an Bord eines Schiffes unter ausländischer Flagge verbundenen zusätzlichen Leistungen,

4.
die Bedingungen für die Rückkehr des Besatzungsmitglieds.

(5) 1Die Angaben nach Absatz 2 Nummer 6 bis 12, 14, 15 und Absatz 4 Nummer 2 bis 4 können ersetzt werden durch die Angabe der Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder Bordvereinbarungen, die für das Heuerverhältnis gelten. 2Ist in diesen Fällen die jeweilige gesetzliche Regelung maßgebend, so kann hierauf verwiesen werden.

(6) 1Bei der Änderung wesentlicher Vertragsbedingungen gelten die Absätze 1 bis 5 entsprechend. 2Satz 1 gilt nicht bei einer Änderung der gesetzlichen Vorschriften, der Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder Bordvereinbarungen, die für das Heuerverhältnis gelten.

(7) 1Hat das Heuerverhältnis bereits vor dem 1. August 2022 bestanden, so ist dem Besatzungsmitglied auf sein Verlangen eine Niederschrift mit den nach Absatz 2 wesentlichen Angaben innerhalb von sieben Tagen nach Zugang der Aufforderung auszuhändigen oder zu übermitteln. 2Soweit eine früher ausgestellte Niederschrift oder ein schriftlicher Heuervertrag die nach Absatz 2 wesentlichen Angaben enthält, entfällt diese Verpflichtung.




§ 29 Information über Beschäftigungsbedingungen



(1) 1Der Reeder hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die Besatzungsmitglieder auf einfache Weise klare Informationen über ihre Vertragsbedingungen, insbesondere über den Inhalt dieses Gesetzes erhalten können. 2Hierzu sind eine Kopie dieses Gesetzes, des Seearbeitsübereinkommens und der Vereinbarung zwischen dem Verband der Reeder in der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Transportarbeiter-Föderation über das Seearbeitsübereinkommen 2006 an geeigneter Stelle an Bord mindestens in deutscher Sprache auszulegen. 3Jeweils eine Kopie der einzelnen Heuerverträge ist mitzuführen. 4Ist der Heuervertrag mit einem anderen Arbeitgeber abgeschlossen, so ist an Bord die Kopie einer Ausfertigung mitzuführen, auf der der Reeder mit seiner Unterschrift seine Verantwortung nach § 4 Absatz 2 bestätigt hat. 5Das Besatzungsmitglied hat das Recht, jederzeit in die Kopie seines Heuervertrages Einsicht zu nehmen.

(2) Soweit der Heuervertrag auf einen Tarifvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder Bordvereinbarung verweist, sind diese Unterlagen an geeigneter Stelle an Bord auszulegen.

(3) 1Der Reeder hat ein Exemplar dieses Gesetzes, des Seearbeitsübereinkommens, der Vereinbarung zwischen dem Verband der Reeder in der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Transportarbeiter-Föderation über das Seearbeitsübereinkommen 2006, eines Mustervertrages der Heuerverträge sowie der Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder Bordvereinbarungen, auf die in den Heuerverträgen verwiesen wird, in englischer Übersetzung an Bord mitzuführen. 2Satz 1 gilt nicht für Schiffe, die nur deutsche Häfen anlaufen.




§ 30 Dienstantritt



(1) 1Der Reeder hat dem Besatzungsmitglied rechtzeitig den Zeitpunkt mitzuteilen, zu dem es sich an Bord einzufinden hat. 2Dabei ist ihm der Liegeplatz des Schiffes oder ein Meldeort anzugeben.

(2) Kann das Besatzungsmitglied den Dienst wegen eines unabwendbaren Ereignisses nicht antreten, so hat es dies unverzüglich dem Reeder oder dem Kapitän unter Angabe der Gründe mitzuteilen.


§ 31 Anreisekosten



1Befindet sich das Schiff, auf dem das Besatzungsmitglied seinen Dienst anzutreten hat, an einem anderen Ort als dem, an welchem das Heuerverhältnis begründet worden ist, so hat das Besatzungsmitglied Anspruch auf Ersatz der notwendigen Fahrt- und Gepäckbeförderungskosten sowie auf ein angemessenes Tage- und Übernachtungsgeld. 2Die gleichen Ansprüche stehen dem Besatzungsmitglied zu, wenn vor dem Dienstantritt Reisen von dem Ort der Begründung des Heuerverhältnisses an einen anderen Meldeort oder Ort des Dienstantritts notwendig werden.


§ 32 Dienstleistungspflicht



Das Besatzungsmitglied hat die Dienste zu verrichten, zu denen es im Rahmen des Heuerverhältnisses verpflichtet ist. Es hat dabei den Anordnungen der zuständigen Vorgesetzten Folge zu leisten.


§ 32a Pflichtfortbildungen



(1) Ist der Reeder durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes, durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung verpflichtet, dem Besatzungsmitglied eine für die Erbringung der Arbeitsleistung erforderliche Fortbildung anzubieten, dürfen dem Besatzungsmitglied die Kosten hierfür nicht auferlegt werden.

(2) 1Fortbildungen nach Absatz 1 sollen während der regelmäßigen Arbeitszeit durchgeführt werden. 2Soweit Fortbildungen nach Absatz 1 außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit durchgeführt werden müssen, gelten sie als Arbeitszeit.




§ 33 Dienstbescheinigung



(1) Das Besatzungsmitglied hat gegen den Reeder Anspruch auf eine Bescheinigung über den an Bord des Schiffes geleisteten Dienst. Die Bescheinigung ist dem Besatzungsmitglied spätestens am Tag des Dienstendes an Bord in deutscher und englischer Sprache auszuhändigen oder zu übermitteln. Bei Schiffen, auf denen in kurzen Abständen die Besatzungen wechseln oder regelmäßig dieselben Häfen angelaufen werden, insbesondere in der Fähr- und Schleppschifffahrt, muss die Dienstbescheinigung nur auf Antrag des Besatzungsmitglieds sowie bei Ende des Heuerverhältnisses ausgehändigt oder übermittelt werden.

(2) In die Dienstbescheinigung sind aufzunehmen:

1.
der Vorname und Familienname, das Geburtsdatum, der Geburtsort und die Anschrift des Besatzungsmitglieds,

2.
der Name und die Anschrift des Reeders; im Falle eines anderen Arbeitgebers der Name und die Anschrift des Arbeitgebers und des Reeders,

3.
der Name des Schiffes, der Schiffstyp, die IMO-Schiffsidentifikationsnummer, das Unterscheidungssignal, die Vermessung, die Antriebsleistung, das Fahrtgebiet und die seegebietsbezogene funktechnische Ausrüstung des Schiffes,

4.
der Zeitpunkt des Beginns und des Endes des Dienstes an Bord,

5.
die Art und Dauer der vom Besatzungsmitglied geleisteten Dienste.

(3) Die Erteilung der Dienstbescheinigung ist elektronisch zulässig, soweit das Besatzungsmitglied eingewilligt hat.

(4) Die Dienstbescheinigung darf keine Beurteilung der Leistung und des Verhaltens des Besatzungsmitglieds und keine Angaben über die Heuer enthalten. Der Anspruch auf ein Zeugnis nach § 109 der Gewerbeordnung bleibt unberührt.

(5) Der Reeder ist verpflichtet, die Dienstbescheinigungen der Besatzungsmitglieder mindestens fünf Jahre ab dem Tag der Ausstellung in Kopie oder elektronisch aufzubewahren. Die Berufsgenossenschaft kann vom Reeder jederzeit verlangen, dass Kopien von Dienstbescheinigungen vorgelegt oder übermittelt werden, um die Einhaltung der sicheren Besetzung nach den geltenden Vorschriften zu überprüfen. Der Reeder ist verpflichtet, dem Verlangen nach Satz 2 unverzüglich nachzukommen.