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Abschnitt 3 - Strahlenschutzgesetz (StrlSchG)

Artikel 1 G. v. 27.06.2017 BGBl. I S. 1966 (Nr. 42); zuletzt geändert durch Artikel 2 G. v. 20.05.2021 BGBl. I S. 1194, 2022 BGBl. I S. 15
Geltung ab 31.12.2018, abweichend siehe Artikel 32; FNA: 751-24 Kernenergie
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Teil 3 Strahlenschutz bei Notfallexpositionssituationen

Kapitel 1 Notfallmanagementsystem des Bundes und der Länder

Abschnitt 3 Notfallvorsorge

§ 97 Gemeinsame Vorschriften für die Notfallpläne



(1) 1Bund und Länder stellen Notfallpläne nach den §§ 98, 99, 100 und 101 auf. 2In diesen Notfallplänen sind die geplanten angemessenen Reaktionen auf mögliche Notfälle anhand bestimmter Referenzszenarien darzustellen. 3Die darzustellenden Notfallreaktionen umfassen

1.
die Schutzmaßnahmen, die Folgendes beinhalten:

a)
Maßnahmen zur Vermeidung oder Verringerung einer Exposition und Kontamination von Mensch oder Umwelt und

b)
Maßnahmen zur medizinischen Behandlung oder Vorsorge nach einer Exposition,

2.
andere Maßnahmen, die bei einem Notfall von den beteiligten Behörden und sonstigen Organisationen ergriffen werden sollen, um nachteilige Auswirkungen des Notfalls für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt zu verhindern oder so gering wie möglich zu halten, insbesondere Maßnahmen zur Prüfung, Vorbereitung, Durchführung, Überwachung, Änderung oder Aufhebung von Schutzmaßnahmen sowie zur Zusammenarbeit und Abstimmung bei Notfällen.

(2) Die Notfallpläne sollen die an der Notfallreaktion beteiligten Behörden und Organisationen in die Lage versetzen, im Notfall unverzüglich abgestimmte Entscheidungen zu treffen und die angemessenen Maßnahmen rechtzeitig durchzuführen.

(3) Die für Ausarbeitung der Notfallpläne zuständigen Behörden

1.
stimmen ihre Notfallpläne aufeinander ab, soweit dies zur Vorbereitung einer koordinierten Notfallreaktion erforderlich ist, und

2.
bemühen sich im Rahmen ihrer Zuständigkeiten um eine entsprechende Abstimmung ihrer Notfallpläne mit anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft sowie nach den Grundsätzen der Gegenseitigkeit und Gleichwertigkeit mit Drittstaaten.

(4) 1Zu den Entwürfen der Notfallpläne des Bundes, der Rechtsverordnungen nach den §§ 93 bis 95 und 117 Absatz 1 und zu den Entwürfen wesentlicher Änderungen dieser Notfallpläne und Rechtsverordnungen soll ein jeweils auszuwählender Kreis von Vertretern der Wissenschaft, der betroffenen Wirtschaft, der Umweltvereinigungen, der Gemeinden und Gemeindeverbände, der an der Notfallvorsorge und -reaktion beteiligten Organisationen sowie der sonstigen Interessenträger und der für den jeweiligen Bereich zuständigen obersten Landesbehörden angehört werden. 2Satz 1 gilt nicht für den Erlass von Eilverordnungen nach den §§ 93 bis 95 und 117 Absatz 2 sowie für den Erlass, die Änderungen und Ergänzungen von Rechtsverordnungen und Notfallplänen für einen eingetretenen Notfall nach den §§ 94 und 111. 3Zu den Entwürfen der allgemeinen und besonderen Notfallplanungen der Länder und wesentlichen Änderungen dieser Notfallplanungen soll ein vom Land jeweils auszuwählender Kreis von Interessenträgern angehört werden. 4Die Länder können die Anhörung auf relevante landes- oder bereichsspezifische Konkretisierungen oder Ergänzungen der in den Notfallplänen des Bundes vorgesehenen optimierten Schutzstrategien und -maßnahmen beschränken.

(5) 1Bis zum Erlass von Notfallplänen des Bundes oder von Rechtsverordnungen nach den §§ 93 bis 95 gelten entsprechende Festlegungen und Darstellungen in den in Anlage 4 genannten Dokumenten vorläufig als Notfallpläne des Bundes. 2Bis zum Erlass von Notfallplänen der Länder nach § 100 gelten entsprechende Festlegungen und Darstellungen in Plänen, Konzepten und Erlassen der Länder, die dem Katastrophenschutz oder der sonstigen Abwehr von Gefahren für die menschliche Gesundheit, die Umwelt oder die öffentliche Sicherheit dienen, vorläufig als allgemeine und besondere Notfallpläne der Länder.


§ 98 Allgemeiner Notfallplan des Bundes



(1) 1Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit bewertet mögliche Notfallexpositionssituationen. 2Auf seinen Vorschlag erlässt die Bundesregierung einen allgemeinen Notfallplan des Bundes. 3Der allgemeine Notfallplan des Bundes wird als allgemeine Verwaltungsvorschrift mit Zustimmung des Bundesrates beschlossen.

(2) Im allgemeinen Notfallplan des Bundes sind

1.
Referenzszenarien festzulegen, die dem Bund und den Ländern als Grundlage ihrer Planungen für Notfallreaktionen dienen, und

2.
folgende allgemeine Planungen für mögliche Notfälle innerhalb oder außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes darzustellen:

a)
die Planungen des Bundes,

b)
die Planungen der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft, ihrer Mitgliedstaaten und von Drittstaaten sowie

c)
die Planungen internationaler Organisationen und die Planungen im Rahmen internationaler Verträge.

(3) 1Der allgemeine Notfallplan des Bundes umfasst insbesondere

1.
auf das jeweilige Referenzszenario optimal abgestimmte Strategien zum Schutz der Bevölkerung und der Einsatzkräfte, die auch besonders schutzbedürftige Personen berücksichtigen (optimierte Schutzstrategien), und

2.
die weiteren in Anlage 5 genannten Elemente.

2Der allgemeine Notfallplan des Bundes kann auch Hinweise auf die Notfallpläne der Länder, von Gemeinden und Gemeindeverbänden sowie von weiteren Organisationen, die an der Notfallvorsorge und -reaktion beteiligt sind, enthalten oder diese Notfallpläne zusammenfassend darstellen.




§ 99 Besondere Notfallpläne des Bundes



(1) 1Auf Vorschlag der für die jeweiligen Sachbereiche zuständigen Bundesministerien ergänzt und konkretisiert die Bundesregierung den allgemeinen Notfallplan des Bundes durch besondere Notfallpläne des Bundes. 2Die besonderen Notfallpläne des Bundes werden als allgemeine Verwaltungsvorschriften mit Zustimmung des Bundesrates beschlossen.

(2) In den besonderen Notfallplänen des Bundes sind die Planungen insbesondere für die folgenden Anwendungsbereiche darzustellen:

1.
für den Katastrophenschutz, die allgemeine Gefahrenabwehr und Hilfeleistung sowie für die medizinische Behandlung und Vorsorge nach einer Exposition der Bevölkerung und der Einsatzkräfte,

2.
für die Trinkwassergewinnung und -versorgung,

3.
für die Produktion pflanzlicher und tierischer Erzeugnisse, für Lebensmittel, Futtermittel, Bedarfsgegenstände, kosmetische Mittel und Erzeugnisse im Sinne von § 2 Nummer 1 des Tabakerzeugnisgesetzes,

4.
für Arzneimittel und deren Ausgangsstoffe sowie für Medizinprodukte,

5.
für sonstige Produkte, Gegenstände und Stoffe,

6.
für die Beförderung von Gütern,

7.
für den grenzüberschreitenden Verkehr von Personen, Fahrzeugen, Gütern und Gepäck,

8.
für kontaminierte Gebiete, insbesondere für kontaminierte Grundstücke und Gewässer,

9.
für die Entsorgung von Abfällen und für die Beseitigung von Abwasser sowie für die Errichtung und den Betrieb der in § 95 Absatz 1 Satz 2 genannten Anlagen.

(3) 1Die besonderen Notfallpläne umfassen insbesondere die in Anlage 6 genannten Elemente. 2§ 98 Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend.


§ 100 Allgemeine und besondere Notfallpläne der Länder



1Die Länder stellen allgemeine und besondere Notfallpläne auf. 2Diese Notfallpläne der Länder ergänzen und konkretisieren den allgemeinen Notfallplan des Bundes und die besonderen Notfallpläne des Bundes, soweit die Länder für die Planung oder Durchführung von Schutzmaßnahmen zuständig sind.


§ 101 Externe Notfallpläne für ortsfeste Anlagen oder Einrichtungen mit besonderem Gefahrenpotential



(1) Die für den Katastrophenschutz oder für die öffentliche Sicherheit zuständigen Behörden stellen nach Maßgabe ihrer landesrechtlichen Bestimmungen Sonderschutzpläne (externe Notfallpläne) auf für die Umgebung von kerntechnischen Anlagen, Anlagen im Sinne des § 9a Absatz 3 Satz 1 zweiter Satzteil des Atomgesetzes, Anlagen zur Erzeugung ionisierender Strahlung oder Einrichtungen im Sinne des § 5 Absatz 12 dieses Gesetzes, soweit Notfälle in der Anlage oder Einrichtung für eine nicht unerhebliche Personenzahl in der Umgebung der Anlage oder Einrichtung zu schwerwiegenden Gesundheitsbeeinträchtigungen führen können.

(2) 1Die externen Notfallpläne ergänzen und konkretisieren die in den allgemeinen und besonderen Notfallplänen des Bundes und der Länder enthaltenen Planungen. 2Sie berücksichtigen dabei die örtlichen Gegebenheiten sowie die Verfahren und Vorkehrungen der Strahlenschutzverantwortlichen für den anlageninternen Notfallschutz.


§ 102 Notfallübungen


§ 102 wird in 1 Vorschrift zitiert

(1) Die Behörden und Organisationen, die gemäß den Notfallplänen des Bundes und der Länder an der Notfallreaktion beteiligt sind, sowie die nach § 115 Absatz 1 für die Aus- und Fortbildung der Einsatzkräfte Verantwortlichen führen regelmäßig Notfallübungen durch.

(2) 1Die Notfallübungen sind nach Art der Übung, Umfang, Notfallszenarien und Beteiligten angemessen zu differenzieren. 2Zu erproben und zu üben sind insbesondere

1.
die organisatorischen Vorkehrungen für die Notfallreaktion und

2.
entsprechend den Notfallplänen der Informationsaustausch und die Zusammenarbeit der an der Notfallreaktion beteiligten Behörden, Organisationen und Strahlenschutzverantwortlichen bei

a)
der Lageerfassung und Lagebewertung,

b)
der Abstimmung der Entscheidungen der zuständigen Behörden und

c)
der Durchführung von angemessenen Schutzmaßnahmen.


§ 103 Überprüfung und Änderung der Notfallpläne



(1) Die Notfallpläne des Bundes und der Länder werden regelmäßig unter Berücksichtigung der Erfahrungen aus den Notfallübungen, den Erkenntnissen aus Notfällen im In- oder Ausland sowie den Veränderungen des Standes der Wissenschaft und der Rechtslage überprüft und gegebenenfalls geändert.

(2) 1Die die Notfallpläne ergänzenden Informationen, wie die Kontaktdaten der zuständigen Behörden und mitwirkenden Organisationen oder die Verzeichnisse der geltenden Rechtsvorschriften, werden bei Änderungen aktualisiert und regelmäßig überprüft. 2Die Stichtage für die Überprüfungen sind in den Notfallplänen festzulegen.


§ 104 Beschaffung von Schutzwirkstoffen



(1) 1Die nach § 192 Absatz 1 zuständige Behörde beschafft Schutzwirkstoffe in dem zur Versorgung der Bevölkerung im Bundesgebiet bei möglichen Notfällen erforderlichen Umfang. 2Sie stellt diese Schutzwirkstoffe den Ländern für den Katastrophenschutz zur Bevorratung, Verteilung und Abgabe an die Bevölkerung zur Verfügung.

(2) Schutzwirkstoffe sind Arzneimittel,

1.
die zur Verhinderung der Aufnahme radioaktiven Jods in die menschliche Schilddrüse geeignet sind oder

2.
die zur Verhinderung der Aufnahme von Radionukliden in den menschlichen Körper oder zur Entfernung von Radionukliden aus dem menschlichen Körper geeignet sind.


§ 105 Information der Bevölkerung über die Schutzmaßnahmen und Empfehlungen für das Verhalten bei möglichen Notfällen



(1) Die zuständigen Stellen des Bundes veröffentlichen die Notfallpläne des Bundes nach Maßgabe des § 10 des Umweltinformationsgesetzes.

(2) Die zuständigen Stellen des Bundes

1.
informieren die Bevölkerung nach Maßgabe des § 10 des Umweltinformationsgesetzes in geeigneter Weise

a)
über die Grundbegriffe der Radioaktivität und die Auswirkungen der Radioaktivität auf den Menschen und die Umwelt,

b)
über die in den Notfallplänen berücksichtigten Notfälle und ihre Folgen für Bevölkerung und Umwelt,

c)
über geplante Maßnahmen zur Warnung und zum Schutz der Bevölkerung bei möglichen Notfällen

und

2.
geben der Bevölkerung Empfehlungen für das Verhalten bei möglichen Notfällen.

(3) Die Länder informieren die Bevölkerung über die in Absatz 2 Nummer 1 genannten Angelegenheiten nach Maßgabe der landesrechtlichen Vorschriften und geben der Bevölkerung Empfehlungen für das Verhalten bei möglichen Notfällen, die die Empfehlungen nach Absatz 2 Nummer 2 ergänzen und konkretisieren.

(4) 1Die Informationen und die Verhaltensempfehlungen sind regelmäßig und bei wesentlichen Änderungen zu aktualisieren und in aktualisierter Fassung unaufgefordert zu veröffentlichen. 2Sie müssen der Öffentlichkeit ständig zugänglich sein.