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Abschnitt 1 - Medizinprodukte-Anwendermelde- und Informationsverordnung (MPAMIV)


Abschnitt 1 Anwendungsbereich; Meldeverfahren

§ 1 Anwendungsbereich



Diese Rechtsverordnung ist anzuwenden auf Produkte im Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über Medizinprodukte, zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 und zur Aufhebung der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG des Rates (ABl. L 117 vom 5.5.2017, S. 1; L 117 vom 3.5.2019, S. 9; L 334 vom 27.12.2019, S. 165), die durch die Verordnung (EU) 2020/561 (ABl. L 130 vom 24.4.2020, S. 18) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, und der Verordnung (EU) 2017/746 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über In-vitro-Diagnostika und zur Aufhebung der Richtlinie 98/79/EG und des Beschlusses 2010/227/EU der Kommission (ABl. L 117 vom 5.5.2017, S. 176; L 117 vom 3.5.2019, S. 11; L 334 vom 27.12.2019, S. 167).




§ 2 Ergänzende Begriffsbestimmungen



Ergänzend zu Artikel 2 der Verordnung (EU) 2017/745 und Artikel 2 der Verordnung (EU) 2017/746 bezeichnet im Sinne dieser Rechtsverordnung der Ausdruck „mutmaßliches schwerwiegendes Vorkommnis" ein Vorkommnis, bei dem nicht ausgeschlossen ist, dass es auf einer unerwünschten Nebenwirkung eines Produktes, auf einer Fehlfunktion, einer Verschlechterung der Eigenschaften oder der Leistung eines Produktes, einschließlich Anwendungsfehlern aufgrund ergonomischer Merkmale oder einer Unzulänglichkeit der vom Hersteller bereitgestellten Informationen beruht und das direkt oder indirekt eine der nachstehenden Folgen hatte oder hätte haben können:

1.
den Tod eines Patienten, Anwenders oder einer anderen Person,

2.
die vorübergehende oder dauerhafte schwerwiegende Verschlechterung des Gesundheitszustands eines Patienten, Anwenders oder einer anderen Person oder

3.
eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Gesundheit.




§ 3 Meldepflicht



1Wer Produkte beruflich oder gewerblich betreibt oder anwendet, hat dabei aufgetretene mutmaßliche schwerwiegende Vorkommnisse unverzüglich der zuständigen Bundesoberbehörde zu melden. 2Satz 1 gilt entsprechend für Ärzte und Zahnärzte, denen in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit mutmaßliche schwerwiegende Vorkommnisse bekannt werden.


§ 4 Patientenmeldungen



1Patienten oder deren Angehörige sollen über mutmaßliche schwerwiegende Vorkommnisse mit Produkten, von denen sie betroffen sind, den behandelnden Arzt oder Zahnarzt oder den Händler, der das Produkt bereitgestellt hat, informieren. 2Sie können mutmaßliche schwerwiegende Vorkommnisse auch der zuständigen Bundesoberbehörde direkt melden.


§ 5 Hinweise durch die Bundesoberbehörden



1Die zuständigen Bundesoberbehörden veröffentlichen jeweils Hinweise zur Übermittlung der Meldungen nach den §§ 3 und 4 Satz 2 auf ihren Internetseiten; die Barrierefreiheit nach § 12a des Behindertengleichstellungsgesetzes ist zu gewährleisten. 2Die zuständigen Bundesoberbehörden fördern durch geeignete Maßnahmen das Verständnis der Öffentlichkeit für die Bedeutung der Patientenmeldungen mit dem Ziel der Verbesserung der Mitwirkungsbereitschaft in der Bevölkerung.


§ 6 Erfassung der Meldungen



(1) 1Die Meldungen nach § 3 erfolgen zur zentralen Erfassung über das Deutsche Medizinprodukteinformations- und Datenbanksystem nach § 86 des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes. 2Die Meldungen nach § 4 Satz 2 können zur zentralen Erfassung über das Deutsche Medizinprodukteinformations- und Datenbanksystem nach § 86 des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes erfolgen.

(2) Sofern die Meldungen nach § 4 Satz 2 nicht über das Deutsche Medizinprodukteinformations- und Datenbanksystem nach § 86 des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes erfolgt sind, stellt die zuständige Bundesoberbehörde sicher, dass die Meldungen nach § 4 Satz 2 im Deutschen Medizinprodukteinformations- und Datenbanksystem nach § 86 des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes erfasst werden.


§ 7 Ergänzende Verfahrensregelungen



(1) Die zuständige Bundesoberbehörde bestätigt den nach § 3 oder § 4 Satz 2 meldenden Personen oder Stellen den Eingang der Meldung.

(2) Unabhängig von der unverzüglichen Einleitung des Verfahrens nach Artikel 87 Absatz 11 der Verordnung (EU) 2017/745 oder Artikel 82 Absatz 11 der Verordnung (EU) 2017/746 prüft die zuständige Bundesoberbehörde, ob unmittelbarer Handlungsbedarf zur Gefahrenabwehr besteht.

(3) 1Eine nach Artikel 87 Absatz 11 Unterabsatz 3 der Verordnung (EU) 2017/745 oder Artikel 82 Absatz 11 Unterabsatz 3 der Verordnung (EU) 2017/746 notwendige Begründung wird vom Hersteller über das Deutsche Medizinprodukteinformations- und Datenbanksystem nach § 86 des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes innerhalb von 15 Tagen vorgelegt. 2Die zuständige Bundesoberbehörde teilt dem Hersteller innerhalb von zehn Tagen mit, ob sie mit seiner Begründung übereinstimmt oder verlangt eine Meldung nach Artikel 87 Absatz 1 bis 5 der Verordnung (EU) 2017/745 oder nach Artikel 82 Absatz 1 bis 5 der Verordnung (EU) 2017/746.

(4) Sofern die zuständige Bundesoberbehörde mit der nach Absatz 3 Satz 1 vom Hersteller vorgelegten Begründung übereinstimmt, informiert sie die nach § 3 oder § 4 Satz 2 meldenden Personen oder Stellen darüber und teilt diesen die Begründung des Herstellers mit.

(5) Nach Eingang der nach Absatz 3 Satz 2 von der zuständigen Bundesoberbehörde verlangten Meldung nach Artikel 87 Absatz 1 bis 5 der Verordnung (EU) 2017/745 oder Artikel 82 Absatz 1 bis 5 der Verordnung (EU) 2017/746 findet das Verfahren nach den §§ 71 bis 74 des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes Anwendung.

(6) 1Die zuständige Bundesoberbehörde teilt das Ergebnis ihrer abschließenden Risikobewertung der nach § 3 oder § 4 Satz 2 meldenden Person oder Stelle mit. 2Das Ergebnis der abschließenden Risikobewertung nach Satz 1 ist den nach § 4 Satz 2 meldenden Personen soweit erforderlich in laienverständlicher Weise zu übermitteln. 3Die abschließende Risikobewertung beinhaltet, soweit bereits vorhanden, eine Bewertung des Abschlussberichts des Herstellers nach Artikel 89 Absatz 5 der Verordnung (EU) 2017/745 oder Artikel 84 Absatz 5 der Verordnung (EU) 2017/746 oder eine Bewertung der vom Hersteller nach Absatz 3 Satz 1 vorgelegten Begründung.