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Abschnitt 2 - Telekommunikationsgesetz (TKG)


Teil 10 Öffentliche Sicherheit und Notfallvorsorge

Abschnitt 2 Notfallvorsorge

§ 184 Anwendungsbereich


§ 184 wird in 1 Vorschrift zitiert

Die Vorschriften dieses Abschnitts sind anzuwenden zur Sicherung einer Mindestversorgung mit Telekommunikationsdiensten

1.
bei unmittelbar bevorstehenden oder bereits eingetretenen erheblichen Störungen der Versorgung mit Telekommunikationsdiensten, insbesondere infolge von Naturkatastrophen, besonders schweren Unglücksfällen, Sabotagehandlungen, terroristischen Anschlägen, sonstigen vergleichbaren Ereignissen oder im Spannungs- oder Verteidigungsfall sowie

2.
zur Erfüllung

a)
internationaler Vereinbarungen zur Notfallbewältigung,

b)
der Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen oder

c)
von Bündnisverpflichtungen.


§ 185 Telekommunikationssicherstellungspflicht



(1) 1Anbieter öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste mit mehr als 100.000 Vertragspartnern haben folgende von ihnen erbrachte Dienste aufrechtzuerhalten:

1.
Sprachkommunikationsdienste,

2.
Internetzugangsdienste,

3.
1Datenübertragungsdienste und 4. 2E-Mail-Dienste.

2Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze haben den Betrieb ihres Netzes mindestens in dem Umfang aufrechtzuerhalten, der für die Erbringung der Dienste nach Satz 1 erforderlich ist. 3Anbieter öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste nach Satz 1 und Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze, die Anschlüsse oder Übertragungswege bereitstellen, die für die Dienste nach Satz 1 erforderlich sind, haben diese Dienstleistungen aufrechtzuerhalten.

(2) 1Unbeschadet der Regelungen der Verordnung (EU) 2015/2120 haben Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze Verkehrsmanagementmaßnahmen zu ergreifen, soweit und solange es erforderlich ist, um eine drohende Netzüberlastung zu verhindern oder eine eingetretene Netzüberlastung zu beseitigen. 2Dabei sind gleichwertige Verkehrsarten gleich zu behandeln.

(3) Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze und Anbieter öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste nach Absatz 1 haben Maßnahmen zu ergreifen, soweit und solange es erforderlich ist, um eine drohende Engpasssituation bei der Zusammenschaltung von Telekommunikationsnetzen und -diensten, an Übergabepunkten von Telekommunikationsnetzen und -diensten sowie an Systemkomponenten zur Steuerung und Verwaltung von Telekommunikationsdiensten zu verhindern oder eine eingetretene Engpasssituation zu beseitigen.


§ 186 Telekommunikationsbevorrechtigung



(1) Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze und Anbieter öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste nach § 185 Absatz 1 Satz 1, die Anschlüsse oder Übertragungswege bereitstellen, die für die nach § 185 Absatz 1 sicherzustellenden Dienste erforderlich sind, haben für Telekommunikationsbevorrechtigte unverzüglich und vorrangig

1.
Anschlüsse und Übertragungswege bereitzustellen und zu entstören sowie

2.
die Datenübertragungsraten bestehender Anschlüsse oder Übertragungswege auf Anfrage im erforderlichen Umfang zu erweitern.

(2) 1Betreiber öffentlicher Mobilfunknetze haben für Telekommunikationsbevorrechtigte Verbindungen im Mobilfunk für interpersonelle Kommunikation vorrangig herzustellen. 2Für die Ausgestaltung dieser Verpflichtung kann die Bundesnetzagentur technische Festlegungen und zeitliche Vorgaben treffen. 3Die Bundesnetzagentur berücksichtigt bei den Festlegungen internationale technische Standards und beteiligt die betroffenen Verbände.

(3) 1Telekommunikationsbevorrechtigte sind

1.
Verfassungsorgane des Bundes und der Länder,

2.
Behörden des Bundes, der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände,

3.
Gerichte des Bundes und der Länder,

4.
Dienststellen der Bundeswehr und der stationierten Streitkräfte,

5.
Katastrophenschutz- und Zivilschutzorganisationen sowie Hilfsorganisationen nach § 26 Absatz 1 Satz 2 des Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetzes,

6.
Aufgabenträger im Gesundheitswesen,

7.
Hilfs- und Rettungsdienste,

8.
Rundfunkveranstalter,

9.
Nutzer, denen von einer Behörde nach Nummer 2, die für den Bevölkerungsschutz (Zivil- oder Katastrophenschutz) oder die Verteidigung zuständig ist, eine Bescheinigung darüber ausgestellt wurde, dass sie lebens- oder verteidigungswichtige Aufgaben zu erfüllen haben und hierzu auf Telekommunikationsdienste nach Absatz 1 oder 2 angewiesen sind.

2Die Bescheinigung nach Satz 1 Nummer 9 verliert ihre Gültigkeit zehn Jahre nach Ausstellungsdatum, sofern auf der Bescheinigung nicht eine kürzere Geltungsdauer vermerkt ist.


§ 187 Umsetzung der Telekommunikationsbevorrechtigung



(1) 1Telekommunikationsbevorrechtigte haben ihrem Anbieter rechtzeitig im Voraus mitzuteilen,

1.
welche Anschlüsse und Übertragungswege vorrangig entstört werden sollen,

2.
für welche Mobilfunkanschlüsse vorrangige Verbindungen in Anspruch genommen werden sollen.

2Dabei haben Telekommunikationsbevorrechtigte nach § 186 Absatz 3 Satz 1 Nummer 9 die ihnen ausgestellte Bescheinigung vorzulegen.

(2) 1Für die Umsetzung der Telekommunikationsbevorrechtigung hat der nach § 186 Absatz 1 und 2 Verpflichtete unverzüglich nach Eingang der Mitteilung nach Absatz 1 Satz 1 Vorkehrungen zu treffen. 2Er hat diese Vorkehrungen nach Kündigung des Anschlusses oder nach Ablauf der in § 186 Absatz 3 Satz 2 genannten Frist wieder aufzuheben, sofern nicht vor Ablauf dieser Frist eine neue Bescheinigung nach § 186 Absatz 3 Satz 1 Nummer 9 vorgelegt wird. 3Die nach § 186 Absatz 1 und 2 Verpflichteten haben den betroffenen Nutzer über den Abschluss und die Aufhebung der getroffenen Vorkehrungen unverzüglich zu informieren.

(3) 1Für die Erfüllung der Verpflichtung nach § 186 Absatz 2 Satz 1 kann die Dauer oder die Datenübertragungsrate nicht vorrangiger Verbindungen im erforderlichen Umfang begrenzt werden. 2Satz 1 gilt nicht für Verbindungen zu den Notrufnummern 110 und 112; § 4 der Verordnung über Notrufverbindungen vom 6. März 2009 (BGBl. I S. 481), die zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 26. November 2012 (BGBl. I S. 2347) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung bleibt unberührt.


§ 188 Mitwirkungspflichten und Entschädigung


§ 188 wird in 1 Vorschrift zitiert

(1) Die nach diesem Abschnitt Verpflichteten haben auf Anordnung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie in den Fällen des § 184 sowie im Rahmen von Vorsorgeplanungen und Übungen in Arbeitsstäben im Inland mitzuwirken sowie das hierfür erforderliche Fachpersonal abzustellen.

(2) 1Für Personal, das aufgrund einer Anordnung nach Absatz 1 abgestellt wurde, wird ab Beginn des Einsatzes je Person und angefangener Stunde eine Entschädigung gewährt. 2Diese entspricht der Nummer 11.3 der Anlage 1 zum Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718, 776), das zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3229) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung. 3Die Entschädigung darf je Person und Tag den Betrag, der für einen achtstündigen Einsatz zu leisten ist, nicht überschreiten.


§ 189 Entgelte für die Telekommunikationsbevorrechtigung



1Telekommunikationsbevorrechtigte haben die folgenden Entgelte an ihren Anbieter zu entrichten:

1.
für jeden Anschluss und Übertragungsweg, für den Vorkehrungen nach § 187 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 getroffen wurden, ein einmaliges Entgelt in Höhe von 100 Euro und

2.
für jeden Anschluss, für den technische Vorkehrungen nach § 187 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 getroffen wurden, ein einmaliges Entgelt in Höhe von 50 Euro.

2Damit sind alle Entgeltansprüche abgegolten. 3Hat ein Verpflichteter die getroffenen Vorkehrungen pflichtgemäß aufgehoben und wird ihm danach eine neue Bescheinigung nach § 186 Absatz 3 Satz 1 Nummer 9 vorgelegt, gilt Satz 1 entsprechend. 4Die übrigen Entgelte für die Inanspruchnahme von Telekommunikationsdiensten bleiben unberührt.


§ 190 Kontrolle und Durchsetzung von Verpflichtungen



(1) 1Die Bundesnetzagentur kann Anordnungen und andere Maßnahmen treffen, um die Einhaltung der Vorschriften dieses Abschnitts sicherzustellen. 2Der Verpflichtete hat auf Anforderung der Bundesnetzagentur die hierzu erforderlichen Auskünfte zu erteilen. 3§ 55 der Strafprozessordnung gilt entsprechend. 4Die Bundesnetzagentur ist zur Überprüfung der Einhaltung der Verpflichtungen befugt, die Geschäfts- und Betriebsräume während der üblichen Betriebs- oder Geschäftszeiten zu betreten und zu besichtigen. 5Der Verpflichtete hat die Überprüfung zu dulden. 6Die Befugnisse der Bundesnetzagentur nach Teil 11 Abschnitt 2 bleiben unberührt.

(2) Zur Durchsetzung von Maßnahmen nach Absatz 1 kann nach Maßgabe des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes ein Zwangsgeld bis zu einer Million Euro festgesetzt werden.