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Abschnitt 2 - Steueroasen-Abwehrgesetz (StAbwG)

Artikel 1 G. v. 25.06.2021 BGBl. I S. 2056 (Nr. 37); zuletzt geändert durch Artikel 8 Abs. 2 G. v. 20.12.2022 BGBl. I S. 2730
Geltung ab 01.07.2021; FNA: 610-1-29 Allgemeines Steuerrecht
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Abschnitt 2 Qualifikation eines Staates oder Gebiets

§ 4 Intransparenz in Steuersachen



(1) Ein Steuerhoheitsgebiet ist nicht kooperativ, wenn dieses Steuerhoheitsgebiet keine hinreichende Transparenz in Steuersachen gewährleistet.

(2) Ein Steuerhoheitsgebiet gewährleistet keine hinreichende Transparenz in Steuersachen, wenn dieses Steuerhoheitsgebiet

1.
den automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen mit der Bundesrepublik Deutschland sowie allen anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach dem gemeinsamen Meldestandard nicht durchführt;

2.
nicht weitgehend den OECD Standard für Transparenz und effektiven Informationsaustausch auf Ersuchen umgesetzt hat; oder

3.
das Übereinkommen vom 25. Januar 1988 über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 27. Mai 2010 nicht ratifiziert hat oder, sofern das Steuerhoheitsgebiet nicht über die volle staatliche Souveränität verfügt, es dem Übereinkommen vom 25. Januar 1988 über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 27. Mai 2010 nicht beigetreten ist; die Transparenz ist allerdings hinreichend gewährleistet, wenn das Steuerhoheitsgebiet den wirksamen Austausch von Informationen auf Ersuchen sowie den automatischen Austausch von Informationen mit der Bundesrepublik Deutschland und allen anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union aufgrund geltender Abkommen sicherstellt.

(3) Gemeinsamer Meldestandard nach Absatz 2 Nummer 1 ist der durch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zusammen mit den G20-Staaten entwickelte Standard für den automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen in dem Stand der Veröffentlichung durch die OECD vom 15. Juli 2014.

(4) Der OECD Standard nach Absatz 2 Nummer 2 bestimmt sich anhand der „2016 Terms of Reference" im „Informationsaustausch auf Ersuchen, Handbuch für die gegenseitige Überprüfung 2016-2020", Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes (2016).* Der Standard ist in einem Steuerhoheitsgebiet weitgehend nicht umgesetzt, wenn von ihm wesentlich abgewichen wird und diese Abweichung signifikante Auswirkungen auf die praktische Durchführung des Informationsaustausches auf Ersuchen hatte oder voraussichtlich haben wird.

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Amtlicher Hinweis: Dieses Dokument ist im Internet abrufbar unter https://www.bzst.de/DE/Behoerden/InternationaleAmtshilfe/Amtshilfe DirekteSteuern/amtshilfe_direkte_steuern_node.html.


§ 5 Unfairer Steuerwettbewerb



(1) Ein Steuerhoheitsgebiet ist nicht kooperativ, wenn es unfairen Steuerwettbewerb betreibt.

(2) 1Ein Steuerhoheitsgebiet betreibt unfairen Steuerwettbewerb, wenn es Regelungen, einschließlich Rechts-, Verwaltungsvorschriften und Verwaltungspraktiken auf dem Gebiet des Steuerrechts, anwendet, die gemessen an den üblicherweise in dem betreffenden Steuerhoheitsgebiet geltenden Besteuerungsniveaus eine deutlich niedrigere Effektivbesteuerung, einschließlich einer Nullbesteuerung, bewirken. 2Diese Regelungen sind insbesondere dann als unfairer Steuerwettbewerb anzusehen, wenn sie

1.
Vorteile ausschließlich Gebietsfremden oder für Transaktionen mit Gebietsfremden gewähren;

2.
Vorteile gewähren, die von der inländischen Wirtschaft des nicht kooperativen Steuerhoheitsgebietes nicht in Anspruch genommen werden können, so dass sie keine Auswirkungen auf dessen Steuergrundlage haben;

3.
Vorteile von einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit oder Präsenz in dem diese Vorteile gewährenden Steuerhoheitsgebiet entkoppeln und die steuerlichen Vorteile auch ohne eine derartige Tätigkeit oder Präsenz gewährt werden;

4.
bei der Gewinnermittlung bei Aktivitäten innerhalb einer multinationalen Unternehmensgruppe von international allgemein anerkannten Grundsätzen, insbesondere denen der OECD, abweichen; oder

5.
intransparent, insbesondere nicht allgemein vorhersehbar oder hinreichend dokumentiert sind, einschließlich der Fälle, in denen von den Regelungen in der Handhabung durch die Verwaltungsbehörden bewusst abgewichen wird, um gesetzlich nicht vorgesehene Vorteile zu gewähren.

(3) 1Für ein Steuerhoheitsgebiet, das über kein Körperschaftsteuersystem oder über ein Körperschaftsteuersystem verfügt, dessen Anwendung zu einem effektiven Körperschaftsteuersatz von null oder nahe null führt (Nullsatzjurisdiktion), sind Regelungen sowie Strukturen als unfairer Steuerwettbewerb anzusehen, wenn sie zum Ziel haben, Gewinne anzuziehen, die keine reale Wirtschaftstätigkeit in dem Steuerhoheitsgebiet abbilden. 2Regelungen und Strukturen sind insbesondere dann als unfairer Steuerwettbewerb anzusehen, wenn hierdurch eine den Regelungen unter Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 bis 5 entsprechende Wirkung entsteht. 3Für die Beurteilung der Wirkung ist unerheblich, ob es sich um steuerliche oder nichtsteuerliche Regelungen und Strukturen in dem betreffenden Steuerhoheitsgebiet handelt. 4Allein der Umstand, dass ein Steuerhoheitsgebiet eine Nullsatzjurisdiktion ist, führt nicht dazu, dass die betreffenden Regelungen oder Strukturen dieses Steuerhoheitsgebietes als unfairer Steuerwettbewerb anzusehen sind.


§ 6 Nichterfüllung der BEPS-Mindeststandards



(1) 1Ein Steuerhoheitsgebiet ist nicht kooperativ, wenn es sich nicht zur Umsetzung der Mindeststandards des OECD/G20 BEPS-Projekts (Base Erosion and Profit Shifting, vgl. BEPS-Projekt Erläuterungen, Abschlussbericht 2015) gegen Gewinnverkürzung und Gewinnverschiebung verpflichtet hat. 2Die Mindeststandards umfassen Aktionspunkt 5 „Wirksame Bekämpfung schädlicher Steuerpraktiken unter Berücksichtigung von Transparenz und Substanz", Aktionspunkt 6 „Verhinderung von Abkommensmissbrauch", Aktionspunkt 13 „Verrechnungspreisdokumentation und länderbezogene Berichterstattung" und Aktionspunkt 14 „Verbesserung der Wirksamkeit von Streitbeilegungsmechanismen".

(2) Ein Steuerhoheitsgebiet ist auch dann nicht kooperativ, wenn es

1.
nicht mit der Bundesrepublik Deutschland sowie allen anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union über einen Mechanismus zum Austausch länderbezogener Berichte verfügt; oder

2.
hinsichtlich der Vertraulichkeit, der Datenschutzvorkehrungen, der sachgemäßen Verwendung oder dem rechtzeitigen und ausreichenden Austausch von Informationen zu länderbezogenen Berichten von dem Mindeststandard des OECD/G20 BEPS-Projekts, Aktionspunkt 13 „Verrechnungspreisdokumentation und länderbezogene Berichterstattung" wesentlich abweicht.