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KAPITEL IV - Fahrgastrechteverordnung (Verordnung (EU) 2021/782 k.a.Abk.)


KAPITEL IV VERSPÄTUNGEN, VERPASSTE ANSCHLÜSSE UND ZUGAUSFÄLLE

Artikel 17 Haftung für Verspätungen, verpasste Anschlüsse und Zugausfälle


Artikel 17 wird in 2 Vorschriften zitiert

Vorbehaltlich der Bestimmungen dieses Kapitels ist die Haftung der Eisenbahnunternehmen für Verspätungen, verpasste Anschlüsse und Zugausfälle in Anhang I Titel IV Kapitel II geregelt.


Artikel 18 Erstattung oder Weiterreise mit geänderter Streckenführung


Artikel 18 wird in 7 Vorschriften zitiert

(1)
Muss entweder bei der Abfahrt oder im Falle eines verpassten Anschlusses oder eines Zugausfalls vernünftigerweise davon ausgegangen werden, dass bei Ankunft am Zielort gemäß Beförderungsvertrag die Verspätung 60 Minuten oder mehr betragen wird, so bietet das Eisenbahnunternehmen, das den verspäteten oder ausfallenden Dienst betreibt, dem Fahrgast unverzüglich an, sich für eine der folgenden Möglichkeiten zu entscheiden, und trifft die dazu notwendigen Vorkehrungen:

a)
Erstattung des vollen Fahrpreises unter den Bedingungen, zu denen er entrichtet wurde, für den Teil oder die Teile der Fahrt, der bzw. die nicht durchgeführt wurde bzw. wurden, und für den Teil oder die Teile, der bzw. die bereits durchgeführt wurde bzw. wurden, wenn die Fahrt nach den ursprünglichen Reiseplänen des Fahrgasts sinnlos geworden ist, gegebenenfalls zusammen mit einer Rückfahrt zum ersten Ausgangspunkt bei nächster Gelegenheit;

b)
Fortsetzung der Fahrt oder Weiterreise mit geänderter Streckenführung unter vergleichbaren Beförderungsbedingungen bis zum Zielort bei nächster Gelegenheit;

c)
Fortsetzung der Fahrt oder Weiterreise mit geänderter Streckenführung unter vergleichbaren Beförderungsbedingungen bis zum Zielort zu einem späteren Zeitpunkt nach Wahl des Fahrgasts.

(2)
Wenn für die Zwecke von Absatz 1 Buchstaben b und c eine vergleichbare geänderte Strecke von demselben Eisenbahnunternehmen betrieben wird oder ein anderes Unternehmen mit der Bedienung der geänderten Strecke beauftragt ist, entstehen dem Fahrgast dadurch keine zusätzlichen Kosten. Diese Anforderung gilt auch, wenn die Weiterreise mit geänderter Streckenführung die Beförderung in einer höheren Klasse sowie die Benutzung alternativer Verkehrsmittel einschließt. Seitens der Eisenbahnunternehmen sind angemessene Bemühungen zu unternehmen, um zusätzliches Umsteigen zu vermeiden und sicherzustellen, dass Verlängerungen der Gesamtreisezeit möglichst kurz sind. Die Fahrgäste dürfen nur dann auf Verkehrsmittel in einer niedrigeren Klasse herabgestuft werden, wenn diese die einzige anderweitige Beförderungsmöglichkeit darstellen.

(3)
Unbeschadet des Absatzes 2 kann das Eisenbahnunternehmen sich auf Anfrage des Fahrgasts damit einverstanden erklären, dass der Fahrgast Verträge mit anderen Anbietern von Verkehrsdiensten schließt, die es ihm ermöglichen, den Zielort unter vergleichbaren Bedingungen zu erreichen; in diesem Fall erstatten das Eisenbahnunternehmen dem Fahrgast die ihm entstandenen Kosten.

Wenn dem Fahrgast die verfügbaren Optionen für eine Weiterreise mit geänderter Streckenführung nicht binnen 100 Minuten nach der planmäßigen Abfahrtszeit des verspäteten oder ausgefallenen Verkehrsdienstes oder des verpassten Anschlusses mitgeteilt werden, ist der Fahrgast berechtigt, einen solchen Vertrag mit anderen Anbietern öffentlicher Verkehrsdienste mit der Eisenbahn, dem Reisebus oder dem Bus zu schließen. Das Eisenbahnunternehmen erstattet dem Fahrgast die dadurch entstandenen notwendigen, angemessenen und zumutbaren Kosten.

Dieser Absatz berührt nicht die nationale Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die Fahrgästen günstigere Bedingungen für die Weiterreise mit geänderter Streckenführung gewähren.

(4)
Erbringer von Verkehrsdiensten für die Weiterreise mit geänderter Streckenführung bieten Personen mit Behinderungen und Personen mit eingeschränkter Mobilität vergleichbare Unterstützung und einen vergleichbaren barrierefreien Zugang, wenn sie einen alternativen Verkehrsdienst anbieten. Sie können Personen mit Behinderungen und Personen mit eingeschränkter Mobilität alternative Dienste anbieten, die ihren Bedürfnissen entsprechen und die sich von den anderen Fahrgästen angebotenen Diensten unterscheiden.

(5)
Die Zahlung von Erstattungen nach Absatz 1 Buchstabe a und Absatz 3 erfolgt binnen 30 Tagen nach Eingang des Antrags. Die Mitgliedstaaten können Eisenbahnunternehmen zur Annahme solcher Anträge über bestimmte Kommunikationsmittel verpflichten, sofern die Verpflichtung keine Diskriminierung zur Folge hat. Die Erstattung kann in Form von Gutscheinen und/oder der Erbringung anderer Leistungen erfolgen, sofern die Bedingungen dieser Gutscheine und/oder Leistungen flexibel sind, insbesondere bezüglich des Gültigkeitszeitraums und des Zielorts, und der Fahrgast sich damit einverstanden erklärt, diese Gutscheine und/oder Leistungen zu akzeptieren. Der Erstattungsbetrag darf nicht um Kosten der Finanztransaktion wie Gebühren, Telefonkosten oder Porti gekürzt werden.

(6)
Die Kommission erlässt bis zum 7. Juni 2023 einen Durchführungsrechtsakt mit einem einheitlichen Formular für Anträge auf Erstattung gemäß dieser Verordnung. Dieses einheitliche Formular wird in einem für Personen mit Behinderungen und Personen mit eingeschränkter Mobilität zugänglichen Format erstellt. Dieser Durchführungsrechtsakt wird gemäß dem in Artikel 38 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

(7)
Fahrgäste haben das Recht, ihre Anträge unter Verwendung des in Absatz 6 genannten einheitlichen Formulars einzureichen. Eisenbahnunternehmen dürfen Anträge auf Erstattung nicht allein aus dem Grund ablehnen, dass der Fahrgast dieses Formular nicht verwendet hat. Ist ein Antrag nicht präzise genug, so ersucht das Eisenbahnunternehmen den Fahrgast um Klarstellung des Antrags und leistet ihm dabei Unterstützung.


Artikel 19 Entschädigung


Artikel 19 wird in 8 Vorschriften zitiert

(1)
Ohne das Recht auf Beförderung zu verlieren, hat ein Fahrgast bei Verspätungen Anspruch auf eine Entschädigung durch das Eisenbahnunternehmen, wenn er zwischen dem auf der Fahrkarte oder Durchgangsfahrkarte angegebenen Abfahrts- und Zielort eine Verspätung erleidet, für die keine Fahrpreiserstattung nach Artikel 18 erfolgt ist. Die Mindestentschädigung bei Verspätungen beträgt

a)
25 % des Preises der Fahrkarte bei einer Verspätung von 60 bis 119 Minuten;

b)
50 % des Preises der Fahrkarte ab einer Verspätung von 120 Minuten.

(2)
Absatz 1 gilt auch für Fahrgäste, die eine Zeitfahrkarte besitzen. Wenn diesen Fahrgästen während der Gültigkeitsdauer ihrer Zeitfahrkarte wiederholt Verspätungen oder Zugausfälle widerfahren, haben sie Anspruch auf eine angemessene Entschädigung gemäß den Entschädigungsbedingungen des Eisenbahnunternehmens. In den Entschädigungsbedingungen werden die Kriterien zur Bestimmung der Verspätung und für die Berechnung der Entschädigung festgelegt. Treten während der Gültigkeitsdauer der Zeitfahrkarte wiederholt Verspätungen von weniger als 60 Minuten auf, so können diese Verspätungen zusammengerechnet werden, und die Fahrgäste können dafür gemäß den Entschädigungsbedingungen des Eisenbahnunternehmens entschädigt werden.

(3)
Unbeschadet des Absatzes 2 wird die Entschädigung für eine Verspätung im Verhältnis zu dem vollen Preis berechnet, den der Fahrgast für den verspäteten Verkehrsdienst tatsächlich entrichtet hat. Wurde der Beförderungsvertrag für eine Hin- und Rückfahrt abgeschlossen, so wird die Entschädigung für eine entweder auf der Hin- oder auf der Rückfahrt aufgetretene Verspätung auf der Grundlage des Fahrpreises berechnet, der auf der Fahrkarte für die betreffende Teilstrecke angegeben ist. Wenn der Fahrpreis für die Einzelstrecken der Reise nicht angegeben ist, wird die Entschädigung dafür auf der Grundlage des halben entrichteten Fahrpreises berechnet. In gleicher Weise wird der Preis für einen verspäteten Verkehrsdienst, der im Rahmen eines sonstigen Beförderungsvertrags, der den Fahrgast berechtigt, zwei oder mehr aufeinanderfolgende Teilstrecken zu fahren, anteilig zum vollen Preis berechnet.

(4)
Verspätungen, für die das Eisenbahnunternehmen nachweisen kann, dass sie außerhalb der Union eingetreten sind, werden bei der Berechnung der Verspätungsdauer nicht berücksichtigt.

(5)
Die Kommission erlässt bis zum 7. Juni 2023 einen Durchführungsrechtsakt mit einem einheitlichen Formular für Anträge auf Entschädigung gemäß dieser Verordnung. Das einheitliche Formular wird in einem für Personen mit Behinderungen und Personen mit eingeschränkter Mobilität zugänglichen Format erstellt. Dieser Durchführungsrechtsakt wird gemäß dem in Artikel 38 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

(6)
Die Mitgliedstaaten können Eisenbahnunternehmen zur Annahme von Entschädigungsanträgen über bestimmte Kommunikationsmittel verpflichten, sofern die Verpflichtung keine Diskriminierung zur Folge hat. Die Fahrgäste sind berechtigt, ihre Anträge unter Verwendung des in Absatz 5 genannten einheitlichen Formulars einzureichen. Eisenbahnunternehmen dürfen Anträge auf Entschädigung nicht allein aus dem Grund ablehnen, dass der Fahrgast dieses Formular nicht verwendet hat. Ist ein Antrag nicht präzise genug, so ersucht das Eisenbahnunternehmen den Fahrgast um Klarstellung des Antrags und leistet ihm dabei Unterstützung.

(7)
Die Zahlung der Entschädigung erfolgt innerhalb von einem Monat nach Einreichung des Antrags auf Entschädigung. Die Entschädigung kann in Form von Gutscheinen und/oder anderen Leistungen erfolgen, sofern deren Bedingungen flexibel sind, insbesondere bezüglich des Gültigkeitszeitraums und des Zielorts. Die Entschädigung erfolgt auf Wunsch des Fahrgasts in Form eines Geldbetrags.

(8)
Der Entschädigungsbetrag darf nicht um Kosten der Finanztransaktion wie Gebühren, Telefonkosten oder Porti gekürzt werden. Die Eisenbahnunternehmen dürfen Mindestbeträge festlegen, unterhalb deren keine Entschädigungszahlungen vorgenommen werden. Dieser Mindestbetrag darf höchstens 4 EUR pro Fahrkarte betragen.

(9)
Fahrgäste haben keinen Anspruch auf Entschädigung, wenn sie bereits vor dem Fahrkartenkauf über eine Verspätung informiert wurden oder wenn bei ihrer Ankunft am Zielort eine Verspätung aufgrund der Fortsetzung der Reise mit einem anderen Verkehrsdienst oder mit geänderter Streckenführung weniger als 60 Minuten beträgt.

(10)
Eisenbahnunternehmen sind nicht zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet, wenn sie nachweisen können, dass Verspätungen, verpasste Anschlüsse oder Zugausfälle als direkte Folge von oder in untrennbarem Zusammenhang mit folgenden Umständen aufgetreten sind:

a)
außerhalb des Eisenbahnbetriebs liegende, außergewöhnliche Umstände wie extreme Witterungsbedingungen, große Naturkatastrophen oder schwere Krisen im Bereich der öffentlichen Gesundheit, die das Eisenbahnunternehmen trotz Anwendung der nach Lage des Falles gebotenen Sorgfalt nicht vermeiden und deren Folgen es nicht abwenden konnte,

b)
Verschulden des Fahrgasts oder

c)
Verhalten eines Dritten wie Betreten der Gleise, Kabeldiebstahl, Notfälle im Zug, Strafverfolgungsmaßnahmen, Sabotage oder Terrorismus, das das Eisenbahnunternehmen trotz Anwendung der nach Lage des Falles gebotenen Sorgfalt nicht vermeiden und dessen Folgen es nicht abwenden konnte.

Streiks des Personals des Eisenbahnunternehmens, Handlungen oder Unterlassungen eines anderen Unternehmens, das dieselbe Eisenbahninfrastruktur nutzt, und Handlungen oder Unterlassungen der Infrastrukturbetreiber und Bahnhofsbetreiber fallen nicht unter die Ausnahme nach Unterabsatz 1 Buchstabe c.


Artikel 20 Hilfeleistung


Artikel 20 wird in 7 Vorschriften zitiert

(1)
Bei einer Verspätung bei der Abfahrt oder der Ankunft oder einem Zugausfall sind die Fahrgäste durch das Eisenbahnunternehmen oder den Bahnhofsbetreiber über die Situation und die geschätzte Abfahrts- und Ankunftszeit des Verkehrsdienstes oder Ersatzverkehrsdienstes zu unterrichten, sobald diese Informationen zur Verfügung stehen. Wenn Fahrkartenverkäufer und Reiseveranstalter über solche Informationen verfügen, müssen auch sie dem Fahrgast diese Informationen bereitstellen.

(2)
Beläuft sich die Verspätung nach Absatz 1 auf 60 Minuten oder mehr oder im Falle eines Zugausfalls bietet das Eisenbahnunternehmen, das den verspäteten oder ausgefallenen Dienst durchführt, den Fahrgästen Folgendes kostenlos an:

a)
Mahlzeiten und Erfrischungen in angemessenem Verhältnis zur Wartezeit, sofern sie im Zug oder im Bahnhof verfügbar oder unter Berücksichtigung von Kriterien wie der Entfernung vom Lieferanten, der erforderlichen Lieferzeit und der Kosten vernünftigerweise lieferbar sind;

b)
die Unterbringung in einem Hotel oder einer anderweitigen Unterkunft und die Beförderung zwischen dem Bahnhof und der Unterkunft in Fällen, in denen ein Aufenthalt von einer oder mehreren Nächten notwendig wird oder ein zusätzlicher Aufenthalt notwendig wird, sofern dies praktisch durchführbar ist. In Fällen, in denen ein solcher Aufenthalt aufgrund der in Artikel 19 Absatz 10 genannten Umstände erforderlich wird, kann das Eisenbahnunternehmen die Dauer der Unterbringung auf höchstens drei Nächte begrenzen. Die Barrierefreiheitsanforderungen von Personen mit Behinderungen und Personen mit eingeschränkter Mobilität sowie die Bedürfnisse von Assistenzhunden sind nach Möglichkeit zu berücksichtigen;

c)
ist der Zug auf der Strecke blockiert, die Beförderung vom Zug zum Bahnhof, zu einem alternativen Abfahrtsort oder zum Zielort des Verkehrsdienstes, sofern dies praktisch durchführbar ist.

(3)
Ist der Verkehrsdienst unterbrochen und besteht überhaupt oder innerhalb einer vertretbaren Frist keine Möglichkeit zu seiner Fortsetzung, so bietet das Eisenbahnunternehmen so rasch wie möglich einen alternativen Verkehrsdienst für die Fahrgäste an und trifft die dazu notwendigen Vorkehrungen.

(4)
Die Eisenbahnunternehmen informieren die betroffenen Fahrgäste darüber, wie sie eine Bestätigung dafür beantragen, dass der Verkehrsdienst verspätet war, zum Verpassen eines Anschlusses geführt hat oder ausgefallen ist. Diese Bestätigung gilt auch in Verbindung mit den Bestimmungen des Artikels 19.

(5)
Bei der Anwendung der Absätze 1 bis 4 richten die Eisenbahnunternehmen besonderes Augenmerk auf die Bedürfnisse von Personen mit Behinderungen und Personen mit eingeschränkter Mobilität, sowie von etwaigen Begleitpersonen und Assistenzhunden.

(6)
Wenn gemäß Artikel 13a Absatz 3 der Richtlinie 2012/34/EU Notfallpläne aufgestellt werden, stimmen sich die Eisenbahnunternehmen mit dem Bahnhofsbetreiber und dem Infrastrukturbetreiber ab, um diese für den Fall größerer Störungen und großer Verspätungen, die dazu führen, dass eine beträchtliche Anzahl von Fahrgästen im Bahnhof festsitzt, vorzubereiten. In diesen Notfallplänen sind auch Anforderungen an den Zugang zu Warn- und Informationssystemen festgelegt.