§ 106 - Jugendgerichtsgesetz (JGG)

neugefasst durch B. v. 11.12.1974 BGBl. I S. 3427; zuletzt geändert durch Artikel 21 G. v. 25.06.2021 BGBl. I S. 2099
Geltung ab 01.01.1975; FNA: 451-1 Jugendgerichtsgesetz
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§ 106 Milderung des allgemeinen Strafrechts für Heranwachsende; Sicherungsverwahrung


§ 106 hat 6 frühere Fassungen und wird in 11 Vorschriften zitiert

(1) Ist wegen der Straftat eines Heranwachsenden das allgemeine Strafrecht anzuwenden, so kann das Gericht an Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe auf eine Freiheitsstrafe von zehn bis zu fünfzehn Jahren erkennen.

(2) Das Gericht kann anordnen, daß der Verlust der Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden und Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen (§ 45 Abs. 1 des Strafgesetzbuches), nicht eintritt.

(3) 1Sicherungsverwahrung darf neben der Strafe nicht angeordnet werden. 2Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
der Heranwachsende zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren verurteilt wird wegen eines oder mehrerer Verbrechen

a)
gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder

b)
nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,

durch welche das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, und

2.
auf Grund der Gesamtwürdigung des Heranwachsenden und seiner Tat oder seiner Taten mit hinreichender Sicherheit feststellbar oder zumindest wahrscheinlich ist, dass bei ihm ein Hang zu Straftaten der in Nummer 1 bezeichneten Art vorliegt und er infolgedessen zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.

(4) Unter den übrigen Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 2 kann das Gericht einen solchen Vorbehalt auch aussprechen, wenn

1.
die Verurteilung wegen eines oder mehrerer Vergehen nach den §§ 176a und 176b des Strafgesetzbuches erfolgt,

2.
die übrigen Voraussetzungen des § 66 Absatz 3 des Strafgesetzbuches erfüllt sind, soweit dieser nicht auf § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Strafgesetzbuches verweist, und

3.
es sich auch bei den maßgeblichen früheren und künftig zu erwartenden Taten um solche der in Nummer 1 oder Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 genannten Art handelt, durch welche das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist oder würde.

(5) 1Wird neben der Strafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an, dass bereits die Strafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu vollziehen ist, es sei denn, dass die Resozialisierung des Täters dadurch nicht besser gefördert werden kann. 2Diese Anordnung kann auch nachträglich erfolgen. 3Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen Einrichtung noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, ist darüber jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. 4Für die nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die Strafvollstreckungskammer zuständig. 5§ 66c Absatz 2 und § 67a Absatz 2 bis 4 des Strafgesetzbuches bleiben unberührt.

(6) Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm Straftaten der in Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 oder Absatz 4 bezeichneten Art zu erwarten sind; § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.

(7) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und

2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 bezeichneten Art begehen wird.


Text in der Fassung des Artikels 6 Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder G. v. 16. Juni 2021 BGBl. I S. 1810 m.W.v. 1. Juli 2021

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Frühere Fassungen von § 106 JGG

Die nachfolgende Aufstellung zeigt alle Änderungen dieser Vorschrift. Über die Links aktuell und vorher können Sie jeweils alte Fassung (a.F.) und neue Fassung (n.F.) vergleichen. Beim Änderungsgesetz finden Sie dessen Volltext sowie die Begründung des Gesetzgebers.

vergleichen mitmWv (verkündet)neue Fassung durch
aktuell vorher 01.07.2021Artikel 6 Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder
vom 16.06.2021 BGBl. I S. 1810
aktuell vorher 01.06.2013Artikel 2 Gesetz zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung
vom 05.12.2012 BGBl. I S. 2425
aktuell vorher 04.05.2011 (08.06.2011)Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - 2 BvR 2365/09, 2 BvR 740/10, 2 BvR 2333/08, 2 BvR 1152/10, 2 BvR 571/10 - (zu den §§ 66, 66a, 66b und § 67d in Verbindung mit § 2 des Strafgesetzbuchs sowie den §§ 7und 106 des Jugendgerichtsgesetzes)
vom 30.05.2011 BGBl. I S. 1003
aktuell vorher 01.01.2011Artikel 3 Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen
vom 22.12.2010 BGBl. I S. 2300
aktuell vorher 12.07.2008Artikel 1 Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht
vom 08.07.2008 BGBl. I S. 1212
aktuell vorher 18.04.2007Artikel 3 Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung
vom 13.04.2007 BGBl. I S. 513
aktuellvor 18.04.2007früheste archivierte Fassung

Bitte beachten Sie, dass rückwirkende Änderungen - soweit vorhanden - nach dem Verkündungsdatum des Änderungstitels (Datum in Klammern) und nicht nach dem Datum des Inkrafttretens in diese Liste einsortiert sind.



 
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Zitierungen von § 106 JGG

Sie sehen die Vorschriften, die auf § 106 JGG verweisen. Die Liste ist unterteilt nach Zitaten in JGG selbst, Ermächtigungsgrundlagen, anderen geltenden Titeln, Änderungsvorschriften und in aufgehobenen Titeln.
 
interne Verweise

§ 108 JGG Zuständigkeit (vom 01.06.2013)
... Krankenhaus, allein oder neben einer Strafe, oder in der Sicherungsverwahrung (§ 106 Absatz 3, 4, 7) zu erwarten, so ist die Jugendkammer zuständig. Der Beschluss einer ...
 
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Zitat in folgenden Normen

Soldatengesetz (SG)
neugefasst durch B. v. 30.05.2005 BGBl. I S. 1482; zuletzt geändert durch Artikel 3 G. v. 22.01.2024 BGBl. 2024 I Nr. 17
§ 38 SG Hindernisse der Berufung (vom 23.12.2023)
... 66b des Strafgesetzbuches oder der Sicherungsverwahrung nach Bestimmungen des § 7 oder des § 106 des Jugendgerichtsgesetzes unterworfen ist, solange die Maßregel nicht erledigt ist. (2) Das ...
 
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Zitate in Änderungsvorschriften

Bundeswehr-Attraktivitätssteigerungsgesetz (BwAttraktStG)
G. v. 13.05.2015 BGBl. I S. 706, 2018 I 532
Artikel 5 BwAttraktStG Änderung des Soldatengesetzes
... des Strafgesetzbuches oder der Sicherungsverwahrung nach Bestimmungen des § 7 oder des § 106 des Jugendgerichtsgesetzes" ersetzt. 10. In § 40 Absatz 3 werden die ...

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - 2 BvR 2365/09, 2 BvR 740/10, 2 BvR 2333/08, 2 BvR 1152/10, 2 BvR 571/10 - (zu den §§ 66, 66a, 66b und § 67d in Verbindung mit § 2 des Strafgesetzbuchs sowie den §§ 7und 106 des Jugendgerichtsgesetzes)
B. v. 30.05.2011 BGBl. I S. 1003
Entscheidung BVerfGE20110504
... nach Jugendstrafrecht vom 8. Juli 2008 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 1212), § 106 Absatz 3 Satz 2 und Satz 3, Absatz 5 und Absatz 6 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung des ... und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 2300), § 106 Absatz 3 Satz 2 und Satz 3 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur ... anderer Vorschriften vom 27. Dezember 2003 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 3007), § 106 Absatz 5 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Reform der ... Sicherungsverwahrung vom 13. April 2007 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 513) und § 106 Absatz 6 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Einführung der ...

Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder
G. v. 16.06.2021 BGBl. I S. 1810
Artikel 6 StGBuaÄndG 2021 Änderung des Jugendgerichtsgesetzes
... des Jugendrichters nicht wahrnehmen." 2. In § 106 Absatz 4 Nummer 1 wird die Angabe „§ 176" durch die Wörter „den §§ 176a und ...

Gesetz zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung
G. v. 05.12.2012 BGBl. I S. 2425
Artikel 2 StGBuaÄndG Änderung des Jugendgerichtsgesetzes
... „die Überprüfung von Vollzugsmaßnahmen" ersetzt. 5. § 106 wird wie folgt geändert: a) Absatz 3 wird durch die folgenden Absätze 3 und ...

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Artikel 1 JuSiVerwEG Änderung des Jugendgerichtsgesetzes
... wenn der Betroffene das einundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat." 4. Dem § 106 wird folgender Absatz 7 angefügt: „(7) Für das Verfahren und die ...
Artikel 2 JuSiVerwEG Änderung der Strafprozessordnung
... 1 werden nach dem Wort „Strafgesetzbuches" das Komma und die Wörter „§ 106 Abs. 3, 5 und 6 des Jugendgerichtsgesetzes" gestrichen. b) In Satz 3 werden die ... gestrichen. b) In Satz 3 werden die Wörter „oder nach § 106 Abs. 5 des Jugendgerichtsgesetzes" gestrichen. 2. Absatz 5 wird wie folgt ... wird wie folgt geändert: a) In Satz 2 werden die Wörter „und des § 106 Abs. 6 des Jugendgerichtsgesetzes" gestrichen. b) In Satz 3 werden die ... gestrichen. b) In Satz 3 werden die Wörter „und des § 106 Abs. 3 des Jugendgerichtsgesetzes" gestrichen.  ...
Artikel 3 JuSiVerwEG Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes
... wie folgt geändert: a) In Absatz 1 werden die Wörter „und des § 106 Abs. 5 oder Abs. 6 des Jugendgerichtsgesetzes" gestrichen. b) In Absatz 3 werden ... gestrichen. b) In Absatz 3 werden die Wörter „und des § 106 Abs. 5 und 6 des Jugendgerichtsgesetzes" gestrichen. 2. § 120a wird wie folgt ... wie folgt geändert: a) In Absatz 1 werden die Wörter „und des § 106 Abs. 5 oder Abs. 6 des Jugendgerichtsgesetzes" gestrichen. b) In Absatz 2 werden ... gestrichen. b) In Absatz 2 werden die Wörter „und des § 106 Abs. 5 und 6 des Jugendgerichtsgesetzes" gestrichen.  ...

Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen
G. v. 22.12.2010 BGBl. I S. 2300
Artikel 3 SiVerwNOG Folgeänderungen zu den Artikeln 1 und 2
... und Entscheidung bei Anordnung der Sicherungsverwahrung (§ 81a)." 4. § 106 wird wie folgt geändert: a) In Absatz 3 Satz 3 wird die Angabe „§ 66a ...

Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung
G. v. 13.04.2007 BGBl. I S. 513
Artikel 3 FührAufsRuaÄndG Änderung des Jugendgerichtsgesetzes
... § 106 Abs. 5 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Dezember 1974 (BGBl. I ...


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