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Kapitel 2 - Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV)

V. v. 18.04.2017 BGBl. I S. 905 (Nr. 22); zuletzt geändert durch Artikel 256 V. v. 19.06.2020 BGBl. I S. 1328
Geltung ab 01.08.2017, abweichend siehe § 73; FNA: 753-13-6 Wasserwirtschaft
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Kapitel 2 Einstufung von Stoffen und Gemischen

Abschnitt 1 Grundsätze

§ 3 Grundsätze



(1) 1Nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Kapitels werden Stoffe und Gemische, mit denen in Anlagen umgegangen wird, entsprechend ihrer Gefährlichkeit als nicht wassergefährdend oder in eine der folgenden Wassergefährdungsklassen eingestuft:

Wassergefährdungsklasse 1: schwach wassergefährdend,

Wassergefährdungsklasse 2: deutlich wassergefährdend,

Wassergefährdungsklasse 3: stark wassergefährdend.

2Die Absätze 2 bis 4 bleiben unberührt.

(2) 1Folgende Stoffe und Gemische gelten als allgemein wassergefährdend und werden nicht in Wassergefährdungsklassen eingestuft:

1.
Wirtschaftsdünger, insbesondere Gülle oder Festmist, im Sinne des § 2 Satz 1 Nummer 2 bis 4 des Düngegesetzes,

2.
Jauche im Sinne des § 2 Satz 1 Nummer 5 des Düngegesetzes,

3.
tierische Ausscheidungen nicht landwirtschaftlicher Herkunft, auch in Mischung mit Einstreu oder in verarbeiteter Form,

4.
Silagesickersaft,

5.
Silage oder Siliergut, bei denen Silagesickersaft anfallen kann,

6.
Gärsubstrate landwirtschaftlicher Herkunft zur Gewinnung von Biogas sowie die bei der Vergärung anfallenden flüssigen und festen Gärreste,

7.
aufschwimmende flüssige Stoffe, die nach Anlage 1 Nummer 3.2 vom Umweltbundesamt im Bundesanzeiger veröffentlicht worden sind, und Gemische, die nur aus derartigen Stoffen bestehen, sowie

8.
feste Gemische, vorbehaltlich einer abweichenden Einstufung gemäß § 10.

2Abweichend von Satz 1 Nummer 8 ist ein festes Gemisch nicht wassergefährdend, wenn das Gemisch oder die darin enthaltenen Stoffe vom Umweltbundesamt nach § 6 Absatz 4 oder § 66 als nicht wassergefährdend im Bundesanzeiger veröffentlicht wurden. 3Als nicht wassergefährdend gelten auch feste Gemische, bei denen insbesondere auf Grund ihrer Herkunft oder ihrer Zusammensetzung eine nachteilige Veränderung der Gewässereigenschaften nicht zu besorgen ist.

(3) Als nicht wassergefährdend gelten:

1.
Stoffe und Gemische, die dazu bestimmt sind oder von denen erwartet werden kann, dass sie als Lebensmittel aufgenommen werden, und

2.
Stoffe und Gemische, die zur Tierfütterung bestimmt sind, mit Ausnahme von Siliergut und Silage, soweit bei diesen Silagesickersaft anfallen kann.

(4) 1Solange Stoffe und Gemische nicht nach Maßgabe dieses Kapitels oder nach § 66 eingestuft sind, gelten sie als stark wassergefährdend. 2Dies gilt nicht für Stoffe und Gemische, die unter Absatz 2 oder Absatz 3 fallen.


Abschnitt 2 Einstufung von Stoffen und Dokumentation; Entscheidung über die Einstufung

§ 4 Selbsteinstufung von Stoffen; Ausnahmen; Dokumentation



(1) Beabsichtigt ein Betreiber, in einer Anlage mit einem Stoff umzugehen, hat er diesen nach Maßgabe der Kriterien von Anlage 1 als nicht wassergefährdend oder in eine Wassergefährdungsklasse nach § 3 Absatz 1 einzustufen.

(2) Die Verpflichtung zur Selbsteinstufung nach Absatz 1 gilt nicht für

1.
Stoffe nach § 3 Absatz 2 und 3,

2.
Stoffe, deren Einstufung bereits nach § 6 Absatz 4 oder § 66 im Bundesanzeiger veröffentlicht worden ist,

3.
Stoffe, die zu einer Stoffgruppe gehören, deren Einstufung bereits nach § 6 Absatz 4 oder § 66 im Bundesanzeiger veröffentlicht worden ist,

4.
Stoffe, die der Betreiber unabhängig von ihren Eigenschaften als stark wassergefährdend betrachtet, sowie

5.
Stoffe, die während der Durchführung einer Beförderung in Behältern oder Verpackungen umgeschlagen werden.

(3) Der Betreiber hat die Selbsteinstufung eines Stoffes nach Maßgabe von Anlage 2 Nummer 1 zu dokumentieren und diese Dokumentation dem Umweltbundesamt vorzulegen.

(4) 1Ist der Betreiber der Auffassung, dass die Einstufung eines Stoffes nach Maßgabe der Anlage 1 die Wassergefährdung unzureichend abbildet, kann er dem Umweltbundesamt eine abweichende Einstufung vorschlagen. 2Dem Vorschlag sind zusätzlich zu der Dokumentation nach Absatz 3 alle für die Beurteilung der abweichenden Einstufung erforderlichen Unterlagen beizufügen.


§ 5 Kontrolle und Überprüfung der Dokumentation; Stoffgruppen



(1) 1Das Umweltbundesamt kontrolliert die Dokumentationen zur Selbsteinstufung von Stoffen auf ihre Vollständigkeit und Plausibilität. 2Das Umweltbundesamt kann den Betreiber verpflichten, fehlende oder nicht plausible Angaben zu ergänzen oder zu berichtigen.

(2) 1Darüber hinaus überprüft das Umweltbundesamt stichprobenartig die Qualität der Dokumentation der Selbsteinstufungen von Stoffen. 2Hierbei wird die ausgewählte Dokumentation anhand von Prüfberichten, Literatur und anderen geeigneten Unterlagen überprüft. 3Zum Zweck der Überprüfung kann das Umweltbundesamt den Betreiber verpflichten, die nach § 4 Absatz 3 und 4 dokumentierten Angaben anhand vorhandener und ihm zugänglicher Unterlagen zu belegen.

(3) Das Umweltbundesamt kann Stoffe zu Stoffgruppen zusammenfassen und die Stoffgruppen einstufen.


§ 6 Entscheidung über die Einstufung; Veröffentlichung im Bundesanzeiger



(1) 1Das Umweltbundesamt entscheidet auf Grund der Ergebnisse der Kontrollen und Überprüfungen nach § 5 Absatz 1 und 2 über die Einstufung von Stoffen und Stoffgruppen. 2Bei der Entscheidung kann auch Folgendes berücksichtigt werden:

1.
vorliegende eigene Erkenntnisse oder Bewertungen, insbesondere zur Toxizität, zur Mobilität eines Stoffes im Boden, zur Grundwassergängigkeit oder zur Anreicherung im Sediment sowie

2.
vorliegende Stellungnahmen der Kommission zur Bewertung wassergefährdender Stoffe nach § 12 Absatz 1.

(2) Das Umweltbundesamt kann nach Maßgabe von Absatz 1 Satz 2 auch unabhängig von einer Selbsteinstufung des Betreibers eine Entscheidung zur Einstufung von Stoffen und Stoffgruppen treffen.

(3) Das Umweltbundesamt gibt die Entscheidung nach Absatz 1 Satz 1 dem Betreiber in schriftlicher Form bekannt; Absatz 4 bleibt hiervon unberührt.

(4) 1Das Umweltbundesamt gibt die Entscheidungen nach Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 im Bundesanzeiger öffentlich bekannt. 2Es stellt zudem im Internet eine Suchfunktion bereit, mit der die bestehenden Einstufungen wassergefährdender Stoffe und Stoffgruppen ermittelt werden können.


§ 7 Änderung bestehender Einstufungen; Mitteilungspflicht



(1) 1Liegen dem Umweltbundesamt Erkenntnisse vor, die die Änderung einer Einstufung nach § 6 Absatz 1 oder Absatz 2 notwendig machen können, nimmt es eine Neubewertung und erforderlichenfalls eine Änderung der Einstufung vor. 2§ 6 Absatz 3 und 4 gilt entsprechend.

(2) Liegen dem Betreiber Erkenntnisse vor, die zu einer Änderung der veröffentlichten Einstufung eines Stoffes oder einer Stoffgruppe führen können, muss er diese Erkenntnisse unverzüglich schriftlich dem Umweltbundesamt mitteilen.


Abschnitt 3 Einstufung von Gemischen und Dokumentation; Überprüfung der Einstufung

§ 8 Selbsteinstufung von flüssigen oder gasförmigen Gemischen; Dokumentation



(1) Beabsichtigt ein Betreiber, in einer Anlage mit einem flüssigen oder gasförmigen Gemisch umzugehen, hat er dieses nach Maßgabe der Kriterien von Anlage 1 als nicht wassergefährdend oder in eine Wassergefährdungsklasse nach § 3 Absatz 1 einzustufen.

(2) Die Verpflichtung zur Selbsteinstufung nach Absatz 1 gilt nicht für

1.
Gemische nach § 3 Absatz 2 und 3,

2.
Gemische, deren Einstufung nach § 66 im Bundesanzeiger veröffentlicht worden ist,

3.
Gemische, für die bereits eine Dokumentation nach Absatz 3 erstellt worden ist,

4.
Gemische, die der Betreiber unabhängig von ihren Eigenschaften als stark wassergefährdend betrachtet,

5.
Gemische, die im intermodalen Verkehr umgeschlagen werden, sowie

6.
Gemische, die vom Umweltbundesamt nach § 11 eingestuft sind und deren Einstufung im Bundesanzeiger veröffentlicht worden ist.

(3) 1Der Betreiber hat die Selbsteinstufung eines Gemisches nach Absatz 1 nach Maßgabe von Anlage 2 Nummer 2 zu dokumentieren und diese Dokumentation der zuständigen Behörde im Rahmen der Zulassung der Anlage sowie auf Verlangen der Behörde im Rahmen der Überwachung der Anlage vorzulegen. 2Der Betreiber hat die Dokumentation und die Selbsteinstufung des Gemisches auf dem aktuellen Stand zu halten.

(4) 1Sofern die Dokumentation Betriebsgeheimnisse zur Rezeptur eines Gemisches enthält, kann der Betreiber die Vorlage der Dokumentation nach Absatz 3 verweigern. 2In diesem Fall hat er der zuständigen Behörde mitzuteilen, wie groß jeweils der Anteil aller Stoffe der jeweiligen Wassergefährdungsklassen ist. 3Die zuständige Behörde dokumentiert die Nachvollziehbarkeit der Einstufung.


§ 9 Überprüfung der Selbsteinstufung von flüssigen oder gasförmigen Gemischen; Änderung der Selbsteinstufung



(1) 1Die zuständige Behörde kann die Dokumentation nach § 8 Absatz 3 überprüfen. 2Die zuständige Behörde kann den Betreiber verpflichten, fehlende oder nicht plausible Angaben zu ergänzen oder zu berichtigen. 3Sie kann die Gemische abweichend von der Selbsteinstufung nach § 8 Absatz 1 einstufen. 4Die Entscheidung nach Satz 3 ist dem Betreiber schriftlich bekannt zu geben.

(2) Das Umweltbundesamt berät die zuständige Behörde auf deren Ersuchen in Fragen, die die Einstufung von flüssigen oder gasförmigen Gemischen betreffen.


§ 10 Einstufung fester Gemische



(1) Der Betreiber kann ein festes Gemisch abweichend von § 3 Absatz 2 Satz 1 Nummer 8 als nicht wassergefährdend einstufen, wenn

1.
das Gemisch nach Anlage 1 Nummer 2.2 als nicht wassergefährdend eingestuft werden kann,

2.
das Gemisch nach anderen Rechtsvorschriften selbst an hydrogeologisch ungünstigen Standorten und ohne technische Sicherungsmaßnahmen offen eingebaut werden darf oder

3.
das Gemisch der Einbauklasse Z 0 oder Z 1.1 der Mitteilung 20 der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) „Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Reststoffen/Abfällen - Technische Regeln", Erich Schmidt-Verlag, Berlin, 2004, die bei der Deutschen Nationalbibliothek archivmäßig gesichert niedergelegt ist und in der Bibliothek des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit eingesehen werden kann, entspricht.

(2) Der Betreiber kann ein festes Gemisch abweichend von § 3 Absatz 2 Satz 1 Nummer 8 nach Maßgabe von Anlage 1 Nummer 5 in eine Wassergefährdungsklasse einstufen.

(3) 1Der Betreiber hat die Selbsteinstufung eines festen Gemisches als nicht wassergefährdend oder in eine Wassergefährdungsklasse nach Maßgabe von Anlage 2 Nummer 2 oder Nummer 3 zu dokumentieren und die Dokumentation der zuständigen Behörde im Rahmen der Zulassung der Anlage sowie auf Verlangen der Behörde im Rahmen der Überwachung der Anlage vorzulegen. 2Der Betreiber hat die Dokumentation und die Selbsteinstufung des Gemisches auf dem aktuellen Stand zu halten. 3Die zuständige Behörde kann die Dokumentation überprüfen. 4Sie kann den Betreiber verpflichten, fehlende oder nicht plausible Angaben zu ergänzen oder zu berichtigen.

(4) 1Die zuständige Behörde kann auf Grund der Überprüfung nach Absatz 3 Satz 3 der Selbsteinstufung nach Absatz 1 oder Absatz 2 widersprechen; im Fall des Absatzes 2 kann sie das Gemisch auch in eine abweichende Wassergefährdungsklasse einstufen. 2Sie kann sich dabei vom Umweltbundesamt beraten lassen. 3Die Entscheidung ist dem Betreiber schriftlich bekannt zu geben.




§ 11 Einstufung von Gemischen durch das Umweltbundesamt



1Das Umweltbundesamt kann Gemische nach Maßgabe von Anlage 1 als nicht wassergefährdend oder in eine Wassergefährdungsklasse einstufen. 2§ 6 Absatz 4 gilt entsprechend.


Abschnitt 4 Kommission zur Bewertung wassergefährdender Stoffe

§ 12 Kommission zur Bewertung wassergefährdender Stoffe



(1) 1Beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit wird als Beirat eine Kommission zur Bewertung wassergefährdender Stoffe eingerichtet. 2Sie berät das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit und das Umweltbundesamt in Fragen, die die Einstufung betreffen.

(2) 1In die Kommission zur Bewertung wassergefährdender Stoffe sind Vertreterinnen und Vertreter aus den betroffenen Bundes- und Landesbehörden, aus der Wissenschaft sowie von Betreibern von Anlagen zu berufen. 2Die Kommission soll nicht mehr als zwölf Mitglieder umfassen. 3Die Mitgliedschaft ist ehrenamtlich. 4Die Mitglieder der Kommission sind zur Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen verpflichtet, die ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit in der Kommission bekannt werden. 5Die Vertreterinnen und Vertreter von Betreibern in der Kommission sind darüber hinaus verpflichtet, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit in der Kommission bekannt werden, nicht für eigene Zwecke, insbesondere für Geschäftszwecke, zu nutzen.

(3) 1Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit beruft die Mitglieder der Kommission zur Bewertung wassergefährdender Stoffe. 2Die Kommission gibt sich eine Geschäftsordnung und wählt aus ihrer Mitte eine Vorsitzende oder einen Vorsitzenden. 3Die Geschäftsordnung bedarf der Zustimmung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit.