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Erster Abschnitt - Seelotsenaus- und -fortbildungsverordnung (SeeLAuFV)

Artikel 1 V. v. 25.02.2014 BGBl. I S. 234 (Nr. 10); aufgehoben durch Artikel 4 V. v. 21.02.2023 BGBl. 2023 I Nr. 49
Geltung ab 15.03.2014; FNA: 9515-20 Seelotswesen
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Erster Abschnitt Ausbildung

§ 1 Durchführung der Ausbildung



Die Ausbildung der Seelotsenanwärter obliegt der Lotsenbrüderschaft des Seelotsreviers, für das die Anwärter ausgewählt worden sind. Die Aufsichtsbehörde überwacht die Ausbildung.


§ 2 Ziel und Dauer der Ausbildung



(1) Die Ausbildung soll den Seelotsenanwärtern die theoretischen und praktischen Kenntnisse und Fertigkeiten vermitteln, die erforderlich sind, um Schiffsführungen als Seelotse sicher beraten zu können.

(2) Erforderlich sind die für eine sichere Lotsung notwendigen Kenntnisse über

1.
das Lotsrevier mit seinen Besonderheiten und Schwierigkeiten, unter Berücksichtigung der Sicherheit des Verkehrs, des maritimen Umweltschutzes und der Schiffssicherheit,

2.
die Handhabung des Lotsdienstes und die Durchführung der Lotsberatung in dem Revier,

3.
die Verwaltung der Bundeswasserstraßen und die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Schifffahrt,

4.
die verkehrlichen Grundregeln, die Maritime Verkehrssicherung, Maßnahmen bei Seeunfällen sowie weitere für das Lotswesen und die Schifffahrt geltende Bestimmungen und Bekanntmachungen,

5.
die Nutzung technischer Hilfsmittel für Navigation und Nachrichtenübermittlung und

6.
die nächstgelegenen Reviere und Seegebiete.

(3) Die Dauer der Ausbildung beträgt acht Monate. Unterbrechungen durch Krankheit von insgesamt zwölf Tagen Dauer können auf die Ausbildungszeit angerechnet werden, wenn der Ältermann gegenüber der Aufsichtsbehörde schriftlich bestätigt, dass dadurch die Erreichung des Ausbildungszieles nicht gefährdet wird.


§ 3 Theoretische Ausbildung



(1) Für die theoretische Ausbildung sind wöchentlich mindestens drei Stunden vorzusehen.

(2) Der Ältermann der Lotsenbrüderschaft kann mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde unter Berücksichtigung der örtlichen Besonderheiten und der jeweiligen Vorkenntnisse des Seelotsenanwärters im Einzelfall abweichende Regelungen zulassen.


§ 4 Praktische Ausbildung



(1) Die praktische Ausbildung umfasst:

1.
angeleitetes Mitfahren in dem Seelotsrevier sowie bei Distanzlotsungen,

2.
Mitfahrten im praktischen Dienst auf Lotsenversetz- und Zubringerfahrzeugen,

3.
Mitfahrten auf Schleppfahrzeugen,

4.
Simulationsübungen,

5.
Wachdienst in der Lotsenwache unter Aufsicht des Wachlotsen,

6.
Einsatz bei den Verkehrseinrichtungen des Reviers einschließlich der Radarberatung.

(2) Durch das angeleitete Mitfahren während der Lotsungen in dem Revier sind den Seelotsenanwärtern alle notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten zu vermitteln. Die praktische Ausbildung umfasst ferner die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch mit dem Brückenteam unter Normal- und Notfallbedingungen bei Berücksichtigung von Hindernissen psychologischer, sprachlicher, physiologischer und kultureller Art. Zum selbstständigen Lotsen oder zur Ausübung einer anderen selbstständigen Tätigkeit mit eigener Verantwortung dürfen die Seelotsenanwärter nicht herangezogen werden.

(3) Die Simulationsübungen müssen revierbezogene Manövrierkenntnisse und das Verhalten in Notfällen vermitteln. Dazu gehören

1.
das Verhalten von Schiffen in Flachwasser und beengten Revierverhältnissen,

2.
das Verhältnis Schiff zu Revier,

3.
die Interaktion mit anderen Schiffen im Revier,

4.
die räumliche Vorstellung,

5.
die sichere Geschwindigkeit im Revier,

6.
die Ausbildung am Radar und an integrierten Navigationssystemen sowie

7.
Übungen mit unterschiedlichen Antriebskonzepten.

Als Simulationsübungen gelten nur Schulungen an von der Aufsichtsbehörde anerkannten Schiffsführungs- und Radarsimulatoren.

(4) Der Ältermann der Lotsenbrüderschaft kann mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde unter Berücksichtigung der örtlichen Besonderheiten und der jeweiligen Vorkenntnisse des Seelotsenanwärters im Einzelfall abweichende Regelungen zulassen.


§ 5 Ausbildungsnachweise



(1) Die Seelotsenanwärter haben über den Verlauf der theoretischen und praktischen Ausbildung ein Ausbildungsbuch zu führen, aus dem der Ablauf und die Inhalte der Ausbildung ersichtlich sein müssen. Die Eintragungen der Seelotsenanwärter sind von den ausbildenden Stellen und Personen am Ende eines jeden Ausbildungsabschnittes durch Unterschrift zu bestätigen. Nach Beendigung der Ausbildung ist das Ausbildungsbuch bei der Lotsenbrüderschaft abzugeben.

(2) Über die jeweiligen Mitfahrten sind Einzelbewertungsnachweise nach Anlage 1 durch die anleitenden Seelotsen zu erstellen. Abschließend ist eine Gesamtbewertung nach Anlage 2 durch die Lotsenbrüderschaft zu erstellen. Grundlage der Gesamtbewertung sind die Einzelbewertungsnachweise und das Ausbildungsbuch.


§ 6 Verkürzung der Ausbildungszeit



Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur kann in besonderen Ausnahmefällen die Ausbildungszeit verkürzen. Ein solcher Ausnahmefall liegt insbesondere vor, wenn ein erfahrener Seelotse unter Verzicht auf die Rechte aus seiner Bestallung die Zulassung als Anwärter in einem anderen Revier beantragt.


§ 7 Prüfungsverfahren



(1) Nach Abschluss der Ausbildung meldet die Lotsenbrüderschaft den jeweiligen Seelotsenanwärter bei der Aufsichtsbehörde zur Prüfung an.

(2) Voraussetzungen für die Zulassung zur Prüfung sind:

1.
die Vorlage eines lückenlos geführten Ausbildungsbuches,

2.
eine mindestens mit „ausreichend" benotete Gesamtbewertung nach Anlage 2.

(3) Bei einer mit „mangelhaft" benoteten Gesamtbewertung kann die Lotsenbrüderschaft mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde die Ausbildungszeit einmalig um zwei Monate verlängern, um die Zulassung zur Prüfung nach Absatz 2 zu ermöglichen.

(4) Erfüllt der Seelotsenanwärter, auch unter Berücksichtigung einer Verlängerung der Ausbildungszeit nach Absatz 3, die Voraussetzungen für die Zulassung zur Prüfung nicht, ist das Ausbildungsverhältnis beendet.

(5) Die Aufsichtsbehörde setzt den Prüfungstermin fest, unterrichtet die Seelotsenanwärter darüber unter Hinweis auf ihre Rechte und Pflichten im Rahmen der Prüfung und beruft den Prüfungsausschuss ein. Der Prüfungsausschuss wird von einem Vertreter der Aufsichtsbehörde, der mindestens dem gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienst angehören und Erfahrungen im Fachgebiet Lotswesen aufweisen muss, geleitet. Dieser benennt als weitere Mitglieder des Prüfungsausschusses den Ältermann der jeweiligen Brüderschaft, einen Ausbilder des Lotsreviers - bei der Lotsenbrüderschaft Elbe zwei Ausbilder - sowie zwei revier- und sachkundige Vertreter der zuständigen Schifffahrtspolizeibehörde.

(6) Erscheint der Seelotsenanwärter nicht zum Prüfungstermin, setzt ihm der Prüfungsausschuss eine angemessene Frist für den Nachweis, dass er an der Teilnahme durch Krankheit oder einen anderen, von ihm nicht zu vertretenden, wichtigen Grund gehindert war. Der Nachweis ist gegenüber der Aufsichtsbehörde zu erbringen. Wird der verlangte Nachweis erbracht, ist ein erneuter Prüfungstermin festzusetzen. Anderenfalls stellt die Aufsichtsbehörde nach Ablauf der Frist das Nichtbestehen der Prüfung fest.


§ 8 Prüfungsinhalte



1Die Prüfung ist mündlich vor dem Prüfungsausschuss und erstreckt sich auf folgende Gebiete:

1.
Grenzen, Kurse, Distanzen, Seezeichen, Landmarken und Sprechfunkkanäle des Lotsreviers und der nächstgelegenen Lotsreviere sowie deren Ansteuerung,

2.
meteorologische, morphologische und hydrodynamische Verhältnisse des Reviers,

3.
Liegestellen und Reeden sowie Hafenliegeplätze,

4.
Notliegeplätze,

5.
Vessel Traffic Service (VTS) und Konzepte zur Verkehrssicherheit an Nord- und Ostsee,

6.
verkehrsrechtliche und schifffahrtspolizeiliche Bestimmungen auf dem Revier unter besonderer Berücksichtigung der von Schiffen ausgehenden möglichen Gefährdungen für die Meeresumwelt und die Schiffssicherheit,

7.
Handhabung und Auswertung technisch-nautischer Hilfsmittel im Revier,

8.
Schiffsmanöver mit allen im Revier verkehrenden Typen von Schiffen bei allen Witterungs- und Strömungsverhältnissen unter Beachtung der sicheren revierspezifischen Geschwindigkeit, auch mit Schlepperassistenz und in Notfallsituationen,

9.
Organisation und Rechtsgrundlagen des Seelotswesens,

10.
Aufbau, Organisation und Aufgaben der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes sowie weiterer relevanter Behörden.

2Die Prüfung erfolgt entweder einzeln oder bei mehreren Prüflingen als Gruppenprüfung mit höchstens sechs Prüflingen. 3Die Prüfungsdauer soll für jeden Prüfling mindestens vierzig Minuten betragen.




§ 9 Prüfungsentscheidung



(1) Die Prüfung ist bestanden, wenn der Prüfungsausschuss feststellt, dass der Seelotsenanwärter nach dem Gesamteindruck der Prüfung die Gewähr dafür bietet, die einem Lotsen übertragenen Aufgaben sicher wahrzunehmen. Die Entscheidung des Prüfungsausschusses erfolgt in nicht öffentlicher Beratung mit Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Leiters des Prüfungsausschusses. Die Bekanntgabe der Prüfungsentscheidung erfolgt für jeden Prüfling einzeln und ist auf Verlangen zu begründen. Im Falle des Nichtbestehens sind dem Prüfling die Gründe der Prüfungsentscheidung mitzuteilen und die Rechtsbehelfsbelehrung zu eröffnen.

(2) Über jede Prüfung ist eine Niederschrift zu erstellen, die von allen Prüfern auf Richtigkeit zu überprüfen und zu unterzeichnen ist. Die Niederschrift muss den wesentlichen Prüfungsablauf, die Prüfungsthemen und eine Feststellung, ob eine Begründung der Prüfungsentscheidung erfolgt ist, erkennen lassen.

(3) Das Gesamtergebnis der Prüfung ist nur mit „Bestanden" oder „Nicht bestanden" zu bewerten.


§ 10 Wiederholung der Prüfung



Besteht ein Seelotsenanwärter die Prüfung nicht, so hat der Prüfungsausschuss darüber zu beschließen, welcher Teil der theoretischen Ausbildung nachzuholen und wann die Prüfung zu wiederholen ist. Die Ausbildung kann um bis zu zwei weitere Monate verlängert werden. Die Prüfung kann einmal wiederholt werden. Eine weitere Wiederholung der Prüfung und eine weitere Zulassung als Seelotsenanwärter für ein anderes Seelotsrevier sind nur in besonderen Ausnahmefällen mit Genehmigung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur zulässig. Besteht der Seelotsenanwärter die Wiederholungsprüfung nicht, ist das Ausbildungsverhältnis beendet.


§ 11 Prüfungszeugnis



Jedem Seelotsenanwärter, der die Prüfung bestanden hat, ist ein von dem Leiter des Prüfungsausschusses ausgefertigtes Prüfungszeugnis nach dem Muster der Anlage 3 auszuhändigen.