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Kapitel 1 - Krankenversicherungsaufsichtsverordnung (KVAV)

V. v. 18.04.2016 BGBl. I S. 780 (Nr. 18); zuletzt geändert durch Artikel 6 Abs. 9 G. v. 19.12.2018 BGBl. I S. 2672
Geltung ab 22.04.2016; FNA: 7631-11-8 Versicherungsaufsichtsrecht
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Kapitel 1 Methoden zur Berechnung der Prämien und Rückstellungen

§ 1 Versicherungsmathematische Methoden in der Krankenversicherung



Versicherungsmathematische Methoden zur Berechnung der Prämien und Rückstellungen in der nach Art der Lebensversicherung betriebenen Krankenversicherung sind die nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik unter Verwendung der in den §§ 2 und 4 bis 8 näher bezeichneten Rechnungsgrundlagen erfolgenden Berechnungen der Prämien und der Alterungsrückstellungen nach Maßgabe der §§ 3, 10, 11, 13, 14 und 18.


§ 2 Rechnungsgrundlagen



(1) Rechnungsgrundlagen sind:

1.
der Rechnungszins,

2.
die Ausscheideordnung,

3.
die Kopfschäden,

4.
der Sicherheitszuschlag,

5.
die sonstigen Zuschläge und

6.
die Übertrittswahrscheinlichkeiten zur Berechnung des Übertragungswertes nach § 14.

(2) Weitere Rechnungsgrundlagen sind die Krankheitsdauern und die Leistungstage, die Anzahl der Krankenhaus- und der Pflegetage, die Krankenhaus-, die Pflegehäufigkeiten, die Krankheits- und die Pflegekosten bezogen auf den Leistungstag sowie andere geeignete Rechnungsgrundlagen, die zur Festlegung der Kopfschäden oder Ausscheidewahrscheinlichkeiten erforderlich sind.

(3) Die Rechnungsgrundlagen sind mit ausreichenden Sicherheiten zu versehen.


§ 3 Gleiche Rechnungsgrundlagen



Für die Berechnung der Prämie und der Alterungsrückstellung sind die gleichen Rechnungsgrundlagen zu verwenden.


§ 4 Rechnungszins



Der Rechnungszins für die Prämienberechnung und die Berechnung der Alterungsrückstellung darf 3,5 Prozent nicht übersteigen.


§ 5 Ausscheideordnung



(1) Die Ausscheideordnung enthält die Annahmen zur Sterbewahrscheinlichkeit und zu sonstigen Abgangswahrscheinlichkeiten, die unter dem Gesichtspunkt vorsichtiger Risikoeinschätzung festzulegen und regelmäßig zu überprüfen sind.

(2) In der privaten Pflege-Pflichtversicherung und bei Gewährung von Versicherung im Basistarif nach § 152 des Versicherungsaufsichtsgesetzes dürfen außer den Sterbewahrscheinlichkeiten sowie den Wahrscheinlichkeiten des Abgangs zur sozialen Pflegeversicherung und gesetzlichen Krankenversicherung keine weiteren Abgangswahrscheinlichkeiten berücksichtigt werden.


§ 6 Kopfschäden



(1) 1Kopfschäden sind die im Beobachtungszeitraum auf einen Versicherten entfallenden durchschnittlichen Versicherungsleistungen; sie sind für jeden Tarif in Abhängigkeit vom Alter des Versicherten zu ermitteln. 2Der Beobachtungszeitraum erstreckt sich auf zusammenhängende zwölf Monate; er ist für jeden Tarif gesondert festzulegen und kann nur aus wichtigem Grund im unmittelbaren Anschluss an eine Prämienanpassung geändert werden.

(2) 1Werden bei Neueinführung eines Tarifs andere als die von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bundesanstalt) veröffentlichten Wahrscheinlichkeitstafeln verwendet, so sind die ihnen zugrundeliegenden Annahmen durch geeignete Statistiken zu belegen. 2Weichen die tariflichen Leistungen von denen ab, die den von der Bundesanstalt veröffentlichten Tafeln zugrunde liegen, so sind die für den neuen Tarif vorgesehenen Kopfschäden entsprechend abzuändern.

(3) 1Bei der Ermittlung der rechnungsmäßigen Kopfschäden für einen bestehenden Tarif sind für die einzelnen Bestandsgruppen die tatsächlichen Schadenergebnisse früherer Jahre mit einzubeziehen und mathematisch-statistische Verfahren zum Ausgleich von Zufallsschwankungen zu verwenden. 2Ist wegen geringer Bestandsgröße der Ausgleich von Zufallsschwankungen auf diese Weise nicht zu erreichen, so sind Stütztarife zu verwenden. 3Liegen auch keine Stütztarife vor, so ist der Schadenbedarf nach mathematisch-statistischen Grundsätzen zu schätzen.

(4) 1Die Teilkopfschäden für Leistungen nach § 25 Satz 1 Nummer 2 sind für alle Alter gesondert zu ermitteln. 2Die entsprechenden rechnungsmäßigen Teilkopfschäden sind auf alle Alter gleichmäßig zu verteilen.




§ 7 Sicherheitszuschlag



In die Prämie ist ein Sicherheitszuschlag von mindestens 5 Prozent der Bruttoprämie einzurechnen, der nicht bereits in anderen Rechnungsgrundlagen enthalten sein darf.


§ 8 Grundsätze für die Bemessung der sonstigen Zuschläge



(1) Die sonstigen Zuschläge umfassen

1.
die unmittelbaren Abschlusskosten,

2.
die mittelbaren Abschlusskosten,

3.
die Schadenregulierungskosten,

4.
die sonstigen Verwaltungskosten,

5.
den Zuschlag für eine erfolgsunabhängige Beitragsrückerstattung,

6.
bei substitutiven Krankenversicherungen den Zuschlag zur Umlage der Begrenzung der Beitragshöhe im Basistarif gemäß § 154 des Versicherungsaufsichtsgesetzes,

7.
für den Basistarif zusätzlich den Zuschlag zur Umlage der Mehraufwendungen durch Vorerkrankungen und

8.
den Zuschlag für den Standardtarif.

(2) 1Für die Bemessung der sonstigen Zuschläge sind die tatsächlichen Aufwendungen jeweils gesondert zu erfassen. 2Die sonstigen Zuschläge sind so zu bemessen, dass sie die Aufwendungen rechnungsmäßig decken.

(3) 1Unmittelbare Abschlusskosten dürfen durch Zillmerung nur in einer solchen Höhe in die Prämien eingerechnet werden, dass die Gesamtalterungsrückstellung eines Zugangsjahres im Tarif höchstens vier Jahre und jede Einzelalterungsrückstellung nicht länger als fünfzehn Jahre und nicht länger als die Hälfte der tariflich vorgesehenen künftigen Vertragsdauer negativ ist. 2Ist außer in den Fällen des § 10 Absatz 4 vereinbart, dass sich die Prämie während der Vertragslaufzeit verändert, ohne dass dies durch Anpassungen der Prämie an eine Veränderung des tatsächlichen Schadenbedarfs oder Änderungen des Leistungsumfangs bedingt wäre, darf die Höhe der eingerechneten unmittelbaren Abschlusskosten nicht von der Höhe abweichen, die sich ohne diese Vereinbarung ergeben würde. 3Werden die unmittelbaren Abschlusskosten von Versicherungsverträgen teilweise durch einen laufenden Zuschlag gedeckt, darf dieser betragsmäßig während der Versicherungsdauer nur dann erhöht werden, wenn er nach Vollendung des 65. Lebensjahres entfällt.

(4) 1In die Prämien dürfen mit Ausnahme der Zillmerung und der Zuschläge gemäß Absatz 1 Nummer 6 und 8 nur altersunabhängige absolute Kostenzuschläge eingerechnet werden; die Einrechnung laufender Zuschläge für die unmittelbaren Abschlusskosten ist nach Maßgabe des Absatzes 3 Satz 3 zulässig. 2Soweit in Tarifen die altersmäßige Bestandsverteilung vom Gesamtbestand des Unternehmens erheblich abweicht, sind zur Ermittlung der Stückkostenzuschläge Modellbestände zu verwenden. 3Hierdurch entstehende Kostenunterdeckungen sind in den anderen, für den Neuzugang offenen Tarifen zu berücksichtigen. 4Zulässig ist auch ein Kostenzuschlagssystem, bei dem die prozentualen Kostenzuschläge bei Prämienanpassungen auf Dauer nur auf die Teilprämien bezogen werden, die der aktuellen Tarifprämie zum ursprünglichen Eintrittsalter entsprechen. 5Satz 1 gilt nicht für die Prämienberechnung für Kinder und Jugendliche, für Ausbildungs-, Krankenhaustagegeld-, Krankentagegeld-, Kurtagegeld- und Pflegetagegeldtarife.

(5) 1Soweit vereinbart, muss in die Prämien der Tarife, die zum Wechsel in den Standardtarif nach § 257 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch berechtigen, ein gesonderter Zuschlag zur Gewährleistung der Beitragsgarantie im Standardtarif und des unternehmensübergreifenden Ausgleichs eingerechnet werden. 2Dieser Zuschlag entfällt für die Versicherten, die das 65. Lebensjahr vollendet haben.


§ 9 Dokumentationspflichten



Alle rechnungsmäßigen Ansätze hat das Versicherungsunternehmen in überprüfbarer Weise zu belegen.


§ 10 Prämienberechnung



(1) 1Die Prämienberechnung hat nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik für jede versicherte Person altersabhängig getrennt für jeden Tarif mit einem dem Grunde und der Höhe nach einheitlichen Leistungsversprechen unter Verwendung der maßgeblichen Rechnungsgrundlagen und einer nach Einzelaltern erstellten Prämienstaffel zu erfolgen. 2Jede Beobachtungseinheit eines Tarifs hat das Versicherungsunternehmen getrennt zu kalkulieren. 3Es dürfen nur risikogerechte Prämien kalkuliert werden.

(2) Der Teil der Prämie, der zur Finanzierung des Übertragungswerts nach § 14 erforderlich ist, ist für den Vollversicherungsschutz jeder versicherten Person einheitlich zu kalkulieren.

(3) 1Abweichend von Absatz 1 dürfen Versicherte bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres in der Altersgruppe der Kinder, bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres in der Altersgruppe der Jugendlichen geführt werden. 2Dabei darf die Altersgruppe der Jugendlichen nicht mehr Alter umfassen als die der Kinder. 3In Ausbildungstarifen können Eintrittsaltersgruppen gebildet werden, die höchstens fünf Eintrittsalter umfassen.

(4) Planmäßig steigende Prämien dürfen für Versicherte kalkuliert werden, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sowie in Ausbildungstarifen bis zum vollendeten 39. Lebensjahr der Versicherten.

(5) Für die Prämienberechnung des Neuzugangs sind die Formeln des Abschnitts A der Anlage 1 oder andere geeignete Formeln, die den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik entsprechen, zu verwenden.


§ 11 Berechnung der Prämien bei Prämienanpassung



(1) 1Die Berechnung der Prämien bei Prämienanpassungen hat nach den für die Prämienberechnung geltenden Grundsätzen zu erfolgen. 2Dabei ist dem Versicherten der ihm kalkulatorisch zugerechnete Anteil der Alterungsrückstellung nach § 341f des Handelsgesetzbuchs vollständig prämienmindernd anzurechnen; dies gilt nicht für den Teil, der auf die Anwartschaft zur Prämienermäßigung nach § 150 Absatz 2 des Versicherungsaufsichtsgesetzes entfällt und der betragsmäßig anlässlich der Prämienanpassung unverändert bleibt, soweit er nicht prämienmindernd verwendet wird.

(2) 1Für die Prämienberechnung bei Prämienanpassungen sind die Formeln des Abschnitts B der Anlage 1 oder andere geeignete Formeln, die den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik entsprechen, zu verwenden. 2Eine dabei erforderliche Absenkung des Rechnungszinses um mehr als 0,4 Prozentpunkte kann stufenweise in Zeiträumen von 12 Monaten ab dem Zeitpunkt der Prämienanpassung erfolgen, wobei sich die Höchstzahl der Stufen aus der gleichmäßigen Verteilung der erforderlichen Absenkung auf Stufen von 0,3 Prozentpunkten ergibt. 3Weitere Möglichkeiten der Verwendung von Mitteln zur Begrenzung von Prämienerhöhungen bleiben unberührt. 4In die Prämien der Versicherten, die das 45. Lebensjahr vollendet haben, dürfen keine erneuten einmaligen Kosten eingerechnet werden.