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Abschnitt 1 - Finanzschlichtungsstellenverordnung (FinSV)

V. v. 05.09.2016 BGBl. I S. 2140 (Nr. 44); zuletzt geändert durch Artikel 27 G. v. 08.10.2023 BGBl. 2023 I Nr. 272
Geltung ab 01.02.2017, abweichend siehe § 27; FNA: 402-37-2 Nebengesetze zum Recht der Schuldverhältnisse
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Abschnitt 1 Behördliche Verbraucherschlichtungsstellen bei der Deutschen Bundesbank und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht

§ 1 Organisation der Verbraucherschlichtungsstellen



(1) Die Verbraucherschlichtungsstelle für die Streitigkeiten, die der Deutschen Bundesbank durch § 14 Absatz 1 Satz 2 des Unterlassungsklagengesetzes zur Schlichtung zugewiesen sind, ist am Sitz der Deutschen Bundesbank einzurichten.

(2) Die Verbraucherschlichtungsstelle für die Streitigkeiten, die der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht durch § 14 Absatz 1 Satz 2 des Unterlassungsklagengesetzes zur Schlichtung zugewiesen sind, ist am Sitz der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht einzurichten.

(3) 1Für die Verbraucherschlichtungsstelle sind von der Trägerin mindestens zwei Schlichter zu bestellen. 2Für jeden Schlichter ist ein anderer Schlichter als Vertreter zu bestellen. 3Zu Schlichtern kann die Trägerin nur eigene Bedienstete bestellen, die

1.
die letzten drei Jahre vor der Bestellung für die Trägerin tätig waren,

2.
die Befähigung zum Richteramt haben und

3.
nicht zugleich die Aufsicht über Unternehmen ausüben, die den Vorschriften des Kapitalanlagegesetzbuches oder des Kreditwesengesetzes unterliegen.

(4) Für die Verbraucherschlichtungsstelle ist eine Geschäftsstelle einzurichten.

(5) 1Die Schlichtungsverfahren sind von einem Schlichter durchzuführen, der dabei von der Geschäftsstelle unterstützt wird. 2Vor jedem Geschäftsjahr haben die Schlichter gemeinsam ihre Zuständigkeit für die Schlichtungsverfahren schriftlich festzulegen. 3Diese Geschäftsverteilung kann während des Geschäftsjahres nur aus wichtigem Grund geändert werden.

(6) 1Für die Verbraucherschlichtungsstelle muss eine Webseite und ein Zugang für die Übermittlung elektronischer Dokumente, insbesondere auch für elektronische Schlichtungsanträge, eingerichtet werden. 2Die Übermittlung der elektronischen Dokumente muss direkt über die Webseite oder über eine auf der Webseite angegebene E-Mail-Adresse möglich sein.


§ 2 Auswahl und Bestellung der Schlichter



1Die Schlichter werden von der Trägerin für die Dauer von drei Jahren bestellt. 2Eine Person kann wiederholt zum Schlichter bestellt werden. 3Die Trägerin teilt dem Bundesamt für Justiz und dem Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. vor der Bestellung einer Person zum Schlichter deren Namen, Qualifikation, beruflichen Werdegang und etwaige Vortätigkeiten als Schlichter mit. 4Wenn innerhalb von zwei Monaten schriftlich gegenüber der Trägerin keine Tatsachen vorgetragen werden, welche die Qualifikation oder Unparteilichkeit der Person in Frage stellen, kann diese zum Schlichter bestellt werden.


§ 3 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit sowie die Abberufung der Schlichter



(1) Die Schlichter müssen unabhängig sein und dürfen nicht an Weisungen gebunden werden.

(2) 1Die Schlichter müssen fair und unparteiisch schlichten. 2Ein Schlichter darf eine Streitigkeit nicht schlichten, wenn Gründe vorliegen, die Misstrauen gegen seine Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit rechtfertigen. 3Anstelle des Schlichters wird sein Vertreter tätig.

(3) 1Ein Schlichter kann von der Trägerin abberufen werden, wenn

1.
Tatsachen vorliegen, die eine faire, unabhängige oder unparteiische Schlichtertätigkeit nicht mehr erwarten lassen,

2.
der Schlichter nicht nur vorübergehend an der Wahrnehmung seiner Aufgaben gehindert ist oder

3.
ein vergleichbar wichtiger Grund vorliegt.

2Der Schlichter hat die Trägerin über das Vorliegen von Abberufungsgründen nach Satz 1 unverzüglich zu unterrichten.


§ 4 Verfahrenssprache



Schlichtungsverfahren werden in deutscher Sprache geführt.


§ 5 Vertraulichkeit des Schlichtungsverfahrens



Die Schlichter und die in der Geschäftsstelle tätigen Personen sind zur Verschwiegenheit über die Schlichtungsverfahren verpflichtet.


§ 6 Ablehnung der Durchführung des Schlichtungsverfahrens



(1) 1Der Schlichter lehnt die Durchführung des Schlichtungsverfahrens ab, wenn

1.
kein ausreichender Antrag gestellt wurde,

2.
die Verbraucherschlichtungsstelle für die Streitigkeit nicht zuständig ist und der Antrag nicht nach § 24 an die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle oder eine andere Streitbeilegungsstelle abzugeben ist,

3.
wegen derselben Streitigkeit bereits ein Schlichtungsverfahren bei einer Verbraucherschlichtungsstelle durchgeführt wurde oder anhängig ist,

4.
bei Streitigkeiten über den Anspruch auf Abschluss eines Basiskontovertrages nach dem Zahlungskontengesetz bereits ein Verwaltungsverfahren nach den §§ 48 bis 50 des Zahlungskontengesetzes zur Durchsetzung des Anspruchs anhängig ist oder in einem solchen Verfahren unanfechtbar über den Anspruch entschieden worden ist,

5.
wegen der Streitigkeit ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt worden ist, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot oder mutwillig erschien,

6.
die Streitigkeit bereits bei Gericht anhängig ist oder ein Gericht durch Sachurteil über die Streitigkeit entschieden hat,

7.
die Ansprüche oder Rechtsverhältnisse, die Gegenstand der Streitigkeit sind, zu einer Verbandsklage im Verbandsklageregister angemeldet wurden und die Klage noch rechtshängig ist,

8.
die Streitigkeit durch Vergleich oder in anderer Weise beigelegt wurde oder

9.
der Anspruch, der Gegenstand der Streitigkeit ist, verjährt ist und der Antragsgegner die Einrede der Verjährung erhoben hat.

2Stellt der Schlichter das Vorliegen eines Ablehnungsgrundes nach Satz 1 fest, ist die Durchführung des Schlichtungsverfahrens unverzüglich gegenüber den Beteiligten unter Hinweis auf den Ablehnungsgrund abzulehnen.

(2) 1Der Schlichter kann die Durchführung des Schlichtungsverfahrens ablehnen, wenn

1.
eine grundsätzliche Rechtsfrage, die für die Schlichtung der Streitigkeit erheblich ist, nicht geklärt ist oder

2.
Tatsachen, die für den Inhalt eines Schlichtungsvorschlages entscheidend sind, im Schlichtungsverfahren streitig bleiben, weil der Sachverhalt von der Schlichtungsstelle nicht geklärt werden kann.

2Die Ablehnung nach Satz 1 ist gegenüber den Beteiligten zu begründen.

(3) Eine Ablehnung nach Absatz 1 oder Absatz 2 ist nur bis drei Wochen nach dem Zeitpunkt möglich, zu dem dem Schlichter alle Informationen für das Schlichtungsverfahren vorlagen.




§ 7 Antrag auf Durchführung eines Schlichtungsverfahrens



(1) 1Die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens ist in Textform bei der Verbraucherschlichtungsstelle in deutscher Sprache zu beantragen. 2In dem Antrag ist die Streitigkeit, die geschlichtet werden soll, zu schildern und ein konkretes Begehren darzulegen. 3Dem Antrag sind gegebenenfalls weitere zum Verständnis der Streitigkeit erforderliche Unterlagen beizufügen. 4Der Antragsteller hat zu versichern, dass

1.
wegen derselben Streitigkeit ein Verfahren bei einer Verbraucherschlichtungsstelle weder durchgeführt wurde noch anhängig ist,

2.
bei Streitigkeiten über den Anspruch auf Abschluss eines Basiskontovertrages weder ein Verwaltungsverfahren nach den §§ 48 bis 50 des Zahlungskontengesetzes anhängig ist noch in einem solchen Verfahren unanfechtbar über den Anspruch entschieden worden ist,

3.
über die Streitigkeit von einem Gericht nicht durch Sachurteil entschieden wurde oder die Streitigkeit nicht bei einem Gericht anhängig ist,

4.
die Ansprüche oder Rechtsverhältnisse, die Gegenstand der Streitigkeit sind, nicht zu einer noch rechtshängigen Verbandsklage im Verbandsklageregister angemeldet sind,

5.
die Streitigkeit weder durch Vergleich noch in anderer Weise beigelegt wurde und

6.
wegen der Streitigkeit ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht abgelehnt worden ist, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot oder mutwillig erschien.

(2) 1Der Antragsteller kann seinen Antrag bis zur Beendigung des Verfahrens zurücknehmen. 2Mit der Rücknahme des Antrags endet das Schlichtungsverfahren.

(3) 1Die Beteiligten können sich in dem Verfahren vertreten lassen. 2Die Geschäftsstelle unterrichtet die Beteiligten zu Beginn des Verfahrens, dass sie sich in jeder Lage des Verfahrens von einem Rechtsanwalt oder anderen Personen, die zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen befugt sind, beraten oder vertreten lassen können.




§ 8 Behandlung des Antrags



(1) Ist die Verbraucherschlichtungsstelle für den Antrag nicht zuständig und ist der Antrag nicht nach § 24 abzugeben, lehnt der Schlichter die Durchführung des Schlichtungsverfahrens ab.

(2) 1Ist die Verbraucherschlichtungsstelle für den Antrag zuständig, bestätigt die Geschäftsstelle dem Antragsteller den Eingang seines Antrags. 2Entspricht ein Antrag nicht den Anforderungen des § 7 Absatz 1, weist die Geschäftsstelle den Antragsteller auf die Mängel seines Antrags hin und fordert ihn auf, diese innerhalb einer angemessenen Frist von mindestens zwei Wochen zu beseitigen. 3Der Antragsteller ist darüber zu unterrichten, dass die Durchführung des Schlichtungsverfahrens vom Schlichter abgelehnt werden muss, wenn innerhalb der Frist die Mängel des Antrags nicht beseitigt werden.

(3) 1Ist die Verbraucherschlichtungsstelle für den Antrag zuständig und entspricht er den Anforderungen des § 7 Absatz 1, leitet die Geschäftsstelle den Antrag dem Antragsgegner zu und fordert ihn zur Stellungnahme innerhalb eines Monats nach Zugang des Antrags auf. 2Die Geschäftsstelle leitet dem Antragsteller die Stellungnahme des Antragsgegners zu. 3Wenn der Antragsgegner nach seiner Stellungnahme nicht bereit ist, dem Begehren des Antragstellers zu entsprechen, dann stellt die Geschäftsstelle dem Antragsteller anheim, sich innerhalb eines Monats zur Stellungnahme des Antragsgegners zu äußern. 4Die Fristen nach den Sätzen 1 und 3 können auf Antrag um einen Monat verlängert werden. 5Nach Ablauf der Stellungnahmefrist des Antragstellers legt die Geschäftsstelle dem Schlichter den Antrag sowie die dazu eingegangenen Stellungnahmen und Unterlagen vor, es sei denn, der Antragsgegner hat dem Anliegen des Antragstellers entsprochen oder das Schlichtungsverfahren hat sich auf andere Weise erledigt.

(4) Wenn der Schlichter eine weitere Aufklärung des Sachverhalts für geboten hält, kann er die Beteiligten zu ergänzenden Stellungnahmen auffordern oder Auskünfte bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, der Deutschen Bundesbank oder bei einer für die außergerichtliche Beilegung vergleichbarer Streitigkeiten zuständigen Stelle in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum einholen.

(5) Eine Beweisaufnahme führt der Schlichter nur durch, wenn der Beweis durch die Vorlage von Urkunden angetreten werden kann.

(6) Benötigt der Schlichter keine weiteren Stellungnahmen, Unterlagen oder sonstigen Informationen mehr, ist den Beteiligten unverzüglich der Zeitpunkt mitzuteilen, zu welchem alle Informationen für das Schlichtungsverfahren vorlagen.


§ 9 Schlichtungsvorschlag



(1) 1Der Schlichter hat den Beteiligten spätestens 90 Tage nach dem Zeitpunkt, zu dem alle Informationen für das Schlichtungsverfahren vorlagen, einen Schlichtungsvorschlag in Textform zu übermitteln, es sei denn, diese Frist konnte verlängert werden. 2Der Schlichter kann die Frist nach Satz 1 ohne Zustimmung der Beteiligten nur für Streitigkeiten verlängern, die sehr umfangreich sind oder bei denen sich schwierige Rechtsfragen stellen. 3Die Beteiligten sind über die Fristverlängerung unverzüglich zu unterrichten.

(2) 1Der Schlichtungsvorschlag ist ein Vorschlag, wie die Streitigkeit von den Beteiligten nach geltendem Recht, insbesondere unter Beachtung von zwingenden Verbraucherschutzgesetzen und unter Berücksichtigung von Treu und Glauben, angemessen beigelegt werden kann. 2Er ist kurz und verständlich zu begründen. 3Der Schlichtungsvorschlag kann einen Vorschlag zur Übernahme von Auslagen enthalten, wenn dies zur angemessenen Beilegung des Streits der Beteiligten geboten erscheint.

(3) 1Der Schlichtungsvorschlag kann von den Beteiligten innerhalb von sechs Wochen nach Zugang durch eine Erklärung in Textform gegenüber der Verbraucherschlichtungsstelle angenommen werden. 2Die Beteiligten sind auf diese Frist sowie darauf hinzuweisen,

1.
welche Rechtsfolgen die Annahme des Schlichtungsvorschlags hat,

2.
dass ein Gericht die Streitigkeit anders entscheiden kann,

3.
dass sie zur Annahme des Schlichtungsvorschlags nicht verpflichtet sind und

4.
dass sie bei Nichtannahme des Schlichtungsvorschlags berechtigt sind, wegen der Streitigkeit auch die Gerichte anzurufen.

3Nach Ablauf der Frist nach Satz 1 teilt die Geschäftsstelle den Beteiligten das Ergebnis des Schlichtungsverfahrens unter Angabe der Beteiligten und des Verfahrensgegenstands in Textform mit. 4In der Mitteilung ist das Ergebnis des Schlichtungsverfahrens zu erläutern. 5Mit dieser Mitteilung ist das Verfahren bei der Verbraucherschlichtungsstelle beendet.




§ 10 Kosten des Verfahrens



(1) 1Das Verfahren vor der Verbraucherschlichtungsstelle ist für Verbraucher kostenfrei. 2Auslagen werden nicht erstattet.

(2) 1Die Verbraucherschlichtungsstelle erhebt von den am Verfahren beteiligten Unternehmen eine Gebühr von 200 Euro, es sei denn, die Verbraucherschlichtungsstelle lehnt den Antrag auf Durchführung eines Schlichtungsverfahrens nach § 6 ab oder gibt den Antrag nach § 24 Absatz 1 an eine andere Verbraucherschlichtungsstelle ab. 2Die Gebühr kann auf Antrag des Unternehmens erlassen oder gemindert werden, wenn die Erhebung der Gebühr ganz oder teilweise unangemessen wäre.


§ 10a Bescheinigung über einen erfolglosen Schlichtungsversuch



1Auf Antrag eines Beteiligten hat die Geschäftsstelle eine Bescheinigung über einen erfolglosen Schlichtungsversuch nach § 15a Absatz 1 Satz 2 des Gesetzes, betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung auszustellen, wenn ein Schlichtungsverfahren durchgeführt wurde, aber die Streitigkeit nicht beigelegt werden konnte. 2Die Bescheinigung hat folgende Angaben zu enthalten:

1.
die Namen und Anschriften der Beteiligten,

2.
eine kurze Darstellung des Gegenstands des Schlichtungsverfahrens und

3.
den Zeitpunkt der Beendigung des Schlichtungsverfahrens.