Bundesrecht - tagaktuell konsolidiert - alle Fassungen seit 2006
Vorschriftensuche
 

Zweiter Abschnitt - Abgabenordnung (AO)

neugefasst durch B. v. 01.10.2002 BGBl. I S. 3866, 2003 I S. 61; zuletzt geändert durch Artikel 14 G. v. 27.03.2024 BGBl. 2024 I Nr. 108
Geltung ab 01.01.1977; FNA: 610-1-3 Allgemeines Steuerrecht
|

Erster Teil Einleitende Vorschriften

Zweiter Abschnitt Steuerliche Begriffsbestimmungen

§ 3 Steuern, steuerliche Nebenleistungen



(1) Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein.

(2) Realsteuern sind die Grundsteuer und die Gewerbesteuer.

(3) 1Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind Steuern im Sinne dieses Gesetzes. 2Zollkodex der Union bezeichnet die Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1, L 287, S. 90) in der jeweils geltenden Fassung.

(4) Steuerliche Nebenleistungen sind

1.
Verzögerungsgelder nach § 146 Absatz 2c,

2.
Verspätungszuschläge nach § 152,

3.
Zuschläge nach § 162 Absatz 4 und 4a,

3a.
Mitwirkungsverzögerungsgelder nach § 200a Absatz 2 und Zuschläge zum Mitwirkungsverzögerungsgeld nach § 200a Absatz 3,

4.
Zinsen nach den §§ 233 bis 237 sowie Zinsen nach den Steuergesetzen, auf die die §§ 238 und 239 anzuwenden sind, sowie Zinsen, die über die §§ 233 bis 237 und die Steuergesetze hinaus nach dem Recht der Europäischen Union auf zu erstattende Steuern zu leisten sind,

5.
Säumniszuschläge nach § 240,

6.
Zwangsgelder nach § 329,

7.
Kosten nach den §§ 89, 89a Absatz 7 sowie den §§ 178 und 337 bis 345,

8.
Zinsen auf Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union,

9.
Verspätungsgelder nach § 22a Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes und

10.
Kosten nach § 10 Absatz 5 und § 11 Absatz 7 des Plattformen-Steuertransparenzgesetzes.

(5) 1Das Aufkommen der Zinsen auf Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union steht dem Bund zu. 2Das Aufkommen der übrigen Zinsen steht den jeweils steuerberechtigten Körperschaften zu. 3Das Aufkommen der Kosten im Sinne des § 89 steht jeweils der Körperschaft zu, deren Behörde für die Erteilung der verbindlichen Auskunft zuständig ist. 4Das Aufkommen der Kosten im Sinne des § 89a Absatz 7 steht dem Bund und dem jeweils betroffenen Land je zur Hälfte zu. 5Das Aufkommen der Kosten nach § 10 Absatz 5 und § 11 Absatz 7 des Plattformen-Steuertransparenzgesetzes steht dem Bund zu. 6Die übrigen steuerlichen Nebenleistungen fließen den verwaltenden Körperschaften zu.




§ 4 Gesetz



Gesetz ist jede Rechtsnorm.


§ 5 Ermessen



Ist die Finanzbehörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten.


§ 6 Behörden, öffentliche und nicht-öffentliche Stellen, Finanzbehörden



(1) Behörde ist jede öffentliche Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt.

(1a) Öffentliche Stellen des Bundes sind die Behörden, die Organe der Rechtspflege und andere öffentlich-rechtlich organisierte Einrichtungen des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften, der Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie deren Vereinigungen ungeachtet ihrer Rechtsform.

(1b) Öffentliche Stellen der Länder sind die Behörden, die Organe der Rechtspflege und andere öffentlich-rechtlich organisierte Einrichtungen eines Landes, einer Gemeinde, eines Gemeindeverbandes oder sonstiger der Aufsicht des Landes unterstehender juristischer Personen des öffentlichen Rechts sowie deren Vereinigungen ungeachtet ihrer Rechtsform.

(1c) 1Vereinigungen des privaten Rechts von öffentlichen Stellen des Bundes und der Länder, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen, gelten ungeachtet der Beteiligung nicht-öffentlicher Stellen als öffentliche Stellen des Bundes, wenn

1.
sie über den Bereich eines Landes hinaus tätig werden oder

2.
dem Bund die absolute Mehrheit der Anteile gehört oder die absolute Mehrheit der Stimmen zusteht.

2Anderenfalls gelten sie als öffentliche Stellen der Länder.

(1d) 1Nicht-öffentliche Stellen sind natürliche und juristische Personen, Gesellschaften und andere Personenvereinigungen des privaten Rechts, soweit sie nicht unter die Absätze 1a bis 1c fallen. 2Nimmt eine nicht-öffentliche Stelle hoheitliche Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr, ist sie insoweit öffentliche Stelle im Sinne dieses Gesetzes.

(1e) Öffentliche Stellen des Bundes oder der Länder gelten als nicht-öffentliche Stellen im Sinne dieses Gesetzes, soweit sie als öffentlich-rechtliche Unternehmen am Wettbewerb teilnehmen.

(2) Finanzbehörden im Sinne dieses Gesetzes sind die folgenden im Gesetz über die Finanzverwaltung genannten Bundes- und Landesfinanzbehörden:

1.
das Bundesministerium der Finanzen und die für die Finanzverwaltung zuständigen obersten Landesbehörden als oberste Behörden,

2.
das Bundeszentralamt für Steuern, das Informationstechnikzentrum Bund und die Generalzolldirektion als Bundesoberbehörden,

3.
Rechenzentren sowie Landesfinanzbehörden, denen durch eine Rechtsverordnung nach § 17 Absatz 2 Satz 3 Nummer 3 des Finanzverwaltungsgesetzes die landesweite Zuständigkeit für Kassengeschäfte und das Erhebungsverfahren einschließlich der Vollstreckung übertragen worden ist, als Landesoberbehörden,

4.
die Oberfinanzdirektionen als Mittelbehörden,

4a.
die nach dem Finanzverwaltungsgesetz oder nach Landesrecht an Stelle einer Oberfinanzdirektion eingerichteten Landesfinanzbehörden,

5.
die Hauptzollämter einschließlich ihrer Dienststellen, die Zollfahndungsämter, die Finanzämter und die besonderen Landesfinanzbehörden als örtliche Behörden,

6.
Familienkassen,

7.
die zentrale Stelle im Sinne des § 81 des Einkommensteuergesetzes und

8.
die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (§ 40a Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes).




§ 7 Amtsträger



Amtsträger ist, wer nach deutschem Recht

1.
Beamter oder Richter (§ 11 Abs. 1 Nr. 3 des Strafgesetzbuchs) ist,

2.
in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht oder

3.
sonst dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder bei einer sonstigen öffentlichen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen.




§ 8 Wohnsitz



Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.


§ 9 Gewöhnlicher Aufenthalt



1Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. 2Als gewöhnlicher Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes ist stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer anzusehen; kurzfristige Unterbrechungen bleiben unberücksichtigt. 3Satz 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt ausschließlich zu Besuchs-, Erholungs-, Kur- oder ähnlichen privaten Zwecken genommen wird und nicht länger als ein Jahr dauert.


§ 10 Geschäftsleitung



Geschäftsleitung ist der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung.


§ 11 Sitz



Den Sitz hat eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse an dem Ort, der durch Gesetz, Gesellschaftsvertrag, Satzung, Stiftungsgeschäft oder dergleichen bestimmt ist.


§ 12 Betriebstätte



1Betriebstätte ist jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. 2Als Betriebstätten sind insbesondere anzusehen:

1.
die Stätte der Geschäftsleitung,

2.
Zweigniederlassungen,

3.
Geschäftsstellen,

4.
Fabrikations- oder Werkstätten,

5.
Warenlager,

6.
Ein- oder Verkaufsstellen,

7.
Bergwerke, Steinbrüche oder andere stehende, örtlich fortschreitende oder schwimmende Stätten der Gewinnung von Bodenschätzen,

8.
Bauausführungen oder Montagen, auch örtlich fortschreitende oder schwimmende, wenn

a)
die einzelne Bauausführung oder Montage oder

b)
eine von mehreren zeitlich nebeneinander bestehenden Bauausführungen oder Montagen oder

c)
mehrere ohne Unterbrechung aufeinander folgende Bauausführungen oder Montagen

länger als sechs Monate dauern.


§ 13 Ständiger Vertreter



1Ständiger Vertreter ist eine Person, die nachhaltig die Geschäfte eines Unternehmens besorgt und dabei dessen Sachweisungen unterliegt. 2Ständiger Vertreter ist insbesondere eine Person, die für ein Unternehmen nachhaltig

1.
Verträge abschließt oder vermittelt oder Aufträge einholt oder

2.
einen Bestand von Gütern oder Waren unterhält und davon Auslieferungen vornimmt.


§ 14 Wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb



1Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist eine selbständige nachhaltige Tätigkeit, durch die Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht. 2Die Absicht, Gewinn zu erzielen, ist nicht erforderlich. 3Eine Vermögensverwaltung liegt in der Regel vor, wenn Vermögen genutzt, zum Beispiel Kapitalvermögen verzinslich angelegt oder unbewegliches Vermögen vermietet oder verpachtet wird.


§ 14a Personenvereinigungen



(1) Personenvereinigungen im Sinne dieses Gesetzes und der Steuergesetze sind Personenzusammenschlüsse ohne Rechtspersönlichkeit zur Verfolgung eines gesetzlich zulässigen Zwecks.

(2) Rechtsfähige Personenvereinigungen sind insbesondere

1.
Vereine ohne Rechtspersönlichkeit (§ 54 des Bürgerlichen Gesetzbuchs),

2.
rechtsfähige Personengesellschaften einschließlich Gesellschaften (§ 705 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), Personenhandelsgesellschaften, Partnerschaftsgesellschaften, Partenreedereien und Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigungen und

3.
Gemeinschaften der Wohnungseigentümer (§ 9a des Wohnungseigentumsgesetzes).

(3) Nicht rechtsfähige Personenvereinigungen sind insbesondere

1.
Bruchteilsgemeinschaften (§ 741 des Bürgerlichen Gesetzbuchs),

2.
Gütergemeinschaften (§ 1415 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) und

3.
Erbengemeinschaften (§ 2032 des Bürgerlichen Gesetzbuchs).

(4) Auf nicht rechtsfähige Gesellschaften (§ 740 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) sind die für nicht rechtsfähige Personenvereinigungen geltenden Vorschriften mit Ausnahme des § 267 Absatz 1 Satz 1 sinngemäß anzuwenden.




§ 14b Körperschaften mit Sitz im Ausland



(1) 1Ist eine Körperschaft mit Sitz (§ 11) im Ausland und Ort der Geschäftsleitung (§ 10) im Geltungsbereich dieses Gesetzes nach dem Recht des Staates, in dem sie ihren Sitz hat, rechtsfähig, sind Verwaltungsakte an sie zu richten, soweit sie nach den Steuergesetzen Steuerschuldner ist. 2Dies gilt auch dann, wenn sie nach inländischem Gesellschaftsrecht mangels Rechtsfähigkeit nicht als juristische Person zu behandeln ist.

(2) Auf Körperschaften im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 sind die für juristische Personen geltenden Regelungen der §§ 34 und 79 entsprechend anzuwenden.

(3) Für die Vollstreckung in das Vermögen einer Körperschaft im Sinne des Absatzes 1 genügt ein an sie gerichteter vollstreckbarer Verwaltungsakt.

(4) Die Anteilseigner einer Körperschaft im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 haften für die von der Körperschaft geschuldeten Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis unbeschränkt.




§ 15 Angehörige



(1) Angehörige sind:

1.
der Verlobte,

2.
der Ehegatte oder Lebenspartner,

3.
Verwandte und Verschwägerte gerader Linie,

4.
Geschwister,

5.
Kinder der Geschwister,

6.
Ehegatten oder Lebenspartner der Geschwister und Geschwister der Ehegatten oder Lebenspartner,

7.
Geschwister der Eltern,

8.
Personen, die durch ein auf längere Dauer angelegtes Pflegeverhältnis mit häuslicher Gemeinschaft wie Eltern und Kind miteinander verbunden sind (Pflegeeltern und Pflegekinder).

(2) Angehörige sind die in Absatz 1 aufgeführten Personen auch dann, wenn

1.
in den Fällen der Nummern 2, 3 und 6 die die Beziehung begründende Ehe oder Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;

2.
in den Fällen der Nummern 3 bis 7 die Verwandtschaft oder Schwägerschaft durch Annahme als Kind erloschen ist;

3.
im Fall der Nummer 8 die häusliche Gemeinschaft nicht mehr besteht, sofern die Personen weiterhin wie Eltern und Kind miteinander verbunden sind.