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Verordnung zur Durchführung des Jugendschutzgesetzes (DVO-JuSchG)

V. v. 09.09.2003 BGBl. I S. 1791; zuletzt geändert durch Artikel 1 V. v. 23.11.2022 BGBl. I S. 2066
Geltung ab 13.09.2003; FNA: 2161-6-1 Jugendschutz
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Eingangsformel



Auf Grund des § 26 des Jugendschutzgesetzes vom 23. Juli 2002 (BGBl. I S. 2730, 2003 I S. 476) verordnet die Bundesregierung:


§ 1 Sitz der Prüfstelle für jugendgefährdende Medien



Sitz der Prüfstelle für jugendgefährdende Medien ist Bonn.




§ 2 Beginn des Verfahrens



(1) 1Der Antrag auf Aufnahme eines Mediums in die Liste jugendgefährdender Medien (Liste) muss schriftlich oder elektronisch gestellt und begründet werden. 2Dem Antrag sollen bei Trägermedien mindestens ein Exemplar und bei Telemedien mindestens die technischen Zugangsdaten zu den Telemedienangeboten beigefügt werden. 3Wird der Antrag durch Telefax oder elektronisch übermittelt, so können die erforderlichen Anlagen nachgereicht werden.

(2) 1Die Anregung auf Aufnahme eines Mediums in die Liste soll schriftlich begründet werden. 2Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. 3Erfolgt die Anregung durch einen anerkannten Träger der freien Jugendhilfe, soll dieser seine Anerkennung nach § 75 des Achten Buches Sozialgesetzbuch nachweisen. 4Die Begründung sowie der Nachweis der Anerkennung können auch durch Telefax oder elektronisch übermittelt werden.




§ 3 Einheitliches Verfahren



Werden wegen desselben Mediums mehrere Anträge gestellt oder Anregungen eingereicht, so ist über sämtliche Anträge und Anregungen in einem einheitlichen Verfahren zu verhandeln und zu entscheiden.


§ 4 Beteiligte, Anregende



(1) 1Beteiligte sind in einem Verfahren:

1.
die Antragstellerin oder der Antragsteller,

2.
die Urheberin oder der Urheber und

3.
die Inhaberin oder der Inhaber der Nutzungsrechte.

2Bei Telemedien sind zusätzlich die Anbieterin oder der Anbieter Beteiligte im Sinne des Satz 1.

(2) Anregende im Sinne dieser Verordnung sind die in § 21 Absatz 4 des Jugendschutzgesetzes genannten zur Verfahrensanregung berechtigten Stellen und die zu deren Vertretung berechtigten Personen.




§ 5 Verhandlungstermin



(1) Die oder der Vorsitzende der Prüfstelle für jugendgefährdende Medien bestimmt den Verhandlungstermin.

(2) 1Die Benachrichtigung über den Verhandlungstermin muss den Beteiligten und Anregenden mindestens zwei Wochen vor der Verhandlung zugestellt werden. 2Gleichzeitig sind den Beteiligten die zur Mitwirkung bei der Entscheidung berufenen Mitglieder der Prüfstelle für jugendgefährdende Medien und deren Vertretung namhaft zu machen. 3Der Benachrichtigung der Beteiligten, die nicht Antragstellerin oder Antragsteller sind, muss eine Kopie der Antragsschrift oder der Verfahrensanregung beigefügt werden. 4Die Pflicht zur Benachrichtigung eines Beteiligten entfällt, wenn dessen ladungsfähige Anschrift auch nach zumutbarem Aufwand aus öffentlich zugänglichen Quellen nicht ermittelt werden kann.

(3) Die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz hat den Beteiligten einen Abdruck der Stellungnahme der Kommission für Jugendmedienschutz (§ 21 Absatz 6 des Jugendschutzgesetzes) zuzusenden.

(4) Die Beteiligten können auf die Benachrichtigung über den Termin und die Einhaltung der Frist verzichten.

(5) 1Die fristgemäße Benachrichtigung ist zu Beginn der Verhandlung festzustellen; Absatz 2 Satz 4 bleibt unberührt. 2Kann nicht festgestellt werden, dass die Benachrichtigung zugestellt worden ist, oder ist die Benachrichtigung nicht fristgemäß erfolgt, so ist die Verhandlung zu vertagen, wenn die Beteiligten nicht auf die Benachrichtigung oder die Einhaltung der Frist verzichtet haben.




§ 6 Ablehnung von Mitgliedern der Prüfstelle für jugendgefährdende Medien



(1) 1Ein Mitglied der Prüfstelle für jugendgefährdende Medien, das sich im Einzelfall für befangen erklärt, darf bei der Verhandlung und Entscheidung nicht mitwirken. 2Diese Erklärung soll rechtzeitig vor Beginn der Verhandlung abgegeben werden.

(2) Die Beteiligten können ein Mitglied der Prüfstelle für jugendgefährdende Medien wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Mitglieds zu rechtfertigen.

(3) 1Die Ablehnung durch eine oder einen der Beteiligten soll bei der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz schriftlich bis zum dritten Tage vor der Verhandlung vorliegen. 2Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen. 3Über den Ablehnungsantrag entscheiden die übrigen Mitglieder der Prüfstelle für jugendgefährdende Medien nach Anhörung des abgelehnten Mitglieds mit einfacher Stimmenmehrheit in dessen Abwesenheit. 4Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

(4) In den Fällen der Absätze 1 und 2 tritt an die Stelle der oder des Vorsitzenden eine zur Vertretung berechtigte Person.




§ 7 Verhandlungsgrundsätze



(1) 1Die Verhandlung ist mündlich. 2Die oder der Vorsitzende kann Zeuginnen oder Zeugen und Sachverständige zur Verhandlung heranziehen. 3Zeugnisse und Sachverständigengutachten sowie sonstige Urkunden können verlesen werden. 4Für die Entschädigung von Zeuginnen und Zeugen sowie die Vergütung von Sachverständigen gelten die Vorschriften des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes entsprechend.

(2) 1Die Verhandlung ist nicht öffentlich. 2Die Beteiligten und die Anregenden haben ein Recht auf Anwesenheit; die oder der Vorsitzende kann weiteren Personen die Anwesenheit gestatten.

(3) Beteiligte können sich durch eine schriftlich bevollmächtigte Person vertreten lassen.




§ 8 Durchführung der Verhandlung



(1) 1Die oder der Vorsitzende der Prüfstelle für jugendgefährdende Medien eröffnet, leitet und schließt die Verhandlung. 2Ihr oder ihm obliegt die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung.

(2) 1Nach Aufruf der Sache führt die oder der Vorsitzende in den Sachstand ein. 2Die Einführung kann auch von den hinzugezogenen Berichterstatterinnen oder Berichterstattern erfolgen. 3Die anwesenden Beteiligten oder die zu ihrer Vertretung jeweils berechtigte Person sowie anwesende Anregende sind anzuhören.

(3) Die Beisitzerinnen und Beisitzer sind berechtigt, Fragen an die Beteiligten zu richten.

(4) Über die Verhandlung ist eine Niederschrift zu fertigen.




§ 8a Durchführung der Sitzung des Gremiums im Wege der Bild- und Tonübertragung



(1) 1Die oder der Vorsitzende der Prüfstelle für jugendgefährdende Medien kann folgenden Personen auf deren Antrag oder von Amts wegen gestatten, sich während der Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen vorzunehmen:

1.
den Beteiligten und den zu ihrer Vertretung jeweils berechtigten Personen,

2.
den Anregenden,

3.
den Beisitzerinnen und Beisitzern sowie

4.
den in § 9 Absatz 1 Satz 1 genannten Personen.

2Ist eine solche Gestattung erfolgt, so muss es für die Verhandlung eine gleichzeitige Bild- und Tonübertragung geben zwischen

1.
dem jeweils anderen Ort, an dem sich die Person aufhält und

2.
dem Ort der Verhandlung.

(2) 1Die oder der Vorsitzende kann Zeuginnen und Zeugen und Sachverständigen auf Antrag oder von Amts wegen gestatten, sich während ihrer Vernehmung an einem anderen Ort aufzuhalten. 2Die Vernehmung wird zeitgleich im Wege der Bild- und Tonübertragung an diesen Ort und den Ort der Verhandlung übertragen. 3Ist einer Person nach Absatz 1 Satz 1 gestattet worden, sich an einem anderen Ort aufzuhalten, so wird die Vernehmung auch an diesen Ort übertragen.

(3) Die Übertragung darf nicht aufgezeichnet werden.




§ 9 Beratung, Abstimmung, Entscheidung, Zustellung



(1) 1Bei der Beratung und Abstimmung sind anwesend

1.
die zur Entscheidung berufenen Mitglieder der Prüfstelle für jugendgefährdende Medien und

2.
mit Genehmigung der oder des Vorsitzenden

a)
die hinzugezogenen Berichterstatterinnen und Berichterstatter,

b)
weitere Bedienstete der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz, die durch Protokollierung oder andere Handlungen die Erstellung der schriftlichen Entscheidung unterstützen und

c)
Personen, die der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz zur Ausbildung im höheren Dienst zugeteilt sind.

2Sie sind verpflichtet, über den Hergang bei der Beratung und Abstimmung Stillschweigen zu bewahren.

(2) 1Die Entscheidung erfolgt auf Grund der mündlichen Verhandlung durch die ordnungsgemäß besetzte Prüfstelle für jugendgefährdende Medien. 2Sie wird im Anschluss an die Beratung und Abstimmung verkündet und ist von der oder dem Vorsitzenden zu unterzeichnen. 3Die Zustellung der Entscheidung nach § 21 Absatz 8 des Jugendschutzgesetzes soll innerhalb von vier Wochen nach dem Abschluss der Verhandlung erfolgen.




§ 10 Vereinfachtes Verfahren



(1) 1Soll ein Medium im vereinfachten Verfahren in die Liste aufgenommen werden, so muss die oder der Vorsitzende der Prüfstelle für jugendgefährdende Medien die Beteiligten, die nicht Antragstellerin oder Antragsteller sind, hiervon benachrichtigen. 2Die Benachrichtigung muss der oder dem Beteiligten mindestens eine Woche vor der Entscheidung zugehen. 3Der Benachrichtigung der Beteiligten muss ein Abdruck der Antragsschrift oder der Anregung beigefügt werden. 4Auch im vereinfachten Verfahren muss die Prüfstelle den Beteiligten, die nicht Antragstellerin oder Antragsteller sind, ein Abdruck der Stellungnahme der Kommission für Jugendmedienschutz zusenden.

(2) Die Entscheidung nach § 23 des Jugendschutzgesetzes ergeht ohne mündliche Verhandlung.

(3) 1Der Antrag der Betroffenen nach § 23 Absatz 3 des Jugendschutzgesetzes ist schriftlich oder elektronisch zu begründen und hat auf die in der Entscheidung benannten Punkte der Jugendgefährdung einzugehen. 2Gleiches gilt für den Antrag auf Listenstreichung nach § 23 Absatz 4 des Jugendschutzgesetzes. 3Sind Anträge nicht ausreichend begründet, so kann die oder der Vorsitzende veranlassen, dass die Prüfstelle für jugendgefährdende Medien nicht tätig wird.

(4) § 8a gilt entsprechend.




§ 11 Belehrungspflichten



1Die oder der Vorsitzende der Prüfstelle für jugendgefährdende Medien hat die Beisitzerinnen und Beisitzer sowie Personen, denen sie oder er nach § 9 Absatz 1 Satz 1 die Anwesenheit gestattet hat, zu Beginn der ersten Sitzung, an der sie teilnehmen, über das Beratungs- und Abstimmungsgeheimnis, die Beisitzerinnen und Beisitzer außerdem über ihre Weisungsfreiheit bei ihren Entscheidungen zu belehren. 2Ferner sind die Gruppenbeisitzerinnen und -beisitzer von der oder dem Vorsitzenden auf die gewissenhafte und unparteiische Ausübung ihres Amtes zu verpflichten. 3Die Verpflichtung ist in die Niederschrift nach § 8 Absatz 4 aufzunehmen.




§ 12 Stellvertretende Mitglieder der Prüfstelle für jugendgefährdende Medien



(1) Die Reihenfolge, in der die Gruppenbeisitzerinnen und -beisitzer nach § 19 Absatz 2 des Jugendschutzgesetzes an den einzelnen Verhandlungen teilnehmen, wird von der oder dem Vorsitzenden der Prüfstelle für jugendgefährdende Medien für einen bestimmten Zeitraum im Voraus festgelegt.

(2) Für den Wechsel der Länderbeisitzerinnen und -beisitzer wird durch die Vorsitzende oder den Vorsitzenden der Prüfstelle für jugendgefährdende Medien im Einvernehmen mit den Länderbeisitzerinnen und -beisitzern für einen bestimmten Zeitraum im Voraus eine feste Reihenfolge festgelegt.

(3) Die beiden Beisitzerinnen oder Beisitzer, die bei Entscheidungen nach § 23 des Jugendschutzgesetzes mitzuwirken haben, und die zu ihrer Vertretung berechtigten Personen werden von der Prüfstelle für jugendgefährdenden Medien in der jeweiligen Verhandlungsbesetzung für einen bestimmten Zeitraum im Voraus festgestellt.

(4) 1An die Stelle verhinderter oder ausgeschiedener Beisitzerinnen und Beisitzer treten die zu ihrer Vertretung berechtigten Personen nach der Reihenfolge, die in Absatz 1 bis 3 festgelegt ist. 2An die Stelle einer oder eines verhinderten oder ausgeschiedenen Vorsitzenden tritt die zu ihrer oder seiner Vertretung berufene Person.




§ 13 Führung und Veröffentlichung der Liste



1Die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz hat den als öffentlich geführten Teil der Liste in geeigneter Weise in einer übersichtlichen Zusammenstellung zu veröffentlichen. 2Dies gilt auch für die Teile A und B der bis zum 30. April 2021 bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien geführten Liste.




§ 14 Zusammenarbeit mit der Kommission für Jugendmedienschutz



(1) Die Prüfstelle für jugendgefährdende Medien hat vor der Entscheidung über die Aufnahme eines Telemediums in die Liste nur dann keine Stellungnahme der Kommission für Jugendmedienschutz nach § 21 Absatz 6 Satz 1 des Jugendschutzgesetzes einzuholen, wenn diese hierüber bereits entschieden und die Prüfstelle für jugendgefährdende Medien benachrichtigt hat.

(2) Zur Mitteilung von Entscheidungen über die Aufnahme eines Telemediums in die Liste nach § 24 Absatz 4 des Jugendschutzgesetzes holt die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz von der Kommission für Jugendmedienschutz eine Übersicht über die anerkannten Einrichtungen der Selbstkontrolle und eine Übersicht der aus Mitteln der Länder oder der Landesmedienanstalten geförderten Internet-Beschwerdestellen ein.

(3) Zur Gewährleistung einer effektiven Zusammenarbeit informiert die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz die Kommission für Jugendmedienschutz neben Entscheidungen der Prüfstelle für jugendgefährdende Medien über die Listenaufnahme von Telemedien auch über damit zusammenhängende relevante Fragen und Ereignisse.




§ 15 Mitteilungspflichten



(1) Wird ein Trägermedium in die Liste jugendgefährdender Medien aufgenommen, die Aufnahme in die Liste jedoch nach § 24 Absatz 2a Satz 2 des Jugendschutzgesetzes nicht bekannt gemacht, so teilt die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz den obersten Landesjugendbehörden den Zeitpunkt der Zustellung der Entscheidung mit.

(2) Wird ein Telemedium in die Liste aufgenommen oder aus dieser gestrichen, so teilt die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz der Kommission für Jugendmedienschutz den Zeitpunkt der Entscheidung mit.

(3) Bei erfolgloser Zustellung soll die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz die Entscheidungen den im Bereich der Telemedien anerkannten Einrichtungen der Selbstkontrolle mitteilen.




§ 16 Inkrafttreten



1Diese Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. 2Gleichzeitig tritt die Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 2161-1-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 48 der Verordnung vom 21. September 1997 (BGBl. I S. 2390) außer Kraft.




Schlussformel



Der Bundesrat hat zugestimmt.