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Erster Abschnitt - Gesetz über das Verfahren bei Volksentscheid, Volksbegehren und Volksbefragung nach Artikel 29 Abs. 6 des Grundgesetzes (G Artikel 29 Abs. 6)

G. v. 30.07.1979 BGBl. I S. 1317 ; zuletzt geändert durch Artikel 1 V. v. 19.06.2020 BGBl. I S. 1328
Geltung ab 01.09.1979; FNA: 101-10 Hoheitsgebiet
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Erster Abschnitt Volksentscheid

§ 1 Gegenstand des Volksentscheides



Gegenstand des Volksentscheides ist das gemäß Artikel 29 Abs. 2 des Grundgesetzes beschlossene Gesetz über eine Maßnahme zur Neugliederung. Abzustimmen ist über die Frage, ob die betroffenen Länder wie bisher bestehenbleiben sollen oder ob das neue oder neu umgrenzte Land gebildet werden soll.


§ 2 Abstimmungsgebiet



Das Abstimmungsgebiet besteht aus den Ländern, aus deren Gebieten oder Gebietsteilen ein neues oder neu umgrenztes Land gebildet werden soll (betroffene Länder). Das Abstimmungsgebiet wird so untergliedert, daß

1.
jeder Gebietsteil, der eine neue Landeszugehörigkeit erhalten soll,

2.
der übrige Teil jedes betroffenen Landes

jeweils einen eigenen Abstimmungsbereich bilden.


§ 3 Bestimmung des Abstimmungstages



(1) Der Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat bestimmt den Abstimmungstag und gibt den Gegenstand des Volksentscheides, das Abstimmungsgebiet und den Abstimmungstag im Bundesgesetzblatt bekannt. Die Abstimmung findet an einem Sonntag oder einem gesetzlichen Feiertag statt.

(2) Die Regierungen der betroffenen Länder oder die von ihnen bestimmten Stellen unterrichten die zur Beteiligung am Volksentscheid aufgerufene Bevölkerung durch öffentliche Bekanntmachung über den Gegenstand des Volksentscheides, das Abstimmungsgebiet, die Abstimmungsbereiche und den Abstimmungstag.




§ 4 Stimmrecht



(1) Stimmberechtigt ist, wer am Abstimmungstag zum Bundestag wahlberechtigt ist und seit mindestens drei Monaten im Abstimmungsgebiet eine Wohnung, bei mehreren Wohnungen seine Hauptwohnung, innehat oder sich sonst gewöhnlich aufhält.

(2) Jeder Stimmberechtigte hat eine Stimme.


§ 5 Ausübung des Stimmrechts



(1) Abstimmen kann nur, wer

1.
in ein Stimmberechtigtenverzeichnis eingetragen ist oder

2.
einen Stimmschein hat.

(2) Ein Stimmberechtigter, der verhindert ist, in dem Stimmbezirk abzustimmen, in dessen Stimmberechtigtenverzeichnis er eingetragen ist, oder der aus einem von ihm nicht zu vertretenden Grund in das Stimmberechtigtenverzeichnis nicht aufgenommen worden ist, erhält auf Antrag einen Stimmschein.

(3) Der Stimmberechtigte kann nur in einer Gemeinde und nur in dem Stimmbezirk abstimmen, in dessen Stimmberechtigtenverzeichnis er eingetragen ist. Wer einen Stimmschein hat, kann an der Abstimmung

1.
durch Stimmabgabe in einem beliebigen Stimmbezirk desjenigen Abstimmungsbereichs (§ 2 Satz 2), in dem der Stimmschein ausgestellt ist,

2.
durch Briefabstimmung

teilnehmen.

(4) Der Stimmberechtigte kann sein Stimmrecht nur einmal und nur persönlich ausüben.


§ 6 Abstimmungsorgane



(1) Abstimmungsorgane sind

1.
ein Gesamtabstimmungsleiter und ein Gesamtabstimmungsausschuß für das Abstimmungsgebiet,

2.
ein Landesabstimmungsleiter und ein Landesabstimmungsausschuß für die Abstimmungsbereiche jedes betroffenen Landes,

3.
ein Kreisabstimmungsleiter und ein Kreisabstimmungsausschuß für jeden Kreis und jede kreisfreie Stadt,

4.
ein Abstimmungsvorsteher und ein Abstimmungsvorstand für jeden Stimmbezirk,

5.
ein Abstimmungsvorsteher und ein Abstimmungsvorstand für jeden Kreis und jede kreisfreie Stadt zur Feststellung des Briefabstimmungsergebnisses sowie für jeden Abstimmungsbereich, wenn das Kreisgebiet zu mehr als einem Abstimmungsbereich gehört.

Der Gesamtabstimmungsleiter und sein Stellvertreter werden vom Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat im Benehmen mit den Regierungen der betroffenen Länder ernannt. In den Gesamtabstimmungsausschuß sind neben dem Gesamtabstimmungsleiter zehn Stimmberechtigte aus den betroffenen Ländern im Verhältnis ihrer Einwohnerzahlen zu berufen, die von den Regierungen der betroffenen Länder bestimmt werden.

(2) Bei der Berufung der Beisitzer der Abstimmungsausschüsse und der Abstimmungsvorstände sind die im jeweiligen Bezirk vertretenen Parteien und solche Vereinigungen, die ein berechtigtes Interesse nachweisen, nach Möglichkeit zu berücksichtigen.




§ 7 Anwendung von Vorschriften des Bundeswahlgesetzes



Die Vorschriften des Bundeswahlgesetzes über

1.
die Einteilung der Wahlkreise in Wahlbezirke,

2.
die Öffentlichkeit der Wahlhandlung und unzulässige Wahlpropaganda,

3.
die Bildung und Tätigkeit der Wahlorgane,

4.
die Wahlehrenämter,

5.
die Aufstellung, Führung und Auslegung der Wählerverzeichnisse und Erteilung von Wahlscheinen,

6.
die Stimmzettel,

7.
die Wahrung des Wahlgeheimnisses,

8.
die Briefwahl,

9.
die Anfechtung von Entscheidungen und Maßnahmen im Wahlverfahren

sind entsprechend anzuwenden.


§ 8 Abstimmungszeit



Die Abstimmung dauert von 8 bis 18 Uhr. Der Kreisabstimmungsleiter kann im Einzelfall, wenn besondere Gründe es erfordern, die Abstimmungszeit mit einem früheren Beginn festsetzen und bis höchstens 21 Uhr ausdehnen.


§ 9 Abstimmungsgeheimnis



Die Stimmabgabe ist geheim.


§ 10 Stimmabgabe



(1) Abgestimmt wird mit amtlichen Stimmzetteln in amtlichen Umschlägen. Das Muster des Stimmzettels wird vom Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat durch Rechtsverordnung bestimmt.

(2) Der Abstimmende gibt seine Stimme in der Weise ab, daß er durch ein auf den Stimmzettel gesetztes Kreuz oder auf andere Weise eindeutig kenntlich macht, welcher der gestellten Fragen er zustimmen will.

(3) Ein Stimmberechtigter, der des Lesens unkundig oder durch körperliche Gebrechen behindert ist, den Stimmzettel zu kennzeichnen, in den Umschlag zu legen, diesen dem Abstimmungsvorsteher zu übergeben oder selbst in die Stimmurne zu legen, kann sich der Hilfe einer Person seines Vertrauens bedienen.




§ 11 Abstimmungsergebnis



(1) Nach Beendigung der Abstimmungshandlung stellt der Abstimmungsvorstand das Abstimmungsergebnis im Stimmbezirk fest.

(2) Der für die Briefabstimmung eingesetzte Abstimmungsvorstand stellt das Ergebnis der Briefabstimmung im Kreis oder in der kreisfreien Stadt oder dem Abstimmungsbereich fest.


§ 12 Ungültige Stimmen



(1) Ungültig sind Stimmen, wenn der Stimmzettel

1.
nicht in einem amtlichen Stimmumschlag abgegeben worden ist,

2.
in einem Stimmumschlag abgegeben worden ist, der offensichtlich in einer das Abstimmungsgeheimnis gefährdenden Weise von den übrigen abweicht oder einen deutlich fühlbaren Gegenstand enthält,

3.
nicht amtlich hergestellt ist oder für einen anderen Abstimmungsbereich gültig ist,

4.
keine Kennzeichnung enthält,

5.
den Willen des Abstimmenden nicht zweifelsfrei erkennen läßt,

6.
einen Zusatz oder Vorbehalt enthält.

(2) Mehrere in einem Stimmumschlag enthaltene Stimmzettel gelten als ein Stimmzettel, wenn sie gleichlauten oder nur einer von ihnen gekennzeichnet ist; sonst zählen sie als eine ungültige Stimme. Ist der Stimmumschlag leer abgegeben worden, so gilt die Stimme als ungültig.

(3) Bei der Briefabstimmung sind Stimmbriefe zurückzuweisen, wenn

1.
der Stimmbrief nicht rechtzeitig eingegangen ist,

2.
dem Stimmbriefumschlag kein oder kein gültiger Stimmschein beiliegt,

3.
dem Stimmbriefumschlag kein Stimmumschlag beigefügt ist,

4.
weder der Stimmbriefumschlag noch der Stimmumschlag verschlossen ist,

5.
der Stimmbriefumschlag mehrere Stimmumschläge, aber nicht die gleiche Anzahl gültiger und mit der vorgeschriebenen Versicherung an Eides Statt versehener Stimmscheine enthält,

6.
der Abstimmende oder die Person seines Vertrauens die vorgeschriebene Versicherung an Eides Statt zur Briefabstimmung auf dem Stimmschein nicht unterschrieben hat,

7.
kein amtlicher Stimmumschlag benutzt worden ist,

8.
ein Stimmumschlag benutzt worden ist, der offensichtlich in einer das Abstimmungsgeheimnis gefährdenden Weise von den übrigen abweicht oder einen deutlich fühlbaren Gegenstand enthält.

Die Einsender zurückgewiesener Stimmbriefe werden nicht als Abstimmende gezählt; ihre Stimmen gelten als nicht abgegeben.

(4) Die Stimme eines Abstimmenden, der an der Briefabstimmung teilgenommen hat, wird nicht dadurch ungültig, daß er vor dem oder am Abstimmungstag stirbt, aus dem Abstimmungsgebiet verzieht oder sein Stimmrecht verliert.


§ 13 Entscheidung des Abstimmungsvorstandes



Der Abstimmungsvorstand entscheidet über die Gültigkeit der abgegebenen Stimmen und über alle bei der Abstimmungshandlung und bei der Ermittlung des Abstimmungsergebnisses sich ergebenden Anstände. Der Kreisabstimmungsausschuß hat das Recht der Nachprüfung.


§ 14 Feststellung des Abstimmungsergebnisses und des Ergebnisses des Volksentscheides



(1) Die Abstimmungsvorsteher übermitteln das Abstimmungsergebnis dem Kreisabstimmungsleiter. Dieser stellt das Abstimmungsergebnis seines Kreises, sofern erforderlich, getrennt nach Abstimmungsbereichen, oder seiner kreisfreien Stadt zusammen und übermittelt es nach Feststellung durch den Kreisabstimmungsausschuß dem Landesabstimmungsleiter. Dieser stellt das Abstimmungsergebnis für jeden Abstimmungsbereich des betroffenen Landes zusammen. Der Landesabstimmungsausschuß stellt das Abstimmungsergebnis (Satz 3) fest; er ist berechtigt, rechnerische Berichtigungen an den Feststellungen der Abstimmungsvorstände und Kreisabstimmungsausschüsse vorzunehmen. Der Landesabstimmungsleiter übermittelt das Abstimmungsergebnis dem Gesamtabstimmungsleiter. Der Gesamtabstimmungsleiter stellt das Abstimmungsergebnis zusammen. Dabei sind die Zahlen der in jedem Abstimmungsbereich (§ 2 Satz 2) und der in jedem der betroffenen Länder Abstimmungsberechtigten gesondert auszuweisen. Ebenso ist mit den Zahlen der abgegebenen, der gültigen, der Stimmen für die eine und der Stimmen für die andere der zur Abstimmung gestellten Fragen zu verfahren. Sollen mehrere Gebietsteile eines betroffenen Landes ihre Landeszugehörigkeit zugunsten der Zugehörigkeit zu demselben neuen oder neu umgrenzten Land ändern, so sind auch die Summen der für diese Gebietsteile ermittelten Zahlen auszuweisen.

(2) Der Gesamtabstimmungsausschuß stellt das Abstimmungsergebnis fest; dabei ist im Falle von Absatz 1 Satz 9 das Ergebnis für alle Gebietsteile zusammengefaßt festzustellen. Der Gesamtabstimmungsausschuß stellt auch fest, ob der Volksentscheid nach Artikel 29 Abs. 3 Satz 3 und 4 zustande gekommen ist oder nicht. Der Gesamtabstimmungsleiter übermittelt das Abstimmungsergebnis und die Feststellung nach Satz 2 dem Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat.

(3) Für die Prüfung des Abstimmungsergebnisses und die Entscheidung über die Gültigkeit der Abstimmung gilt das Wahlprüfungsgesetz in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 111-2, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 24. Juni 1975 (BGBl. I S. 1593) entsprechend; abweichend von § 2 Abs. 2 kann den Einspruch jeder Stimmberechtigte, jede Gruppe von Stimmberechtigten sowie in amtlicher Eigenschaft jeder Landesabstimmungsleiter und der Gesamtabstimmungsleiter einlegen. Gegen die Entscheidung des Bundestages ist die Beschwerde an das Bundesverfassungsgericht zulässig. Die Beschwerde kann ein Stimmberechtigter, dessen Einspruch vom Bundestag verworfen worden ist, wenn ihm mindestens einhundert Stimmberechtigte beitreten, der Gesamtabstimmungsleiter oder ein Landesabstimmungsleiter binnen eines Monats seit der Beschlußfassung des Bundestages beim Bundesverfassungsgericht erheben.




§ 15 Nachabstimmung



(1) Eine Nachabstimmung findet statt, wenn die Abstimmung in einem Stimmbezirk nicht durchgeführt worden ist.

(2) Die Nachabstimmung soll spätestens drei Wochen nach dem Tag der ausgefallenen Abstimmung stattfinden. Den Tag der Nachabstimmung bestimmt der Gesamtabstimmungsleiter.

(3) Die Nachabstimmung findet auf denselben Grundlagen und nach denselben Vorschriften wie die ausgefallene Abstimmung statt.


§ 16 Wiederholung der Abstimmung



(1) Wird im Prüfungsverfahren die Abstimmung ganz oder teilweise für ungültig erklärt, so ist sie nach Maßgabe der Entscheidung zu wiederholen.

(2) Bei der zu wiederholenden Abstimmung wird, wenn seit der Hauptabstimmung noch nicht sechs Monate verflossen sind, auf Grund derselben Stimmberechtigtenverzeichnisse abgestimmt wie bei der für ungültig erklärten Abstimmung, soweit nicht die Entscheidung im Prüfungsverfahren Abweichungen vorschreibt.

(3) Die zu wiederholende Abstimmung muß spätestens sechzig Tage nach Rechtskraft der Entscheidung im Prüfungsverfahren stattfinden. Den Tag der zu wiederholenden Abstimmung bestimmt der Gesamtabstimmungsleiter.


§ 17 Veröffentlichung des Abstimmungsergebnisses



Der Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat veröffentlicht die Feststellung des Gesamtabstimmungsausschusses nach § 14 Abs. 2 Satz 2 im Bundesgesetzblatt und das Abstimmungsergebnis im Bundesanzeiger.