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Kapitel 2 - Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG)

Artikel 1 G. v. 10.12.2014 BGBl. I S. 2091 (Nr. 59); zuletzt geändert durch Artikel 10 G. v. 22.12.2023 BGBl. 2023 I Nr. 411
Geltung ab 01.01.2015, abweichend siehe Artikel 10; FNA: 660-10 Bundesbürgschaften
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Teil 6 Grenzüberschreitende Gruppenabwicklung und Beziehungen zu Drittstaaten

Kapitel 2 Grenzüberschreitende Gruppenabwicklung

Abschnitt 1 Grenzüberschreitende Entscheidungsfindung und Information; Abwicklungskollegien

§ 154 Allgemeine Grundsätze für Entscheidungsfindungen, an denen eine Behörde oder mehrere Behörden anderer Mitgliedstaaten beteiligt sind



Wenn die Abwicklungsbehörde oder andere nach diesem Gesetz zuständige Behörden Entscheidungen treffen oder Maßnahmen nach diesem Gesetz einleiten, die Auswirkungen in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten haben können, müssen sie

1.
bei der Einleitung einer Abwicklungsmaßnahme die Gebote der Wirksamkeit der Entscheidungsfindung und der geringstmöglichen Abwicklungskosten berücksichtigen;

2.
bei der Entscheidungsfindung und der Einleitung von Maßnahmen zügig und mit der jeweils gebotenen Dringlichkeit vorgehen;

3.
mit anderen deutschen Behörden sowie mit Abwicklungsbehörden, Aufsichtsbehörden und anderen Behörden aus anderen Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die Entscheidungsfindung und die Einleitung von Maßnahmen koordiniert und zügig erfolgen;

4.
die Interessen der anderen Mitgliedstaaten, in denen ein EU-Mutterunternehmen oder ein Tochterunternehmen niedergelassen ist, in angemessener Weise berücksichtigen, insbesondere die Auswirkungen einer Entscheidung oder einer Maßnahme oder eines Unterbleibens von Maßnahmen auf die Finanzstabilität, die Finanzmittel, den Abwicklungsfonds, das Einlagensicherungs- oder das Anlegerentschädigungssystem dieser Mitgliedstaaten;

5.
die Interessen der anderen Mitgliedstaaten, in denen bedeutende Zweigniederlassungen niedergelassen sind, in angemessener Weise berücksichtigen, insbesondere die Auswirkungen einer Entscheidung oder einer Maßnahme oder eines Unterbleibens von Maßnahmen auf die Finanzstabilität dieser Staaten;

6.
einen angemessenen Ausgleich der Interessen der Mitgliedstaaten beachten sowie eine Beeinträchtigung oder einen unangemessenen Schutz der Interessen bestimmter Mitgliedstaaten und eine nicht gerechtfertigte ungleiche Verteilung der Lasten auf die Mitgliedstaaten vermeiden;

7.
wenn gemäß diesem Gesetz eine Verpflichtung besteht, vor einer Entscheidung oder einer Maßnahme eine Behörde zu konsultieren, diese Behörde zumindest zu denjenigen Aspekten der vorgeschlagenen Entscheidung oder Maßnahme konsultieren, die Auswirkungen hat oder wahrscheinlich haben wird auf

a)
das betroffene EU-Mutterunternehmen, Tochterunternehmen oder die betroffene Zweigstelle, für das oder die die betroffene Behörde zuständig ist, oder

b)
die Stabilität des betroffenen Mitgliedstaats;

8.
bei der Anwendung von Abwicklungsmaßnahmen die jeweiligen Abwicklungspläne befolgen, es sei denn, die zuständigen Abwicklungsbehörden kommen nach der Bewertung der Umstände des Einzelfalls zu dem Ergebnis, dass die Abwicklungsziele wirksamer durch Maßnahmen erreicht werden können, die nicht im Abwicklungsplan vorgesehen sind;

9.
das Transparenzgebot berücksichtigen, wenn eine beabsichtigte Entscheidung oder eine beabsichtigte Maßnahme voraussichtlich Auswirkungen auf die Finanzstabilität, die Finanzmittel, den Abwicklungsfonds, das Einlagensicherungssystem oder das Anlegerentschädigungssystem eines anderen Mitgliedstaats haben wird;

10.
durch Koordinierung und Zusammenarbeit nach Möglichkeit ein Ergebnis erzielen, durch das sich die Gesamtkosten der Abwicklung verringern.




§ 155 Zuständigkeit der Abwicklungsbehörde



Die Abwicklungsbehörde ist für die Gruppenabwicklung eines Instituts oder eines übergeordneten Unternehmens zuständig, wenn die Aufsichtsbehörde die konsolidierende Aufsichtsbehörde ist, oder, sofern die Europäische Zentralbank die konsolidierende Aufsichtsbehörde ist, die Aufsichtsbehörde ohne Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 die konsolidierende Aufsichtsbehörde wäre.




§ 156 Abwicklungskollegium



(1) 1Ist die Abwicklungsbehörde für die Gruppenabwicklung eines Instituts oder übergeordneten Unternehmens zuständig, richtet sie vorbehaltlich des § 159 ein Abwicklungskollegium ein, das die in den §§ 46, 47, 49 bis 50, 58, 60 und 161 bis 166 genannten Aufgaben wahrnimmt und die Zusammenarbeit und Koordinierung mit Abwicklungsbehörden in Drittstaaten sicherstellt. 2Das Abwicklungskollegium dient

1.
dem Austausch von Informationen, die relevant sind für die Ausarbeitung eines Gruppenabwicklungsplans, für die Ausübung vorbereitender und präventiver Befugnisse in Bezug auf die Gruppe und für die Gruppenabwicklung;

2.
der Ausarbeitung eines Gruppenabwicklungsplans gemäß den §§ 46 und 47;

3.
der Bewertung der Abwicklungsfähigkeit der Gruppe gemäß § 58;

4.
der Ausübung von Befugnissen zum Abbau oder zur Beseitigung von Hindernissen für die Abwicklungsfähigkeit der Gruppe gemäß § 60;

5.
der Entscheidung über die Notwendigkeit der Ausarbeitung eines Gruppenabwicklungskonzepts gemäß den §§ 161 bis 165 oder § 166;

6.
der Einigung über ein Gruppenabwicklungskonzept, das gemäß den §§ 161 bis 165 oder § 166 vorgeschlagen wird;

7.
der Koordinierung der öffentlichen Kommunikation von Gruppenabwicklungsstrategien und -konzepten;

8.
der Koordinierung der Inanspruchnahme der jeweiligen Finanzierungsmechanismen;

9.
der Festlegung von Mindestanforderungen auf Gruppenebene und Einzelinstitutsebene gemäß den §§ 49 bis 50.

(2) 1Das Abwicklungskollegium kann auch als Diskussionsforum für alle Fragen im Zusammenhang mit der grenzüberschreitenden Gruppenabwicklung genutzt werden. 2Die Abwicklungsbehörde kann sich mit den anderen Mitgliedern eines Abwicklungskollegiums über die Sprache verständigen, in der die Zusammenarbeit erfolgen soll.

(3) 1Die Abwicklungsbehörde ist nicht verpflichtet, ein Abwicklungskollegium einzurichten, wenn bereits eine andere Gruppe oder ein anderes Kollegium die in Absatz 1 und in den §§ 157 und 158 genannten Funktionen und Aufgaben wahrnimmt und alle in Absatz 1 und in den §§ 157 und 158 festgelegten Bedingungen und Verfahren, einschließlich derjenigen betreffend die Mitgliedschaft in und die Beteiligung an Abwicklungskollegien, erfüllt und einhält. 2In diesem Fall sind sämtliche in diesem Gesetz enthaltenen Bezugnahmen auf ein Abwicklungskollegium als Bezugnahmen auf diese andere Gruppe oder dieses andere Kollegium zu verstehen.




§ 157 Mitglieder des Abwicklungskollegiums und weitere Teilnehmer



(1) Die folgenden Behörden sind stimmberechtigte Mitglieder des Abwicklungskollegiums:

1.
die Abwicklungsbehörde;

2.
die Abwicklungsbehörden der anderen Mitgliedstaaten, in denen ein der Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis unterliegendes Tochterunternehmen niedergelassen ist;

3.
die Abwicklungsbehörden der anderen Mitgliedstaaten, in denen ein Mutterunternehmen eines oder mehrerer Institute der Gruppe niedergelassen ist;

4.
die Abwicklungsbehörden der anderen Mitgliedstaaten, in denen sich bedeutende Zweigniederlassungen befinden;

5.
die Deutsche Bundesbank;

6.
die Europäische Zentralbank, sofern sie nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 zuständige Behörde für ein gruppenangehöriges Unternehmen ist;

7.
die Aufsichtsbehörde;

8.
die Aufsichtsbehörden der anderen Mitgliedstaaten, deren Abwicklungsbehörde ein Mitglied des Abwicklungskollegiums ist; ist die Aufsichtsbehörde eines Mitgliedstaats nicht die Zentralbank des Staates, so kann die Aufsichtsbehörde entscheiden, sich von einem Vertreter der Zentralbank des Mitgliedstaats begleiten zu lassen;

9.
das Bundesministerium der Finanzen;

10.
die zuständigen Ministerien in den Fällen, in denen die Abwicklungsbehörden der anderen Mitgliedstaaten, die Mitglieder des Abwicklungskollegiums sind, nicht die zuständigen Ministerien sind;

11.
die Behörde, die die Aufsicht über das Einlagensicherungssystem führt;

12.
die Behörde, die für das Einlagensicherungssystem eines Mitgliedstaats zuständig ist, wenn die Abwicklungsbehörde dieses Mitgliedstaats Mitglied eines Abwicklungskollegiums ist.

(2) 1Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde trägt dazu bei, eine effiziente, effektive und einheitliche Arbeitsweise von Abwicklungskollegien unter Beachtung internationaler Standards zu gewährleisten. 2Zu diesem Zweck ist sie als Mitglied ohne Stimmrecht zu den Sitzungen des Abwicklungskollegiums einzuladen.

(3) Die Abwicklungsbehörden der Drittstaaten, in denen ein in der Europäischen Union niedergelassenes EU-Mutterunternehmen ein Tochterunternehmen oder eine bedeutende Zweigniederlassung hat, können auf ihr Ersuchen als Beobachter zur Teilnahme am betreffenden Abwicklungskollegium eingeladen werden, sofern diese Abwicklungsbehörden Verschwiegenheitspflichten unterliegen, die nach Auffassung der Abwicklungsbehörde den in den §§ 4 bis 10 und 21 festgelegten Anforderungen vergleichbar sind.




§ 158 Organisation des Abwicklungskollegiums


§ 158 wird in 1 Vorschrift zitiert

(1) 1Die Abwicklungsbehörde führt den Vorsitz im Abwicklungskollegium. 2In dieser Eigenschaft muss sie

1.
nach Konsultation der anderen Mitglieder des Abwicklungskollegiums die Modalitäten und Verfahren für die Arbeitsweise des Abwicklungskollegiums schriftlich festlegen;

2.
sämtliche Tätigkeiten des Abwicklungskollegiums koordinieren;

3.
Sitzungen des Abwicklungskollegiums einberufen und dessen Mitglieder vorab umfassend über die Einberufung der Sitzungen, die wichtigsten Tagesordnungspunkte und die zu erörternden Fragen informieren;

4.
den Mitgliedern des Abwicklungskollegiums mitteilen, welche Sitzungen geplant sind, damit diese um Teilnahme ersuchen können;

5.
darüber entscheiden, welche Mitglieder und Beobachter zur Teilnahme an bestimmten Sitzungen des Abwicklungskollegiums eingeladen werden, wobei sie der Bedeutung der zu erörternden Frage für die betreffenden Mitglieder und Beobachter, insbesondere den möglichen Auswirkungen auf die Finanzstabilität in den betreffenden Mitgliedstaaten und Drittstaaten, Rechnung zu tragen hat;

6.
alle Mitglieder des Kollegiums rechtzeitig über die in den betreffenden Sitzungen getroffenen Entscheidungen und erzielten Ergebnisse informieren.

(2) 1Die Mitglieder des Abwicklungskollegiums müssen um Teilnahme an den Sitzungen ersuchen. 2Die Abwicklungsbehörden der anderen Mitgliedstaaten sind immer dann zur Teilnahme an Sitzungen des Abwicklungskollegiums berechtigt, wenn Angelegenheiten auf der Tagesordnung stehen, die der gemeinsamen Beschlussfassung unterliegen oder die im Zusammenhang mit einem Unternehmen der Gruppe stehen, das sich in ihrem Rechtsraum befindet.

(3) Die Mitglieder des Abwicklungskollegiums arbeiten eng zusammen.


§ 159 Europäische Abwicklungskollegien



(1) Hat ein Institut mit Sitz in einem Drittstaat oder ein Drittstaatsmutterunternehmen

1.
Tochterunternehmen, die in der Union niedergelassen sind,

2.
EU-Mutterunternehmen, die in mindestens zwei Mitgliedstaaten niedergelassen sind, oder

3.
mindestens zwei Unionszweigstellen, die von mindestens zwei Mitgliedstaaten als bedeutend eingestuft werden,

richtet die Abwicklungsbehörde mit den Abwicklungsbehörden der anderen Mitgliedstaaten, in denen diese Unternehmen niedergelassen sind oder sich diese Unionszweigstellen befinden, ein einziges europäisches Abwicklungskollegium ein.

(2) 1Das europäische Abwicklungskollegium nimmt die in § 156 genannten Funktionen und Aufgaben in Bezug auf die in Absatz 1 genannten Unternehmen und, soweit diese Aufgaben von Bedeutung sind, auch in Bezug auf die Unionszweigstellen wahr. 2Zu den Aufgaben zählt auch die Festlegung der Mindestanforderung an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten gemäß den §§ 49 bis 50. 3Bei der Festlegung der Mindestanforderung an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten berücksichtigt die Abwicklungsbehörde gegebenenfalls die von den Abwicklungsbehörden von Drittstaaten festgelegte globale Abwicklungsstrategie. 4Sind Tochterunternehmen, die in der Europäischen Union niedergelassen sind, oder ein EU-Mutterunternehmen und seine Tochterinstitute gemäß der globalen Abwicklungsstrategie keine Abwicklungseinheiten und stimmen die Mitglieder des europäischen Abwicklungskollegiums dieser Strategie zu, so haben die Tochterunternehmen, die in der Union niedergelassen sind, oder auf konsolidierter Basis das EU-Mutterunternehmen den Anforderungen des § 49f Absatz 1 zu entsprechen, indem sie die in § 49f Absatz 2 Nummer 1 und 2 genannten Instrumente an das in einem Drittstaat niedergelassene Mutterunternehmen oder ihre im selben Drittstaat wie das Mutterunternehmen niedergelassene Tochterunternehmen oder andere Unternehmen unten den Bedingungen gemäß § 49f Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a und Nummer 3 ausgeben.

(3) 1Unterstehen alle in der Union niedergelassenen Tochterunternehmen eines Instituts mit Sitz in einem Drittstaat oder Drittstaatsmutterunternehmens einem einzigen EU-Mutterunternehmen, so führt den Vorsitz des europäischen Abwicklungskollegiums die Abwicklungsbehörde des Mitgliedstaats, in dem das EU-Mutterunternehmen niedergelassen ist. 2Ist Satz 1 nicht anwendbar, führt den Vorsitz des europäischen Abwicklungskollegiums die Abwicklungsbehörde des EU-Mutterunternehmens oder des Tochterunternehmens, das insgesamt über die meisten bilanzwirksamen Vermögenswerte verfügt.

(4) 1Die Abwicklungsbehörde ist nicht verpflichtet, ein europäisches Abwicklungskollegium einzurichten, wenn bereits eine andere Gruppe oder ein anderes Kollegium die in den Absätzen 1 bis 3 und 5 genannten Funktionen und Aufgaben wahrnimmt und alle in den Absätzen 1 bis 3, 5 und in § 160 festgelegten Bedingungen erfüllt und die Verfahren einhält, einschließlich derjenigen, die die Mitgliedschaft in und die Beteiligung an europäischen Abwicklungskollegien betreffen. 2In diesem Fall sind sämtliche in diesem Gesetz enthaltenen Bezugnahmen auf ein europäisches Abwicklungskollegium als Bezugnahmen auf diese andere Gruppe oder dieses andere Kollegium zu verstehen. 3Der Verzicht der Errichtung eines europäischen Abwicklungskollegiums bedarf des Einvernehmens mit den Behörden, welche Mitglieder in dem europäischen Abwicklungskollegium wären.

(5) Vorbehaltlich der Absätze 3 und 4 gilt § 156 entsprechend.




§ 160 Informationsaustausch mit Behörden und Ministerien anderer Mitgliedstaaten



(1) 1Vorbehaltlich der §§ 4 bis 10 übermitteln die Abwicklungsbehörde und die Aufsichtsbehörde den Abwicklungsbehörden und Aufsichtsbehörden in anderen Mitgliedstaaten auf Antrag alle Informationen, die für die Wahrnehmung der diesen durch die Richtlinie 2014/59/EU übertragenen Funktionen zweckdienlich sind. 2Insbesondere stellt die Abwicklungsbehörde den Abwicklungsbehörden in anderen Mitgliedstaaten alle einschlägigen Informationen rechtzeitig zur Verfügung, um ihnen die Ausübung der in § 156 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 bis 9 genannten Aufgaben zu erleichtern. 3Ist die Abwicklungsbehörde die für die Gruppenabwicklung zuständige Behörde, koordiniert die Abwicklungsbehörde den Austausch aller relevanten Informationen zwischen den Abwicklungsbehörden.

(2) Vor der Weitergabe von Informationen, die von der Abwicklungsbehörde eines Drittstaats stammen, fragt die Abwicklungsbehörde bei der Abwicklungsbehörde des Drittstaats nach, ob diese der Weitergabe zustimmt oder nicht, sofern die Abwicklungsbehörde des Drittstaats nicht schon zuvor der Weitergabe der Information zugestimmt hat.

(3) Die Abwicklungsbehörde ist berechtigt, Informationen, die von der Abwicklungsbehörde eines Mitgliedstaats oder Drittstaats stammen, an das Bundesministerium der Finanzen weiterzugeben, wenn sich die Informationen auf eine Entscheidung oder eine Angelegenheit beziehen, die eine Mitteilung an das Bundesministerium der Finanzen erfordern oder die eine Anhörung oder die Zustimmung des Bundesministeriums der Finanzen erfordert oder die Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen haben könnte.




Abschnitt 2 Gruppenabwicklung im Fall eines Tochterunternehmens, das nicht EU-Mutterunternehmen ist

§ 161 Übermittlung von Informationen über die Abwicklungsvoraussetzungen



Gelangt die Abwicklungsbehörde zu der Einschätzung, dass ein Institut oder gruppenangehöriges Unternehmen, das Mitglied einer Gruppe ist, die Voraussetzungen des § 62 oder § 64 erfüllt, und ist dieses Institut oder gruppenangehörige Unternehmen kein EU-Mutterunternehmen, so übermittelt die Abwicklungsbehörde unverzüglich folgende Informationen an die für die Gruppenabwicklung zuständige Behörde, an die konsolidierende Aufsichtsbehörde sowie an die Mitglieder des für die betreffende Gruppe zuständigen Abwicklungskollegiums:

1.
ihre Einschätzung, dass das betreffende Institut oder gruppenangehörige Unternehmen Voraussetzungen des § 62 oder § 64 erfüllt, und

2.
Angaben zu den Abwicklungsmaßnahmen oder zu einem möglichen Insolvenzverfahren, die die Abwicklungsbehörde im Fall des betreffenden Instituts oder gruppenangehörigen Unternehmens für zweckmäßig erachtet.


§ 162 Vorgehen, wenn die Abwicklungsbehörde nicht die für die Gruppenabwicklung zuständige Behörde ist



(1) Ist die Abwicklungsbehörde nicht die für die Gruppenabwicklung zuständige Behörde, so kann sie die nach § 161 Nummer 2 mitgeteilten Abwicklungsmaßnahmen treffen oder den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des betreffenden Instituts oder gruppenangehörigen Unternehmens stellen, wenn

1.
die für die Gruppenabwicklung zuständige Behörde nach Anhörung der Abwicklungsbehörde und der übrigen Mitglieder des Abwicklungskollegiums zu der Einschätzung gelangt, dass die ihr nach § 161 Nummer 2 mitgeteilten Abwicklungsmaßnahmen oder Insolvenzmaßnahmen nicht erwarten lassen, dass die Voraussetzungen gemäß § 62 oder § 64 in Bezug auf ein Institut oder Unternehmen der Gruppe in einem anderen Mitgliedstaat erfüllt werden, oder

2.
die für die Gruppenabwicklung zuständige Behörde innerhalb von 24 Stunden oder eines vereinbarten längeren Zeitraums nach Erhalt der Mitteilung gemäß § 161 nicht zu einer Einschätzung nach Nummer 1 gelangt.

(2) 1Ist die Abwicklungsbehörde mit einem Gruppenabwicklungskonzept im Sinne des § 164, das von der für die Gruppenabwicklung zuständigen Behörde vorgeschlagen wurde, nicht einverstanden oder ist sie der Auffassung, dass sie aus Gründen der Finanzstabilität andere Abwicklungsmaßnahmen oder Maßnahmen als die in dem Gruppenabwicklungskonzept vorgeschlagenen in Bezug auf ein Institut oder ein Unternehmen im Sinne des § 161 ergreifen muss, muss sie detailliert begründen, warum sie nicht mit dem Gruppenabwicklungskonzept einverstanden ist, die für die Gruppenabwicklung zuständige Behörde und die Abwicklungsbehörden anderer Mitgliedstaaten die von dem Gruppenabwicklungskonzept erfasst sind, über die Gründe unterrichten und ihnen mitteilen, welche Maßnahmen sie ergreifen wird. 2Bei der Begründung, warum sie nicht einverstanden ist, hat sie den potentiellen Auswirkungen auf die Finanzstabilität der betreffenden Mitgliedstaaten sowie der potentiellen Wirkung der Maßnahmen auf andere Teile der Gruppe in angemessener Weise Rechnung zu tragen.


§ 163 Vorgehen, wenn die Abwicklungsbehörde die für die Gruppenabwicklung zuständige Behörde ist



(1) 1Ist die Abwicklungsbehörde die für die Gruppenabwicklung zuständige Behörde und erhält sie eine dem § 161 entsprechende Mitteilung einer Abwicklungsbehörde eines anderen Mitgliedstaats, so bewertet sie nach Anhörung der anderen Mitglieder des jeweiligen Abwicklungskollegiums die Folgen, welche die mitgeteilten Abwicklungsmaßnahmen, der beabsichtigte Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder die anderen mitgeteilten Insolvenzmaßnahmen der Abwicklungsbehörden anderer Mitgliedstaaten auf die Gruppe und auf Unternehmen der Gruppe haben könnten. 2Sie bewertet insbesondere, ob die ihr mitgeteilten Abwicklungsmaßnahmen oder Insolvenzmaßnahmen erwarten lassen, dass die Bedingungen oder Voraussetzungen für die Abwicklung in Bezug auf ein Institut oder Unternehmen der Gruppe in einem anderen Mitgliedstaat als dem Staat der mitteilenden Abwicklungsbehörde erfüllt werden.

(2) Gelangt die Abwicklungsbehörde nach Anhörung der anderen Mitglieder des Abwicklungskollegiums zu der Einschätzung, dass die ihr mitgeteilten Maßnahmen nicht erwarten lassen, dass die Voraussetzungen des § 62 oder § 64 in Bezug auf ein Institut oder Unternehmen der Gruppe in einem weiteren Mitgliedstaat erfüllt werden, teilt sie dies der mitteilenden Abwicklungsbehörde mit.

(3) 1Gelangt die Abwicklungsbehörde nach Anhörung der anderen Mitglieder des Abwicklungskollegiums zu der Einschätzung, dass die ihr mitgeteilten Abwicklungsmaßnahmen und Insolvenzmaßnahmen erwarten lassen, dass die Voraussetzungen gemäß § 62 oder § 64 in Bezug auf ein Institut oder Unternehmen der Gruppe in einem anderen Mitgliedstaat erfüllt werden, unterbreitet sie dem Abwicklungskollegium innerhalb von 24 Stunden nach Erhalt der dem § 161 entsprechenden Mitteilung einen Vorschlag für ein Gruppenabwicklungskonzept. 2Der 24-Stunden-Zeitraum kann mit Zustimmung der mitteilenden Abwicklungsbehörde verlängert werden.


§ 164 Gruppenabwicklungskonzept



(1) In einem Gruppenabwicklungskonzept

1.
sind die Abwicklungsmaßnahmen darzustellen, die durch die Abwicklungsbehörde oder die Abwicklungsbehörden der anderen Mitgliedstaaten ergriffen werden sollten, um die Abwicklungsziele zu erreichen und die Abwicklungsgrundsätze gemäß § 68 einzuhalten;

2.
ist darzulegen, wie diese Abwicklungsmaßnahmen koordiniert werden sollten;

3.
ist ein Finanzierungsplan festzulegen.

(2) Der in Absatz 1 Nummer 3 genannte Finanzierungsplan hat dem Gruppenabwicklungsplan, den Grundsätzen für die Aufteilung der Finanzierungsverantwortung im Einklang mit § 46 Absatz 3 Nummer 8 und den allgemeinen Grundsätzen der gegenseitigen Unterstützung gemäß § 12i des Restrukturierungsfondsgesetzes Rechnung zu tragen.

(3) 1Das Gruppenabwicklungskonzept ist Gegenstand einer gemeinsamen Entscheidung der Abwicklungsbehörde und der Abwicklungsbehörden der anderen Mitgliedstaaten, die für die vom Gruppenabwicklungskonzept erfassten Tochterunternehmen zuständig sind. 2Stimmen nicht alle Abwicklungsbehörden anderer Mitgliedstaaten dem Gruppenabwicklungskonzept zu, kann die Abwicklungsbehörde mit den übrigen Abwicklungsbehörden in anderen Mitgliedstaaten eine gemeinsame Entscheidung über ein Gruppenabwicklungskonzept für die ihrer Rechtshoheit unterliegenden Institute und Unternehmen der Gruppe treffen. 3Auf Anfrage einer Aufsichtsbehörde kann die Europäische Bankenaufsichtsbehörde die zuständigen Abwicklungsbehörden bei dem Erreichen einer gemeinsamen Entscheidung in Übereinstimmung mit Artikel 31 Buchstabe c der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 unterstützen.

(4) 1Wird ein Gruppenabwicklungskonzept nicht umgesetzt oder weicht eine Abwicklungsbehörde zu einem späteren Zeitpunkt von dem Gruppenabwicklungskonzept ab und trifft die Abwicklungsbehörde Abwicklungsmaßnahmen in Bezug auf ein Institut oder Unternehmen im Sinne des Absatzes 1, so hat sie mit den betreffenden Abwicklungsbehörden aus anderen Mitgliedstaaten innerhalb des Abwicklungskollegiums eng zusammenzuarbeiten, um eine koordinierte Abwicklungsstrategie für alle von einem Ausfall betroffenen oder bedrohten Institute und Unternehmen der Gruppe zu entwickeln. 2Sie hat die Mitglieder des Abwicklungskollegiums regelmäßig und umfassend über die getroffenen Abwicklungsmaßnahmen und die laufenden Fortschritte zu unterrichten.


§ 165 Unverzügliche Durchführung der Maßnahmen



Die Abwicklungsbehörde führt alle Maßnahmen gemäß den §§ 161 bis 164 unverzüglich und unter gebührender Berücksichtigung der gebotenen Dringlichkeit durch.


Abschnitt 3 Gruppenabwicklung im Fall eines EU-Mutterunternehmens

§ 166 Gruppenabwicklung im Fall eines EU-Mutterunternehmens



(1) 1Gelangt die Abwicklungsbehörde zu der Einschätzung, dass ein übergeordnetes Unternehmen, welches gleichzeitig ein EU-Mutterunternehmen ist, die Voraussetzungen des § 62 oder des § 64 erfüllt, übermittelt sie unverzüglich die in § 161 genannten Informationen zu diesem übergeordneten Unternehmen an die anderen Mitglieder des für die betreffende Gruppe zuständigen Abwicklungskollegiums. 2Die Abwicklungsmaßnahmen oder Insolvenzmaßnahmen gemäß § 161 Nummer 2 können auch die Umsetzung eines gemäß § 164 ausgearbeiteten Gruppenabwicklungskonzepts umfassen, wenn

1.
es auf Grund von gemäß § 161 Nummer 2 mitgeteilten Abwicklungsmaßnahmen oder sonstigen Maßnahmen auf Ebene des übergeordneten Unternehmens im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen des § 62 oder § 64 in Bezug auf ein Unternehmen der Gruppe in einem der anderen Mitgliedstaaten erfüllt werden;

2.
Abwicklungsmaßnahmen oder sonstige Maßnahmen auf Ebene des übergeordneten Unternehmens im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 nicht ausreichen, um die Lage zu stabilisieren oder voraussichtlich nicht zu einem zufriedenstellenden Ergebnis führen;

3.
gemäß einer Feststellung der für sie zuständigen Abwicklungsbehörden in anderen Mitgliedstaaten ein oder mehrere Tochterunternehmen die Voraussetzungen des § 62 oder § 64 erfüllen oder

4.
Abwicklungsmaßnahmen oder sonstige Maßnahmen auf Ebene des übergeordneten Unternehmens im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 für die Tochterunternehmen der Gruppe so vorteilhaft sind, dass ein Gruppenabwicklungskonzept anzuwenden ist.

(2) 1Umfassen die von der Abwicklungsbehörde gemäß Absatz 1 mitgeteilten Maßnahmen kein Gruppenabwicklungskonzept, so trifft die Abwicklungsbehörde ihre Entscheidung im Benehmen mit den Mitgliedern des Abwicklungskollegiums. 2Bei ihrer Entscheidung befolgt die Abwicklungsbehörde die jeweiligen Abwicklungspläne, wenn sie nicht nach der Bewertung der Umstände des Einzelfalls zu dem Ergebnis kommt, dass die Abwicklungsziele wirksamer durch Maßnahmen erreicht werden können, die nicht im Abwicklungsplan vorgesehen sind, und berücksichtigt die Finanzstabilität der betreffenden Mitgliedstaaten.

(3) 1Umfassen die gemäß Absatz 1 mitgeteilten Maßnahmen ein Gruppenabwicklungskonzept, so ist das Gruppenabwicklungskonzept Gegenstand einer gemeinsamen Entscheidung der Abwicklungsbehörde und der für die Tochterunternehmen, die von dem Gruppenabwicklungskonzept erfasst sind, zuständigen Abwicklungsbehörden anderer Mitgliedstaaten. 2Stimmen nicht alle Abwicklungsbehörden im Sinne des Satzes 1 dem Gruppenabwicklungskonzept zu, kann die Abwicklungsbehörde mit den übrigen Abwicklungsbehörden der anderen Mitgliedstaaten eine gemeinsame Entscheidung über ein Gruppenabwicklungskonzept für die ihrer Rechtshoheit unterliegenden Institute und Unternehmen der Gruppe treffen. 3Auf Anfrage einer Aufsichtsbehörde kann die Europäische Bankenaufsichtsbehörde die zuständigen Abwicklungsbehörden bei dem Erreichen einer gemeinsamen Entscheidung in Übereinstimmung mit Artikel 31 Buchstabe c der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 unterstützen.

(4) 1Wird ein Gruppenabwicklungskonzept nicht umgesetzt und trifft die Abwicklungsbehörde Abwicklungsmaßnahmen in Bezug auf ein Unternehmen im Sinne des Absatzes 1, so hat sie mit den Abwicklungsbehörden der anderen Mitgliedstaaten innerhalb des betreffenden Abwicklungskollegiums eng zusammenzuarbeiten, um eine koordinierte Abwicklungsstrategie für alle betroffenen Institute und Unternehmen der Gruppe zu entwickeln. 2Sie hat die Mitglieder des Abwicklungskollegiums regelmäßig und umfassend über die getroffenen Abwicklungsmaßnahmen und die laufenden Fortschritte zu unterrichten.

(5) Die Abwicklungsbehörde führt alle Maßnahmen gemäß dieser Vorschrift unverzüglich und unter gebührender Berücksichtigung der gebotenen Dringlichkeit durch.