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Kapitel 11 - Vierzehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XIV)

Artikel 1 G. v. 12.12.2019 BGBl. I S. 2652 (Nr. 50); zuletzt geändert durch Artikel 11 G. v. 22.12.2023 BGBl. 2023 I Nr. 408
Geltung ab 01.01.2024, abweichend siehe Artikel 60; FNA: 860-14 Sozialgesetzbuch
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Kapitel 11 Besondere Leistungen im Einzelfall

§ 92 Anspruch und Umfang



(1) Geschädigte erhalten Besondere Leistungen im Einzelfall, soweit und solange sie nicht oder nicht ausreichend in der Lage sind, den jeweiligen Bedarf aus ihrem Einkommen und Vermögen zu decken, und dieses Unvermögen durch die Schädigungsfolgen entstanden ist.

(2) Für den Einsatz von Einkommen und Vermögen gilt Kapitel 16.

(3) 1Ein Zusammenhang zwischen den Schädigungsfolgen und dem Unvermögen, den jeweils anzuerkennenden Bedarf aus dem eigenen Einkommen und Vermögen zu decken, wird vermutet, sofern nicht das Gegenteil offenkundig oder nachgewiesen ist. 2Der Zusammenhang ist stets anzunehmen bei minderjährigen Geschädigten sowie Geschädigten, die Entschädigungszahlungen bei einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 und einen Berufsschadensausgleich nach Kapitel 10 oder die Leistungen bei Pflegebedürftigkeit nach Kapitel 7 erhalten.

(4) Besondere Leistungen im Einzelfall sind:

1.
Leistungen zum Lebensunterhalt nach § 93,

2.
die Leistung zur Förderung einer Ausbildung nach § 94,

3.
Leistungen zur Weiterführung des Haushalts nach § 95 sowie

4.
Leistungen in sonstigen Lebenslagen nach § 96.

(5) Besondere Leistungen im Einzelfall können als Darlehen erbracht werden, wenn dies unter Berücksichtigung der Ziele der Sozialen Entschädigung nach den Umständen des Einzelfalls zur Deckung des festgestellten Bedarfs geboten erscheint und die Voraussetzungen für eine Beihilfe nicht oder nicht in voller Höhe vorliegen.

(6) 1Hinterbliebene erhalten Leistungen nach Absatz 4 Nummer 1 und 2, soweit und solange sie nicht oder nicht ausreichend in der Lage sind, den jeweiligen Bedarf aus ihrem Einkommen und Vermögen zu decken, und dieses Unvermögen durch den Tod der oder des Geschädigten entstanden ist. 2Ein Zusammenhang zwischen dem Tod der oder des Geschädigten und diesem Unvermögen wird vermutet, sofern nicht das Gegenteil offenkundig oder nachgewiesen ist. 3Der Zusammenhang ist stets anzunehmen bei Hinterbliebenen, die voll erwerbsgemindert im Sinne des Sechsten Buches sind.

(7) § 26 des Zwölften Buches gilt entsprechend.




§ 93 Leistungen zum Lebensunterhalt



(1) 1Geschädigte erhalten Leistungen zum Lebensunterhalt. 2Hinterbliebene erhalten Leistungen nach Satz 1 für einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren nach dem Tod der oder des Geschädigten. 3Die Vorschriften des Dritten und Vierten Kapitels des Zwölften Buches gelten entsprechend unter Berücksichtigung der besonderen Lage der Geschädigten und Hinterbliebenen. 4Leistungen zum Lebensunterhalt werden nur erbracht, soweit der Lebensunterhalt nicht aus den übrigen Leistungen nach diesem Gesetz bestritten werden kann.

(2) Sind für Geschädigte und Waisen Leistungen zum Lebensunterhalt während der Erbringung von Leistungen nach dem Achten Buch erforderlich, erbringt diese der Träger der Sozialen Entschädigung nach Maßgabe des Absatzes 1, soweit nicht der Träger der öffentlichen Jugendhilfe Leistungen nach § 39 des Achten Buches erbringt.

(3) 1Ansprüche nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz gehen Ansprüchen nach diesem Buch vor. 2Soweit für Geschädigte weitere Leistungen zum Lebensunterhalt während der Erbringung von Leistungen zur Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erforderlich sind, erbringt diese der Träger der Sozialen Entschädigung nach Maßgabe des Absatzes 1.

(4) Der Anspruch auf Leistungen zum Lebensunterhalt kann nicht abgetreten, übertragen, verpfändet oder gepfändet werden.




§ 94 Leistung zur Förderung einer Ausbildung



(1) Soweit bei Geschädigten und Waisen die Förderung einer Ausbildung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz als Darlehen schädigungsbedingt erfolgt, übernimmt der Träger der Sozialen Entschädigung auf Antrag die Rückzahlung des Darlehens.

(2) 1Bei Waisen wird unterstellt, dass der Bedarf schädigungsbedingt ist, wenn

1.
der Tod eines Elternteils während der Ausbildung eintritt oder

2.
die Ausbildung innerhalb von fünf Jahren nach dem Tod eines Elternteils beginnt.

2Im Fall des Satzes 1 Nummer 1 gelten die Darlehensleistungen ab dem Zeitpunkt des Todes als schädigungsbedingt.

(3) 1Der Antrag ist für nach § 17 Absatz 2 oder 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes geleistete Darlehen spätestens drei Monate nach Bekanntgabe des Bescheids des Bundesverwaltungsamtes nach § 18 Absatz 9 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes zu stellen. 2Für nach § 17 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes in der bis zum 31. Juli 2019 anzuwendenden Fassung geleistete Darlehen ist der Antrag spätestens drei Monate nach Zugang der Mitteilung der Kreditanstalt für Wiederaufbau nach § 18c Absatz 8 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes zu stellen. 3Dem Antrag ist der Bescheid nach Satz 1 beziehungsweise die Mitteilung nach Satz 2 beizufügen. 4Der Antrag kann in den Fällen des Satzes 1 bereits vor der Bekanntgabe des Bescheides und in den Fällen des Satzes 3 bereits vor dem Zugang der Mitteilung gestellt werden. 5Sofern in den Fällen des Satzes 1 der Bescheid im Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht vorliegt, ist dieser unverzüglich nach dessen Bekanntgabe nachzureichen. 6Sofern in den Fällen des Satzes 2 die Mitteilung im Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht vorliegt, ist diese unverzüglich nach ihrem Zugang nachzureichen.

(4) 1Der Träger der Sozialen Entschädigung teilt den Eingang eines Antrags nach Absatz 3 Satz 1 oder 2 für ein nach § 17 Absatz 2 oder 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes geleistetes Darlehen dem Bundesverwaltungsamt und für ein nach § 17 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes in der bis zum 31. Juli 2019 anzuwendenden Fassung geleistetes Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau zur Freistellung der antragstellenden Person von der Verpflichtung zur Darlehensrückzahlung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz unverzüglich mit. 2Zudem teilt er der in Satz 1 genannten zuständigen Stelle unverzüglich seine darauf ergangene Entscheidung mit, sobald diese unanfechtbar geworden ist. 3Die Mitteilung nach Satz 2 erfolgt bei vollständiger Ablehnung oder einer Entscheidung, die Rückzahlung des Darlehens in einer bestimmten Teilhöhe zu übernehmen, zur Beendigung der Freistellung; bei vollständiger Übernahme erfolgt sie ausschließlich für die weitere Darlehensverwaltung. 4Die Mitteilungen nach den Sätzen 1 und 2 ergehen jeweils unter Angabe des Namens der antragstellenden Person und der Amt-Förderungsnummer.

(5) 1Der Träger der Sozialen Entschädigung zahlt die von ihm zu übernehmende Darlehensschuld nach Kenntnis von der Unanfechtbarkeit des Bescheides nach Absatz 3 Satz 1 und nach Unanfechtbarkeit seiner Entscheidung über die teilweise oder vollständige Übernahme der Darlehensschuld in einer Summe an das Bundesverwaltungsamt zurück. 2§ 18 Absatz 10 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes findet keine Anwendung. 3Nach Kenntnis vom Zugang der Mitteilung nach Absatz 3 Satz 2 zahlt der Träger der Sozialen Entschädigung die von ihm zu übernehmende Darlehensschuld einschließlich der Zinsen nach § 18c Absatz 2 Satz 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes binnen drei Monaten in einer Summe an die Kreditanstalt für Wiederaufbau zurück.




§ 95 Leistungen zur Weiterführung des Haushalts



(1) 1Geschädigte mit eigenem Haushalt erhalten Leistungen zur Weiterführung des Haushalts, wenn weder sie selbst noch, falls sie mit anderen Haushaltsangehörigen zusammenleben, die anderen Haushaltsangehörigen den Haushalt führen können und die Weiterführung des Haushalts geboten ist. 2Die Leistungen sollen in der Regel nur vorübergehend erbracht werden. 3Leistungen sind unbefristet zu erbringen, wenn

1.
durch die Leistungen die Unterbringung in einer stationären Einrichtung vermieden oder aufgeschoben werden kann oder

2.
unwahrscheinlich ist, dass die fehlende Fähigkeit, den Haushalt zu führen, behoben werden kann.

(2) Die Leistungen umfassen die persönliche Betreuung von Haushaltsangehörigen sowie die sonstige zur Weiterführung des Haushalts erforderliche Tätigkeit.

(3) 1Geschädigten im Sinne des Absatzes 1 sind die angemessenen Aufwendungen für eine haushaltsführende Person zu erstatten. 2Es können auch angemessene Beihilfen geleistet sowie Beiträge der haushaltsführenden Person für eine angemessene Alterssicherung übernommen werden, wenn diese nicht anderweitig sichergestellt ist. 3Ist neben oder anstelle der Weiterführung des Haushalts die Heranziehung einer besonderen Person zur Haushaltsführung erforderlich oder eine Beratung oder zeitweilige Entlastung der haushaltsführenden Person geboten, sind die angemessenen Kosten zu übernehmen.

(4) Die Leistungen können auch durch Übernahme der angemessenen Kosten für eine vorübergehende anderweitige Unterbringung von Haushaltsangehörigen erbracht werden, wenn diese Unterbringung in besonderen Fällen neben oder statt der Weiterführung des Haushalts geboten ist.


§ 96 Leistungen in sonstigen Lebenslagen



Geschädigte können Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erhalten, wenn diese den Einsatz öffentlicher Mittel unter Berücksichtigung der Ziele der Sozialen Entschädigung rechtfertigen.


§ 97 Wunsch- und Wahlrecht



1Bei der Entscheidung über die Besonderen Leistungen im Einzelfall und bei der Ausführung dieser Leistungen wird den berechtigten Wünschen der Berechtigten entsprochen. 2Dabei sind Art und Schwere der Schädigung, Gesundheitszustand und Lebensalter besonders zu berücksichtigen. 3Im Übrigen gilt § 8 des Neunten Buches entsprechend.


§ 98 Besonderheiten der Leistungsbemessung



Art, Ausmaß und Dauer der Besonderen Leistungen im Einzelfall richten sich nach der Besonderheit des Einzelfalls sowie der Art des Bedarfes.