Bundesrecht - tagaktuell konsolidiert - alle Fassungen seit 2006
Vorschriftensuche
 

Erster Abschnitt - Wehrdisziplinarordnung (WDO)


Zweiter Teil Ahndung von Dienstvergehen durch Disziplinarmaßnahmen

Erster Abschnitt Allgemeine Bestimmungen

§ 15 Disziplinarmaßnahmen, Ermessensgrundsatz



(1) Dienstvergehen (§ 23 des Soldatengesetzes) können durch einfache Disziplinarmaßnahmen (§ 22) oder durch gerichtliche Disziplinarmaßnahmen (§ 58) geahndet werden. Die Verhängung von gerichtlichen Disziplinarmaßnahmen ist den Wehrdienstgerichten vorbehalten.

(2) Der zuständige Disziplinarvorgesetzte bestimmt nach pflichtmäßigem Ermessen, ob und wie wegen eines Dienstvergehens nach diesem Gesetz einzuschreiten ist; er hat dabei auch das gesamte dienstliche und außerdienstliche Verhalten zu berücksichtigen.


§ 16 Verhältnis der Disziplinarmaßnahmen zu Strafen und Ordnungsmaßnahmen



(1) Ist durch ein Gericht oder eine Behörde unanfechtbar eine Strafe oder Ordnungsmaßnahme verhängt worden oder kann eine Tat nach § 153a Abs. 1 Satz 5 oder Abs. 2 Satz 2 der Strafprozessordnung nach Erfüllung von Auflagen und Weisungen nicht mehr als Vergehen verfolgt werden, dürfen wegen desselben Sachverhalts

1.
einfache Disziplinarmaßnahmen mit Ausnahme des Disziplinararrests nicht verhängt werden,

2.
Disziplinararrest, Kürzung der Dienstbezüge oder Kürzung des Ruhegehalts nur verhängt werden, wenn dies zusätzlich erforderlich ist, um die militärische Ordnung aufrechtzuerhalten oder wenn durch das Fehlverhalten das Ansehen der Bundeswehr ernsthaft beeinträchtigt wurde.

(2) Bei der Verhängung von Disziplinararrest ist eine andere Freiheitsentziehung anzurechnen; die Dauer des Disziplinararrests darf zusammen mit der anderen Freiheitsentziehung drei Wochen nicht übersteigen.

(3) Wird der Soldat im Strafverfahren oder im Bußgeldverfahren freigesprochen, darf eine Disziplinarmaßnahme nur dann verhängt oder ein gerichtliches Disziplinarverfahren nur eingeleitet oder fortgesetzt werden, wenn der Sachverhalt ein Dienstvergehen enthält, ohne den Tatbestand einer Strafvorschrift oder einer Bußgeldvorschrift zu erfüllen. Vor Beginn oder Fortsetzung der Ermittlungen ist dem Soldaten mitzuteilen, welcher Sachverhalt ihm weiterhin als Pflichtverletzung vorgeworfen wird.


§ 17 Zeitablauf



(1) Disziplinarsachen sind beschleunigt zu behandeln.

(2) Sind seit einem Dienstvergehens sechs Monate verstrichen, darf eine einfache Disziplinarmaßnahme nicht mehr verhängt werden.

(3) Sind seit einem Dienstvergehen drei Jahre verstrichen, dürfen Kürzung der Dienstbezüge und Kürzung des Ruhegehalts nicht mehr verhängt werden.

(4) Sind seit einem Dienstvergehen fünf Jahre verstrichen, darf ein Beförderungsverbot nicht mehr verhängt werden.

(5) Ist vor Ablauf der Frist wegen desselben Sachverhalts ein Strafverfahren, ein Bußgeldverfahren oder ein gerichtliches Disziplinarverfahren gegen den Soldaten eingeleitet worden oder ist der Sachverhalt Gegenstand einer Beschwerde, einer militärischen Flugunfall- oder Taucherunfalluntersuchung oder eines Havarieverfahrens, ist die Frist für die Dauer dieses Verfahrens gehemmt.


§ 18 Verbot mehrfacher, Gebot einheitlicher Ahndung



(1) Ein Dienstvergehen darf nur einmal disziplinar geahndet werden. § 96 bleibt unberührt.

(2) Mehrere Pflichtverletzungen eines Soldaten oder eines früheren Soldaten, über die gleichzeitig entschieden werden kann, sind als ein Dienstvergehen zu ahnden.


§ 19 Gnadenrecht



(1) Dem Bundespräsidenten steht das Gnadenrecht hinsichtlich der nach diesem Gesetz verhängten Disziplinarmaßnahmen zu. Er übt es selbst aus oder überträgt die Ausübung anderen Stellen.

(2) Wird die Entfernung aus dem Dienstverhältnis oder die Aberkennung des Ruhegehalts im Gnadenweg aufgehoben, gilt § 52 des Soldatengesetzes entsprechend.


§ 20 Durchsuchung und Beschlagnahme



(1) 1Zur Aufklärung eines Dienstvergehens darf der Disziplinarvorgesetzte Durchsuchungen und Beschlagnahmen nur außerhalb von Wohnungen und nur auf Anordnung des Richters des zuständigen, notfalls des nächst erreichbaren Truppendienstgerichts vornehmen. 2Durchsucht werden darf nur ein Soldat, gegen den sich der Verdacht eines Dienstvergehens richtet. 3Die Durchsuchung erstreckt sich auf die Person und die Sachen des Soldaten. 4Der Beschlagnahme unterliegen alle Gegenstände, die für die Aufklärung eines Dienstvergehens von Bedeutung sein können. 5Sie darf gegenüber jedem Soldaten angeordnet werden.

(2) 1Bei Gefahr im Verzug darf der Disziplinarvorgesetzte Maßnahmen nach Absatz 1 auch ohne richterliche Anordnung treffen. 2Die richterliche Genehmigung ist unverzüglich zu beantragen. 3Der Antrag auf richterliche Zustimmung oder Genehmigung ist zu begründen. 4Die entstandenen Akten sind beizufügen. 5Die Entscheidung, mit welcher der Richter seine Zustimmung oder Bestätigung ganz oder teilweise versagt, ist zu begründen. 6Der Disziplinarvorgesetzte kann dagegen innerhalb von drei Tagen das Truppendienstgericht anrufen. 7Hierfür gelten die Sätze 3 und 4 entsprechend. 8Das Truppendienstgericht entscheidet endgültig durch Beschluss. 9Der Soldat ist vor allen Entscheidungen, welche die Bestätigung von Maßnahmen nach Absatz 1 zum Gegenstand haben, zu hören. 10Die Entscheidungen sind ihm zuzustellen.

(3) 1Für die Durchführung von Maßnahmen nach Absatz 1 gilt § 32 Abs. 2 entsprechend. 2Die Durchsuchung eines Soldaten darf nur von Personen gleichen Geschlechts oder von einem Arzt, der nicht der Truppenarzt des Soldaten sein soll, vorgenommen werden; dies gilt nicht, wenn die sofortige Durchsuchung zum Schutz vor einer Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist. 3Die Durchsicht privater Papiere des Soldaten steht nur dem Disziplinarvorgesetzten zu.

(4) 1Dem Soldaten, gegen den sich eine Maßnahme nach Absatz 1 richtet, sind die Gründe für die Maßnahme mündlich zu eröffnen, soweit der Ermittlungszweck nicht gefährdet wird. 2Ihm ist die Anwesenheit bei ihrer Durchführung zu gestatten. 3Ist der Soldat nicht unverzüglich erreichbar, ist ein Zeuge beizuziehen. 4Über die Durchsuchung und ihr wesentliches Ergebnis sowie über die Beschlagnahme ist unverzüglich eine Niederschrift anzufertigen, aus der sich, falls keine richterliche Anordnung ergangen ist, auch die Tatsachen ergeben müssen, die zur Annahme einer Gefahr im Verzug geführt haben. 5Dem Soldaten ist auf Verlangen eine Abschrift auszuhändigen.





§ 21 Vorläufige Festnahme



(1) Jeder Disziplinarvorgesetzte kann Soldaten, die seiner Disziplinarbefugnis unterstehen, wegen eines Dienstvergehens vorläufig festnehmen, wenn es die Aufrechterhaltung der Disziplin gebietet.

(2) Die gleiche Befugnis hat

1.
jeder Angehörige des militärischen Ordnungsdienstes einschließlich der militärischen Wachen gegenüber jedem Soldaten, dessen Disziplinarvorgesetzte nicht auf der Stelle erreichbar sind;

2.
a)
jeder Vorgesetzte gegenüber jedem Soldaten, dem er Befehle erteilen kann,

b)
jeder Offizier und Unteroffizier gegenüber jedem Soldaten, der im Dienstgrad unter ihm steht,

wenn der an sich zuständige Disziplinarvorgesetzte oder ein Angehöriger des militärischen Ordnungsdienstes einschließlich der militärischen Wachen nicht auf der Stelle erreichbar ist. In den Fällen des Buchstaben b wird der festnehmende Offizier oder Unteroffizier durch die Erklärung der Festnahme Vorgesetzter des Festgenommenen.

(3) Angehörige einer militärischen Wache dürfen nur von ihren Wachvorgesetzten festgenommen werden.

(4) Der Festgenommene ist auf freien Fuß zu setzen, sobald die Aufrechterhaltung der Disziplin die Festhaltung nicht mehr erforderlich macht, spätestens jedoch am Ende des Tages nach der vorläufigen Festnahme, wenn nicht zuvor wegen Verdachts einer Straftat ein Haftbefehl des Richters ergeht. An Bord von Schiffen außerhalb der Hoheitsgewässer der Bundesrepublik Deutschland darf der Festgenommene nach seiner Anhörung durch den Kommandanten und auf dessen Anordnung auch ohne richterlichen Haftbefehl über die in Satz 1 bezeichnete Frist hinaus festgehalten werden, wenn und solange er eine unmittelbare Gefahr für Menschen oder Schiff darstellt, die auf andere Weise nicht abgewendet werden kann. Bei der Anhörung ist der Festgenommene auf die Umstände hinzuweisen, welche die Annahme eines Dienstvergehens und einer Gefahr für Menschen oder Schiff rechtfertigen. Die Anhörung soll ihm Gelegenheit geben, die Verdachtsgründe zu beseitigen und die Tatsachen geltend zu machen, die zu seinen Gunsten sprechen.

(5) Der Grund der Festnahme und ihr genauer Zeitpunkt sowie der Zeitpunkt der Freilassung sind schriftlich zu vermerken. In den Fällen der Absätze 2 und 3 ist die vorläufige Festnahme unverzüglich der Dienststelle des Festgenommenen zu melden.