Bundesrecht - tagaktuell konsolidiert - alle Fassungen seit 2006
Vorschriftensuche
 

Vierter Abschnitt - Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG)

Artikel 2 G. v. 20.12.1990 BGBl. I S. 2954, 2970; zuletzt geändert durch Artikel 1 G. v. 22.12.2023 BGBl. 2023 I Nr. 413
Geltung ab 30.12.1990; FNA: 12-4 Verfassungsschutz, Nachrichtendienst
| |

Vierter Abschnitt Schlußvorschriften

§ 26b Besondere Eigensicherungsbefugnisse



(1) 1Die Eigensicherung dient dem Schutz der Beschäftigten, Einrichtungen, Gegenstände, Quellen und amtlichen Informationen des Bundesamtes für Verfassungsschutz gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten. 2Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat hierzu besondere Befugnisse nach Maßgabe der folgenden Absätze.

(2) Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf bei Personen, die seine Dienststellen, Grundstücke und sonstigen Einrichtungen (Eigensicherungsbereich) betreten oder sich dort aufhalten, und von diesen Personen mitgeführte Taschen und sonstige Gegenstände sowie von diesen Personen genutzte Fahrzeuge

1.
verdachtsunabhängig kontrollieren,

2.
durchsuchen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten vorliegen.

(3) 1Eine Kontrolle nach Absatz 2 Nummer 1 ist die oberflächliche Suche nach Gegenständen an Personen, an oder in Taschen, mitgeführten Gegenständen und Fahrzeugen auch unter Einsatz technischer Mittel, ohne dass ein Körperkontakt mit der betroffenen Person stattfindet. 2Eine Durchsuchung nach Absatz 2 Nummer 2 ist die zielgerichtete und planmäßige Suche, auch unter Einsatz technischer Mittel,

1.
am äußeren Körper der betroffenen Person,

2.
in Kleidung und Taschen der betroffenen Person,

3.
an und in Fahrzeugen einschließlich der dort befindlichen Gegenstände der betroffenen Person sowie

4.
in sonstigen Gegenständen der betroffenen Person, die zur unbefugten Verbringung von amtlichen Informationen geeignet sind.

(4) 1Gegenstände, die sich im Eigensicherungsbereich befinden, darf das Bundesamt für Verfassungsschutz sicherstellen und untersuchen, wenn

1.
tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie für eine sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeit verwendet werden oder mit solchen Tätigkeiten gewonnen worden sind, oder

2.
diese keiner bestimmten Person zuzuordnen sind und die Sicherstellung und Untersuchung zum Schutz vor einer sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeit erforderlich ist.

2Bei Geräten der Informations- und Kommunikationstechnik umfasst das Untersuchen auch das Eingreifen mit technischen Mitteln sowie das Verarbeiten der auf dem Gerät gespeicherten Informationen einschließlich personenbezogener Daten.

(5) 1Personen, die sich im Eigensicherungsbereich aufhalten, sind verpflichtet an Maßnahmen nach den Absätzen 2 und 4 mitzuwirken. 2Entziehen sich Personen Maßnahmen nach den Absätzen 2 und 4 im Eigensicherungsbereich, darf das Bundesamt für Verfassungsschutz die Maßnahmen auch noch in unmittelbarer Nähe des Eigensicherungsbereichs vornehmen.

(6) 1Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf optisch-elektronische Einrichtungen zur offenen Überwachung des Eigensicherungsbereichs nach Maßgabe einer Dienstvorschrift einsetzen. 2In der Dienstvorschrift sind die Voraussetzungen, das Verfahren und Grenzen der Maßnahme zu regeln. 3Eine Überwachung höchstpersönlich genutzter Räume ist unzulässig.

(7) Das Bundesamt für Verfassungsschutz kann eine nach § 21h Absatz 3 Nummer 4 der Luftverkehrs-Ordnung unzulässige Benutzung des Luftraums seines Eigensicherungsbereichs durch unbemannte Fluggeräte durch geeignete technische Mittel gegen das unbemannte Fluggerät, dessen Steuerungseinheit oder Steuerungsverbindung aufklären und abwehren.

(8) Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf die besonderen Mittel nach den §§ 8a, 8d und 9 Absatz 1 und 4 sowie den §§ 9a und 9b unter den dort genannten Voraussetzungen auch einsetzen, soweit dies auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte im Einzelfall erforderlich ist zur Aufklärung von sicherheitsgefährdenden Tätigkeiten

1.
seiner Beschäftigten oder

2.
von Personen, die vom Bundesamt für Verfassungsschutz beauftragt sind

a)
im Eigensicherungsbereich tätig zu sein oder

b)
sonstige sicherheitsempfindliche Tätigkeiten wahrzunehmen.

(9) 1Bei der Durchführung von Maßnahmen nach den Absätzen 2 sowie 4 bis 8 hat das Bundesamt für Verfassungsschutz unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen diejenigen zu treffen, die den Einzelnen am wenigsten beeinträchtigen. 2Eine Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht.




§ 26c Verfahren; Kernbereichsschutz



(1) 1Maßnahmen nach § 26b Absatz 2 Nummer 2 und Absatz 4 bedürfen der Anordnung der für die Eigensicherung zuständigen Abteilungsleitung oder einer von ihr bestimmten Vertretung. 2Maßnahmen nach § 26b Absatz 6 bedürfen der Anordnung der Amtsleitung oder einer von ihr bestimmten Vertretung.

(2) 1Ist eine Anordnung nach Absatz 1 Satz 1 auf Grund besonderer Eilbedürftigkeit nicht rechtzeitig zu erlangen, kann die Maßnahme auch ohne vorherige Anordnung durchgeführt werden, wenn ansonsten der Zweck der Maßnahme vereitelt oder wesentlich erschwert würde. 2Bei Geräten der Informations- und Kommunikationstechnik darf in diesem Fall lediglich das Gerät sichergestellt werden. 3Die Anordnung ist unverzüglich nachzuholen. 4Wird die Anordnung nach Absatz 1 Satz 1 nicht nachgeholt, so hat das Bundesamt für Verfassungsschutz unverzüglich bereits erhobene Daten zu löschen und sichergestellte Gegenstände an die betroffene Person herauszugeben.

(3) 1Sichergestellte Gegenstände sind unverzüglich an die betroffene Person herauszugeben, sobald der Zweck der Eigensicherung entfällt. 2Satz 1 gilt nicht, wenn die Gegenstände zur Einleitung oder Durchführung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens an die Strafverfolgungsbehörden weitergegeben werden müssen.

(4) 1Bei Maßnahmen nach § 26b Absatz 2 Nummer 2 hat die betroffene Person das Recht, anwesend zu sein. 2Über eine Durchsuchung nach § 26b Absatz 2 Nummer 2 oder eine Sicherstellung nach § 26b Absatz 4 Satz 1 ist auf Verlangen eine Bescheinigung über die Maßnahme und den Grund der Maßnahme zu erteilen. 3Maßnahmen nach § 26b Absatz 4, die in Abwesenheit der betroffenen Person durchgeführt worden sind, sind ihr schriftlich mitzuteilen, wenn hierdurch nicht der Zweck der Maßnahme gefährdet wird.

(5) 1Bei der Untersuchung von Geräten der Informations- und Kommunikationstechnik, die nicht ausschließlich zur dienstlichen Nutzung überlassen wurden, ist sicherzustellen, dass an dem Gerät nur Veränderungen vorgenommen werden, die für die Datenverarbeitung unerlässlich sind. 2Vorgenommene Veränderungen sind bei Beendigung der Maßnahme, soweit technisch möglich, rückgängig zu machen. 3Sichergestellte Telekommunikationsendgeräte sind abweichend von Absatz 3 Satz 1 unabhängig von dem Abschluss der Maßnahmen nach § 26b Absatz 4 an die betroffene Person spätestens nach zwei Wochen herauszugeben. 4Macht die betroffene Person in den Fällen des Satzes 3 Gründe glaubhaft, nach denen für sie eine Aufrechterhaltung der Sicherstellung nicht zumutbar ist, so ist das mobile Endgerät innerhalb von 48 Stunden nach Darlegung der Gründe an die betroffene Person zurückzugeben. 5Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf vor der Rückgabe ein Abbild der auf dem Gerät gespeicherten Informationen einschließlich personenbezogener Daten zur Datensicherung erzeugen.

(6) 1Die Datenerhebung zum Zweck der Erlangung von Erkenntnissen über den Kernbereich privater Lebensgestaltung ist unzulässig. 2Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf Erkenntnisse, die den Kernbereich privater Lebensgestaltung berühren, nicht verarbeiten, weitergeben oder in anderer Weise nutzen. 3Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat, soweit möglich, technisch oder auf sonstige Weise sicherzustellen, dass Erkenntnisse, die den Kernbereich privater Lebensgestaltung berühren, nicht erlangt werden. 4Soweit Erkenntnisse erlangt wurden, die den Kernbereich privater Lebensgestaltung betreffen, sind diese Daten unverzüglich zu löschen. 5Die Tatsache ihrer Erlangung und Löschung ist zu dokumentieren. 6Die Dokumentation darf ausschließlich für Zwecke der Datenschutzkontrolle verwendet werden. 7Sie ist nach Ablauf von sechs Monaten zu löschen.

(7) 1Das Bundesamt für Verfassungsschutz kann zur Durchsetzung von Maßnahmen gegenüber Personen, die nach § 26b Absatz 5 mitwirkungspflichtig sind, folgende Mittel anwenden:

1.
unmittelbare Einwirkung auf die betroffene Person oder Gegenstände (körperliche Gewalt) oder Hilfsmittel der körperlichen Gewalt; eine Fesselung der betroffenen Person ist nur dann zulässig, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie die mit der Durchsetzung der Maßnahme beauftragten Personen oder Dritte angreifen, Widerstand leisten oder sich der Kontrolle entziehen wird,

2.
unmittelbare Einwirkung auf Gegenstände mittels körperlicher Gewalt oder durch Hilfsmittel der körperlichen Gewalt.

2Mittel nach Satz 1 dürfen nur durch besonders qualifizierte und geschulte Personen angewandt werden, die durch die Behördenleitung des Bundesamtes für Verfassungsschutz hierzu besonders ermächtigt wurden. 3Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes) und Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt.

(8) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Maßnahmen nach § 26b haben keine aufschiebende Wirkung.




§ 27 Anwendung des Bundesdatenschutzgesetzes



Bei der Erfüllung der Aufgaben nach § 3 durch das Bundesamt für Verfassungsschutz findet das Bundesdatenschutzgesetz wie folgt Anwendung:

1.
§ 1 Absatz 8, die §§ 4, 16 Absatz 1 und 4 und die §§ 17 bis 21 sowie § 85 finden keine Anwendung,

2.
die §§ 46, 51 Absatz 1 bis 4 und die §§ 52 bis 54, 62, 64, 83, 84 sind entsprechend anzuwenden.




§ 28 Unabhängige Datenschutzkontrolle



(1) Jedermann kann sich an die Bundesbeauftragte oder den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit wenden, wenn er der Ansicht ist, bei der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten durch das Bundesamt für Verfassungsschutz in seinen Rechten verletzt worden zu sein.

(2) 1Die oder der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit kontrolliert beim Bundesamt für Verfassungsschutz die Einhaltung der Vorschriften über den Datenschutz. 2Soweit die Einhaltung von Vorschriften der Kontrolle durch die G 10-Kommission unterliegt, unterliegt sie nicht der Kontrolle durch die Bundesbeauftragte oder den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, es sei denn, die G 10-Kommission ersucht die Bundesbeauftragte oder den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, die Einhaltung der Vorschriften über den Datenschutz bei bestimmten Vorgängen oder in bestimmten Bereichen zu kontrollieren und ausschließlich ihr darüber zu berichten.

(3) 1Das Bundesamt für Verfassungsschutz ist verpflichtet, die Bundesbeauftragte oder den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit und ihre oder seine schriftlich besonders Beauftragten bei der Erfüllung ihrer oder seiner Aufgaben zu unterstützen. 2Den in Satz 1 genannten Personen ist dabei insbesondere

1.
Auskunft zu ihren Fragen sowie Einsicht in alle Unterlagen, insbesondere in die gespeicherten Daten und in die Datenverarbeitungsprogramme, zu gewähren, die im Zusammenhang mit der Kontrolle nach Absatz 2 stehen,

2.
jederzeit Zutritt in alle Diensträume zu gewähren.

3Dies gilt nicht, soweit das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat im Einzelfall feststellt, dass die Auskunft oder Einsicht die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährden würde.

(4) 1Die Absätze 1 bis 3 gelten ohne Beschränkung auf die Erfüllung der Aufgaben nach § 3. 2Sie gelten entsprechend für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch andere Stellen, wenn diese der Erfüllung der Aufgaben von Verfassungsschutzbehörden nach § 3 dient. 3§ 16 Absatz 1 und 4 des Bundesdatenschutzgesetzes findet keine Anwendung.




§ 29 Einschränkung von Grundrechten



Die Grundrechte der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 des Grundgesetzes), des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) werden nach Maßgabe dieses Gesetzes eingeschränkt.