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Gesetz zur Sicherung der Energieversorgung (Energiesicherungsgesetz - EnSiG)

G. v. 20.12.1974 BGBl. I S. 3681; zuletzt geändert durch Artikel 1 G. v. 23.06.2023 BGBl. 2023 I Nr. 167
Geltung ab 01.01.1975; FNA: 754-3 Energieversorgung
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Kapitel 1 Maßnahmen zur Sicherung der Energieversorgung im Krisenfall

§ 1 Sicherung der Energieversorgung; Verordnungsermächtigung



(1) 1Um die Deckung des lebenswichtigen Bedarfs an Energie für den Fall zu sichern, daß die Energieversorgung unmittelbar gefährdet oder gestört und die Gefährdung oder Störung der Energieversorgung durch marktgerechte Maßnahmen nicht, nicht rechtzeitig oder nur mit unverhältnismäßigen Mitteln zu beheben ist, können durch Rechtsverordnung Vorschriften erlassen werden über

1.
die Produktion, den Transport, die Lagerung, die Bevorratung, die Verteilung, die Abgabe, den Bezug, die Verwendung, die Einsparung, die Reduzierung des Verbrauchs sowie Höchstpreise von Erdöl und Erdölerzeugnissen, von sonstigen festen, flüssigen und gasförmigen Energieträgern, von elektrischer Energie und sonstigen Energien (Gütern),

2.
Buchführungs-, Nachweis- und Meldepflichten über die in Nummer 1 genannten wirtschaftlichen Vorgänge, über Mengen und Preise sowie über sonstige Marktverhältnisse bei diesen Gütern,

3.
die Herstellung, die Instandhaltung, die Abgabe, die Verbringung und die Verwendung von Produktionsmitteln der gewerblichen Wirtschaft, soweit diese Produktionsmittel der Versorgung mit elektrischer Energie und Erdgas dienen, sowie über Werkleistungen von Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft zur Instandhaltung, Instandsetzung, Herstellung und Veränderung von Bauwerken und technischen Anlagen, die der Versorgung mit elektrischer Energie und Erdgas dienen,

4.
die Errichtung, den Einsatz und den Betrieb digitaler Plattformen durch die Verwaltungsbehörde oder durch Dritte für die Vorbereitung und Umsetzung von Maßnahmen nach den Nummern 1 bis 3; soweit Dritte aufgrund ihrer Funktion zur Errichtung, zum Einsatz oder zum Betrieb einer digitalen Plattform verpflichtet werden, sind insbesondere Regelungen zu den Rechten und Pflichten des Betreibers, zu den Registrierungs- und Mitwirkungspflichten von Teilnehmern der Plattform sowie zur Ausgestaltung der Kosten und Entgelte des Betriebs und der Teilnahme vorzusehen,

5.
befristete Abweichungen oder Ausnahmen für den Betrieb von Anlagen, soweit diese zwingend erforderlich sind, um die Deckung des lebenswichtigen Bedarfs an Energie zu sichern, oder für den Betrieb sonstiger Anlagen, insbesondere, um diesen zu ermöglichen, den Einsatzbrennstoff zu wechseln, damit dieser für die Sicherstellung der Energieversorgung zur Verfügung gestellt werden kann, von

a)
den §§ 5 und 22 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Mai 2013 (BGBl. I S. 1274; 2021 I S. 123), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 24. September 2021 (BGBl. I S. 4458) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, in Verbindung mit

b)
den auf das Bundes-Immissionsschutzgesetz gestützten folgenden Vorschriften:

aa)
Verordnung über Großfeuerungs-, Gasturbinen- und Verbrennungsmotoranlagen vom 6. Juli 2021 (BGBl. I S. 2514) in der jeweils geltenden Fassung,

bb)
Verordnung über die Verbrennung und die Mitverbrennung von Abfällen vom 2. Mai 2013 (BGBl. I S. 1021, 1044, 3754), die durch Artikel 2 der Verordnung vom 6. Juli 2021 (BGBl. I S. 2514) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung,

cc)
Verordnung über mittelgroße Feuerungs-, Gasturbinen- und Verbrennungsmotoranlagen vom 13. Juni 2019 (BGBl. I S. 804), die durch Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung vom 6. Juli 2021 (BGBl. I S. 2514) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung,

dd)
Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm vom 26. August 1998 (GMBl S. 503) in der jeweils geltenden Fassung,

ee)
Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft vom 18. August 2021 (GMBl S. 1050) in der jeweils geltenden Fassung, sowie

c)
den Regelungen des Abschnitts 3 des Kapitels 5 des Bundesnaturschutzgesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 18. August 2021 (BGBl. I S. 3908) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, die den Betrieb von Windenergieanlagen betreffen,

d)
folgenden Verordnungen:

aa)
der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen vom 18. April 2017 (BGBl. I S. 905), die durch Artikel 256 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, sowie den darauf gestützten Technischen Regeln für wassergefährdende Stoffe,

bb)
der Rohrfernleitungsverordnung vom 27. September 2002 (BGBl. I S. 3777, 3809), die zuletzt durch Artikel 224 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, und

6.
befristete Abweichungen oder Ausnahmen für die Errichtung, den Betrieb und die Änderung von Anlagen, soweit diese Abweichungen oder Ausnahmen zwingend erforderlich sind, um die Deckung des lebenswichtigen Bedarfs an Energie zu sichern, oder von sonstigen Anlagen, insbesondere, um diesen zu ermöglichen, den Einsatzbrennstoff zu wechseln, damit dieser für die Sicherstellung der Energieversorgung zur Verfügung gestellt werden kann, nach Abschnitt 3 der Betriebssicherheitsverordnung vom 3. Februar 2015 (BGBl. I S. 49), die zuletzt durch Artikel 7 des Gesetzes vom 27. Juli 2021 (BGBl. I S. 3146) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung.

2Als lebenswichtig gilt auch der Bedarf zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben sowie europäischer und internationaler Verpflichtungen.

(2) Absatz 1 ist auch anzuwenden, soweit die Güter für nichtenergetische Zwecke bestimmt sind.

(3) In Rechtsverordnungen nach Absatz 1 kann insbesondere vorgesehen werden, daß die Abgabe, der Bezug oder die Verwendung der Güter zeitlich, örtlich oder mengenmäßig beschränkt oder nur für bestimmte vordringliche Versorgungszwecke vorgenommen werden darf; die Benutzung von Motorfahrzeugen aller Art kann nach Ort, Zeit, Strecke, Geschwindigkeit und Benutzerkreis sowie Erforderlichkeit der Benutzung eingeschränkt werden.

(4) 1Die Rechtsverordnungen sind auf daß Maß zu beschränken, das zur Behebung der Gefährdung oder Störung der Energieversorgung unbedingt erforderlich ist. 2Sie sind insbesondere so zu gestalten, daß in die Freiheit des einzelnen und der wirtschaftlichen Betätigung so wenig wie möglich eingegriffen und die Leistungsfähigkeit der Gesamtwirtschaft möglichst wenig beeinträchtigt wird.




§ 2 Internationale Verpflichtungen



(1) 1Soweit es zur Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Übereinkommen vom 18. November 1974 über ein Internationales Energieprogramm erforderlich ist, können für Erdöl und Erdölerzeugnisse durch Rechtsverordnung Vorschriften über die Beschränkung der Einfuhren, die Verpflichtung zu Ausfuhren und die Abgabe sowie Vorschriften des im § 1 Abs. 3 genannten Inhalts erlassen werden. 2Rechtsverordnungen nach Satz 1 können erst erlassen werden, wenn das Bundesgesetz in Kraft getreten ist, durch welches die gesetzgebenden Körperschaften nach Artikel 59 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes dem genannten Übereinkommen ihre Zustimmung erteilt haben, und wenn die Erfüllung der Verpflichtungen durch marktgerechte Maßnahmen nicht, nicht rechtzeitig oder nur mit unverhältnismäßigen Mitteln zu erreichen ist. 3§ 1 Abs. 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(2) Rechtsverordnungen, nach denen Einfuhren von Erdöl und Erdölerzeugnissen aus Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften beschränkt werden können oder zu Ausfuhren und Abgabe in diese Staaten verpflichtet werden kann, können nur erlassen werden, wenn die Bundesrepublik Deutschland hierzu gemeinschaftsrechtlich ermächtigt ist.

(3) Rechtsverordnungen nach § 1 können auch erlassen werden, wenn die Energieversorgung durch die Beschränkung der Einfuhren oder die Verpflichtung zu Ausfuhren von Erdöl und Erdölerzeugnissen gefährdet oder gestört wird.


§ 2a Europäische Verpflichtungen; Verordnungsermächtigung



(1) Zur Erfüllung der Verpflichtung zu Solidaritätsmaßnahmen nach Artikel 13 der Verordnung (EU) 2017/1938 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2017 über Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Gasversorgung und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 994/2010 (ABl. L 280 vom 28.10.2017, S. 1), die durch die Delegierte Verordnung (EU) 2022/517 (ABl. L 104 vom 1.4.2022, S. 53) geändert worden ist, können durch Rechtsverordnung Vorschriften mit den in § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 5 sowie § 1 Absatz 3 genannten Inhalten erlassen werden.

(2) 1Ersucht die Bundesrepublik Deutschland bei direkten Nachbarstaaten oder bei Mitgliedstaaten der Europäischen Union, mit denen die Bundesrepublik Deutschland im Sinne von Artikel 13 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2017/1938 über ein Drittland verbunden ist, um die Anwendung von marktbasierten oder nicht marktbasierten Solidaritätsmaßnahmen im Sinne von Artikel 13 Absatz 4 der Verordnung (EU) 2017/1938, beschafft der Marktgebietsverantwortliche im Sinne von § 3 Nummer 26a des Energiewirtschaftsgesetzes im Auftrag der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen und im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und auf Rechnung des Bundes Gasmengen, die für die Versorgung der durch Solidarität geschützten Kunden in Deutschland notwendig sind, bei den zuständigen Stellen der direkten Nachbarstaaten oder der Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Sinne von Artikel 13 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2017/1938 oder unterstützt der Marktgebietsverantwortliche diese Beschaffung und stellt den Transport dieser Gasmengen sicher. 2Das Bundesministerium der Finanzen ist zu beteiligen.




§ 2b Digitale Plattform für Erdgas; Verordnungsermächtigung



(1) 1Der Marktgebietsverantwortliche errichtet und betreibt zur Vorbereitung und Umsetzung von Maßnahmen, der aufgrund von § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 und § 2a Absatz 1 erlassenen Regelungen eine digitale Plattform für Erdgas und kann in diesem Zusammenhang erforderliche Handlungen vornehmen. 2Er wirkt vor Errichtung und bei Betrieb der Plattform an der Erhebung und Auswertung von Auskünften nach § 10 Absatz 1 mit.

(2) In Bezug auf eine digitale Plattform für Erdgas nach Absatz 1 können durch Rechtsverordnung die folgenden Pflichten vorgesehen werden:

1.
Registrierungs-, Buchführungs-, Nachweis- und Meldepflichten,

2.
die Pflicht zur Angabe von Kontaktdaten einschließlich der Pflicht zur Erreichbarkeit in Notfällen sowie

3.
die Pflicht zur Übermittlung der für die Umsetzung von Maßnahmen nach diesen Rechtsverordnungen erforderlichen Daten, wie zum Beispiel Daten über Unternehmen, Gasmengen, Preise, Identifikationsparameter sowie über sonstige Marktverhältnisse.




§ 3 Erlaß von Rechtsverordnungen



(1) 1Rechtsverordnungen nach den §§ 1, 2, 2a Absatz 1 und § 2b Absatz 2 erläßt die Bundesregierung. 2Sie kann diese Befugnis durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates auf das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz sowie in Bezug auf die leitungsgebundene Versorgung mit Elektrizität und Erdgas auf die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen übertragen, wenn die Energieversorgung im Sinne des § 1 Abs. 1 gefährdet oder gestört ist. 3Rechtsverordnungen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, die der Zollverwaltung Aufgaben übertragen, werden im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen erlassen.

(2) 1Rechtsverordnungen, die nach Eintritt einer Gefährdung oder Störung der Energieversorgung im Sinne des § 1 Abs. 1 erlassen werden und deren Geltungsdauer sich auf nicht mehr als sechs Monate erstreckt, bedürfen nicht der Zustimmung des Bundesrates. 2Ihre Geltungsdauer darf nur mit Zustimmung des Bundesrates verlängert werden.

(3) 1Werden Rechtsverordnungen nach § 1 erlassen, bevor die Energieversorgung im Sinne des § 1 Abs. 1 oder des § 2 Abs. 3 gefährdet oder gestört ist, so ist ihre Anwendung von der Feststellung der Bundesregierung abhängig zu machen, daß eine solche Gefährdung oder Störung eingetreten ist. 2Die Feststellung erfolgt durch Rechtsverordnung der Bundesregierung ohne Zustimmung des Bundesrates. 3Die Bundesregierung kann die Befugnis nach Satz 2 in Bezug auf die leitungsgebundene Versorgung mit Elektrizität und Erdgas durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates auf die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen übertragen. 4Satz 1 gilt nicht für Rechtsverordnungen über

1.
Meldepflichten über getätigte oder beabsichtigte Einfuhren und Ausfuhren sowie über Produktion, Transport, Lagerung und Abgabe,

2.
Buchführungs-, Nachweis- und Meldepflichten zur Vorbereitung der Ausführung von Rechtsverordnungen nach § 1 Abs. 3,

3.
die Errichtung, den Betrieb und die Nutzung einer digitalen Plattform nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 oder für Rechtsverordnungen nach § 2b Absatz 2

bei Erdöl, Erdölerzeugnissen, elektrischer Energie und Erdgas.

(3a) 1Die Rechtsverordnung nach Absatz 3 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 ist nach ihrer Verkündung dem Bundestag mitzuteilen. 2Die Rechtsverordnung ist unverzüglich aufzuheben, wenn es der Bundestag innerhalb von zwei Monaten nach der Mitteilung verlangt.

(4) 1Die Anwendung der Rechtsverordnungen kann, auch solange die Energieversorgung im Sinne des § 1 Abs. 1 und des § 2 Abs. 3 gefährdet oder gestört ist, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates ausgesetzt und wieder hergestellt werden. 2Der Lauf der in Absatz 2 Satz 1 festgelegten Frist wird durch eine Aussetzung der Anwendung nicht unterbrochen. 3Die Rechtsverordnungen nach § 1 sind unverzüglich aufzuheben oder außer Anwendung zu setzen, wenn keine Gefährdung oder Störung der Energieversorgung im Sinne des § 1 Abs. 1 und des § 2 Abs. 3 mehr vorliegt oder wenn Bundestag und Bundesrat dies verlangen.

(5) 1Rechtsverordnungen nach § 2 Abs. 1 dürfen erst angewendet werden, wenn dies zur Erfüllung der dort genannten Verpflichtungen erforderlich ist. 2Sie sind unverzüglich aufzuheben oder außer Anwendung zu setzen, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht mehr vorliegen.

(6) 1Rechtsverordnungen nach § 2a Absatz 1 dürfen erst angewendet werden, wenn:

1.
die Anwendung dieser Rechtsverordnungen zur Erfüllung der Verpflichtung zu Solidaritätsmaßnahmen nach Artikel 13 der Verordnung (EU) 2017/1938 als letztes Mittel erforderlich ist,

2.
das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz mitgeteilt hat, dass ein Fall nach Nummer 1 eingetreten ist, und dies in geeigneter Form veröffentlicht worden ist sowie

3.
die Erfüllung der Verpflichtung zu Solidaritätsmaßnahmen durch marktgerechte Maßnahmen nicht, nicht rechtzeitig oder nur mit unverhältnismäßigen Mitteln zu erreichen ist.

2§ 1 Absatz 4 Satz 2 und § 3 Absatz 3 Satz 4 gelten entsprechend.